- Doch, das mache ich sehr gern, weil Sie die Rechtslage kennen müssten, die besteht. Der Kollege Dr. von Boetticher hat das angesprochen. Ich zitiere den geltenden Art. 143 d des Grundgesetzes. In Absatz 1 des Artikel 143 d heißt es wie folgt:
„Die Länder dürfen im Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2019 nach Maßgabe der geltenden landesrechtlichen Regelungen von den Vorgaben des Artikels 109 Absatz 3 abweichen. Die Haushalte der Länder sind so aufzustellen, dass im Haushaltsjahr 2020 die Vorgabe aus Artikel 109 Absatz 3 Satz 5 erfüllt wird.“
Das heißt: die Aufstellung eines Haushaltes ohne Neuverschuldung. Bis 2020 müssen die Landeshaushalte so aufgestellt sein, dass 2020 das Ziel Nettoneuverschuldung null erreicht werden kann.
Jetzt kommt der entscheidende Punkt, auf den Sie mit Ihrem Gesetzesvorschlag überhaupt keine Antwort geben, was uns vor ein weiteres Problem stellt. Das ist nämlich der Absatz 2:
„(2) Als Hilfe zur Einhaltung der Vorgaben des Artikels 109 Absatz 3 ab dem 1. Januar 2020 können den Ländern Berlin, Bremen, Saarland, Sachsen-Anhalt und SchleswigHolstein für den Zeitraum 2011 bis 2019 Konsolidierungshilfen aus dem Haushalt des Bundes in Höhe von insgesamt 800 Millionen Euro jährlich gewährt werden. Davon entfallen auf Bremen 300 Millionen Euro, auf das Saarland 260 Millionen Euro und auf Berlin, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein jeweils 80 Millionen Euro. Die Hilfen werden auf der Grundlage einer Verwaltungsvereinbarung nach Maßgabe eines Bundesgesetzes mit Zustimmung des Bundesrates geleistet. Die Gewährung der Hilfen setzt einen vollständigen Abbau der Finanzierungsdefizite bis zum Jahresende 2020 voraus. Das Nähere, insbesondere die jährlichen Abbauschritte der Finanzierungsdefizite, die Überwachung des Abbaus der Finanzierungsdefizite durch den Stabilitätsrat sowie die Konsequenzen im Falle der Nichteinhaltung der Abbauschritte, wird durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates und durch Verwaltungsvereinbarung geregelt. Die
gleichzeitige Gewährung der Konsolidierungshilfen und Sanierungshilfen auf Grund einer extremen Haushaltsnotlage ist ausgeschlossen.“
Das ist geltendes Verfassungsrecht. Das ist mit einer Zweidrittelmehrheit im Deutschen Bundestag, mit Zustimmung der SPD-Bundestagsfraktion, beschlossen worden. Das ist mit einer Zweidrittelmehrheit im Deutschen Bundesrat, mit Zustimmung der SPD-geführten Bundesländer, beschlossen worden.
Herr Kollege Dr. Stegner, Sie müssen uns doch erklären, wie wir diese Länder und den Bund dazu bewegen sollen, von diesen Vorgaben abzuweichen, das heißt, die Verfassung erneut zu ändern. Wenn wir das nämlich nicht tun, sie überzeugen, haben wir zwei Möglichkeiten: Wir verhalten uns gegenüber dem Bund verfassungswidrig, oder wir erhalten jährlich nicht die 80 Millionen €. Erklären Sie - Sie glorreicher Ex-Finanzminister dieses Landes Schleswig-Holstein - uns doch einmal, wie Sie den Landeshaushalt Schleswig-Holsteins mit den populistischen Erklärungen, die Sie hier abgegeben haben, mit Ihren Einwirkungsmöglichkeiten in Berlin, sanieren wollen, ohne die Finanzierungshilfe des Bundes und der anderen Bundesländer! Wenn Sie das nicht können, dann setzen Sie sich in die Ecke und schweigen,
und belästigen Sie uns hier nicht mit Vorschlägen, deren Realität bereits an der Tür scheitert, durch die Sie raus- oder reingehen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es tritt noch ein Fakt hinzu. Wir brauchen die Selbstdisziplinierung, um die dringend notwendige Bundeshilfe zu erhalten. Das strukturelle Defizit des Landes Schleswig-Holstein beträgt mittlerweile 1,25 Milliarden €, das in Schritten von jährlich 125 Millionen € abgebaut werden muss, und zwar nicht jedes Jahr in der gleichen Höhe von 125 Millionen €, sondern jedes Jahr aufwachsend um weitere 125 Millionen €, bis wir 2020 1,25 Milliarden € strukturelles Defizit beseitigt haben. Das können wir uns nicht aussuchen. Die Vorgaben der Schuldenbremse verpflichten uns dazu.
Ich habe mir gestern die Debatte im Bayerischen Landtag über den bayerischen Haushalt angehört. Es gab dort übrigens einen sehr interessanten Beitrag des haushaltspolitischen Sprechers der Grünen. Herr Kollege Habeck, ich empfehle Ihnen, das nachzulesen. Das passt zu der Frage: Wie agieren wir eigentlich als Parteien in unseren eigenen Bun
Die sagen das Gleiche wie Dr. Stegner: Wie kommen wir dazu? Wenn wir das hätten, was die Schleswig-Holsteiner hätten, dann ginge es uns doch gut! Auch Sie fordern Ihre Landesregierung auf, doch noch einmal nachzuverhandeln, damit man weniger in den Topf einzahlen muss, weil man etwas für die eigenen Leute tun muss.
Der Kollege Dr. Stegner soll sich einmal anhören was seine Kollegin Kraft aus Nordrhein-Westfalen zu diesem Thema sagt. Ich kann deshalb gut verstehen, wenn die Ministerpräsidenten von Hessen, Bayern oder Baden-Württemberg ganz genau auf die Finanzleistungen blicken, bei denen SchleswigHolstein im Vergleich zum Bundesdurchschnitt aus ihrer Sicht freigiebiger ist. Ich kenne die Diskussion auch aus meiner eigenen Partei. Der Kollege Hahn sagt: Nenne mir doch einmal einen logischen Grund dafür, Wolfgang, warum wir aus Hessen mit Steuermitteln aus Hessen Sozialleistungen in Schleswig-Holstein bezahlen sollen, die wir unseren Bürgern nicht gewähren. Nenne mir einen logischen Grund. Wenn er dir einfällt, ist das in Ordnung. Aber ich muss doch rechtfertigen, dass unsere Bürgerinnen und Bürger weniger Leistungen erfahren als eure und wir das für euch finanzieren sollen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, CDU und FDP haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, der aus unserer Sicht die Anforderungen an eine wirksame Schuldenbegrenzung erfüllt. Mit diesem Gesetz wird der staatliche Kreditaufnahmespielraum eingeschränkt und die Kreditaufnahme strengen Regeln unterworfen. Dabei besteht die Schuldenregel aus drei Kernbestandteilen: dem Grundsatz des strukturellen Ausgleichs, der Konjunkturkomponente und der Ausnahmeregel mit Tilgungsverpflichtung. Haushaltspolitisches Ziel ist es, den Grundsatz eines strukturell ausgeglichenen Haushalts festzuschreiben. Eine grund- und bedingungslose Kreditaufnahme - wie die SPD dies in ihrem Gesetzentwurf will - soll gerade nicht mehr möglich sein. Was jedoch möglich ist, ist eine streng geregelte Konjunkturkomponente, mit der ein konjunkturelles Steuern des Haushaltes ermöglicht wird.
Kreditaufnahme und die konjunkturell bedingten Überschüsse müssen sich innerhalb eines festgelegten Zeitraums ausgleichen. Hierzu soll eine symmetrisch wirkende Konjunkturregel eingeführt werden. Dafür ist allerdings eine gesetzliche Regelung ausreichend, sodass dies nicht Bestandteil der Verfassungsvorgaben sein muss.
Für besondere Situationen gibt es eine Ausnahmeregelung. Hiernach ist eine Kreditaufnahme für außergewöhnliche Notsituationen und Naturkatastrophen erlaubt, allerdings ist der Beschluss über den Aufbau dieser neuen Schulden mit einem Tilgungsplan zu verbinden.
Lassen Sie mich an dieser Stelle noch ein Wort zur möglichen Klage gegen die durch Grundgesetz festgelegte Schuldenbegrenzung von Bundesseite sagen: Es gibt nur einen einzigen Grund, vor dem Bundesverfassungsgericht eine Klage gegen die Bundesregelung zu erheben: der unzulässige Eingriff in die verfassungsrechtliche Autonomie der Länder über ihr Haushaltsrecht. Wer allerdings, wie die SPD, erklärt, man will gegen die Bundesschuldenbremse klagen und dann so einen Gesetzesentwurf für eine Landesschuldenregelung vorlegt, der dokumentiert eindeutig, es geht hier nicht um das Hoheitsrecht des Landes. Es geht ausschließlich darum, mehr und mehr Schulden machen zu können, und das ist schlicht unredlich.
Es gibt noch einen weiteren, ganz gravierenden Unterschied zwischen den Forderungen von CDU, FDP, Grünen und - soweit ich das verstanden habe - auch SSW im Vergleich zum Gesetzentwurf der SPD. Unser Anliegen war es stets, einen verbindlichen Schuldenabbaupfad ab dem Jahr 2011 zu definieren, und diesen dann auch verbindlich einzuhalten. Im Gegensatz zur SPD ändern CDU und FDP auch den Artikel 59 und fügen einen neuen Artikel 59 a hinzu, in dem es heißt:
„Die Haushalte des Landes zwischen dem 1. Januar 2011 und dem 31. Dezember 2019 sind so aufzustellen, dass im Haushaltsjahr 2020 die Vorgabe des Artikels 53 (neu) erfüllt wird.“
Wir stehen in der Verpflichtung. Wir haben das zugesagt. Wir werden es Ende Mai/Anfang Juni vorlegen, einen verbindlichen, nachvollziehbaren und nachprüfbaren Pfad zum Abbau des strukturellen Defizits bis zum Jahr 2020, weil - egal welcher Gesetzgeber künftig entscheidet - er an diesem Pfad nicht vorbeikommt.
Damit wird klar, der Weg zur Nettoneuverschuldung null im Jahr 2020 muss schon mit dieser Haushaltsaufstellung ab dem Jahr 2011 verbindlich durch einen Konsolidierungspfad festgelegt werden und dann in den Folgejahren eingehalten werden. Die Konsolidierung muss allerdings auf beiden Seiten des Haushalts wirken. Die Einnahmen müssen steigen, und die Ausgaben müssen sinken.
Auf der Einnahmeseite gilt: Die Politik der kommenden Jahre muss darauf ausgerichtet werden, neues Wachstum zu ermöglichen, den Rahmen für neue Beschäftigung zu setzen, um Steuereinnahmen zu generieren. Das wiederum heißt auf der Ausgabenseite: Alle Leistungen müssen auf den Prüfstand. Wir müssen uns über alles unterhalten. Es darf keine Denktabus geben.
Was wir dazu genauso wenig brauchen wie das Schuldenbeschleunigungsgesetz der SPD, ist der Begleitantrag zum Altschuldenpakt. Was sagt uns dieser Antrag? - Ralf Stegner dokumentiert damit ziemlich eindrucksvoll, dass es der abgewählten Landesregierung aus SPD und CDU nicht gelungen ist, im Rahmen der Föderalismus-II-Debatte eine angemessene Kompensation für Schleswig-Holstein zu erhalten. Liebe Sozialdemokraten, das stimmt. Sie haben das verbockt. Wir werden das ändern.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Dr. Robert Habeck, das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Erste, was ich heute gelernt habe, ist, dass man regieren muss, um Zeit zu haben, Plenardebatten des Bayerischen Landtags anzugucken. Ich freue mich darauf, diese Zeit einmal wieder aufzubringen.
Das Zweite, was ich heute gelernt habe, ist, dass ich etwas zu früh geklatscht habe, als Herr Kubicki über eine Erhöhung auf der Einnahmeseite sprach. Darauf werde ich noch zurückkommen.
nicht mehr heraus. Wozu also diese Debatte? Ist sie sinnlos? - Nein, das ist sie nicht. Es geht um eine politische Interpretation dessen, was wir anfangen müssen. Dies ist auch kein Selbstzweck hier im Haus. Es geht darum, einen gesellschaftlichen Konsens zu erzielen - das ist in unser aller Interesse, glaube ich -, warum wir welche politischen Schritte machen müssen. Darauf werde ich abheben. Ich versuche also, die Logik der Schuldenbremse herauszuarbeiten mit dem Ziel, diesen Konsens herzustellen. Dazu ist es natürlich auch erforderlich, dass die linke Seite des Hauses oder der Gesellschaft versteht, was da eigentlich passiert, und gleichzeitig die Fehler aufzuzeigen, die in der Debatte damit verbunden werden. Das wird dann wiederum nicht besondere konsensuale Folgen haben, befürchte ich.
Die Grundfrage ist also: Wird ein richtiges Gesetz, eine richtige Vorschrift, eine richtige Idee durch eine falsche Politik entwertet? Das ist eigentlich die zentrale Frage dieser Debatte. Denn die astronomische Verschuldung des Staates gramgebeugt zu beklagen und auf die Blut-, Schweiß- und Tränendrüse zu drücken und gleichzeitig eine weitere Schwächung des Gemeinwesens zu predigen, ist nachgerade widersinnig.
Würde es nur beim Predigen bleiben, doch nicht nur in Worten, sondern schlimmer auch in Taten, machte Schwarz-Gelb zugegebenermaßen im Bund gerade sinnwidrige Politik. Dass Steuerentlastungen Wachstum befördern, Herr Kubicki, kann mindestens bezweifelt werden. Die exportorientierte deutsche Wirtschaft ist abhängig von allem Möglichen, am allerwenigsten jedoch von den Vergünstigungen, die ihr im Binnenland eingeräumt werden. Es gibt in der Wissenschaft eine einzige Studie, die wirkliche Effekte bei der Wirtschaftsförderung und Wirtschaftsansiedlung nachgewiesen hat. Diese wurden nicht durch Niedriglöhne, Gewerbegebiete oder Autobahnen erzielt, sondern durch kulturell reiche Innenstädte, durch gute Hochschulen und ausreichende Kita-Plätze, durch tolerante und kreative Milieus, also genau durch das, was jetzt gerade kaputtgespart werden soll.
In einem hoch verschuldeten Staat die Steuern senken zu wollen, hat nichts mit Verantwortung für das Allgemeinwohl zu tun. Es zeugt von einem wirtschaftspolitischen Steinzeitdenken.
Jetzt kommt der Moment, wo ich zu früh geklatscht hatte; das war nämlich nur der erste Punkt, zum Wirtschaftswachstum. Dass die Steuerentlastungen selbsttragend sind, weil sie sich vollständig refinanzieren, ist hingegen nicht durch eine einzige Studie belegt, durch keine einzige wirtschaftliche Kennzahl. Selbst die Ihnen nahestehende neoklassische Wirtschaftswissenschaft geht inzwischen von einer Refinanzierungsquote von maximal einem Drittel aus. Selbsttragende Refinanzierung gibt es gar nicht. Das ist schlicht eine Ausrede für Lobbyismus.
Die rot-grüne Strategie - hier ja schon angesprochen -, die letzte Wirtschaftskrise, also die der Jahre 1998 bis 2002, zu überwinden, war der Praxistest, und der ist gescheitert. Die Rezession dauerte umso länger und in Deutschland ungewöhnlich lange, weil ein ausgemergelter Staat hier nichts mehr entgegenzusetzen hatte. Aber wenn wir schon aus unseren Fehlern lernen - es ist in der Politik ja nicht immer einfach, eigene Fehler zuzugeben -, wie dämlich muss man eigentlich sein, wenn Sie noch nicht einmal in der Lage sind, aus fremden Fehlern zu lernen? Wenn Sie dies erkennen, wie Herr von Boetticher das getan hat, warum setzen Sie sie dann fort? Das habe ich nicht verstanden.
Nein, Sie dokumentieren damit, dass der Politikansatz veraltet und Sie auch nicht lernfähig sind. Er ist durch die rot-grüne Wirklichkeit widerlegt worden.