- Okay. Dann gebe ich Ihnen Gelegenheit, erneut abzustimmen. Ich frage deshalb erneut, wer dem Antrag Drucksache 18/378 zustimmen möchte. Das sind die Fraktionen der CDU, der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, PIRATEN und SSW. Die Gegenprobe erübrigt sich, weil dieser Antrag einstimmig angenommen worden ist.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 18/379. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und PIRATEN. Wer diesen Antrag ablehnen möchte, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. - Ich frage nun, wer sich enthalten möchte. Das sind die Fraktionen von CDU und FDP. Der Antrag ist somit bei Enthaltung der Fraktionen von CDU und FDP mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und PIRATEN angenommen.
Meine Damen und Herren, bevor wir fortfahren, bitte ich Sie, mit mir gemeinsam eine weitere Gruppe der Regionalschule Plön auf der Tribüne zu begrüßen. - Ein herzliches Willkommen Ihnen allen hier im Landeshaus in Kiel!
Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Dann eröffne ich die Aussprache. Das erste Wort hat die Kollegin Dr. Gitta Trauernicht von der Fraktion der SPD.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Antrag wenden wir uns an die Landesregierung mit der Bitte, eine Situationsanalyse der Kinderrehabilitation in Schleswig-Holstein vorzunehmen. Hintergrund dafür ist eine bemerkenswerte Entwicklung, die uns Abgeordneten bei Besuchen von Kinderreha-Einrichtungen auf den Nordseeinseln bekannt geworden ist. Obwohl die Zahl chronisch kranker Kinder steigt, sinkt die Zahl der Anträge auf Reha-Maßnahmen in beachtlichem Umfang. Diese Problemanzeige wurde auf dem 9. Deutschen Reha-Tag im September dieses Jahres bestätigt und differenziert.
Von 14 Millionen Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren sollen nach Einschätzung von Fachleuten etwa 3,5 Millionen Kinder chronisch krank sein und eine Million Kinder schwer krank. Angesichts dieser Zahlen ist völlig unverständlich, dass die Zahl der Kinder in Reha-Maßnahmen in den letzten fünf Jahren um 20 % zurückgegangen ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn weniger als ein Prozent der betroffenen Kinder diese Reha-Angebote nutzt, dann stimmt etwas nicht. Dieser Problematik wollen wir nachgehen.
In Schleswig-Holstein gibt es neun Kinderreha-Kliniken, die auf Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen spezialisiert sind wie zum Beispiel Asthma, Übergewicht/Diabetes - das Thema hatten wir gerade - und psychosomatische Erkrankungen, aber auch Hauterkrankungen wie Neurodermitis und Schuppenflechte.
Unsere Reha-Einrichtungen in Schleswig-Holstein leisten exzellente Arbeit. Sie sind - und davon kann sich jeder bei Besuchen überzeugen - ein Segen für die betroffenen Kinder und ihre Familien. Ich möchte ein positives Beispiel herausgreifen. Die traditionsreiche Fachklinik Satteldüne auf Amrum, die die Behandlungsschwerpunkte Asthma bronchiale, Neurodermitis und Adipositas hat, hat sich einen besonderen Ruf erworben durch ihre Angebote für Kinder mit Mukoviszidose. Ohne Zweifel profitieren die Patientinnen und Patienten von bester medizinischer Behandlung, von intensiver sozialer Betreuung, aber auch von dem besonderen Reizklima, das die Lage auf einer Nordseeinsel zu bieten hat.
Einem Rückgang in der Belegung unserer Kinderreha-Einrichtungen in Schleswig-Holstein muss entgegengewirkt werden. Immer mehr Kinder und ihre Familien brauchen natürlich eine gute ambulante Versorgung in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld, aber sie brauchen auch die Chance auf konzentrierte Behandlung zur Linderung ihrer Erkrankungen durch die Kinderreha-Einrichtungen.
Gerade aus diesem Grund bitten wir die Landesregierung, einen Runden Tisch mit den KinderrehaEinrichtungen, dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, der Ärztekammer, der Deutschen Rentenversicherung Nord und anderen Kostenträgern wie den Krankenkassen und so weiter einzurichten, um die Situation zu analysieren und dem Landtag schriftlich über die Ergebnisse zu berichten.
Eine gute Nachricht ist zu vermelden: Aus finanziellen Gründen muss die Kinderreha nicht scheitern. Die Deutsche Rentenversicherung Nord, überhaupt die Deutsche Rentenversicherung, ist der Hauptkostenträger, der Hauptfinanzier dieser Einrichtungen, und dieser Kostenträger hat sich in einer Beschlussfassung noch im letzten Jahr ausdrücklich zu diesen Einrichtungen bekannt. Die Hilfe für chronisch kranke Kinder darf nicht daran scheitern, dass die betroffenen Familien diese Angebote und ihre Ansprüche gar nicht kennen, dass die Hürden für Anträge zu hoch sind oder die Hilfe im Dickicht der Bürokratie untergeht.
Besonders wichtig scheint mir folgender Aspekt zu sein, nämlich dass auch sozial belastete Familien mit dem Problem chronischer Erkrankung ihrer Kinder nicht alleingelassen werden. Viele dem Jugendamt bekannte Familien und Kinder sind chronisch krank. Um diese Familien zu erreichen, bedarf es einer intensiven Bearbeitung der Schnittstellen zwischen der Jugendhilfe, dem Gesundheitswesen und den Reha-Einrichtungen.
Ich bin gespannt, welche Lösungsvorschläge am Runden Tisch Kinder-Reha entwickelt werden. Die Bereitschaft dazu setze ich voraus, denn wer die Arbeit der Kinderreha-Einrichtungen kennt, der weiß um die bemerkenswerten Gesundheitseffekte für die Kinder, und das ist aller Anstrengung wert. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frühe gezielte Unterstützung für chronisch kranke Kinder und die Kinderrehabilitation sind sinnvoll und sind gut, Frau Trauernicht. Zum ersten Teil der Überschrift des Antrags sage ich einmal, es gibt bereits zahlreiche rechtliche Ansprüche aus den verschiedenen Sozialgesetzbüchern, SGB V, IX und XII: Frühförderung im Bereich der Diagnostik, der Therapie, der Beratung und die pädagogische Förderung, es gibt Maßnahmen in Kindergärten und Schulen.
Eine stabile Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist eine gute Basis, damit diese später einen Beruf ausüben und damit ein selbstständiges Leben führen können. Krankheiten im Kindes- und Jugendalter können Entwicklungen nachhaltig negativ beeinflussen. Eine frühzeitige Rehabilitation hilft daher, die aktuelle und damit auch die zukünftige Leistungsfähigkeit positiv zu beeinflussen. Frühzeitige Reha-Leistungen sind eine Investition in die Zukunft und führen zu geringeren Kosten im Erwachsenenalter.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, je nachdem, wie weit man den Begriff „chronisch Kranke“ fasst, haben wir einen Anteil zwischen 10 und 20 % von chronisch kranken Kindern. Bedauerlich ist aus meiner Sicht auch, dass viele Eltern die Krankheit ihrer Kinder geheim halten, aus Angst, dass das Kind Nachteile erleidet.
Ein Runder Tisch, wie Sie ihn beantragen, ist grundsätzlich eine gute Idee. Aber wir sollten im Ausschuss noch einmal diskutieren: Wer soll an diesem Runden Tisch beteiligt werden? Nach meinen Erfahrungen - solche Erfahrungen haben viele Kolleginnen und Kollegen in der letzten Zeit und auch schon vor mir gemacht - sollte man den Kreis nicht zu groß fassen, damit dort effektiv gearbeitet werden kann. Wer trägt die Kosten? Sie haben es angesprochen, Frau Trauernicht - das unterstütze ich -: Wo liegen eigentlich die Gründe für die sinkende Zahl der Anträge?
Wir müssen es besser propagieren. Wenn die Zahl der Anträge um 20 % zurückgeht, dann ist das nicht hinnehmbar. Dann kann an und in diesem System etwas nicht stimmen. Wir müssen dann schleunigst etwas daran ändern.
Wir brauchen aus meiner Sicht eine übergreifende Zusammenarbeit in den Bereichen Prävention, bei der Beratung von Ärzten, bei den Klinken, den Kostenträgern und vor allen Dingen im Reha- und Nachsorgebereich.
Ich beantrage für die CDU-Fraktion Ausschussüberweisung. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich wünsche Ihnen ein frohes Weihnachtsfest, und kommen Sie gut ins nächste Jahr.
(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und vereinzelt PIRA- TEN - Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Da ist der Applaus natürlich sicher!)
Bevor wir alle in die Feiertage gehen, hat jetzt noch einmal die Abgeordnete Dr. Marret Bohn das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Chronisch kranke Kinder sollen keine chronisch kranken Erwachsenen werden. Das ist das Ziel einer Kinder-Rehabilitationsmaßnahme. Nicht jede Erkrankung kann geheilt werden. Aber es ist möglich, den jungen Patientinnen und Patienten dort einen Umgang mit ihrer Krankheit zu vermitteln und - da gebe ich Frau Kollegin Trauernicht recht - ihre Familien im Umgang mit den sozialen Auswirkungen chronischer Erkrankungen, die ganz erheblich sind, zu schulen. Eine frühe und zielgenaue Intervention bietet die besten Chancen auf Erfolg.
Aber leider - das haben die Kolleginnen und Kollegen schon festgestellt; ich werde es jetzt ein wenig abkürzen - steigt auf der einen Seite die Anzahl chronisch kranker Kinder, auf der anderen Seite sinkt die Zahl derjenigen, die eine so wichtige Rehabilitationsmaßnahme in Anspruch nehmen. Diese Entwicklung wurde auf dem Reha-Tag festgestellt. Sie schadet - das ist ganz eindeutig - den jungen Patientinnen und Patienten. Sie ist gesundheitspolitisch falsch und ist aufgrund der Langzeitfolgen, die erst im weiteren Verlauf entstehen, auch volkswirtschaftlich falsch.
Wir wollen diese Entwicklung stoppen und bitten ganz herzlich um Zustimmung zu unserem Antrag. Die Kolleginnen und Kollegen der SPD können sich gleich noch einmal dazu verhalten. Wir sind genau wie der SSW, wenn ich es richtig verstanden, offen für eine Überweisung und weitere Diskussi
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Asthma, Übergewicht und vor allen Dingen psychosomatische Erkrankungen sind die drei häufigsten Erkrankungen. Wenn diese chronischen Erkrankungen nicht frühzeitig behandelt werden, führen sie zu einer ganz erheblichen Einschränkung der Lebensqualität und zu starken Folgeerkrankungen. Eine RehaMaßnahme sollte daher von möglichst vielen kranken Kindern und Familien genutzt werden. Ich freue mich deshalb sehr, dass die Kostenträger auf dem Reha-Tag versichert haben, sie würden ihre Bewilligungspraxis verbessern. Das ist ein guter Anfang.
Welche Gründe spielen eine Rolle für die sinkende Anzahl bei den Reha-Maßnahmen? Es ist einmal der Druck in der Schule. Bei fast jeder Landtagstagung sprechen wir über die Bildungspolitik. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, einmal darauf hinzuweisen, welche Auswirkungen der Druck in den Schulen auf die Schülerinnen und Schüler hat. Ich kann aus den Berichten von Kinder- und Jugendpsychiatern sagen, die Praxen sind voll. Das Gleiche gilt für die psychologischen Psychotherapeuten. Die psychosomatischen Erkrankungen müssen wir in diesem Zusammenhang sehr, sehr ernst nehmen.
Nachvollziehbar ist auch, dass manches Antragsformular in unserer Gesellschaft selbst für Ärztinnen und Ärzte, die lange in ihrem Beruf sind, wie ein „böhmisches Dorf“ wirkt. Sie sind kompliziert, sie sind zu lang, sie verursachen viel Aufwand. Auch da würden wir uns sehr freuen, wenn wir an dem Runden Tisch Lösungen finden könnten, wie das Verfahren vereinfacht werden könnte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Anteil an Kinder-Rehabilitationsklinken - das hat Kollegin Frau Dr. Trauernicht ausgeführt - ist im Bundesschnitt sehr hoch. Das liegt daran, dass wir ein ganz besonders schönes Land sind. Wir haben ein besonderes Klima, das sich insbesondere bei Asthma-Erkrankungen sehr positiv auswirkt. Das ist eine der Erkrankungen, wo wir eine 50-prozentige Heilungschance für Kinder und Jugendliche haben. Auch daran sehen Sie wieder, wie wichtig es ist, dass Kinder und Jugendliche mit dieser Erkrankung zu uns nach Schleswig-Holstein kommen und hier möglichst gesund werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam dafür streiten, dass aus chronisch kranken Kindern keine chronisch kranken Erwachsenen werden. Ich beantrage die Überweisung in den Sozialausschuss zur weiteren Beratung. - Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich habe es in meinen langen Jahren als Lehrer am eigenen Leibe mitbekommen, wie die Anzahl der chronisch kranken Kinder immer weiter zugenommen hat. Wenn ich an die Mitte der 70er-Jahre zurückdenke, so gehörten Asthma, Allergien, Übergewicht, Diabetes, psychosomatische Krankheiten eher zu den Seltenheiten bei den Schülern. Heute ist es leider schon Normalzustand.
Eine Kinder- und Jugendgesundheitserhebung des Robert-Koch-Instituts zeigt, dass in der Gruppe der 0- bis 17-Jährigen bereits jedes achte Kind von einem chronischen gesundheitlichen Problem betroffen ist. Chronische Erkrankungen sind mit 12,5 % also schon ein Massenphänomen.
Doch die betroffenen Familien müssen immer wieder neu und individuell um Anerkennung, Therapie und Eingliederung kämpfen, weil bei uns stabile Strukturen eigentlich bis heute fehlen. Die Folgen tragen die Kinder. Sie müssen aufgrund der Krankheit teilweise erhebliche Beeinträchtigungen der Lebensqualität in verschiedenen Bereichen in Kauf nehmen und sind dazu noch von Unverständnis und Ignoranz ihrer Umwelt betroffen. Diese Familien sollten besonders gut betreut werden. In Kinderreha-Einrichtungen lernen die Betroffenen Bewältigungsstrategien im Umgang mit ihrer Krankheit. Schon die Kleinsten erwerben durch kontinuierliches Training Kompetenzen bezüglich ihrer Krankheit, zu dessen Vermittlung die niedergelassenen Kinderärzte einfach keine Zeit haben.
In den Einrichtungen kann systematisch dem Fortschreiten einer Krankheit entgegengewirkt werden, was bei Epilepsie oder Diabetes immens wichtig ist. Die richtig dosierte Medikamentenabgabe steht meist am Ende eines langen Prozesses, der in den Einrichtungen entscheidend verkürzt werden kann.