Protocol of the Session on December 11, 2020

Insofern sage ich nur: Alle haben eine besondere Verantwortung, aber man muss genau darauf achten, dass man gemeinsam handelt. Ein Alleingang des Landes bei einem Lockdown kommt nicht infrage. Es gibt eine enge Verwobenheit mit Hamburg. Es macht wenig Sinn, Läden zu schließen, und dann fahren alle nach Hamburg zum Einkaufen. Das ist für Schleswig-Holstein nicht besonders sinnvoll.

(Eka von Kalben)

Es ist auch eine Frage der Rechtssicherheit. Bei vielen Gerichtsurteilen haben wir gesehen: Die Ungleichbehandlung gerade im Bereich der Wirtschaft ist schwer zu begründen, wenn es nicht in irgendeiner logischen Form geschieht.

Eines ist völlig klar: Es wird in den nächsten Monaten angesichts der Ferienzeit keine bessere Gelegenheit für einen Lockdown geben. Es wird keine Zeit geben, in der die Begleiterscheinungen so gering sind wie in den kommenden Wochen. Wenn man sich dafür entscheidet, sollte man es so machen, dass es möglichst viel bringt. Nicht nur viele Experten, die Kommunen in Schleswig-Holstein und die Verbände, sondern auch viele Bürgerinnen und Bürger unterstützen uns darin.

Wir alle haben sicherlich in den letzten Tagen aus dem privaten Bereich sehr viele Nachrichten von Bürgern bekommen, die uns geschrieben haben: Wartet, wenn ihr es macht, nicht zu lange, und macht es konsequent, damit es sich am Ende auszahlt!

Als Liberale sind wir bei solchen drastischen staatlichen Maßnahmen naturgemäß erst einmal zurückhaltender und skeptischer als alle anderen. Das ist der Grund, warum es uns gibt, um das einmal so deutlich zu sagen. Wir haben uns deswegen gegründet.

(Beifall FDP)

Aber in dieser Krise kommt uns deshalb auch eine besondere Rolle zu. Ich möchte es an dieser Stelle noch einmal sagen und sage es öffentlich: Lieber Heiner Garg, du bist Parteivorsitzender und ein sehr engagierter und kompetenter Gesundheitsminister, auf den wir stolz sein können. Das gilt übrigens auch für deinen Staatssekretär, Matthias Badenhop. Es ist für uns beide mitunter nicht so leicht, dass wir auch zu sehr unchristlichen Zeiten einen intensiven Austausch haben.

(Heiterkeit Minister Dr. Heiner Garg)

Das ist aber so. Und ich muss sagen: Wenn das Ergebnis stimmt - das ist das Entscheidende -, dann passt es auch.

(Beifall FDP und Wolfgang Baasch [SPD])

Es sind immer Abwägungen: Die Frage nach milderen Mitteln muss in unserem Staat die erste Frage sein. Die Verhältnismäßigkeit muss immer gewahrt bleiben. Das generelle Coronamanagement muss immer wieder nachgesteuert werden. Wir haben in dieser Woche mehrere Debatten dazu gehabt, zum

Thema Schulbusse, zum Thema Corona-App, damit sie wirklich etwas bringt.

Der Schutz von Alten- und Pflegeheimen ist das beste Beispiel für eine schwierige Abwägung. Wir wollen gerade jetzt zur Weihnachtszeit keine Einsamkeit von alten Menschen. Wir wollen sie aber eben auch nicht gefährden. Deswegen machen wir diese ganze Veranstaltung, und deswegen müssen wir immer wieder an den Stellschrauben drehen, beispielsweise bei der Teststrategie, bei der Verteilung von FFP2-Masken und so weiter. Insofern sind wir verantwortungsbewusst, staatstragend sowieso und vor allem rational. Deshalb ist der Rat von Wissenschaftlern für uns auch sehr wichtig.

„Die Wissenschaft“ gibt es wahrscheinlich genauso wenig wie „die Politik“. Aber hier ist man sich doch bei den meisten Fragen auch in der Wissenschaft ziemlich einig. Deswegen müssen wir faktenbasiert handeln. Generell sollten wir in der Politik stärker auf die Wissenschaft hören und uns nicht nur auf die Wissenschaft berufen, wenn es gerade an irgendeinem Punkt in unsere Agenda passt. Wir sollten generell auf die Wissenschaft hören und faktenbasiert handeln.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU, Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD] und Aminata Touré [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es gibt das Recht auf Leben, es gibt das Recht auf Bildung, auf Freizügigkeit, Berufs- und Gewerbefreiheit und so weiter. Aber auch die Juristen haben uns sehr deutlich gesagt: Das Recht auf Leben ist in einer solch schwierigen Phase besonders hervorzuheben. Das leitet uns.

Der Lockdown light - auch das gehört zur Wahrheit dazu - hat nicht den gewünschten Effekt gebracht. Auch dort muss man sehen, wenn man sich die Zahlen der Bundesländer in den letzten Wochen und zwei oder drei Monaten ansieht: Im Norden und auch teilweise im Westen sind die Zahlen ein bisschen besser geworden, im Süden und Osten sieht man, dass die Zahlen trotzdem weiter gestiegen sind. Woran liegt das? - Aus meiner Sicht ist die Antwort relativ klar, und das ist auch in der jetzigen Phase wichtig: Dort, wo die Zahlen ein gewisses Niveau erreicht haben, ist es unheimlich schwierig, wenn man nicht hart gegensteuert. Das ist am heutigen Tage die wichtige Erkenntnis.

Die konkreten Maßnahmen, die wir als politisch Verantwortliche beschließen, sind in unserer Demokratie und unserem Rechtsstaat immer nur die eine Seite der Medaille. Das andere ist das konkrete Verhalten von uns allen als soziale Wesen, die wir nun

(Christopher Vogt)

einmal sind. Da hat jeder Einzelne Verantwortung. Wir müssen uns ehrlich machen: Ohne die Einsicht und Rücksichtnahme der großen Mehrheit der Bevölkerung wird es auch mit diesem Lockdown nicht klappen, bis etwa Mitte Januar das Infektionsgeschehen spürbar herunterzubringen. Deshalb müssen wir tatsächlich die Kontakte, so gut es geht, reduzieren und dafür werben, dass die Menschen diesen Maßnahmen folgen. Wenn das nicht passiert, dann bringt das in der Form nichts.

(Beifall FDP, Beate Raudies [SPD], Dr. Ralf Stegner [SPD] und Aminata Touré [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir machen jetzt sehr strenge Kontaktregeln, aber auch das ist meiner Meinung Fraktion wichtig gewesen: Natürlich wird sich die Kernfamilie an Weihnachten in irgendeiner Form treffen. Das muss man auch ermöglichen, damit man dort die Menschen nicht noch mehr unter Druck bringt. Das muss man ermöglichen, aber eben verantwortlich.

Der Lockdown hat natürlich erhebliche Nebenwirkungen, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sozial und psychologisch. Da möchte ich einmal das Thema der Familien mit Kindern in den Blick nehmen, gerade mit Kleinkindern. Ich habe nun auch zwei kleine Kinder. Für diese kleinen Kinder sind das natürlich sehr prägende Jahre. Die Zeit seit März - bald ist ein Jahr rum - ist natürlich für ein Kind in einem Alter von drei oder vier Jahren eine enorme Zeitspanne. Man muss sich immer wieder vor Augen führen, was es auch für die Kinder bedeutet.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Im Übrigen finde ich es immer interessant, dass sich kleine Kinder, auch die, die sehr lebendig sind - ich kann da aus eigener Erfahrung sprechen -, an diese Regeln besonders gut halten. Das finde ich immer erstaunlich.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Spannende Beobachtung!

Wir müssen an die Familien mit Kindern denken, gerade an diejenigen, die nicht so privilegiert sind. Da möchte ich ein Beispiel nennen, wo wir aus meiner Sicht im Frühjahr einen Fehler gemacht haben. Das ist beim Thema Spielplätze. Wir haben einen Garten mit Klettergerüst, da können die Kinder hin. Andere Familien haben das nicht, die sind auf öffentliche Spielplätze angewiesen. Diese werden

wir nicht wieder absperren, um ein Beispiel zu nennen.

(Beifall FDP, CDU, SPD, SSW und verein- zelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Über Kitas und Schulen und dass die Kitas grundsätzlich offenbleiben, wurde schon gesprochen. Man muss es aber auch nicht in Anspruch nehmen, wenn man gerade jetzt die Ferienzeit hat. Wir haben die Schulen, wo wir in der Tat reagieren müssen. Allerdings brauchen - die Kollegin von Kalben hat es schon gesagt - die Schulen einen Vorlauf. Auch jetzt wird es wieder sehr schwierig und sehr eng.

Das touristische Betretungsverbot, was mit Hamburg ein besonderes Thema war, lassen wir. Wir wollen eng mit Hamburg zusammenarbeiten.

Thema Zweitwohnung: Das ist das Eigentum der Menschen. Ob die da sind oder in ihrem Erstwohnsitz, ist relativ egal.

(Beifall Jörg Hansen [FDP], Kay Richert [FDP], Serpil Midyatli [SPD] und Dr. Ralf Stegner [SPD])

Keine Ausgangssperren in Schleswig-Holstein - das ist aus meiner Sicht ein ganz wichtiger Punkt. Auch da müssen wir deutlich machen: Das ist eher ein Placebo, das wir dort teilweise verabreichen.

(Serpil Midyatli [SPD]: Wo willst du denn ab neun noch hin?)

Abschließend möchte ich sagen, auch mit Blick auf den Einzelhandel und so weiter: Wir müssen jetzt Panikkäufe verhindern. Das ist sehr schwierig. Aber die Wirtschaft braucht eben auch die Sicherheit, dass die Wirtschaftshilfen schnell kommen - ohne großes Gezeter und ohne große Diskussionen. Diese Botschaft muss heute sehr klar sein.

(Beifall FDP, Johannes Callsen [CDU] und Lars Harms [SSW])

Abschließend möchte ich noch sagen: Wir sind solidarisch vor allem mit der älteren Generation. Aber wir müssen schauen, wenn es im Frühjahr wieder besser wird, auch die Jüngeren wieder stärker in den Blick zu nehmen, solidarisch zu sein und die Themen Bildung und Wettbewerbsfähigkeit zu diskutieren. Auch die Jungen brauchen das Signal: Auch euch haben wir ganz stark im Blick. Auch das sollten wir heute deutlich machen.

(Beifall FDP, Johannes Callsen [CDU] und Dr. Ralf Stegner [SPD])

Mein letzter Satz: Wir sollten sehr schnell eine Ministerpräsidentenkonferenz durchführen, klare,

(Christopher Vogt)

schnelle Beschlüsse fassen und klare Kommunikation betreiben. Nicht wieder alles zerreden, sondern klar entscheiden und klar kommunizieren, dann kommen wir - so glaube ich - auch gut durch den Winter. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU, SPD, SSW und verein- zelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Abgeordneten des SSW hat der Vorsitzende Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Manchmal geht es wirklich schneller, als man denkt. Ich kann mich noch erinnern - es ist auch erst zwei Tage her -, da habe ich hier gestanden und gesagt: nicht jede Sau sofort wieder durchs Dorf treiben. Wir sollten vielleicht einmal an Beschlüssen festhalten, die wir für fünf, sechs oder sieben oder acht Tagen getroffen haben. - Heute zwei Tage später - stehen wir hier, weil wir merken, dass so langsam, aber sicher eine Katastrophe auf uns zukommt. Da müssen wir eben die Hacken zusammenschlagen und schauen, wie wir das irgendwie hinbekommen können.

Ich finde es - das sei gleich im Vorwege gesagt sehr gut, dass wir es wieder hinbekommen haben, miteinander zu kommunizieren und die Maßnahmen auch miteinander abzustimmen. Dafür auch herzlichen Dank an alle, die hier in irgendeiner Art und Weise an diesen Sachen beteiligt waren.

(Beifall SSW, CDU, Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])

Meine Damen und Herren, ich habe den Einstieg so gewählt, weil ich vermute, dass es sein könnte, dass es hier Menschen gibt, die diese Pandemie mit einer normalen Grippe vergleichen werden. Zumindest bekomme ich solche Mails. Ich bin dann immer wieder erstaunt. Was mich immer wundert, ist, dass manchmal durchaus normale Menschen dahinterstehen. Da frage ich mich: Verdammt, wie kann das angehen? Wenn du einigermaßen klar denkend bist, müsstest du doch eigentlich wissen, was das bedeutet.

Deswegen möchte ich einen kleinen Vergleich ziehen: Bei der Grippe wird immer gesagt, es seien im Schnitt 15.000 Menschen, die in irgendeiner Art und Weise in Verbindung mit einer normalen Grippewelle ums Leben kommen. In den Höchstzeiten