Protocol of the Session on November 20, 2020

Wer das vonseiten der SPD als grüne Spielwiesen kritisiert und verunglimpft, der hat überhaupt nicht verstanden, worum es bei dieser Förderpolitik geht.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Unabhängig von der Wirtschaftlichkeit würde eine Fotovoltaik-Pflicht auf Wohngebäuden auf jeden Fall zu höheren Baukosten führen. Bezahlbare Mieten und der Wunsch nach einem Eigenheim würden damit in immer weitere Ferne rücken.

Aber auch klimaschutzpolitisch würde die Gefahr eines falschen Anreizes bestehen. Wenn energetische Dachsanierungen unterlassen blieben, um die Fotovoltaik-Pflicht nicht ausüben zu müssen, dann wäre das nicht im Sinne des Klimaschutzes.

Zu guter Letzt würde eine Fotovoltaik-Pflicht bei Neubauten auch die Technologieoffenheit einer regenerativen Wärmeversorgung gefährden; denn das würde im Zweifelsfall zulasten von Biomasse und Erdwärme gehen, auch das kann klimapolitisch nicht gewollt sein.

Entscheidend ist am Ende aber vor allen Dingen, dass es einer Fotovoltaik-Pflicht auf Wohngebäuden

auch gar nicht bedarf. Mit den zuvor genannten Maßnahmen schließen wir die seit 2017 entstandenen Lücken bei der Erzeugung erneuerbarer Energien.

Während die SPD in ihrer eigenen Regierungsverantwortung zu wenig gemacht hat, schießt sie jetzt mit ihren Forderungen über das Ziel hinaus. Beides ist nicht sinnvoll, Jamaika findet auch hier den besseren Weg.

(Beifall CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, mein Dank gilt deshalb an dieser Stelle unserem Energiewendeminister Jan Philipp Albrecht und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seines Hauses für den vorliegenden Bericht. Gemeinsam werden wir uns nun auf den Weg machen, diesen Bericht auch in Gesetzesform umzusetzen und das schon im nächsten Jahr. Dann haben wir auch ein Energiewende- und Klimaschutzgesetz, das seinen Namen wirklich verdient. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, FDP und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Oppositionsführer Dr. Ralf Stegner.

(Ein Mitarbeiter desinfiziert das Rednerpult)

- Vielen Dank auch an Sie.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hier in Schleswig-Holstein wurde die Energiewende erfunden, weil kluge Menschen schon früh erkannt haben, dass wir von der gefährlichen Atomkraft und den fossilen Energien wegmüssen.

Gerade in dieser Woche habe ich einen „Spiegel“Artikel von 1991 in die Hände bekommen, in dem der damalige Energieminister des Landes, mein erster Chef, Günther Jansen, den Argumenten der lauter werdenden Windkraftskeptiker entgegentrat. Sein Kernargument war damals so aktuell wie heute: Die Nutzung der Windenergie trägt dazu bei, den Treibhauseffekt zu mildern und den bedrohlichen Anstieg des Meeresspiegels zu verhindern. Daran hat sich nichts geändert.

Wir konnten in Schleswig-Holstein viel erreichen. Der gewaltige Ausbau der erneuerbaren Energien, hunderte Millionen € für die Forschung, wesentliche Impulse für das im Jahr 2000 verabschiedete Erneuerbare-Energien-Gesetz bis hin zum Energie

(Tobias Koch)

wende- und Klimagesetz, das wir in der Küstenkoalition 2017 auf den Weg gebracht haben. Das war ein Meilenstein für verbindliche Ziele in der Energiewende und Klimaschutzpolitik, und die Evaluierung ist der Anlass für den heutigen Bericht.

Übrigens, Herr Kollege Koch, es ist ein schlechter Scherz zu sagen, unser Gesetz war nicht gut genug, um Sie am Handeln zu hindern. Ich muss ganz ehrlich sagen, Sie lesen zwar Paragrafen, aber Sie verstehen nicht deren Inhalt.

(Beifall SPD)

Wenn man heute noch einmal nachliest, wie weit der Erkenntnisgewinn von mittlerweile 30 Jahren gewesen ist, frage ich mich ganz persönlich, ob wir mit dem Erreichten angesichts der historischen Aufgabe, den Klimawandel zu bekämpfen, wirklich zufrieden sein können und ob manche Diskussion im Klein-Klein der Größe der Herausforderung wirklich gerecht wird.

Das Thema mag durch Corona in den Hintergrund getreten sein, an Dramatik hat es aber nichts verloren. Der Kampf gegen den Klimawandel wird historisch wohl die wichtigste Herausforderung sein, vor der meine Generation steht.

Der Druck, den uns die jüngere Generation mit Fridays for Future und andere machen, ist mehr als nötig, und er wirkt sogar inzwischen auf Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen.

Ich will selbstkritisch hinzufügen, dass wir auf viele Fragen noch keine Antworten haben und auch Widersprüche zwischen Naturschutz, Energiewende und anderen Themen teilweise nicht beherzt genug aufgreifen.

Allerdings gibt es schon Unterschiede hier im Haus. Schleswig-Holstein war bis ins Jahr 2017 Musterschüler bei Energiewende und Klimaschutz. Das hat sich mit Jamaika dramatisch geändert. Unser Land ist auf dem besten Weg, die eigenen Klimaschutzziele krachend zu verfehlen, und das ist keineswegs Oppositionsrhetorik, Herr Minister Albrecht, sondern das ist die knappe Zusammenfassung Ihrer eigenen Energiewendeberichte.

(Beifall SPD)

Die Klimaschutzziele sind mit den Maßnahmen, über die wir reden, nicht mehr zu erreichen. Klimaschutz ist natürlich auch Naturschutz, ist Kampf gegen das Artensterben, ist die Verkehrswende, ist Gebäude- und Wärmepolitik, ist Energiesparen, ist Innovation, aber eben auch Energieerzeugung. Das ist ein hausgemachtes Problem. Zwischen 2017 und

Juni 2020 wurden netto genau 21 Windkraftanlagen errichtet. 2019 wurden sogar mehr Anlagen ab- als aufgebaut. Die installierte Leistung ging das erste Mal in der Geschichte des Landes zurück. Nun sind in den letzten Wochen zwar die Genehmigungen wieder gestiegen, das stimmt, aber die Windbranche stellt zu Recht fest, dass hier von einer guten Bilanz keine Rede sein kann. Jamaika wird es nicht schaffen, die gesetzlich festgelegte Menge an erneuerbarem Strom bis zum Jahr 2025 zu erreichen. Dafür tragen Sie, Herr Ministerpräsident Günther, die Hauptverantwortung, weil Sie im Landtagswahlkampf mit unhaltbaren Versprechungen angetreten sind und den Menschen Angst vor der Windkraft gemacht haben. Das war unverantwortlich, und das rächt sich jetzt, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD)

Sie verfehlen aber auch den Anteil der erneuerbaren Energien an der Wärmeerzeugung, und die Reduktion der Treibhausgase bleibt ebenfalls hinter den selbstgesteckten Zielen zurück. Selbst wenn einem der Kampf gegen den Klimawandel kein dringendes Anliegen sein sollte, oder wer das sogar leugnet, wie die Rechtsradikalen hier im Haus oder der scheidende US-Präsident - - Ich freue mich, dass Joe Biden angekündigt hat, dass die USA wieder zum Klimaschutzabkommen zurückkehren, das sollte uns alle freuen.

(Beifall SPD, Dennys Bornhöft [FDP] und Christian Dirschauer [SSW])

Aber ich verstehe nicht, wie man nicht erkennt, was das Verschlafen der Energiewende für SchleswigHolstein bedeutet.

Wir können es uns schon ökonomisch schlichtweg nicht leisten, die großen Potenziale und Wertschöpfungschancen der Energiewende liegen zu lassen, nur weil die Regierung nicht in die Puschen kommt. Es ist noch ärgerlicher, wenn Sie rumschnacken, anstatt anzupacken, weil Sie nicht nur Zukunftschancen verspielen, sondern auch Strukturen kaputtmachen, die hier mühsam aufgebaut worden sind. Das wirft unser Land zurück. Auch bei der technischen Innovation von der Speicherung über die Wasserstofftechnik bis zu dezentralen Spin-offs oder dem Leitungsbau gibt es mehr PR als erkennbare Substanz mit Arbeitsplatzzugewinnen, die wir uns alle wünschen.

(Beifall SPD)

Nichts in dem vorliegenden Bericht, Herr Minister, ist falsch, aber im Ergebnis ist das, was Sie vorle

(Dr. Ralf Stegner)

gen, ambitionslos, dürftig und ohne jede Spur von Innovation wie vieles beim Thema Energiewende und Klimaschutz.

(Beifall SPD)

In einem Arbeitszeugnis würde wahrscheinlich stehen: War stets bemüht, den Anforderungen gerecht zu werden. Aber Sie wissen, „stets bemüht“ ist nicht genug.

Sie sind angetreten, um Ökonomie und Ökologie zu versöhnen. Davon findet sich nun wirklich nichts in Ihrer Leistungsbilanz. Offengestanden, Sie lassen sich anscheinend gern mit jedem Lastenfahrrad im Zuge Ihres Hase- und Igel-Wettbewerbs mit Herrn Buchholz fotografieren, und natürlich gibt es Menschen, die sich freuen, wenn das Land einen Teil ihrer Rechnungen übernimmt - mutmaßlich übrigens keine Geringverdiener, aber es sei Ihnen gegönnt. In der Sache allerdings ist ein solches Sammelsurium-Programm in seiner Wirkung, was den Klimaschutz betrifft, verschwindend gering.

(Beifall SPD)

Sie freuen sich über die Überzeichnung dieser Programme, und Sie fahren die Energiewende gegen die Wand. Das hilft dem Klima nicht. Dass sich Jamaika fast nie einig ist, haben wir gestern bei dem Disput zwischen den beiden Herren Minister Albrecht und Buchholz, was den Strukturwandel angeht, bemerkt. Es besteht also wenig Einigkeit.

Eine Ausnahme gibt es aber. Sie sind sich immer sofort einig, wenn Sie sagen, wer schuld ist, es ist nämlich immer der Bund, wobei die CDU geflissentlich übersieht, dass sie im Bund mitregiert. Bei der Energiewende werden Sie nicht müde, die Verantwortung der Bundesregierung zu betonen. Natürlich ist das eine gesamtstaatliche Aufgabe. Meine Partei freut sich über jede Unterstützung bei guter Klimaschutzpolitik. Herr Altmaier ist übrigens nicht in der SPD, wenn ich das einmal erwähnen darf. Ich frage mich aber schon, wo wir geblieben wären, wenn sich die Vorgängerregierung in ähnlicher Weise vor ihrer Verantwortung gedrückt hätte.

(Zuruf Tobias Koch [CDU])

Es war ja nicht so, dass uns die Regierung Kohl unterstützt hätte, als wir damals die Energiewende vorangetrieben haben, übrigens Ihre Partei auch nicht, Herr Koch. Sie haben immer kritisiert und gesagt: „Die Lichter gehen aus!“, wenn wir die erneuerbaren Energien gefördert haben. Wir haben in der sozialdemokratisch geführten Regierung gezeigt, wie der Klimawandel in Schleswig-Holstein

mit den erneuerbaren Energien bekämpft werden kann.

(Beifall SPD)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Vogt?

Sehr gern.

Vielen Dank. Herr Dr. Stegner, der Tagesordnungspunkt heißt ja Bericht zum EWKG. Kommen Sie noch zu diesem Bericht und zu den Positionen der SPD oder schaffen Sie das nicht mehr bis zum Ende Ihrer Redezeit?