Protocol of the Session on January 28, 2010

- Lieber Kollege Weber, das ist eine entlarvende Antwort.

Herr Fraktionsvorsitzender, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Stegner zu?

Bitte, Herr Dr. Stegner, Sie haben das Wort.

Ist Ihnen bekannt, Herr Kollege von Boetticher, dass diese Bemerkung in der Pressekonferenz sich mitnichten auf die Steuerpolitik der Regierung Schröder bezogen hat, die wir bezogen auf die Unternehmensteuerreform in der Tat kritisiert haben, sondern sich auf die Maßnahmen in der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise bezog, die die Große Koalition in Berlin im letzten Jahr - mitten in der größten Wirtschaftskrise - beschlossen hat? Da wurde nämlich gefragt: Soll das rückgängig gemacht werden? Die Antwort darauf war: Nein. - Darauf bezog sich das. Ich würde Sie gern fragen, ob Ihnen das Ihr Mitarbeiter, der auf der Pressekonferenz zugegen war, vielleicht berichtet hat?

Herzlichen Dank. Das ändert aber an der Grundaussage nichts. Das können Sie jetzt versuchen zu beschönigen. Es gibt keine gute oder schlechte Steu

ererleichterung, es gibt auch keine gute oder schlechte Regierung in diesem Kontext, sondern es gibt einzig und allein die Frage, ob es uns daran hindert, unsere Arbeit zu machen. Ich sage Ihnen: Nein, das darf uns nicht daran hindern, hier unsere Arbeit zu machen. Natürlich muss es einen Stabilitätsgrad geben bei der Frage, ob das Land das Seinerseitige dazu getan hat, um diese Schuldenbremse einzuhalten. Genau darum geht es, und genau darum dürfen wir an dieser Stelle die Schuldenbremse auch nicht aufweichen. Dafür wird es von uns keine Stimme geben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Es ist uns sehr ernst. Ich glaube, das werden die Debatten der nächsten Wochen noch zeigen. Der Tag gestern hat es gezeigt. Es wird verschiedene Anträge geben, in denen Sie deutlich machen, dass es Ihnen am Ende nicht um die Ausfüllung einer Schuldenbremse geht. Die muss ja mit konkreten Zahlen hinterlegt werden. Da müssen wir eben wirklich - wie es so schön heißt, Frau Kollegin Erdmann - die Hosen herunterlassen im übertragenen Sinne. - Keine Angst. Ich weiß, Sie haben eher Angst vor dem Kollegen Kubicki als vor mir. Das haben Sie gestern deutlich gemacht.

(Heiterkeit bei CDU und FDP)

Aber wir müssen an dieser Stelle trotzdem deutlich machen, dass wir wirklich bei allen Dingen in die Überprüfung gehen. Nicht mehr und nicht weniger habe ich getan.

Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten gespannt verfolgen, wie Ihre Reaktion ist. Die ersten Reaktionen habe ich schon zur Kenntnis genommen. Man ist immer für das große Sparen, man will sich auch ganz eifrig bemühen - das wollte man ja schon immer -, aber bloß nicht konkret ins Detail gehen. Denn eine Überschrift stimmte auch in den Zeiten: Es gibt kein Sparen, ohne dass man etwas wegnimmt, und es gibt kein Wegnehmen, ohne dass es nicht auch Unmut darüber geben wird, Geld wegzunehmen. Das ist richtig. Es finden sich immer breite Mehrheiten dafür, auch im Landtag. Bei Einsparung ist das in den allerseltensten Fällen so.

Wir werden darauf achten, was Sie ganz konkret an Einsparmaßnahmen vorbringen, und zwar gerade dort, wo die Maßnahmen nicht binden. Ich sage Ihnen: Kommen Sie mir nicht bei jeder Gegenfinanzierung mit der kommunalen Verwaltungsstruktur. Die kann man einmal anwenden. Das wäre ein kleiner Teil einer Jahreseinstellung.

(Dr. Christian von Boetticher)

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Es ist das Geld der Kommunen. Auch das ist es. Es wird nämlich nicht bei sich selbst gespart, sondern am liebsten bei anderen. Das darf es nicht mehr geben. Das wird in den nächsten zehn Jahren ein harter Weg werden.

Eines sage ich ganz bewusst, weil man den Menschen auch ein Ziel geben muss: Das Ziel ist es nicht, dauerhaft Strukturen kaputtzumachen, das Ziel ist es auch nicht, zukunftsfähige Investitionen in Zukunft nicht mehr zu tätigen, das Ziel ist es, all das zu tun, aber nicht immer aus dem Geld der nächsten Generation, nicht immer aus Schulden, nicht immer mit Geld, das wir künftigen Generationen in diesem Land wegnehmen und mit denen wir sie belasten, sondern mit Geld, dass wir irgendwann aus Einnahmen erwirtschaften. Dann haben wir ein Recht, dieses Geld dort auszugeben. Dann ist es gut angelegtes Geld. Das möchte ich. Ich möchte beitragsfreie Kindergartenjahre für möglichst alle, ich möchte sie jedoch nicht aus Schulden finanzieren. Das habe ich in der letzten Debatte hier gesagt, und das sage ich auch heute.

Darum bitte ich Sie um eine breite Unterstützung für eine engagierte Schuldenbremse, wo wir viel tun und leisten müssen, wo wir auf Unterstützung anderer angewiesen sind, wo wir sicherlich auf zusätzliche Einnahmen zählen müssen. Auch das geht nur, wenn wir Freiräume schaffen für Infrastruktur, für Wachstum, für neue Arbeitsplätze in diesem Land. Daraus kann ein Gemisch werden, das uns hilft, die Vorgaben der Schuldenbremse zu erreichen. Ich bin davon überzeugt, wir brauchen sie, und ich bitte um Ihre Unterstützung.

(Lebhafter Beifall bei CDU und FDP)

Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Kubicki das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Schleswig-Holsteinische Landtag debattiert seit Anfang des letzten Jahres immer wieder und ausführlich über das Thema Schuldenbremse. Diese intensive Beratung ist absolut richtig. Das Thema betrifft das Land geradezu existenziell. Und genau diese Existenzfrage war auch der Grund dafür, dass in seltener Eintracht über alle Fraktionen hinweg festgestellt wurde, dass eine Schuldenbremse

grundsätzlich richtig und notwendig ist. Ich will daran erinnern, dass der Ältestenrat im vergangenen Jahr einstimmig der Auffassung war, dass der Landesgesetzgeber über die Feststellung einer Schuldenbremse befinden muss, dass der richtige Ort, eine Schuldenbremse mit Verpflichtungswirkung für den Landtag zu verankern, die Landesverfassung ist. Es gibt andere Auffassungen, die sagen, es reicht die bundesgesetzliche Vorgabe. Wir sind nicht dieser Auffassung.

CDU und SPD machen in dieser ersten Sitzung dieses Jahres einen erneuten Versuch, eine Schuldenbremse in die Landesverfassung hineinzubringen. Denn leider ist der Landtag der 16. Wahlperiode zu keiner abschließenden politischen Regelung gekommen. In der Debatte vom 16. September 2009, an die ich wirklich erinnern will, wurde für eine solche Regelung auf der Basis des Antrags des damaligen Landtagspräsidenten Kayenburg nicht die notwendige Zweidrittelmehrheit erreicht.

Es ist die SPD-Fraktion gewesen, Herr Kollege Dr. Stegner, die sich zu einem Ja auf der Grundlage des Entwurfs nicht hat bereitfinden können, aber gleichzeitig die Zusage gegeben hat, dass eine vernünftige, an der Bundesregierung orientierte Regelung in der Landesverfassung mithilfe der Sozialdemokraten gefunden werden soll.

Ich bedauere zutiefst, dass wir zu Beginn der 16. Wahlperiode keine Regelung gefunden haben, und ich bedauere, dass sich die SPD jetzt, zu Beginn der 17. Wahlperiode, im Gegensatz zu den Grünen - für deren Vorschlag ich mich ausdrücklich bedanken will - und zum SSW schlicht einer Verständigung über eine gemeinsame Gesetzesinitiative verweigert hat. Denn eine Schuldenbremse ist grundsätzlich richtig. Sie schafft ein Fundament für zukünftige nachhaltige Ausgaben und erhält damit den Spielraum für die zukünftigen Generationen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrter Herr Dr. Stegner, wenn ich mir den Gesetzentwurf der SPD anschaue, der heute parallel zum Gesetzentwurf der regierungstragenden Fraktionen zur Debatte steht, dann muss ich eindeutig feststellen: An der Auffassung der SPD hat sich rein gar nichts geändert. Die SPD lehnt eine Schuldenbegrenzung definitiv ab.

Der ehemalige Finanzminister und jetzige Fraktionsvorsitzende der SPD schlägt ernsthaft vor - ich zitiere aus dem Gesetzentwurf der SPD -:

„Die Sätze 1 bis 4“

(Dr. Christian von Boetticher)

- also die Einführung einer Schuldenbremse

„finden keine Anwendung, soweit und solange Regelungen des Bundes zu Einnahmeverlusten des Landes oder zu sonstigen Belastungen des Landeshaushaltes führen, die nicht anderweitig ausgeglichen werden.“

Im Klartext heißt das: Sobald der Bund irgendeinen Beschluss fasst, der finanzielle Auswirkungen auf die Landeshaushalte hat, soll das Land Schulden in unbegrenzter Höhe wieder aufnehmen dürfen. Das ist das Gegenteil einer Schuldenbremse.

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Kollege Dr. Stegner, vielleicht an dieser Stelle gleich eingefügt: Ich finde es sehr bemerkenswert, dass Sie beispielsweise von dieser jetzigen Regierung, an der die FDP beteiligt ist, die Umsetzung von Maßnahmen verlangen, zu denen Sie, als Sie regiert haben, nicht in der Lage waren. Ich schätze das Vertrauen in die neue Kraft der FDP, aber nun zu erklären, wir sollten mit den anderen Bundesländern erneut in Verhandlungen darüber eintreten und dem Bund erklären, wie ein Altschuldenfonds aussehen soll, finde ich, ist Chuzpe. Denn Ihnen ist es nicht gelungen, einen entsprechenden Altschuldenfonds zu vereinbaren. Nennen Sie uns doch bitte einmal die Möglichkeiten! Herr Dr. Stegner, ich hätte erwartet, dass Sie eine große Rede halten. Sie halten zu jedem Tagesordnungspunkt immer die gleiche Rede.

(Beifall bei FDP und CDU)

Aber nennen Sie uns doch bitte einmal die Möglichkeiten, die wir als Land Schleswig-Holstein haben, den Bund und andere Länder zu einer Veränderung von Maßnahmen zu veranlassen, die gerade beschlossen worden sind, übrigens auch mit Zustimmung der SPD-geführten Bundesländer. Nennen Sie uns die Möglichkeiten, die anderen Bundesländer zu veranlassen, uns über das Maß der Hilfe hinaus zu helfen, zu der sie bisher bereit gewesen sind.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Außer, dass Sie hier große Fensterreden halten, können wir feststellen, dass Ihre Wirkungsmöglichkeiten offensichtlich auch in Ihrer eigenen Partei, der SPD, nicht so weitreichend sind, dass die Vorstellungen, die Sie haben, mithilfe der SPD-geführten Länder hätten umgesetzt werden können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Regelung, die die Sozialdemokraten vorschlagen, ist genauso ab

surd wie fatal. Die finanzpolitische Sprecherin von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Monika Heinold, hat alles Notwendige dazu gesagt. In ihrer Pressemitteilung vom 14. Januar 2010 schreibt sie:

„Das ist reine Oppositionsattitude und bringt die Debatte um eine nachhaltige Konsolidierung nicht voran.“

Frau Kollegin Heinold, genau so ist es.

Erlauben Sie mir den Hinweis: Die vergangenen 21 Jahre SPD-Regierung haben den schleswig-holsteinischen Landeshaushalt ins Nirwana gestürzt und dem Land fast jeglichen Handlungsspielraum genommen.

Die Stützungsmaßnahmen für die HSH Nordbank einbezogen, hat Schleswig-Holstein im Augenblick einen Schuldenstand von 24 Milliarden €. Das entspricht in etwa dem Dreifachen des Nettohaushaltes unseres Landes. Bei der derzeitigen Finanzplanung, noch unter der großen Koalition von RotSchwarz aufgestellt, wird der aktuelle Schuldenstand im Jahre 2013 auf 31 Milliarden € angewachsen sein. Das ist dann schon fast der vierfache Nettohaushalt. Das Land Schleswig-Holstein wird demnächst jeden fünften Euro für die Bedienung seiner Kredite ausgeben müssen, Geld, welches an anderer Stelle fehlt: bei der Kinder- und Jugendhilfe, bei der schulischen Bildung, bei der Arbeitsmarktförderung und in der Altenpflege, um nur einige Beispiele zu nennen.

Selbst wenn es uns gelingen würde, mit der Finanzplanung der Großen Koalition und einer Nettoneuverschuldung null von 2013 ab zu operieren, werden wir 2020 bei fast 40 Milliarden € Altschulden landen. Das ist dann der fünffache Betrag unseres Nettohaushaltes. Das macht die Dramatik des Zinseszinseffektes, der Wirkung auf die öffentlichen Haushalte deutlich, weshalb wir jetzt anfangen müssen gegenzusteuern.

(Beifall bei FDP und CDU)

Dies zeigt: Wir sind es neben den verfassungsrechtlichen und finanzpolitischen Gründen vor allem den uns nachfolgenden Generationen in diesem Land auch aus moralischen Gründen schuldig, ihnen den Mühlstein von den Schultern zu nehmen, der sämtliche Gestaltungsmöglichkeiten für ihr Leben erdrückt. Für uns ist es wichtig, dass wir mit der gleichen Leidenschaft, mit der wir für die Verteidigung unserer Hoheitsrechte als Landesparlament kämpfen, auch für die Stabilisierung der finanzpolitischen Handlungsfähigkeit dieses Landes kämpfen. Das unterscheidet uns von der SPD. Herr Kollege

(Wolfgang Kubicki)

Dr. Stegner, wie unsolide und unseriös Ihr Vorschlag ist, müssten Sie eigentlich selbst wissen. Sie waren ja einmal Finanzminister.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Doch, das mache ich sehr gern, weil Sie die Rechtslage kennen müssten, die besteht. Der Kollege Dr. von Boetticher hat das angesprochen. Ich zitiere den geltenden Art. 143 d des Grundgesetzes. In Absatz 1 des Artikel 143 d heißt es wie folgt: