Wir nehmen den Norddeutschen Rundfunk von unseren Ideen nicht aus. Zwar ist die Zusammensetzung der Gremien eine andere, jedoch auch beim NDR können weitere Sicherungen eingebaut werden, damit die Staatsferne garantiert bleibt. Denn auch hier hat ein CDU-Ministerpräsident versucht, seinen Einfluss auf den NDR zu vergrößern, indem er die Anzahl der Rundfunkratsmitglieder nach sei
Es besteht allerdings die Gefahr, dass dies nicht der letzte Versuch von politischer Einflussnahme gewesen ist. Unser Ziel ist daher auch beim NDR eine deutliche Reduzierung der von Parteien entsandten Mitglieder.
Zu einigen der von uns vorgeschlagenen Punkte kann man anderer Meinung sein, ohne damit aus unserer Sicht zu einem Feind der Rundfunkfreiheit zu werden. Wir sollten aber in eine offene Debatte hierüber einsteigen.
Um jedem Missverständnis vorzubeugen: Es geht mir nicht darum, dass Herr Koch ein Ministerpräsident aus den Reihen der CDU ist und Herr Brender auf SPD-Ticket in sein Amt kam. Mir ist es ein Dorn im Auge, dass Parteibücher überhaupt in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eine dermaßen entscheidende Rolle spielen. Ich finde, der Parteienproporz tut der Berichterstattung und der Unabhängigkeit nicht immer gut.
Frau Brand-Hückstädt, Sie haben im Wege der Pressemitteilung damals, als es aktuell war, gesagt: Die Vorgänge um die nicht erfolgte Vertragsverlängerung von Nikolaus Brender als Chefredakteur des ZDF haben gezeigt, dass es keine politische Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland gibt. Diese Unabhängigkeit brauchen wir aber, meine Damen und Herren. Ich bitte Sie daher: Lassen Sie uns im zuständigen Innen- und Rechtsausschuss daran arbeiten, die Rundfunkfreiheit zu sichern!
Für die CDU-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende, Herr Abgeordneter Dr. Christian von Boetticher, das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Fürter, das ist ja die erste medienpolitische Debatte, die wir in diesem neuen Landtag gemeinsam führen. Kollege Fürter ist neu als medienpolitischer Sprecher; ich bin es auch. Herr Kollege Fürter, normalerweise macht man sich erst einmal schlau, welches im Augenblick die medienpolitischen Debatten im Bund sind. Ich habe das gemacht. Ich war auf Fraktionsvorsitzenden
konferenzen. Da fällt einem eine Menge ein. Wie sollen beispielsweise GEZ-Gebühren in Zukunft erhoben werden, in der Zukunft von i-Phone, von verschiedenen Computern, die heute auch alle Fernsehen empfangen können? Oder man könnte über Medienkonzentrationsrecht reden oder auch über die Frage, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch Apps für Nachrichten vertreiben darf. All das sind ja wichtige Fragen, die derzeit die Medienlandschaft prägen. Nichts davon steht bei Ihnen auf der Tagesordnung.
Stattdessen bringen Sie hier ein offensichtlich von Ihrer Bundesgeschäftsstelle vorformulierten Antrag ein, den Sie wortgleich in allen Bundesländern gestellt haben.
Es ist die Frage, ob Ihre Rede auch von der Bundesgeschäftsstelle geschrieben worden ist, das würde mich noch interessieren. Sie beziehen sich auf einen Sachverhalt, der lange abgearbeitet ist.
Es gibt einen Nachfolger, der im Verwaltungsrat einstimmig gewählt worden ist. Ich darf auch sagen - ich weiß ja, wie es gelaufen ist -: Wenn es nicht der Ministerpräsident Koch gewesen wäre, der diese Debatte geführt hätte, sondern irgend ein anderer, dann hätte es überhaupt keine Aufregung gegeben. Denn die Dinge, die Herr Brender am Anfang seiner Tätigkeit versprochen hat, um die er sich kümmern wollte, nämlich beispielsweise Verjüngung des Publikums oder Steigerung der Marktanteile gerade in den Nachrichtensendungen, sind allesamt missraten und missglückt. Das war die Debatte, die geführt worden ist. Vor diesem Hintergrund hat es absolut Sinn gemacht, sich einen neuen und jüngeren Chefredakteur zu suchen.
Können Sie mich freundlicherweise unterrichten, ob die von den Grünen mitregierten Länder Bremen und Hamburg einen Normenkontrollantrag beim Bundesverfassungsgericht eingereicht haben?
Die Frage müssten Sie dem Kollegen Fürter stellen, der da sicherlich besser vernetzt ist als ich. Das weiß ich natürlich nicht genau. Aber sie ist jedenfalls in vielen Bundesländern so gestellt worden.
ich wollte fragen, wie ich es zu verstehen hatte, dass Sie sagten, wäre die Causa Brender nicht von Herrn Koch angestoßen worden, dann gäbe es keine Aufregung?
- Ich meine damit, dass es rationale und nachvollziehbare Gründe gegeben hat, warum der Verwaltungsrat insgesamt über Herrn Brender und über die Ergebnisse, die er vorgelegt hat, diskutiert hat. Das war damit gemeint, weil diese Ergebnisse so sind wie sie sind, dass nämlich die Nachrichtensendungen massiv an Zuschauern verloren habe und sich der Altersschnitt der Zuschauer auch massiv erhöht hat. Das waren die beiden zentralen Themen, die Herr Brender für sich selbst gesetzt hat. Er war dort nicht erfolgreich. Und das war die Beurteilung, die auch im Verwaltungsrat vorgenommen worden ist.
Aber mir geht es um etwas anderes, Herr Fürter. Der Staatsvertrag wird anerkanntermaßen durch uns abgeschlossen. Er wird durch die Regierung und durch die Parlamente abgeschlossen. Ich gehe
auch davon aus, dass Sie da nichts ändern wollen. Das ist nämlich die Grundlage für öffentlichrechtliche Medien. Wenn das so ist - das muss Ihnen Ihre Rechtsausbildung sagen -, dann sind diejenigen, die verantwortlich sind, in diesem Fall für acht Milliarden € an Gebührengeldern insgesamt in Deutschland, sind auch unbedingt vom Demokratieprinzip notwendigerweise in die Lage der Kontrolle zu versetzen. Verantwortlichkeit und Kontrollfähigkeit gehören in unserer Demokratie immer notwendig zueinander.
Das heißt, die Kontrolle, was hier in einem öffentlich-rechtlichen Bereich mit öffentlich-rechtlichen Gebühren geschieht, muss auch von uns, jedenfalls abgeleitet über den Verwaltungsrat, kontrolliert werden. Wenn wir das komplett aus der Hand geben, indem Sie sagen, weder Legislative noch Exekutive dürfen in den Gremien sitzen, dann tun Sie das Falsche. Ich warne davor, in diesem Bereich mit Volksdemokratie zu antworten. Dann haben Sie ganz schnell eine Debatte drüber, dass die Menschen in diesem Land darüber abstimmen, ob sie Gebühren zahlen wollen oder nicht, und wie die ausgeht, das weiß ich heute ungefähr einzuschätzen.
Darum sage ich Ihnen ganz deutlich: Es geht an dem Weg dessen, das wir hier als Parlament, entweder selbst oder abgeleitet über die medialen Gremien, auch Kontrolle ausüben in Bereichen, wo wir inhaltlich im öffentlichen Recht zuständig sind, kein Weg vorbei.
Lassen Sie mich abschließend eines sagen, dass Ihren ganzen Antrag mehr als absurdum führt: Wenn Sie am Anfang der Wahlperiode als Grüne Fühlung aufnehmen mit der Hintergrundfrage, ob Sie nicht auch einen grünen Vertreter in den Medienrat der Medienanstalt Hamburg und Schleswig-Holstein entsenden können, und den Antrag dann nicht weiterverfolgen, als offensichtlich von der Bundesgeschäftsstelle diese Politikgeschichte kommt, dann ist das schon ein wenig peinlich.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr von Boetticher, Sie haben gesagt, es ist Ihre erste Rede als medienpolitischer Sprecher Ihrer Fraktion gewesen. Ich muss Ihnen sagen, ich bin mit dem Antrag der Grünen überhaupt nicht einverstanden; das werde ich auch deutlich machen. Aber so, wie Sie hier mit Fragen des öffentlichrechtlichen Rundfunks umgegangen sind und wie Sie das in Verbindung bringen mit Kontrolle durch uns - Sie haben dreimal den Begriff gebraucht -, das finde ich schon erstaunlich, und darüber sollten wir mal reden. Hier wird gar nichts kontrolliert. Wir haben selbst in die Staatsverträge hineingeschrieben, wo die Kontrolle wahrgenommen wird, nämlich nicht hier im Parlament. Das, was in den Sendern passiert, wird durch die Gremien der Sender kontrolliert und nicht von uns.
(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Das habe ich auch nicht gesagt!)
Wenn ich Sie verkehrt verstanden habe, ist das umso mehr ein Grund, dass wir noch einmal darüber reden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus parteipolitischen Gründen - das bestreitet nur Herr von Boetticher - wurde der vom Intendanten des ZDF vorgeschlagene Nikolaus Brender nicht in seinem Amt als Chefredakteur bestätigt. Ministerpräsident Roland Koch hat damit einen ihm politisch unliebsamen Chefredakteur aus dem Weg geschafft.
Der Nichtwahl waren Diskussionen über die Einmischung von Politikern in die Personalentscheidungen des Senders und in die Rundfunkfreiheit vorausgegangen. Rund 35 Verfassungsrechtler haben dieses Vorgehen in einem offenen Brief sehr kritisch bewertet und als Gefahr für den öffentlichrechtlichen Rundfunk und die Anwendung des Artikels 5 Abs. 3 Grundgesetz angesehen. In der Tat, was hier geschehen ist, ist gefährlich für den Ruf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und ein Angriff auf dessen Unabhängigkeit.
Die Grünen fordern nun, die Verfassungsmäßigkeit des ZDF-Staatsvertrages in einem Normenkontrollverfahren überprüfen zu lassen. Wir werden diesen Antrag heute nicht mittragen.