Protocol of the Session on February 18, 2016

Für die Piratenfraktion hat Frau Abgeordnete Angelika Beer das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch die Piratenfraktion schließt sich dem Dank - aber nicht nur an den Minister - an. - Wir alle wissen, dass beim Anbau von Agrarprodukten Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden und dass es zu Rückständen kommen kann.

Es ist erwähnt worden, dass seit 2008 die Verordnung der Europäischen Union zur Festsetzung und Harmonisierung von Rückstandshöchstgehalten in Kraft ist. Wir PIRATEN - das will ich unterstreichen - haben Vertrauen in die schleswig-holsteinischen Landwirte und Landwirtinnen, dass sie bewusst und verantwortungsvoll mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Lebensmittelproduktion umgehen. Das hat dieser Bericht auch in weiten Teilen bewiesen.

Dennoch sind Kontrollen wichtig; das ist ein Punkt, auf den ich gleich noch etwas genauer eingehen will.

Die Kontrollen haben gezeigt, dass zwar Rückstände von Pflanzenschutzmitteln gefunden wurden, die Beanstandungsquote jedoch unter 1 % lag. Leider ist die Anzahl der Proben zu gering. Ich kann wirklich nur empfehlen, sich den Bericht genau durchzulesen. Im Zeitraum 2009 bis 2015 - das sind immerhin sechs Jahre - sind zur Untersuchung der Glyphosatproblematik lediglich 361 Proben genommen worden. Da dies nicht repräsentativ ist, kann ich als Verbraucher eigentlich nur den Schluss ziehen, dass ich aufpassen sollte, wenn ich Linsen kaufe. Das ist nämlich das einzige Produkt, in dem Proben mit Rückständen über dem zulässigen Höchstgehalt festgestellt worden sind; es waren neun Proben.

Die geringe Anzahl der Proben führt, wie gesagt, zu der Erkenntnis, dass dieser Bericht nicht repräsentativ ist. Insoweit herrscht aus unserer Sicht Nachholbedarf. Die Landesregierung sollte dafür Sorge tragen, dass das Landeslabor die notwendigen Ressourcen erhält, um seiner Aufgabe der amtlichen Lebensmittelüberwachung tatsächlich nachkommen zu können und um in der Lage zu sein, eine repräsentative Beprobung durchzuführen. Dies sehen wir derzeit als nicht gegeben an.

Einen Punkt, den Bernd Voß schon erwähnt hat, möchte auch ich unterstreichen: Wer Kontrolle will - als Verbraucher treten wir natürlich dafür ein, genauso wie als verantwortliche Politiker -, muss Sorge dafür tragen, dass die Institutionen unabhängig sind und nicht dem Einfluss von anderen unterliegen.

(Oliver Kumbartzky)

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen. Es ist nun einmal so - auch wenn es einigen nicht passt; meine Vorredner von CDU und FDP haben das ja ein bisschen relativiert -, dass die Produkte aus dem ökologischen Anbau, auch was die Rückstandsproblematik angeht, besonders gut abschneiden. Ich wiederhole die Zahlen: Deutschlandweit wurden bei 70 % der Proben keine nachweisbaren Rückstände gefunden. 0,5 % enthielten Rückstände über dem zulässigen Höchstwert. Nur 0,35 % der Proben wurden beanstandet. Die EU-Ergebnisse sind entsprechend.

Dieser Bericht ist ein deutliches Indiz dafür - das kann man durchaus einmal betonen -, dass Robert Habecks Agrarwende aus Verbrauchersicht, aber auch aus politischer Sicht der richtige Weg ist. Der Schritt von der konventionellen zur nachhaltigen ökologischen Landwirtschaft ist wichtig und richtig; wir sollten ihn konsequent weitergehen.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Den Verbesserungsbedarf, was die Anzahl der Proben betrifft, habe ich bereits angesprochen.

Wir freuen uns auf die weitere Diskussion, vielleicht unterlegt mit weiterer Fachexpertise zu der Frage, wie ein umfangreiches Monitoringprogramm den von mir geschilderten Anforderungen in der Praxis entsprechen kann. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall PIRATEN)

Für die Abgeordneten des SSW hat jetzt Herr Abgeordneter Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Auch der SSW bedankt sich beim Minister und seinen Mitarbeitern für den vorliegenden Bericht. Die im Auftrag der Bundesregierung durchgeführte zweite Nationale Verzehrstudie belegt, dass Lebensmittel allgemein als sicher eingestuft werden. Gleichwohl sind aber rund 80 % der Befragten der Meinung, dass Pestizidrückstände zu den größten Lebensmittelrisiken gehören. Inwieweit diese Befürchtungen wissenschaftlich begründet sind oder ob es sich dabei um ein Bauchgefühl handelt, das lasse ich dahingestellt. Aber diese Wahrnehmung gilt es ernst zu nehmen.

Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln sind gewiss nicht gesundheitsförderlich. Das ist klar. Es stellt sich aber die Frage, inwieweit die Rückstände gesundheitsschädlich sind.

Zur Ehrlichkeit gehört: Eine Landwirtschaft flächendeckend ohne Pflanzenschutzmittel wird es wohl kaum mehr geben. Die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in den behandelten Kulturen führt dazu, dass Rückstände häufig unvermeidbar sind. Daher gilt es, Vorkehrungen zu treffen, die ein Gesundheitsrisiko ausschließen.

Aus dem Bericht geht hervor, auf welchen Rechtsgrundlagen die Rückstandshöchstgehalte geregelt sind und welche Kontrollinstrumente es gibt. Es gibt Zulassungsverfahren, in denen festgelegt wird, wie hoch die Rückstände bei praxismäßiger Anwendung sein dürfen.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung beurteilt die toxikologischen Eigenschaften der Wirkstoffe. Das Bundesamt für Verbraucherschutz erarbeitet Vorschläge für Rückstandshöchstgehalte und reicht diese Vorschläge bei der EU-Kommission ein, die sie dann nach Konsultation der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit in der EU verbindlich vorschreibt. Die EU-Berichte bewerten nicht nur die Höchstgehalte, sondern nehmen auch Bezug auf die möglichen gesundheitlichen Auswirkungen auf die Konsumenten.

Zudem wird auf nationaler Ebene ein zusätzliches Untersuchungsprogramm durchgeführt. Im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung führen die zuständigen Landesbehörden die Rückstandsuntersuchungen durch. Wir haben also ein dichtes Netz von Regelungen und Untersuchungen, die dafür sorgen, dass die Rückstände kein Risiko für Verbraucher darstellen.

In der Praxis muss jeder Landwirt, der Pflanzenschutzmittel anwendet, sachkundig sein und darf nur geprüfte Pflanzenschutzgeräte verwenden. Landwirte müssen auch hier die Grundsätze der guten fachlichen Praxis im Pflanzenschutz einhalten und jede Anwendung von Pflanzenschutzmitteln dokumentieren.

Es ist festzustellen, dass dieses dichte Netz an Bestimmungen und Untersuchungen seine Wirkung zeigt. Dem Bericht ist zu entnehmen, dass die Untersuchungen im Landeslabor einen positiven Trend aufweisen. Das heißt: Der Prozentsatz an Proben ohne Rückstände ist in den letzten Jahren immer weiter gestiegen. Dieser positive Trend ist auch bundesweit zu verzeichnen. Das zeigt: Wir sind hier also durchaus auf dem richtigen Weg.

(Angelika Beer)

Gleichwohl muss ständig nachgebessert und nachgesteuert werden. Gleichzeitig sollten wir nicht nachlassen, weiter daran zu arbeiten, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu senken.

(Beifall SSW und CDU)

Pflanzenschutzmittel sind nicht ohne Nebenwirkungen für die Umwelt. Der Einsatz von Pestiziden ist einer der Hauptgründe für den Verlust der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft. Eine komplette Nullnutzung von Pflanzenschutzmittel wird es nicht geben; aber einen Blick auf Alternativen und deren Förderung sollten wir niemals verlieren. Daran sollten wir ernsthaft weiter arbeiten. - Jo tak.

(Beifall SSW und CDU)

Wir kommen jetzt zu den Dreiminutenbeiträgen. Das Wort erhält Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil ich das, was die CDU hier vorgetragen hat, so nicht stehen lassen kann.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich ist richtig, dass die Qualität der Lebensmittel sowohl im biologischen Bereich als auch im konventionellen Bereich hoch ist. Die Lagerungstechnik hat sich verbessert. Im Bereich Verarbeitung besteht allerdings auch noch ein Problem. Aber dass Sie aufgrund dieses Berichts dem Einsatz von Pestiziden, von Agrargiften in der Landwirtschaft einen Persilschein ausstellen, kann ich so nicht stehen lassen. Auch auf Ebene der toxischen Belastung kann das nicht stimmen.

Wir müssen im Bericht zur Kenntnis nehmen, dass wir es mit einer kumulativen Toxizität zu tun haben. Wir haben es mit Metaboliten zu tun; natürlich haben wir es auch mit Persistenz zu tun. Das heißt, die Stoffe sind sehr lange nachweisbar und bauen sich teilweise erst nach Jahrzehnten ab. Letztlich sind auch die Zahlen, die im Bericht genannt worden sind, immerhin im Prozentbereich. Wenn man sich vor Augen führt, welche Masse wir Menschen essen, dann ist festzustellen, dass dies keine Kleinigkeit ist.

Sie haben ein Thema völlig vernachlässigt; die Stellungnahme der FDP dazu war wohltuend, sie war wenigstens noch ein bisschen nachdenklich und differenziert. Die Zunahme von Allergien haben Sie überhaupt nicht betrachtet. Wir haben es allgemein - nicht nur im Bereich der Landwirtschaft - mit einer Zunahme an Stoffen in unserer Umgebung zu tun, und wir haben eine sehr starke Zunahme von Allergien in der Bevölkerung. Diese Zusammenhänge sind zum Teil nicht erforscht oder messbar. Das heißt, die minimale Wirkkonzentration von solchen Rückständen für den allergieauslösenden Effekt - die Kollegin Ärztin nickt - ist schlicht nicht bekannt.

Es ist zu vermuten, dass die Zunahme von Allergien in einem Zusammenhang mit der Zunahme von Stoffen allgemein in der Umwelt steht.

Herr Abgeordneter Matthiessen, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Göttsch?

Ja, bitte schön.

Lieber Herr Kollege, können Sie mir bitte den Bericht zeigen, in dem Ihre Aussage über die Allergien steht? Ich habe das im vorliegenden Bericht nicht gelesen.

- Der Bericht bezieht sich sozusagen auf die toxische Belastung des Endkunden durch Rückstände aus Pestiziden.

(Unruhe)

Das ist natürlich nur eine Seite der Medaille; das versuchte ich bereits auszuführen. Der Bericht zeigt, dass zur kumulativen Toxizität Erkenntnisrückstände bestehen. Wir müssen aber vermuten, dass es in diesem Bereich zu Wechselwirkungen kommt. Das ist der eine Punkt.

Der andere Punkt ist, dass neben der Toxizität das Entstehen von Allergien ganz allgemein als medizinisches Massenphänomen zu beobachten ist. Das steht im Zusammenhang mit der Zunahme von Stoffen. Den Zusammenhang zwischen Allergieentstehung und Zunahme der Stoffmengen im Sinne der Toxizität -

(Lachen CDU)

(Flemming Meyer)

Toxizität ist etwas anderes. Das ist sozusagen die Vergiftung, um das auf Deutsch auszudrücken.

(Unruhe - Glocke Präsident)

Allergien können durch sehr niedrige Mengen entstehen. Insofern muss ein Zusammenhang mit der Vielzahl von Stoffen in der menschlichen Umgebung - zu denen gehören auch Pestizide - vermutet werden, Herr Kollege.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Nachfrage?

Auf meine Nachfrage brauchen Sie nicht wieder so lange zu antworten.

(Heiterkeit CDU)