Protocol of the Session on March 18, 2015

Ich gehe noch ein Stück weiter: Wir haben 300 %.

(Jens-Christian Magnussen [CDU]: Genau, aber 100 % brauchen wir selbst, Herr Kolle- ge! - Zurufe)

Bei aller Eile, die geboten ist, darf aber die Bürgerbeteiligung nicht zu kurz kommen.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PIRATEN)

Gerade Großprojekte wie Stuttgart 21 zeigen uns, dass wir einen frühzeitigen Dialogprozess in der

Region brauchen. Auch hier haben wir in Schleswig-Holstein als erstes Bundesland gute Erfahrungen im Westküstenverfahren gesammelt. Auch hier sind wir die Vorreiter bei der frühzeitigen Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Deshalb begrüßen wir auch die Planungen des Bundeswirtschaftsministeriums, zur HGÜ-Strecke einen breit angelegten Dialog mit den Betroffenen zu führen. Es ist aber auch wichtig, dass dieser Prozess von den jeweiligen Landesregierungen begleitet wird; denn die regionalen Entscheidungsträger wissen oft am besten, welche Schwierigkeiten bestehen können. Dies tut unsere Landesregierung.

(Vereinzelter Beifall SPD und Beifall Flem- ming Meyer [SSW])

So ist es auch im Bereich der Elbquerung. Es gibt drei Varianten, und nun muss gemeinsam entschieden werden, welche der Trassen die geeignetste mit den wenigsten Widerständen ist - nicht nur naturschutzfachlich, sondern auch in der Bevölkerung.

(Beifall Barbara Ostmeier [CDU])

Dies muss auch in enger Abstimmung mit Niedersachsen geschehen, um zu sehen, ob in vorhandenen sensiblen Gebieten eine Teilerdverkabelung nötig ist und ob eine Bündelung der Elbquerung zum Beispiel mit der A 20 Sinn macht oder eine der anderen Querungen wie die bei Brokdorf doch die bessere Lösung ist.

(Beifall Barbara Ostmeier [CDU])

Hierfür brauchen wir aber auch den rechtlichen Rahmen. Deshalb bitten wir die Landesregierung, sich bei der Bundesregierung für die Möglichkeit einer Teilerdverkabelung für den Schutz des Menschen - im Falle von Siedlungsnäherungen von HGÜ-Leitungen - und der Natur einzusetzen.

(Beifall SPD, Hartmut Hamerich [CDU], Barbara Ostmeier [CDU], Oliver Kumbartz- ky [FDP] und Flemming Meyer [SSW])

Meine Damen und Herren, dies gilt aber auch für die geplante Ostküstenleitung. Auch hier brauchen wir die Möglichkeit, als Pilotprojekt in Teilabschnitten ein Erd- oder Seekabel verlegen zu können, um die Region vor zu großen Einschnitten beim Bau der neuen Trasse zu bewahren.

Insgesamt bleibt der Netzausbau ein zentraler Baustein für die Stromversorgung nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern in der gesamten Bundesrepublik. Lieber Kollege Magnussen, ich finde es sehr gut, dass Sie heute gesagt haben, dass die Leitungen das Rückgrat der deutschen Energiewirtschaft

(Olaf Schulze)

sind. Vor ein paar Jahren war es noch die Atomkraft.

(Beifall Barbara Ostmeier [CDU])

Insofern finde ich gut, dass Sie diesen Dreh vollzogen haben.

Dafür ist die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger von besonderer Bedeutung, und für beides setzen wir uns in Schleswig-Holstein konsequent ein.

(Beifall SPD, Barbara Ostmeier [CDU] und Flemming Meyer [SSW])

Meine Damen und Herren, bevor ich dem Kollegen Matthiessen das Wort erteile, bitte ich Sie, mit mir gemeinsam Gäste auf der Tribüne zu begrüßen. Es sind Mitglieder der AWO Eutin sowie Mitglieder der Grünen mit Gästen aus dem Kreis Segeberg. Herzlich willkommen im Kieler Landeshaus!

(Beifall)

Nun hat für die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen das Wort.

Frau Präsidentin, vielen Dank. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Rede von Herrn Magnussen war gut,

(Beifall Volker Dornquast [CDU])

der CDU-Antrag ist es nicht. Ich habe den Antrag der CDU mit großer Aufmerksamkeit gelesen. Dabei habe ich allerdings eine von mir entwickelte besondere Methode der Textanalyse angewandt, die sogenannte Umkehrmethode, auf Englisch „RAA“: reversed analysis approach.

(Zurufe CDU: Oh! - Beifall Oliver Kum- bartzky [FDP])

Man liest das Gegenteil dessen, was dort geschrieben steht. Wenden wir uns also mit der Umkehrmethode dem ersten Satz des CDU-Antrags zu. Dort steht:

„Der Landtag fordert die Landesregierung auf, dass sich die Behörden des Landes Schleswig-Holstein als Träger öffentlicher Belange an der Bundesfachplanung unter Federführung der Bundesnetzagentur (BNetzA) beteiligen …“

Umgekehrt liest sich dieser Satz wie folgt: Die Opposition muss die Landesregierung auffordern, sich an der Bundesfachplanung zu beteiligen, und zwar mit allen Trägern öffentlicher Belange gleichzeitig zusammen. - Meine Damen und Herren, die Behörden des Landes können zu Hause bleiben und werden trotzdem nach dem Prinzip der Planung aus einer Hand beteiligt. Die Landesregierung und nachgeordnete Behörden haben nicht auf den Antrag der CDU gewartet, sondern sind tatsächlich auch so schon tätig geworden.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Thomas Hölck [SPD] und Lars Harms [SSW] Man mag es kaum glauben: Es bedarf keiner Auf- forderung durch die CDU. Weiter geht es dort: Alle Behörden sollen sich - for- dert die CDU - „gemeinsam mit den Trägern öf- fentlicher Belange des Landes Niedersachsen für eine unvoreingenommene Prüfung der Trassenkor- ridore einsetzen“. - Das heißt umgekehrt gelesen: Die Landesregierung kommt nicht auf die Idee, sich bei einer Planung, die die Landesgrenzen über- schreitet, mit dem betreffenden Nachbarland in Verbindung zu setzen, und wenn doch, wird eine voreingenommene Prüfung vorgenommen, weil diese Landesregierung es unvoreingenommen nicht kann. Dann geht es weiter: Die Landesregierung soll sich für die „Einrichtung regionaler Runder Tische“ ein- setzen und die „Einbeziehung aller dann dort einge- brachten Beiträge“ aus der Bürgerbeteiligung be- rücksichtigen. - Das heißt umgekehrt gelesen: Die Landesregierung beteiligt Bürger nicht, und wenn doch, dann beachtet sie die dort vorgetragenen An- regungen und die Kritikpunkte nicht. (Barbara Ostmeier [CDU]: Das ist doch jetzt lächerlich!)

Weiter geht es: Die Landesregierung soll sich „mit ihrer raumordnerischen Kompetenz in die Planung unter anderem mit einem eigenen Trassenvorschlag einbringen“. - Das heißt umgekehrt gelesen: Die CDU erwartet vom Übertragungsnetzbetreiber TenneT TSO einen so schlechten Antrag, dass dieser durch eine landeseigene Planung ersetzt werden muss.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie?

(Olaf Schulze)

Kleinen Moment, diese Session führe ich noch zu Ende.

(Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Zu guter Letzt soll die Landesregierung „verstärkt auf die Prüfung einer Bündelvariante entlang der A 20“ hinwirken, also doch keine offene Prüfung aller Varianten. Das ist dann das Gegenteil von voreingenommen - à la CDU. - Vergessen wir also den CDU-Antrag. Ich freue mich auf die Zwischenbemerkung des Kollegen Magnussen.

Herr Magnussen, bitte.

Herr Kollege, vielen Dank für diese kabarettistische Einlage. Wir nehmen natürlich sehr ernst, was Sie uns vorhalten, weil wir die Energiewende in Gänze als sehr ernstes Problem für den ganzen Standort Deutschland sehen,

(Olaf Schulze [SPD]: Eine Chance! Das ist kein Problem!)

um nicht nur die Belange Schleswig-Holsteins zu vertreten.

(Lars Harms [SSW]: Das ist kein Problem!)

Aber zur Diskussion und Ihren Wortspielereien mit Niedersachsen: Ich weiß nicht, warum die Landesregierung auf unsere Kleine Anfrage in der Richtung nicht antwortet, uns hinhält und sagt: Ein eigenes Verfahren? - Dazu können wir gar nichts sagen. - Das ist nicht nur in diesem Fall so, das ist auch bei der A 20 so. Wir bekommen die Informationen nicht, die Sie bekommen. Deshalb versuchen wir, das über solche Anfragen oder solche Anträge herauszubekommen. Wenn Sie das richtigstellen, ist es ja gut.

Zu der Situation, die Sie schildern mit den Runden Tischen: Ich weiß nicht, ob Sie die Zeitung lesen, aber es gibt Berichte aus dem „Pinneberger Tageblatt“ und dem „Hamburger Abendblatt“, nach denen Ihre Koalitionskollegen durchs Land gereist sind und den Bürgermeistern an großen Tischen Runde Tische versprochen haben. Wir nehmen das nur auf. Im Grunde genommen könnten Sie dem zustimmen - zumindest die sechs, die in Pin

neberg - in Moorrege - unterwegs waren. Vielleicht würden Sie das zur Kenntnis nehmen. - Vielen Dank.

Wenn ich noch kurz auf Ihre Bemerkung eingehen darf, auch im Hinblick auf die Runden Tische: Wenn wir das vorschlagen, dann suggerieren Sie durch Ihre Antragstellung einem unvoreingenommenen Leser, dass die CDU uns sozusagen dazu auffordern muss. Sie nehmen eine Idee der Koalitionsfraktionen auf und schreiben das dann in Ihren Antrag.

Meine Damen und Herren, der bisher letzte Satz meiner Rede lautete: Vergessen wir also den CDUAntrag. Die Koalition hat einen eigenen Änderungsantrag erarbeitet. Der Netzausbau ist entscheidend für das Gelingen der Energiewende. Insofern sind wir uns einig. Das war auch ein guter Beitrag von Herrn Magnussen.

Das vergangene Jahr 2014 war aus energiewirtschaftlicher Sicht für Schleswig-Holstein historisch. Erstmalig haben wir die 100-%-Hürde übersprungen. „Mister 100 %“ sitzt hier, Minister Robert Habeck. Wir erzeugen also mehr Strom aus erneuerbaren Energien, als wir in Schleswig-Holstein insgesamt verbrauchen. Das bedeutet für die Erzeugungsleistung: Heute drehen sich mehr als 2.500 Windenergieanlagen in Schleswig-Holstein mit einer Leistung von 5 GW. Zum Vergleich: Das letzte aktive Atomkraftwerk in Schleswig-Holstein Brokdorf - hat eine Leistung von 1,4 GW. In der nächsten Legislaturperiode wird auch für Brokdorf die Berechtigung zum Leistungsbetrieb erlöschen.

Die Energiewende in Schleswig-Holstein schreitet also voran. Wir streben absehbar - also in dieser und der kommenden Legislaturperiode - eine weitere Steigerung mit dem Ziel 300 % an. Das bedeutet, wir werden bilanziell, also im Strommengenvergleich übers Jahr gerechnet, ein Drittel oder ein Viertel des Stroms - dann ausschließlich aus Erneuerbaren - selber im Land Schleswig-Holstein verbrauchen, zwei Drittel oder drei Viertel müssen exportiert werden.

Hamburg hat diese Möglichkeiten nicht, Bayern hat diese Möglichkeiten auch nicht. Wir wollen natürlich auch, dass in Bayern Windenergieanlagen errichtet werden, aber nur die norddeutschen Küstenländer haben die Möglichkeit, große Mengen erneuerbaren Stroms günstig zu erzeugen.