Protocol of the Session on October 11, 2017

Ja. - Sie sehen, meine Damen und Herren, wir haben uns schon jetzt viele Gedanken gemacht. Wir freuen uns auf die Arbeit im Zukunftslabor. Wir werden das alles engagiert miteinander und mit Fachleuten diskutieren. Darauf freuen wir uns. Danke.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Wort hat nun für die FDP-Fraktion der Kollege Dennys Bornhöft.

(Birte Pauls [SPD]: Vielleicht solltet ihr noch einen Arbeitskreis einrichten!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag greift eines der spannendsten Themenfelder in unserem Koalitionsvertrag auf - spannend, weil es um wichtige Themen wie Arbeitsleben und soziale Absicherung im Wandel von Digitalisierung, Demografie und weiteren großen destruktiven Elementen geht. Vor allem die Digitalisierung darf nicht primär als Risi

ko gesehen werden. Sie bietet aus Sicht der FDP und der Jamaika-Koalition Chancen, unser Leben mit einem Mehr an Freiheit und Selbstverantwortung zu gestalten.

(Beifall Kay Richert [FDP] und Christopher Vogt [FDP])

Das Berufsleben unterliegt starken Veränderungen. Berufszweige, die es seit vielen Jahrzehnten gibt, wird es gegebenenfalls in zehn Jahren in dieser Anzahl so nicht mehr geben. Ein offensichtliches Beispiel ist das autonome Fahren, was Speditionen, Lkw und den ÖPNV betrifft. Autonome Busse werden mittelfristig eher im Verkehrsbild zu sehen sein als autonom fahrende Fischkutter. Der Job des Linienbusfahrers gerät vermutlich eher auf die Liste der bedrohten Arten als der des Berufsfischers im Land zwischen den Meeren. - Schade, dass der Fischereiminister gerade nicht da ist.

Neben den Berufsfeldern befindet sich ebenso die Altersvorsorge im Wandel. Das Modell, 40 Jahre ununterbrochen in der gleichen Branche oder im gleichen Betrieb zu arbeiten und dann pro Rentner sieben Beitragszahler zu haben, ist nicht mehr zu halten. Der Vorsorgeatlas - gestern veröffentlicht besagt, dass meine Generation, also diejenigen, die jetzt 25 bis 30 Jahre alt sind, voraussichtlich noch 38,6 % des Bruttoeinkommens als Basis für ihren gesetzlichen Rentenversicherungsanspruch haben werden. Das ist nicht wirklich viel. Das ist zumindest das, was gestern dazu veröffentlicht wurde. Das ist keine generationengerechte, geschweige denn „enkelfitte“ Altersvorsorge.

Für Reformen gibt es von verschiedensten Denkrichtungen Modelle volkswirtschaftlicher oder auch philosophischer Natur. Der Begriff Grundeinkommen, insbesondere wenn er verkürzt oder überspitzt als Bedingungsloses Grundeinkommen tituliert wird, sorgte in der überregionalen Berichterstattung bereits für großes Aufsehen. Eine bundesweite Debatte, wie soziale Sicherung in Zeiten des digitalen Wandelns gestaltet sein muss, haben wir damit bereits angestoßen.

Neben der bevorstehenden Zeitenwende in der Arbeitswelt und den immer dringender werdenden Fragen der sozialen Sicherungssysteme in Deutschland sollte es aber auch eine Debatte über den Aufbau und Ablauf unseres Verwaltungshandelns geben. Es gibt weiter über 100 verschiedene soziale Transferleistungen in Deutschland, die von über 40 verschiedenen Stellen verwaltet, also geprüft und auch beschieden werden. Das heißt, es wird auch enorm viel Geld dafür aufgewandt, dass Geld für

(Katja Rathje-Hoffmann)

die Bürgerinnen und Bürger überhaupt zahlbar gemacht werden kann. Bei Zuschüssen zu warmen Mittagessen für Kinder kann es schon einmal vorkommen, dass die dahinter liegenden Verwaltungskosten fiskalisch die jeweilige finanzielle Unterstützung übersteigen.

(Zuruf Beate Raudies [SPD])

- Das ist auf jeden Fall ein Problem. - Ich selbst habe elf Jahre in der öffentlichen Verwaltung gearbeitet und kenne die Beharrungskräfte, die es hier und da gibt, um an einem seit jeher bestehenden System festhalten zu können. Dennoch muss die Debatte auch hier geöffnet werden, um zu sehen, ob man nicht mit annähernd gleichem Geldeinsatz einen größeren Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger schaffen kann. Mit dem Zukunftslabor wollen wir erreichen, dass Instrumente zur Arbeitsmarktsteuerung und sozialen Absicherung im Zuge des digitalen Wandelns neu gedacht und in einem breiten Dialog, unter anderem mit Arbeitsmarktexperten und Gewerkschaften, entwickelt werden. Das ist definitiv kein Outsourcen des Landtags, sondern Einbeziehung von Experten. Ich finde es sehr spannend, das als „Outsourcen“ zu bezeichnen, wenn uns ansonsten hier und da in der Politik eine Dialogkultur vorgeworfen wird, die das nicht tut. Wir bringen etwas neue Dynamik in die gesellschaftliche Debatte ein.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Dann kriegt man ein Fleißkärtchen, wenn man das hier ver- wendet!)

- Ja, danke. Ich sammle die Kärtchen gern ein. Sie können mir das gern geben. Das ist immer noch besser als ein „Schuldenstrauß“.

Aus fast allen Parteispektren gibt es hierzu verschiedene Modelle. Neben dem Bedingungslosen Grundeinkommen, welches per se auch an sehr wohlhabende Menschen eine staatliche Transferleistung auszahlen würde, gibt es auch das Liberale Bürgergeld. Dieses würde über eine negative Einkommenssteuer laufen, die zu einer sinkenden bis entfallenden Leistungsausschüttung führt, je mehr Einkommen beziehungsweise Vermögen man hat.

Solche Modelle wie Grundeinkommen sollen den Menschen mehr Freiheiten einräumen, freier von Existenzängsten zu sein; mehr Freiheiten für kreativere Arbeitsweisen. Ganz besonders verspreche ich mir hiervon auch, sobald es einmal zu einem solchen Modell kommen sollte, mehr Freiheiten und Motivation zu Unternehmensgründungen, um eigene Ideen in die Tat umzusetzen. Ich denke, dass derzeit viele Ideen, die unsere Gesellschaft voran

bringen könnten, insbesondere beim Social Entrepreneurship, leider nur Ideen bleiben, weil die Finanzierung des Lebensunterhalts nicht immer gewährleistet werden kann. Hier könnte eine Neuausrichtung unserer Sozialsysteme ein Feuerwerk der Kreativität und des gesellschaftlichen Mehrwerts entfachen.

Ich freue mich bereits auf die Ansätze, die in breiter Beteiligung erarbeitet und diskutiert werden. Möge Berlin nicht nur wegen unserer Parteifarben auf Kiel schauen, sondern auch wegen unserer ergebnisoffenen Debattenkultur über zukünftiges Leben, Arbeiten und Älterwerden in unserem Land. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Brodehl das Wort.

Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, es wird spannend, denn wie auch immer ein solches Zukunftslabor aussehen wird, das CDU, Grüne und FDP mit ihrem Antrag nun auch in Schleswig-Holstein mit einer Diskussion über Bürgergeld, über Grundeinkommen und über die Weiterentwicklung der sozialen Sicherungssysteme anstoßen, es ist ein wichtiger und auch ein überfälliger Schritt. Die Notwendigkeiten sprechen Sie in Ihrer Antragsbegründung klar an, und ich muss hier nicht noch einmal ausführen, wie sich unsere Arbeitswelt in den nächsten Dekaden deutlich verändern wird.

Im Unterschied zu früheren Entwicklungen, bei denen Arbeitsplätze durch Automatisierungen weggefallen sind, vollzieht sich der derzeitige Wandel aber deutlich schneller als früher. Dieser Umstand macht die Debatte zum jetzigen Zeitpunkt so notwendig. Ich möchte das Wort Debatte unterstreichen, denn es ist zum heutigen Zeitpunkt eher nebensächlich, wie man etwa zum Bedingungslosen Grundeinkommen tatsächlich steht. Wichtig ist, dass die Diskussion geführt wird, und zwar nicht nur außerparlamentarisch.

(Vereinzelter Beifall AfD)

Es wird darum gehen, sich über verschiedene Alternativen und Szenarien auszutauschen und - ohne ins Detail zu gehen - schlagwortartig denkbare Alternativen zum schon angesprochenen Bedingungslosen

(Dennys Bornhöft)

Grundeinkommen zu finden. So ist auch ein an Bedingungen geknüpftes Grundeinkommen denkbar. So ist eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich denkbar und natürlich auch eine solche ohne vollen Lohnausgleich.

Apropos Arbeitszeit: Die „Welt“ titelt heute die Forderung nach Arbeitszeit nach Wunsch. Schließlich darf auch dieser Gedanke nicht fehlen: Es wird vielleicht gar nicht weniger Arbeit geben, weil das wirtschaftliche Wachstum neue Arbeitsplätze hervorbringen wird. Auch das ist nicht ausgeschlossen.

Wo steht eigentlich die AfD in der ganzen Frage? Dazu nur so viel: Das Modell eines Grundeinkommens deckt sich mit unserer Vorstellung, neben der Erwerbsarbeit auch andere Arbeitsformen stärker als bisher anzuerkennen, zum Beispiel die Familienarbeit oder die ehrenamtliche Arbeit.

In der heutigen Sitzung steht aber etwas ganz anderes im Vordergrund. Uns haben zwei Fragen beschäftigt: Erstens. Wer genau sollen die Akteure so nennen Sie das - des Zukunftslabors sein? Zweitens. Wie wird sichergestellt, dass zu einem noch festzulegenden Zeitpunkt auch tatsächlich ein zukunftsfähiges Konzept vorgelegt wird? Natürlich soll es nicht nur um die Frage gehen: „Wie werden wir leben?“, sondern auch um die Frage: „Wie wollen wir leben?“ Aber am Ende müssen Konzepte und keine Utopien stehen. Deshalb wird auch die Frage der Finanzierbarkeit mit bedacht werden müssen. Diese Frage ist alles andere als nebensächlich.

Auf der Suche nach positiven Beispielen bin ich leider nicht so richtig fündig geworden. Immerhin waren die Beispiele aber doch geeignet, um zu überlegen, was wir mit unserer Zustimmung zu dem vorliegenden Antrag verbinden möchten. Grundlegend für alle noch auszuwählenden Mitarbeiter des Zukunftslabors ist ein damit verbundener Appell an deren Verantwortung. Anders formuliert: Laut denken ist erwünscht, aber maßgebend sollte eine Verantwortungsethik und nicht eine Gesinnungsethik oder eine Ideologie sein. Für die Auswahl der Labormitarbeiter sollten wir uns also genügend Zeit einräumen. Hier muss sichergestellt sein, dass die Gesellschaft sich in ihrer gesamten Breite repräsentiert fühlt. Der Änderungsantrag des SSW geht genau in diese Richtung. Wenn man seine Weltsicht und seine Hoffnung im Zukunftslabor nicht repräsentiert sieht, dann wächst die Gefahr einer Einstellung nach dem Motto: Das geht mich alles sowieso nichts an.

Hieran knüpft auch unsere zweite Anregung an: Lassen Sie uns darauf achten, dass geeignete Mittel direkter Demokratie den gesamten Prozess begleiten und legitimieren.

Meine Damen und Herren, am wichtigsten ist uns in der heutigen Debatte, dass es um mehr gehen muss als um das Visionieren, und dass wir durch die Arbeit des Zukunftslabors gleichermaßen die Möglichkeit und auch die Pflicht haben, Elemente direkter Demokratie einfließen zu lassen.

Als AfD stimmen wir also dem Antrag zum Zukunftslabor zu und unterstreichen die Ergänzungen des SSW. Das Zukunftslabor verspricht, eine sehr spannende Sache zu werden.

Ich wäre sehr gern auch auf die Ergänzungen und den Alternativantrag der SPD eingegangen. Er hat mich dummerweise gerade eben erst erreicht. Vielleicht demnächst einen Tick früher!

(Birte Pauls [SPD]: Ausschuss!)

- Ganz genau, Ausschuss. - Also, meine Damen und Herren, es bleibt spannend. Wir sind froh, dass wir dabei sein können. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Bevor wir zum nächsten Redebeitrag kommen, begrüßen Sie zunächst mit mir Schülerinnen und Schüler der Poul-Due-Jensen-Schule aus Wahlstedt sowie Bürgerinnen und Bürger aus dem Kreis Pinneberg, die soeben auf der Besuchertribüne eingetroffen sind. - Herzlichen willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Jetzt erteile ich für die Abgeordneten des SSW dem Herrn Kollegen Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Allein die Tatsache, dass in Schleswig-Holstein fast 40.000 Menschen von ihrer Rente nicht leben können und diese Rente durch Grundsicherung aufstocken müssen, hat dazu geführt, dass ich denke, dass das angekündigte „Zukunftslabor soziale Sicherung“ zu den wenigen wirklich spannenden Themen gehört, die sich die Jamaika-Koalition auf die Fahnen geschrieben hat.

Darüber, dass wir die sozialen Sicherungssysteme dringend weiterentwickeln müssen, gibt es, so glaube ich, eine große Einigkeit. Aber auch die im An

(Dr. Frank Brodehl)

trag erwähnte Idee eines Grundeinkommens ist es aus Sicht des SSW wert, intensiv diskutiert zu werden. Deshalb können wir diese Initiative unterstützen. Wichtig ist nur, dass den Worten dann auch ein entsprechend engagierter Einsatz in Berlin folgt. Auch das wird ja im Antrag angekündigt, aber nur so wird man auch entscheidenden Einfluss auf die zukünftige Arbeitsmarktpolitik nehmen können.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist völlig richtig, dass sich die Rahmenbedingungen am Arbeitsmarkt in den vergangenen 10 bis 20 Jahren stark verändert haben. Mit der Digitalisierung und dem Fachkräftemangel sind die großen Herausforderungen genannt. Natürlich muss die Arbeitsmarktpolitik darauf reagieren, und natürlich müssen unsere Instrumente zur Steuerung des Arbeitsmarkts und die soziale Absicherung insgesamt angepasst werden. Aber wenn man zu diesem Zweck ein „Zukunftslabor soziale Sicherung“ einrichtet, dann müssen nach unserer Meinung auch die Sozialverbände mit am Tisch sitzen. Wie ich gehört habe, sind wir uns darüber auch einig. Das finde ich gut so.

Während der schwarz-gelb-grünen Koalitionsverhandlungen war ja sogar schon von einem Modellversuch zum Grundeinkommen die Rede. Nun werden doch etwas kleinere Brötchen gebacken, aber wie dem auch sei: Für den SSW ist klar, dass uns auch die Diskussion und Bewertung dieser Idee, auf die sich Jamaika nun als kleinsten gemeinsamen Nenner verständigt hat, weiterbringen kann, denn es klingt zwar sehr einfach und überzeugend, dass ein Einkommen für alle in Höhe des Existenzminimums viele Probleme lösen kann, aber damit sind eben auch viele Unsicherheiten verbunden. Hier wird vermutlich schon die intensive Auseinandersetzung mit dieser Idee zu etwas mehr Klarheit führen.

Doch so spannend das Thema Grundeinkommen auch ist, es ist ein langfristiges Vorhaben, und es hilft den Menschen, die heute vor Problemen stehen, herzlich wenig. Deshalb ist für uns die Frage, wie wir die Bürgerinnen und Bürger hier und jetzt vor Armut schützen, noch weit wichtiger. Oder anders gesagt: Wir brauchen nicht nur Antworten für diejenigen, deren Arbeitsplätze durch eine fortschreitende Digitalisierung bedroht sind, sondern auch für Alleinerziehende oder für Menschen, die beispielsweise Angehörige pflegen. Aber auch Langzeitarbeitslosen oder den viel zu vielen Geringverdienern im Land können wir noch deutlich bessere Angebote machen, wenn es um ihre Wie