Protocol of the Session on April 26, 2012

Im Rahmen der letzten arbeitsmarktpolitischen Debatte an dieser Stelle hatte ich es bereits gesagt: Der Gesetzentwurf der Fraktion der Grünen zum Mindestlohn enthält einige sehr interessante Punkte, über die wir gern ausführlicher beraten hätten. Das war aufgrund der knappen Zeit bis zur Landtagswahl nicht möglich. Das wussten die Antragsteller allerdings vorher. Insofern ist dies an dieser Stelle wenig tragisch. Für uns ist weiterhin klar: Wir wollen für einen fairen Wettbewerb sorgen, Lohndumping verhindern und die Lohnfindung bei den Tarifpartnern belassen. Wir wollen keine staatliche Subventionierung von Lohndumping. Wir wollen keine Wettbewerbsverzerrung durch Ausbeutung von Arbeitnehmern, aber wir wollen auch keine unnötige Gefährdung von Arbeitsplätzen, Herr Dr. Stegner. Unsere Haltung ist bekannt und wird heute auch Beschlusslage des Landtags. Wir wollen die Einführung verbindlicher Lohnuntergrenzen unterstützen, die sich an marktwirtschaftlichen Gegebenheiten orientieren. Wir wollen Lohnuntergrenzen, die nach Branchen und Regionen differenziert sein können. Alles andere halten wir für wenig sinnvoll. Die unterschiedliche Produktivität in den

Branchen und die unterschiedlichen Lebenshaltungskosten in den Regionen müssen Berücksichtigung finden.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das halten wir für die beste Lösung, die nach unserer Auffassung auch ganz im Sinne der sozialen Marktwirtschaft ist. Der Gesetzentwurf der Grünen geht immerhin in diese Richtung. Er sieht zwar mit der Ausnahme von Auszubildenden einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 € vor, aber wir bewegen uns mit Blick auf die im Entwurf vorgeschlagene Lohnfindungskommission ein kleines Stück aufeinander zu. Ich habe es beim letzten Mal schon gesagt: Dass die jeweilige Landesregierung aber durch die Besetzung des Vorsitzes dieser Kommission und damit mit der entscheidenden Stimme Einfluss auf die Empfehlung nehmen soll, halten wir für falsch. Das entspricht nicht unserer Vorstellung.

Mit Blick auf weitere Anträge, die wir beraten werden, möchte ich kurz zur „Instrumentenreform“ des Bundes kommen, die wir grundsätzlich für richtig halten und begrüßen. Sie war ja nach der JobcenterReform und der Reform der Regelsätze die erste arbeitsmarktpolitische Reform des Bundes,

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Baasch [SPD])

die nicht auf ein Bundesverfassungsgerichtsurteil zurückzuführen war.

Lieber Herr Kollege Baasch, wir haben hier eine Koalition auf Landesebene. Der Antrag, den der Kollege Kalinka und ich eingebracht haben, wurde hier angesprochen. Wir haben darin auf Landesebene unsere Kritikpunkte an der Reform deutlich gemacht, und die Landesregierung hat die auch im Bundesrat eingebracht. Mittlerweile wurde ja auch das entsprechende Gesetz auf der Bundesebene verabschiedet. Es gibt jetzt endlich einen aufgeräumten Instrumentenkasten. Das war aus unserer Sicht dringend notwendig, um für mehr Transparenz und Effizienz bei der Arbeitsvermittlung zu sorgen.

(Beifall bei der FDP)

Die pauschale Forderung von SPD und Grünen, die öffentlich geförderte Beschäftigung jetzt wieder auszuweiten, Herr Kollege Baasch, teilt meine Fraktion nicht. Vorrangiges Ziel in der Arbeitsmarktpolitik müssen natürlich die Weiterbildung und die Qualifizierung sein. Den Aufbau eines großen öffentlich geförderten Beschäftigungssektors, wie Sie ihn hier heute fordern, halten wir für einen völlig falschen Weg.

(Beifall bei der FDP)

Sie haben vorhin Schlecker angesprochen. Ich weiß nicht, ob Sie gestern auch andere Nachrichten gelesen haben. Gestern wurde nämlich berichtet, dass zum Beispiel Edeka sehr viele ehemalige Schlecker-Mitarbeiter übernehmen möchte. Mir ist es lieber, wenn Beschäftigte, die ihren Job verlieren, schnell einen neuen Job finden und nicht in öffentlichen Beschäftigungsverhältnissen geparkt werden, wie Sie dies fordern. Ich finde, der erste Arbeitsmarkt ist der richtige Weg. Deshalb müssen wir versuchen, dort alles hineinzubringen, nicht aber in öffentlich geförderten Beschäftigungssektoren, die nur Dritten nutzen.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Andreas Tietze.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung an den Kollegen Callsen. - Herr Callsen, Ihre Partei hat gestern einen interessanten Vorschlag vorgelegt. Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten hier fachlich darüber berichtet. Ihre Botschaft war: Wer für Mindestlöhne ist, ist für Sozialismus. Gestern war Ihre Botschaft: Wer für gemeinsames Lernen steht, steht für die Einheitsschule. Sie haben heute hier gesprochen als ein Oppositionsführer; Sie haben heute nicht gesprochen als jemand, der in der Regierung ist. Das ist sehr bedauerlich. Da hätte ich doch ein anderes Niveau erwartet.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Lassen Sie mich noch ein anderes sagen. Es gibt in der CDU eine große Tradition, Oswald von NellBreuning - Sozialpolitik - hat in der CDU immer eine große Rolle gespielt.

Sie werfen dem Kollegen Stegner hier in der Debatte vor, er habe einen Mangel an Empathie. Man kann aber Ihnen zumindest deutlich sagen: Bei der Vorstellung, die Sie hier heute abgeliefert haben, haben Sie einen Mangel an politischer Empathie gezeigt, wenn Sie hier über Menschen reden, die von Ihrer Hände Arbeit nicht leben können.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich frage mich wirklich: Wie gehen Sie in die Debatte hinein?

Ihr Vorschlag von gestern - dafür haben Sie vier Monate gebraucht - sagt: Wir werden jetzt nur noch da über Lohnuntergrenzen reden, wo es keine Tarifverträge gibt. Herr Callsen, Sie wissen genau wie ich - das ist bereits mehrfach gesagt worden -: Sie legitimieren eine wirklich schlimme Arbeitsmarktpolitik. Friseure in Sachsen bekommen, auch nachdem Ihr Vorschlag vorliegt, nach wie vor 2,40 €. Das ändern Sie nicht. Ich prophezeie Ihnen: Es wird weiterhin Christliche Gewerkschaften geben, die diese Dumpinglöhne in Deutschland verhandeln und die den Arbeitsmarkt der Dumpinglöhne, also das, was Sie nicht wollen - das haben Sie ja hier gesagt -, weiterhin möglich machen. Das ist für mich ein Politikversagen in der Sozialpolitik der CDU.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Mir hat es gefallen, wie der Kollege Vogt in seine Rede eingestiegen ist. Ich glaube auch tatsächlich, dass die FDP in Schleswig-Holstein eine andere Position hat. Aber wenn Sie die Presse von gestern lesen und sehen, wie Herr Brüderle eingestiegen ist, dann war das die Blutgrätsche. Herr Brüderle hat nämlich gesagt, diesen Vorschlag der CDU werde die FDP auf Deubel komm raus nicht mittragen im Deutschen Bundestag. Das ist eben nicht mitfühlender Liberalismus, sondern das ist Neoliberalismus, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Zuruf des Abgeordneten Christo- pher Vogt [FDP])

- Das ist Neoliberalismus! Die FDP im Deutschen Bundestag steht noch nicht einmal für die Vorschläge der CDU ein, im Grunde genommen auch nicht für die Vorschläge, die Sie hier einbringen.

(Zuruf des Abgeordneten Christopher Vogt [FDP])

- Ja, das ist so.

Für uns Grüne hat der gesetzliche Mindestlohn eine große Bedeutung für den Arbeitsmarkt. Er bedeutet eine gesellschaftliche Anerkennung von Arbeit, und er räumt auf mit Dumpinglöhnen. Er sagt im Grunde, dass wir Schluss machen müssen damit, dass die öffentliche Hand, also wir alle, Steuerund Beitragszahler, Billiglöhne subventionieren.

(Christopher Vogt)

Deshalb haben wir uns ganz klar für dieses Mindestlohngesetz handwerklich eingebracht. Wir haben auch in unserem 100-Tage-Programm gesagt: Wenn wir in die Regierungsverantwortung kommen sollten, dann wird es faire Löhne in Schleswig-Holstein geben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist tatsächlich eine echte Wahl, die die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner am 6. Mai haben werden. Sie können sich entscheiden: Wollen sie eine soziale und gerechte Arbeitsmarktpolitik, oder wollen sie die Fortsetzung Ihrer gescheiterten Politik.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Sie haben das alles in den Ausschüssen niedergestimmt. Wenn Sie jetzt versuchen, uns hier auseinanderzudividieren, dann kann ich nur sagen: RotGrün ist tatsächlich der Garant für eine sozial gerechte Arbeitsmarktpolitik in Deutschland

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

- ich nehme den SSW gern dazu -, auch hier in Schleswig-Holstein.

(Lachen bei der FDP)

Ich sage Ihnen auch noch Folgendes: Das, was wir hier in Schleswig-Holstein in der sozialen Arbeitsmarktpolitik beschreiben werden, wird Bestand haben in der Bundesrepublik, wenn wir ein Jahr später bei der Bundestagswahl eine sozial gerechte Arbeitsmarktpolitik in Deutschland beschreiben werden. Das ist das, was die Menschen wollen. Sie verstehen nicht, dass wir Banken retten, dass wir Milliarden in Europäische Sozialfonds einbringen, es aber nicht schaffen, unseren Arbeitsmarkt auf ein europäisches, sozial gerechtes Niveau zu bringen. Das ist die zentrale Frage.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Da machen wir uns auch nichts vor. Die Leute haben insoweit nämlich eine ganz klare Vorstellung; da sind sie sehr sensibel. Wer diese soziale Gerechtigkeit in der Politik nicht bringt, der hat in der Politik heute auch nichts mehr zu suchen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Wolfgang Kubicki [FDP]: Ach!)

Und deshalb werden Sie scheitern, Herr Kubicki. Sie werden auch die 5 %-Hürde nicht schaffen, weil

Sie es an der Stelle nicht schaffen, Ihre Parteifreunde davon zu überzeugen.

Die 8,50 € - dies sagen alle Studien - gefährden nicht die Tarifautonomie.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

8,50 € sind der Mindeststandard für eine soziale Gerechtigkeit in der Arbeitsmarktpolitik.

(Zuruf von Wolfgang Kubicki [FDP])

Herr Kubicki, wenn Sie unseren Gesetzentwurf gelesen haben, dann sehen Sie, dass wir genau da angesetzt haben. Wir wollen eine Vorbildfunktion. Wir haben in unserem Gesetzentwurf gesagt: Alle diejenigen, die Geld vom Land haben wollen, müssen nachweisen, dass sie einen Mindestlohn von 8,50 € zahlen. Das betrifft alle, die Fördergelder bekommen möchten. Das hat Bremen so gemacht, und das plant auch das von der SPD allein regierte Land Hamburg, das inzwischen einen Gesetzentwurf eingebracht hat. Das ist richtig. Wir können von den Menschen, von den Unternehmern und von der Wirtschaft nur das verlangen, was wir auch selber bereit sind, in unserem eigenen Hause zu leisten. Das ist der zentrale Punkt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Wir sind dazu bereit, auch handwerklich mit einem Gesetzentwurf darauf zu reagieren.