Protocol of the Session on December 14, 2012

(Dr. Marret Bohn)

Trotz dieser klaren Vorteile geht die Zahl der Anträge für spezielle Kinderrehabilitationseinrichtungen dramatisch zurück. Antrags- und Bewilligungszahlen sinken.

Da sind wir wieder in der gleichen Sackgasse wie so oft im Gesundheitssystem. Obwohl sowohl das Leiden der Patienten vermindert als auch die Folgekosten verringert werden könnten, kämpfen die Einrichtungen für Kinderrehabilitation ums Überleben. Das ist eine reine Kompetenzfrage. Die Kosten einer akuten Einweisungen nach Diabeteskoma oder nach einem epileptischen Anfall übernimmt die Krankenkasse, ohne mit der Wimper zu zucken. Bei längeren Reha-Aufenthalten dagegen geht das Gerenne für Eltern von einem Träger zum anderen mit immer neuen Gutachternachweisen los, das oftmals viele Wochen dauert, bis ein Antrag bewilligt ist. Bis dahin hat viele Eltern der Mut verlassen.

Wir wollen den Eltern dagegen etwas von dieser Last nehmen. Deshalb fordern wir ein belastbares Netzwerk für chronisch kranke Kinder. Wir wollen das Rad nicht neu erfinden; denn es gibt in Schleswig-Holstein bereits viele gute und sinnvolle Angebote. Jetzt geht es darum, diese miteinander zu vernetzen.

Dabei können wir von den Erfahrungen anderer Bundesländer profitieren. So ist in Berlin die Zusammenarbeit zwischen Arzt und Schule in den vergangenen Jahren vorbildlich gestärkt worden, ohne dass auf die Ärzte Mehraufwendungen zugekommen sind. Hier können wir einiges abschauen und Ärzten, Einrichtungen, vor allem aber auch den Kassen die Furcht nehmen, dass ein Ausbau der Reha für chronisch kranke Kinder mit Kosten- und Aufwandszuwächsen verbunden wäre. Ich bin sogar davon überzeugt, dass eine vernetzte Versorgung billiger als das ist, was wir derzeit haben.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Frau Ministerin Kristin Alheit.

(Anita Klahn [FDP]: Haben Sie mich viel- leicht vergessen? Und die PIRATEN?)

- In der Tat. Die PIRATEN habe ich nicht vergessen; denn die PIRATEN haben ihren Redebeitrag zurückgezogen. Entschuldigung, Frau Klahn. Selbstverständlich dürfen Sie reden. Auch Sie haben jetzt selbstverständlich das Wort. Das tut mir leid.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich danke den Regierungsfraktionen für diesen Antrag; denn auch aus unserer Sicht greift dieser ein wichtiges Thema unserer Gesellschaft auf. Dieser gehört auch in die Debatte darüber, benachteiligten Kindern die Möglichkeit zu eröffnen, ein chancengleiches Leben zu führen. Dazu gehört auch zu berücksichtigen, dass Kinder, die mit einer Behinderung zur Welt gekommen sind, durch Begleit- und Folgeerkrankungen durchaus auch zu den chronisch kranken Kindern gehören. Deshalb habe ich vorhin auch im Zusammenhang mit Diabetes eingeworfen, dass dies zusammengehört.

Vorweg möchte ich also sagen: Wir werden den Antrag sehr gern unterstützen.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

- Wenn meine Leute schon nicht klatschen, dann wenigsten Sie. Danke schön!

An dieser Stelle ist für mich allerdings noch zu hinterfragen, ob man nicht auch einmal analysieren sollte, worin der Anstieg der chronischen Erkrankungen begründet ist. Es gibt sicherlich eine Vielzahl von Studien und Meinungen, die wir zusammenführen und bewerten sollten. Der von Ihnen geforderte Runde Tisch wird mit Sicherheit praxisnahe Erkenntnisse bringen und uns auch bei der weiteren Entscheidungsfindung helfen können.

Meine Damen und Herren, wenn Eltern die Diagnose erhalten, dass ihr Kind ab heute zu den chronisch kranken Kindern gehört, bricht für viele die gesamte Lebensplanung zusammen. Nichts ist mehr so, wie es noch vor einer Sekunde war. Das betrifft nicht nur das kranke Kind, das in Zukunft Therapien, Medikamentierungen und so weiter nehmen muss, sondern das betrifft in einem großen Umfang auch weitere Teile der Familie, meistens Geschwisterkinder, die in der Regel deutlich zurückstecken müssen.

Sie müssen Rücksicht darauf nehmen, wenn die Ernährung in der Familie zugunsten des chronisch erkrankten Kindes verändert werden muss und - wie es bereits angesprochen worden ist - die Pizza nicht mehr einfach so auf den Tisch kommen darf.

Das ist eine Belastung für die ganze Familie. Es ist sehr hilfreich, wenn diese Familien die Möglichkeit haben, in Reha-Maßnahmen Entlastung zu finden, Zeit zum Aufatmen zu finden, dort aber auch Anleitungen und Anregungen bekommen, wie sie mit

(Flemming Meyer)

dieser schweren Erkrankung und mit der damit verbundenen völlig neuen Lebenssituation umgehen und für den Alltag Kraft schöpfen können.

Wichtig ist aber auch, dass diesen Familien zusätzlich zur ganz normalen Alltagshilfe auch Hilfe in Form von ambulanten Maßnahmen zur Verfügung steht. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Bereich, den wir mit beachten müssen, wenn wir über chronisch kranke Kinder sprechen.

Im ersten Teil Ihres Beitrags hatte ich den Eindruck, dass es Ihnen in erster Linie um die Auslastung der Reha-Kliniken ging. Dann haben Sie aber doch sehr deutlich gemacht, dass es Ihnen um Hilfsmaßnahmen geht. Dabei stehen wir an Ihrer Seite.

Mit dem Runden Tisch, mit den Selbsthilfegruppen und mit den Fachkräften können wir Maßnahmen ergreifen, sodass zum Beispiel die Antragstellung für Reha-Maßnahmen auf einen Standard gebracht wird, der das Ganze etwas einfacher macht. Jeder, der sich einmal einen solchen Antrag angesehen hat, wird sich gewundert haben, was dort alles gefragt wird und wie variabel und beliebig die Antworten sein können, die dann zu einer Annahme oder auch Ablehnung führen. An dieser Stelle können wir als Politik Rahmenbedingungen setzen und unterstützend mitwirken, sodass es zukünftig leichter wird.

Ich freue mich, wenn uns die Krankenkassen signalisieren, dass sie bei der Bewilligungspraxis zukünftig vielleicht etwas großzügiger werden. Es gibt eine gesetzliche Bestimmung. Eigentlich könnten die Maßnahmen bewilligt werden. Wir hören aber immer wieder, dass das in vielen Fällen nicht der Fall ist.

Meine Damen und Herren, ich freue mich, wenn wir zu einem guten Ergebnis kommen werden. Ich freue mich auf die Beratung am Runden Tisch. Ich hoffe im Sinne aller chronisch kranken Kinder, dass wir viele der Einrichtungen, die gerade aufgrund des guten Klimas, der guten Rahmenbedingungen von Nord- und Ostsee in Schleswig-Holstein sind, unterstützen und stärken können, dass wir sie hier halten können. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, CDU, vereinzelt SPD, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Für die Landesregierung erteile ich nunmehr das Wort der Ministerin Kristin Alheit.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Leider völlig zu Recht wird in dem vorliegenden Antrag festgestellt, dass immer mehr Kinder von chronischen Erkrankungen betroffen sind. Wir wissen, dass diese Kinder unsere individuelle Unterstützung benötigen. Dies gilt auch für ihre Familien.

Die Sache ist relativ einfach: Wenn zunehmend mehr Kinder betroffen sind, dann haben wir gesteigerten Anlass, uns mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Das sage ich ganz bewusst ohne Einschränkung, auch wenn das im Antrag angesprochene Thema der Reha-Maßnahmen jenseits der Zuständigkeit meines Ministeriums liegt. Ich sage das erst recht, wenn es um den wichtigen Punkt der Vernetzung geht, der hier schon mehrfach angesprochen wurde. Es geht um die Vernetzung der Einrichtungen, die den institutionellen Rahmen dafür bilden, dass Rehabilitation, vor allem aber auch Prävention in die Lebenswelten von jungen Menschen hineinkommen und funktionieren. Damit rennen Sie bei mir weit offene Türen ein.

Es ist völlig klar, und so verstehe ich auch diesen Antrag: Wir müssen uns überlegen, wie wir mit der beschriebenen Entwicklung umgehen. Die Entwicklung der Belegzahlen in Einrichtungen der Kinderrehabilitation ist dabei ein Faktor, über den wir miteinander reden müssen.

Im Bereich der stationären Reha-Maßnahmen haben wir eindeutig einen Rückgang. Ich bin allerdings dafür, den Fokus präziser zu fassen. Es geht nicht um die Bettenzahlen oder die Belegquote, sondern es geht darum, das Wohl der betroffenen und bedürftigen Kinder im Blick zu haben. Deshalb ist es wichtig, folgende Punkte zu betrachten.

Für die klassischen chronischen Erkrankungen, die bereits angesprochen worden sind, wie Asthma und Neurodermitis, gibt es mittlerweile mehr Angebote vor Ort. Dabei hat zum Teil das Vorhaben „ambulant vor stationär“ zu Erfolgen geführt. Das heißt, wir helfen chronisch kranken Kindern und haben trotzdem in unseren Rehabilitationseinrichtungen Auslastungsprobleme. Bei anderen Erkrankungen, wie zum Beispiel Adipositas, ist eine nachhaltige

(Anita Klahn)

Betreuung vor Ort ein ganz wichtiger Erfolgsgarant. Die klassische Reha ist dabei nur noch ein Faktor.

Des Weiteren - auch das ist in der Debatte schon vorgekommen - achten Eltern zunehmend darauf, dass Kinder möglichst wenig Zeit in der Schule versäumen. Einrichtungen der Kinder-Reha sind daher zum Teil - wenn überhaupt - nur noch in den Ferien ausgelastet, was natürlich keine positiven Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation der Einrichtungen hat.

Schließlich - das ist allerdings mehr als bedenklich; Frau Trauernicht hat das ganz richtig angesprochen - ist es so: Die Möglichkeit, bei einer chronischen Erkrankung eine Kinder-Reha durchzuführen, erreicht nicht alle sozialen Schichten gleichermaßen. Hier gibt es eindeutig Handlungsbedarf - angefangen bei den Kinder- und Hausärzten, über den Kindergarten, die Schule, die Jugendhilfe und die Kommunen, aber eben auch bis hin zum Land. Deshalb ist es gut, dass der Antrag der die Regierung tragenden Fraktionen das Thema in großer Breite aufgreift und benennt.

Chronisch kranken Kindern zu helfen, ist ein vielschichtiges und von vielen Faktoren abhängiges Anliegen. Stationäre Kinder-Reha ist aber ein Baustein. Der Anregung im Antrag, einen Runden Tisch mit den Akteuren zu veranstalten, kommen wir gern nach. Sinnvolle Wege für eine Weiterentwicklung der medizinischen Betreuung chronisch kranker Kinder zu suchen, ist dabei das Ziel, das uns treibt. - Danke schön.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Wer der Ausschussüberweisung seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Es ist einstimmig an den Sozialausschuss überwiesen worden. - Vielen Dank.

Wir kommen jetzt zu Tagesordnungspunkt 36:

Rederecht im Landtag für Präsident/in des Landesrechnungshofes

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 18/384

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das sehe ich nicht. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete der Piratenfraktion, Uli König.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich beantrage heute das Rederecht für den Präsidenten des Landesrechnungshofs in diesem Hause.

(Beifall PIRATEN)

Warum mache ich das?

(Zurufe)

- Darf ich weiterreden? - Danke. - Ich glaube, dass uns der Präsident eine Menge Sparpotenzial nicht nur im Bereich von Geld, sondern auch von Bürokratie aufzeigen kann. Ich habe die Hoffnung, dass der Landesrechnungshofpräsident den Finger in die Wunde legen wird, wenn wir hier drauf und dran sind, Blödsinn zu beschließen. Ein starker Landesrechnungshof ist wichtig für die Einhaltung der Schuldenbremse. Er wird auch dadurch stark, dass wir das Amt - es geht dabei um die Nachfolge von Herrn Altmann - nach einer transparenten und offenen Stellenausschreibung besetzen.

(Zuruf)

- Nachfolgerin oder Nachfolger: Es ist mir vollkommen egal, welches Geschlecht. Herr Kopper ist leider zu alt für den Job, sonst würde er sich vielleicht auch bewerben. Wer weiß!

Warum der Landesrechnungshof? Das Haushaltsrecht ist das Königsrecht dieses Hohen Hauses. Das Problem besteht darin: Der Rechnungshofpräsident hat jetzt schon das Rederecht im Ausschuss, aber nicht hier. Im Ausschuss findet aber keine Übertragung von dem statt, was er da sagt. Meistens gibt es kein Wortprotokoll, und einige Anträge beschließen wir auch direkt in diesem Hohen Haus, ohne dass sie durch den Ausschuss gehen.

Herr Kubicki, es ist zwar öffentlich, aber nicht jeder hat die Zeit und das Geld, sich dort hinzubegeben.