Protocol of the Session on January 28, 2010

Unser Vorschlag folgt nicht dem Grundsatz, der auch in Ihrer Diktion hier enthalten war, dass einige Länder für andere Länder die Schulden zurückzahlen sollen. Nach unserem Plan zahlt jedes Land die eigenen Schulden zurück. Geholfen wird durch eine Art Fortsetzung des Solidaritätszuschlags, wie wir ihn für den Aufbau Ost verwendet haben. Die Größenordnung des Zuschlags auf die Einkommensteuer läge bei 1,5 % bis 2 %. Das ist notwendig, um die Landes- und Kommunalschulden in einem Zeitraum von fünfzig Jahren zu tilgen und mit Zinsen zu bedienen.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Robert Ha- beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Weitere 3 % braucht man, um dem Bund das Gleiche zu ermöglichen. Damit sind wir wieder bei einem Zuschlag von 5,5 %, wie er bereits jetzt als Zuschlag auf die Einkommensteuer erhoben wird. Ich glaube, wir werden über diesen Punkt erneut miteinander diskutieren.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Möglicherweise nennen wir es dann anders. Die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs steht in den nächsten Jahren an; spätestens am Ende dieser Wahlperiode beginnen die Beratungen. Dann werden wir erneut über diese Frage reden.

Nur, die Nettotilgung von Altschulden beginnt erst dann, wenn man mit der Neuverschuldung bei null ist. Dort müssen wir erst einmal hinkommen. Deshalb ist die Reihenfolge richtig, erst die Schuldengrenze festzulegen, die Schuldenbremse auf dem Weg dahin umzusetzen und dann mit der Altschuldentilgung definitiv zu beginnen. In der Föderalismuskommission II ist vereinbart worden, dass in einer weitere Beratungsrunde - das wird die sein, in der wir den Länderfinanzausgleich neu ordnen auch über die Altschuldentilgung neu diskutiert wird. Dann werden wir unseren Antrag erneut einbringen.

(Anhaltender Beifall bei CDU und FDP)

Für einen Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Ralf Stegner das Wort.

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Es wird nicht besser!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe den intellektuellen Hoch- und Tiefflügen zugehört. Lassen Sie mich dazu drei Bemerkungen machen.

Ich will bei Ihnen beginnen, lieber Herr Kollege Habeck. Wenn man viel Glück hat, ist das, was heute neu ist, morgen alt. Nicht alles, was alt ist, ist schlecht. Ich sage zum Beispiel: Unser Grundwert der sozialen Gerechtigkeit ist heute nicht mehr so schick und modern; aber er ist richtig, und wir legen ihn als Messlatte an die Lösung der Probleme an, über die wir hier im Interesse der Menschen dieses Landes diskutieren.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Auch wenn wir über die Zukunft reden, können wir es nicht durchgehen lassen, dass hier vom Kollegen von Boetticher und von Minister Wiegard Geschichtsklitterung betrieben wird. Sie haben uns gefragt, wo unser Teil der Verantwortung sei. Ich will es Ihnen sagen. Als die BarschelRegierung abtrat und wir an die -

(Zuruf des Ministers Dr. Heiner Garg [FDP])

- Es wurde die Frage nach der Verantwortung in den vergangenen zwanzig Jahren gestellt, Herr Minister Dr. Garg. Dazu will ich gern etwas sagen.

Nachdem die Barschel-Regierung abgetreten war, übernahmen wir die Verantwortung, erst in der Regierung Engholm, dann gemeinsam mit den Grünen in der Regierung Simonis. Da das Land buchstäblich in jeder Disziplin - Kinderbetreuung, Mitbestimmung, Umweltschutz, Energiepolitik, Elektrifizierung von Bahnstrecken - Schlusslicht war, mussten wir das Land modernisieren. Wir haben etwas dafür getan und investiert. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN - Widerspruch bei der CDU)

Die Regierung war in jenen Jahren auch noch moralisch diskreditiert. Das haben wir geändert, meine sehr verehrten Damen und Herren. Dazu sollten Sie sich bekennen, anstatt hier solche Geschichtsklitte

(Minister Rainer Wiegard)

rung zu betreiben. Verschuldet waren wir übrigens auch damals schon.

Herr Abgeordneter Dr. Stegner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. von Boetticher?

Wenn Sie mir das nicht von der Redezeit abziehen, gern.

Nein, tun wir nicht.

Können Sie mir freundlicherweise sagen, in welchem der von Ihnen soeben genannten Punkte wir in Schleswig-Holstein denn heute bundesweit in der Spitzengruppe liegen?

(Martin Habersaat [SPD]: Nicht mehr Schlusslicht! - Heiterkeit bei CDU und FDP)

Inzwischen, Herr Kollege von Boetticher, sind die meisten Bahnstrecken elektrifiziert. Inzwischen, Herr Kollege von Boetticher, liegt bei uns der Anteil der erneuerbaren Energien an der Energieversorgung nicht mehr bei nur 0,05 %, sondern bei über 40 %. Inzwischen sind wir bei der Kinderbetreuung nicht mehr Schlusslicht. Im Jahr 1988 standen für Kinderbetreuung 700.000 DM im Haushalt zur Verfügung, heute sind es über 60 Millionen €. Das ist der Unterschied, Herr Kollege von Boetticher, um es einmal glasklar zu sagen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Sehr geehrter Herr Minister Wiegard, wer sich hier hinstellt, über Risiken für das Land redet und behauptet, er sei besonders gut im Umgehen mit der uns am meisten bedrohenden Krise, nämlich der Krise der HSH Nordbank, aber nur noch deshalb hier sitzen darf, weil er die Zuständigkeit dafür in der Regierung entzogen bekommen hat, der sollte ganz still sein, wenn es darum geht, anderen hier irgendwelche Vorschriften zu machen.

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CDU)

Hier wurde gesagt, wir könnten nicht so weitermachen wie bisher. Ich räume ein, dass das mit der

Körperschaftsteuerreform damals ein großer Fehler war. Das habe ich übrigens schon damals kritisiert; ich suche Ihnen die Stellen noch einmal heraus. Ich habe hier - im Gegensatz zu anderen - gesagt, dass auch die SPD solche Fehler gemacht hat. Daraus haben wir gelernt.

(Lachen bei CDU und FDP)

Aber wer sich wie Sie hier hinstellt und sagt, wir könnten nicht so weitermachen wie bisher, aber als Nächstes solche Steuergesetze beschließt wie das, dem Sie gerade zugestimmt haben, der sollte den Mund halten und nicht behaupten, er habe sich geändert.

(Beifall bei SPD und der LINKEN)

Es ist ja noch schlimmer: Dieser Finanzminister will die Erbschaftsteuer abschaffen. Dieser Finanzminister wollte die Gewerbesteuer abschaffen. Dieser Finanzminister will unser Land finanziell noch schlechter stellen, als es ohnehin schon dasteht. Das ist leider die traurige Wahrheit.

(Beifall bei SPD und der LINKEN)

Insofern sage ich Ihnen: Wir sind bereit, über eine Schuldenbegrenzung zu reden. Wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie bemerkt, dass es überhaupt nicht um Bagatelldinge oder Ähnliches geht. „Das Nähere regelt ein Gesetz“ bedeutet, dass es die einfache Mehrheit in diesem Landtag regelt. Darüber brauchen wir nicht zu streiten. Wir sind zu einer Schuldenbegrenzung ernsthaft bereit. Aber wir sind nicht bereit, Ihnen einen Blankoscheck auszustellen für die Lobbygesetze und die Steuersenkungen, die Sie beschließen. Das bezahlen nämlich die einfachen Menschen in diesem Land, die hart arbeiten müssen und von Ihnen um ihren Lohn gebracht werden. Das ist der Punkt.

(Anhaltender Beifall bei SPD und der LIN- KEN)

Für einen weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich der Frau Abgeordneten Monika Heinold, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe neue und junge Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus! Ich finde, wir sollten die Debatte um die Schuldenbremse zukunftsorientiert, nach vorn gerichtet führen.

(Dr. Ralf Stegner)

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Wir sind doch nicht hier, um die Vergangenheit aufzuarbeiten.

(Lachen bei der CDU)

Ob wir über Schulden, ob wir über Steuerreform oder gar über die HSH-Bank reden - ich glaube, niemand von den Fraktionen der letzten Legislaturperiode schneidet dabei besonders gut ab.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Deshalb ist es doch so wichtig, das wir jetzt nach vorn schauen: Wie kann das Land zukünftig finanziell besser wirtschaften, statt immer nur Schulden zulasten der zukünftigen Generationen aufzunehmen? Deshalb hat meine Fraktion von Anfang an gesagt: Ja, wir wollen die Schuldenbremse. - Wir haben gesagt: Es muss der Konsolidierungspfad aufgezeigt werden. Und es müssen - das fehlt uns ja zurzeit - die Rahmenbedingungen aufgezeigt werden, innerhalb derer es überhaupt gehen kann.

Nach unserer Rechnung ist das so: Mit Personaleinsparungen, Verwaltungseinsparungen, mit Kürzungen in Bereichen, die wir alle nicht gut finden und die schwer werden, mit all diesen Kürzungen können wir nach zehn Jahren vielleicht 400 bis 500 Millionen € in diesem Landeshaushalt einsparen. Dann haben wir aber viele Proteste vorm Landeshaus und viele Menschen, die zu Recht fragen: Warum wird bei mir gespart?

Wenn wir die 1,2 Milliarden € nehmen, die wir abbauen müssen, und man dann, wenn man das so aufgezeigt hat, feststellt, dass man 400 bis 500 Millionen € an Einsparsumme nach zehn Jahren erreichen kann, dann muss man doch fragen: Was nun! Dann gibt es zwei Möglichkeiten; Herr Habeck hat es gesagt. Die eine ist: Kahlschlag im Bereich Bildung, soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz. Das will meine Fraktion nicht und wird es auch nicht mittragen. Die andere Möglichkeit ist: Wir reden über Altschuldenfonds, über Steuererhöhungen, über Vermögensabgaben und über eine Beibehaltung des Solidaritätsfonds.

Ich sage Ihnen, Herr Wiegard: Wenn Sie Ihre Hausaufgaben gemacht haben, wird der Landesregierung gar nichts anderes übrig bleiben, als dass Pat und Patachon wieder nach Berlin zur Kanzlerin ziehen, aber diesmal hoffentlich mit größeren Erfolgen nach Hause kommen.

(Heiterkeit und Beifall bei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)