Protocol of the Session on December 14, 2012

Bei der Vorbereitung auf die heutige Debatte, der wirklich erstaunlich viele folgen, die es eigentlich alle betreffen könnte, habe ich allerdings festgestellt -

(Zuruf)

- Wenn ich mir die Reihen hier so angucke, finde ich es ganz schön leer. Schade eigentlich. Die kriegen nachher einen extra Vortrag, Frau Dr. Bohn.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das Thema ist unangenehm!)

- Genau. Sie sind draußen beim Süßen.

Zurück zum Thema. Zur Vorbereitung auf die heutige Debatte habe ich mir die Internetseiten der Fachverbände angeschaut und feststellen können, dass schon vor 23 Jahren eine Deklaration mit dem Inhalt gefasst wurde, was alles auf den Weg gebracht werden soll. Diese Verbände sagen: Ja, vieles ist schon passiert, aber noch nicht genug.

2010 hat man dem damaligen Gesundheitsminister Rösler einen Forderungskatalog übergeben und die Vorlage eines Nationalen Diabetesplans angefordert. Außerdem gab es den Auftrag, Handlungsempfehlungen für eine konkrete Umsetzung vorzulegen.

Entspannend wirkt, dass die Handlungsempfehlungen vorliegen. Die Dachverbände wie zum Beispiel die Deutsche Diabetesgesellschaft sieht nun die Schwierigkeit, sich mit anderen Fachgesellschaften und betroffenen Verbänden abzustimmen, wie zum Beispiel der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Man befürchtet, dass das schwierig wird. Von daher drängen die Fachverbände jetzt auf eine möglichst schnelle Vorlage eines Nationalen Diabetesplans.

Ich warne an dieser Stelle davor, diesem Druck nachzugeben, bevor wir Kenntnis darüber haben, wie sich die anderen Fachgesellschaften dazu arti

(Anita Klahn)

kulieren. Deswegen beantrage ich, den Antrag „Initiative für einen Nationalen Diabetesplan“ nach Vorliegen des Abstimmungsergebnisses und des geforderten Berichtsantrags im Sozialausschuss weiter zu beraten und dann darüber abzustimmen, ob wir dem folgen möchten.

Wenn wir hier ein Paket schnüren, sollten wir auf die bestehenden Maßnahmen zurückgreifen. Wir müssen wissen, wie wir auf die Dinge aufbauen können, die bei der medizinischen Selbstverwaltung oder der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung oder auf EU-Ebene angesiedelt sind. Mir ist es zu wenig, zu sagen: Weil es in 17 EULändern schon etwas gibt, müssen wir jetzt ganz schnell nachschießen. Lassen Sie uns diese Zeit nutzen. - Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Für die Fraktion der PIRATEN erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dudda das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es wäre absolut unaufrichtig zu behaupten, dass der Diabetes ein Kernthema der Piratenpartei wäre. Das muss ich ganz klar sagen. Vor diesem Hintergrund hatte ich meine Rede inhaltlich genauso angelegt wie die Herren Kollegen Heinemann und Jasper und Frau Dr. Bohn. Um uns zu ersparen, dass wir dieselben Fakten und Inhalte zum vierten Mal hören, reduziere ich meinen Beitrag darauf, dass auch wir zu beiden Anträgen Abstimmung in der Sache beantragen. Ich bestreite aber für meine Fraktion ausdrücklich die pathogenen Faktoren der Internetund Computernutzung. - Danke schön.

(Beifall und Heiterkeit PIRATEN, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Dr. Heiner Garg [FDP]: Was noch zu bewei- sen wäre!)

Für den SSW hat der Kollege Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wenn wir eine gewisse Dunkelziffer einbeziehen, dann sind deutschlandweit fast 10 Millionen Menschen von Diabetes betroffen.

Wie viele Erkrankte hier in Schleswig-Holstein leben, können wir nur grob schätzen. Um als Landespolitiker genauer zu wissen, welche Ausmaße diese Krankheit in ihren verschiedenen Ausprägungen hat, bitten wir die Regierung erst einmal um eine Bestandsaufnahme. Dabei sollten wir uns allerdings auch nichts vormachen. Ich jedenfalls gehe davon aus, dass die Zahl der Betroffenen auch hier erschreckend hoch ist.

Unabhängig vom tatsächlichen Ausmaß des Problems in Schleswig-Holstein interessiert uns selbstverständlich auch, welche konkreten präventiven Maßnahmen hier im Land zur Krankheitseindämmung laufen. Um es ganz klar zu sagen: Ich halte eine genaue Bestandsaufnahme für eine Grundvoraussetzung, wenn wir in dieser wichtigen Angelegenheit wirklich vorankommen wollen. Ich hoffe sehr, dass niemand hier ernsthaft etwas dagegen einzuwenden hat.

Einen ganz wesentlicher Punkt in Sachen Diabetes, auf den wir auch im Antrag hinweisen, sollten wir uns alle bewusst machen: Schon heute haben wir es in diesem Bereich mit einer jährlichen Kostensteigerung in Milliardenhöhe zu tun. Für 2012 beziffern Experten diese Steigerung auf 1,8 Milliarden €. Diese immensen Summen sind von der gesamten Gesellschaft zu tragen - was die Sache im Übrigen nicht besser macht. Ich will gar nicht behaupten, dass Land und Bund in der Vergangenheit geschlafen haben. Aber wenn wir es jährlich mit fast 300.000 Neuerkrankungen zu tun haben, dann ist ganz offensichtlich, dass der Durchbruch nicht gelungen ist.

Allein schon mit Blick auf den finanziellen Aspekt lässt sich doch nicht ernsthaft daran zweifeln, dass verstärkte Bemühungen im Kampf gegen Diabetes sinnvoll sind - von der Vermeidung von menschlichem Leid durch Diabetes und ihren vielen Akutund Folgeerkrankungen ganz zu schweigen. Für den SSW ist deshalb völlig klar: Wenn wir heute in Früherkennung oder in Präventionsmaßnahmen investieren, wird es uns mittel- bis langfristig nicht nur enorme Folgekosten sparen, sondern auch die Lebensqualität vieler Menschen deutlich verbessern.

Ich denke, das alles ist Grund genug, um endlich den seit Jahren geforderten Nationalen Diabetesplan zu erstellen. Wir bitten die Landesregierung darum, eine Bundesratsinitiative mit genau dieser Zielrichtung zu ergreifen. Die Inhalte des Diabetesplans, die wir in unserem Antrag grob auflisten, sind natürlich nicht zufällig gewählt. Ein Diabetesregister, ein Versorgungskonzept oder eben Präven

(Anita Klahn)

tionsmaßnahmen und Behandlungsinitiativen entsprechen den Empfehlungen von Fachleuten auf diesem Gebiet. Dies alles sind absolut sinnvolle und mittlerweile auch dringend notwendige Maßnahmen. Das zeigen nicht zuletzt die Erfahrungen der 17 europäischen Länder, die schon einen Nationalen Diabetesplan haben. Insbesondere im wichtigen Bereich der Früherkennung sind uns diese Länder weit voraus. Aus Sicht des SSW ist es beschämend, dass Deutschland hier so weit hinterherhinkt.

Es ist über zehn Jahre her, dass die Weltgesundheitsorganisation Nationale Diabetespläne zur Bekämpfung dieser Volkskrankheit gefordert hat. Die entsprechende Empfehlung der Europäischen Union liegt uns auch schon seit fünf Jahren vor. Passiert ist bisher aber viel zu wenig. Das muss sich dringend ändern. Durch einen Nationalen Diabetesplan können wir endlich das notwendige Bewusstsein für dieses Problem schaffen.

Wesentliche Faktoren zur Vermeidung von Diabetes - wie etwa Ernährungsgewohnheiten und Lebensstil - lassen sich am effektivsten in frühen Kindesjahren beeinflussen. Hier ist Aufklärungs- und Präventionsarbeit gefragt. Genau hier wünschen wir uns deshalb verstärkte Bemühungen. Ich wiederhole: Es geht in erster Linie nicht um die Vermeidung der enorm hohen Folgekosten, sondern um gesteigerte Lebensqualität für Millionen von Menschen in Deutschland.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung erteile ich der Ministerin für Soziales, Gesundheit, Familie und Gleichstellung, Frau Kristin Alheit, das Wort.

Danke, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Es ist richtig und wurde von allen gesagt: Die Zahl der Menschen mit Diabetes mellitus nimmt stetig zu. Das betrifft sowohl die Erkrankungen im Kindesalter mit Typ 1, aber zunehmend auch mit Typ 2, als auch - darauf weise ich an dieser Stelle angesichts des demografischen Faktors der Entwicklung noch einmal hin - des Typs 2 bei Erwachsenen im vorgerückten Alter.

Es sind schon viele Zahlen genannt worden. Diese möchte ich nennen. Rund 3,9 Millionen der 55- bis 74-Jährigen werden im Jahr 2030 voraussichtlich

diabeteskrank sein. Das sind 1,5 Millionen mehr als jetzt. Diese Zahl und die anderen genannten Zahlen zeigen, dass wir bundesweit verstärkte Anstrengungen gegen Diabetes benötigen. Die vorliegenden Anträge benennen dazu wichtige Aspekte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Diabetes wäre in erheblichem Umfang vermeidbar. Wir reden nicht von einer Krankheit mit unbekanntem Erreger, auch nicht über eine Folge irgendeines Mangels. Ganz im Gegenteil, Diabetes zählt zu den sogenannten Wohlstandskrankheiten. Marret Bohn hat uns allen das in vorweihnachtlicher Klarheit vor Augen geführt.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Sie hat uns den Ap- petit verdorben! - Heiterkeit)

Auf folgenden Aspekt weise ich noch einmal hin:

Es betrifft dennoch - und das finde ich besonders bedenklich - überdurchschnittlich häufig Menschen, die in sozial benachteiligten Verhältnissen leben.

Das wichtigste und sicherlich effektivste Mittel zur Reduktion der Krankheit sowohl unter ökonomischen, gesamtgesellschaftlichen als auch unter individuellen Aspekten ist die Reduktion von Risikofaktoren wie Übergewicht und Bewegungsmangel. Das Stichwort lautet Primärprävention, also Maßnahmen, damit Diabetes gar nicht erst entsteht.

Schleswig-Holstein ist dabei auf einem guten Weg. Wir haben im Land beispielhafte Präventionsprojekte. Es gibt eine enge fachliche Kooperation. Die Landesvereinigung für Gesundheitsförderung hat zahlreiche Projekte in Kita und Schule etabliert. Und wir haben - darauf möchte ich ausdrücklich hinweisen - ein außerordentlich hohes Engagement gerade auch von Ärztinnen und Ärzten, die nicht danach fragen, wie viel von diesem Engagement abgerechnet werden kann. Das will ich hier ausdrücklich loben, und ich finde, das verdient Anerkennung.

Es bleibt aber richtig: Diabetes ist eine Herausforderung, die dringend weiterer Anstrengungen bedarf. Damit das wirksam geschehen kann, brauchen wir einen Überblick über die Daten, über die bisherigen Maßnahmen genauso wie über deren Effektivität und Effizienz.

Die Landesregierung begrüßt daher das Anliegen eines Berichts, der darüber Auskunft gibt, wie viele Patientinnen und Patienten in Schleswig-Holstein bereits an Diabetes mellitus erkrankt sind; er gibt auch Auskunft über die schon bestehenden Angebote und Maßnahmen.

(Flemming Meyer)

Unser Anliegen muss es sein zu sehen, wo wir stehen, wo wir besser werden können und wie wir besser werden können. Dabei wollen wir so viele Institutionen und Personen wie möglich in der uns zur Verfügung stehenden Zeit einbeziehen. Wir hoffen, dass mit dem dann erstellten Bericht auch eine wichtige Unterfütterung für die Forderung nach einem Nationalen Diabetesplan erfolgen kann. Es ist daher wichtig, jetzt einen solchen Bericht auf den Weg zu bringen. So schaffen wir es gemeinsam, einen substanziellen Beitrag dafür zu leisten, dass die Rahmenbedingungen für den Kampf gegen Diabetes verbessert werden.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Ich erteile das Wort für einen Dreiminutenbeitrag der Abgeordneten Dr. Marret Bohn.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor es in der Vorweihnachtszeit zu Verstimmungen mit der Kollegin Klahn kommt, wollte ich nur noch einmal darauf hinweisen, dass wir - vor Weihnachten immer sehr gern, liebe Kolleginnen und Kollegen - in dem Antrag Drucksache 18/378 einen Bericht für die 10. Tagung fordern. Darüber stimmen wir auf jeden Fall ab. Ich glaube, darüber besteht auch nicht ein Dissens.

(Anita Klahn [FDP]: Nein!)

- Genau. - Jetzt kommen wir zum Antrag Drucksache 18/379. Dazu hatten Sie darauf hingewiesen und das muss ich ein wenig korrigieren -, dass es noch andere Fachgesellschaften geben könnte, die möglicherweise eine andere Meinung hätten. Es ist bei dieser Erkrankung nicht absehbar, dass sich da neue Erkenntnisse ergeben und dass ganz neue Fachgesellschaften zu neuen Einschätzungen kommen. Deswegen würden wir auch über diesen Antrag gern in der Sache abstimmen; so habe ich meinen Kollegen Heinemann jetzt verstanden. In dem letzten Satz finden Sie dann auch wieder, dass die Akteure weitgehend alle in die Planung einbezogen werden können.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Vielen Dank für diese Klarstellung. - Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Deswegen kommen wir jetzt zur Abstimmung.

Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 18/378 in der Sache abzustimmen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Das sind die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und PIRATEN.

(Anita Klahn [FDP]: Können Sie das bitte noch einmal sagen?)