Protocol of the Session on March 21, 2012

Banken an die Kette legen!

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE Drucksache 17/2406

e) Kommunalen Investitionsbedarf beziffern

(Heike Franzen)

Bericht der Landesregierung Drucksache 17/2221

Ich erteile zunächst dem Berichterstatter des Finanzausschusses, Herrn Abgeordneten Peter Sönnichsen, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Finanzausschuss hat sich mit den ihm durch Plenarbeschluss vom 22. Februar 2012 überwiesenen Drucksachen 17/2248 und 17/2311 am 1. März 2012 befasst. Mit den Stimmen von CDU, FDP und DIE LINKE gegen die Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW empfiehlt der Finanzausschuss dem Landtag, den Änderungsantrag Drucksache 17/2311 abzulehnen. Mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und SSW empfiehlt der Ausschuss, den Gesetzentwurf Drucksache 17/2248 unverändert anzunehmen.

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann erteile ich zunächst für die Landesregierung Herrn Finanzminister Rainer Wiegard das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich bei Ihnen für die sehr zügige und schnelle Beratung über das Ausführungsgesetz. Die Differenzen sind bekannt. Wir haben sie hinreichend ausgetauscht.

Zu den übrigen Anträgen will ich mich auf zwei Punkte konzentrieren, wobei Sie möglicherweise bemerken werden - vielleicht liegt es daran, dass Frühlingsanfang ist -, dass ich mir zwei Punkte herausgesucht habe, bei denen ich erkenne, dass wir möglicherweise - jedenfalls einigermaßen - in die gleiche Richtung tendieren.

Ich stelle mit Zufriedenheit fest, dass inzwischen auch die Sozialdemokraten den europäischen Fiskalpakt ausdrücklich begrüßen. Dazu hat es in der vergangenen Zeit ja auch schon andere Meinungstendenzen gegeben. Ich will mir allerdings nicht die Bemerkung ersparen, dass das nicht nur für andere gilt, sondern dass, wer Regelungen für andere begrüßt, sie zunächst auch selbst erfüllen muss. Da haben wir noch eine ganze Menge zu tun.

Der Anspruch auf Haushaltsdisziplin richtet sich gegen andere Länder. Da bin ich erstaunt darüber, in welcher Weise insbesondere aus Deutschland und manchmal auch aus Schleswig-Holstein über die Situation beispielsweise in Griechenland hergezogen wird. Ich kann schlicht und ergreifend nur die wenigen Zahlen addieren -

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Herr Stegner, lassen Sie das einmal weg! Sie haben ja gerade gemerkt, ich bin auf dem Wege, die wenigen Konsenspunkte herauszuarbeiten, die wir möglicherweise haben.

Wir sehen, dass Schleswig-Holstein 27 Milliarden € Altschulden aufgetürmt hat. Hinzu kommen 3 Milliarden € Schulden der Kommunen, wobei man sagen muss: Verglichen mit den Kommunen in Baden-Württemberg und auf Augenhöhe mit Niedersachsen haben die schleswig-holsteinischen Kommunen dankenswerterweise den niedrigsten Schuldenstand pro Einwohner. Das hängt auch ein bisschen mit der Landespolitik über viele Jahrzehnte hinweg zusammen. Wenn wir die 3 Milliarden € noch hinzunehmen, haben wir 30 Milliarden € Schulden.

Da der Bund nicht eigene Wirtschaftsbürger und eigene Steuerbürger hat, müssen wir die anteilige Bundesschuld auch noch auf uns herunterbrechen. Das sind noch einmal 45 Milliarden €. In der Summe sind wir dann bei 75 Milliarden €, die Schleswig-Holstein an Schulden durch die eigene Wirtschaftskraft zu bewirtschaften hat. Das entspricht ziemlich exakt, also zu 100 %, dem Bruttoinlandsprodukt von Schleswig-Holstein. Dabei ignoriere ich einmal die knapp 40 Milliarden € kapitalisierte Pensionsverpflichtungen, die wir in den letzten 60 Jahren gegenüber den Beamten eingegangen sind, für die in ihrer aktiven Dienstzeit keine entsprechenden Rückstellungen gebildet worden sind. 100 % Verschuldung zum BIP liegt weit über dem, was wir in Maastricht verabredet haben.

Nun gilt das für die gesamte Republik und nicht für ein einzelnes Bundesland. Guckt man einmal, wo Griechenland mit 100 % war - das war wenige Jahre vor der Finanzkrise -, stellen wir fest, dass wir keinen Grund haben, überheblich zu sein, sondern eher Anlass haben, besonders intensiv daran zu arbeiten, dass sich das ändert.

Damit komme ich zum zweiten Punkt. Ich glaube, dass wir eine gute und vernünftige Regelung vereinbart haben, indem wir gesagt haben, in absehbarer Zeit soll zu den vorhandenen Schulden nichts

(Präsident Torsten Geerdts)

Neues mehr oben draufkommen. Sie wissen aber auch, dass ich schon 2007 in der Diskussion um die Föderalismuskommission II den Versuch gemacht habe, den Bund und die Länder dazu zu bewegen, nicht nur bis zum Neuverschuldungsstand null zu denken, sondern darüber hinauszudenken und den aufgelaufenen Schuldenberg ins Visier zu nehmen. Ich stelle mit großer Zufriedenheit fest - verstehen Sie es bitte positiv, denn ich meine es positiv -: In diesem Haus schließt sich eine große Mehrheit diesem Gedanken durchaus an - die Grünen schon seit Längerem, andere erst seit Kürzerem.

Wenn wir uns ansehen, dass Deutschland - in all diesen Diskussionen immer als Musterschüler bezeichnet, sich selbst häufig auch als Musterschüler deklariert - inzwischen mit mehr als 2 Billionen € Bund, Länder und Gemeinden - verschuldet ist, dass diese 2 Billionen € Verschuldung über 80 % des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland ausmachen, wobei wir nur 60 % haben dürften, stellen wir fest: Es ist notwendig, darüber nachzudenken, wie wir mindestens auf diese 60 % herunterkommen. Sieht man die Zahlen 2 Billionen, 80 % an und weiß, man darf nur 60 %, dann weiß man, man hat 20 % zu viel. Ein Viertel von 2 Billionen € sind mal eben schlappe 500 Milliarden €. Deshalb ist mein Vorschlag, in der vergangenen Woche konkretisiert, dass wir uns in Deutschland auf den Weg machen sollten, diese 500 Milliarden € über einen Zeitraum von 20, 25 Jahren in einem gemeinsamen Altschuldentildungsfonds zu tilgen, wobei jeder seinen Anteil an Zinsen selbst trägt, aber sicherstellen, dass ein bestimmter Anteil vom Steueraufkommen, beispielsweise die rückläufigen, nicht mehr benötigten Mittel zum Solidarpakt II, Aufbau Ost, zur Tilgung herangezogen wird, um in einem überschaubaren Zeitraum zumindest diese 60 % zu erfüllen und nicht nur als Musterschüler dazustehen, sondern es auch tatsächlich zu sein.

Wenn wir sehen, wie die Diskussion dazu im Augenblick verläuft, sollten wir in allen Ländern, in denen wir dies gemeinsam tragen, in denen wir Mehrheiten haben - also auch Baden-Württemberg, Frau Kollegin Heinold, und anderen, sozialdemokratisch regierten Ländern -, diese Forderung unterstützen. Im Augenblick sind wir einsame Rufer in der Wüste. Die Tatsache, dass wir im Bundestag eine B-Mehrheit haben und im Bundesrat im Augenblick keine B-Mehrheit haben, sollte uns nicht dazu veranlassen, nichts zu tun. Das wäre die schwierigste Situation, die wir uns vorstellen könnten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Der Herr Minister hat seine Redezeit um 2 Minuten überschritten. Diese steht nun auch den Fraktionen zur Verfügung. - Ich eröffne die Aussprache. Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Tobias Koch das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Finanzminister hat gerade einige grundlegende Konsenspunkte herausgearbeitet. Ich will versuchen, die Unterschiede herauszuarbeiten zumindest hinsichtlich der praktischen Umsetzung. Denn die Debatte zum Ausführungsgesetz der Schuldenbremse macht deutlich: SPD, Grüne und SSW denken die Haushaltskonsolidierung vom falschen Ende her. Die Fragestellung lautet doch nicht: „Wie viele Schulden dürfen wir machen, und wie können wir diese Grenze bis zum Maximum ausreizen?“, sondern die Fragestellung muss doch lauten: „Wie können wir die Herausforderungen unseres Landes mit möglichst wenig neuen Schulden meistern?“.

(Beifall bei CDU und FDP)

Zukunft für unsere Kinder statt Schuldenstaat, das sind die Ziele, wie wir gemeinsam in Einklang bringen müssen. Ansonsten geht es uns wie Griechenland, wo jetzt gerade die gut ausgebildeten jungen Menschen ihre Heimat verlassen, weil sie durch die Verschuldungskrise von extrem hoher Jugendarbeitslosigkeit betroffen sind.

Der SPD-Spitzenkandidat glaubt, zwischen guten und schlechten Schulden unterscheiden zu können. Eine solche Trennung ist nicht nur künstlich, sondern auch vollkommen naiv. Generationen von Politikern haben immer in bester Absicht gute Schulden gemacht. Das Ergebnis davon ist der heutige Schuldenberg, dessen Zinslasten verhindern, dass wir die Probleme lösen, die trotz aller Schulden immer noch unverändert vorhanden sind. Diese Abwärtsspirale gilt es zu durchbrechen.

(Beifall bei der CDU)

CDU und FDP haben mit dem Doppelhaushalt, mit dem Jahresabschluss 2011 und mit dem jetzt erfolgten Eckwertebeschluss der Landesregierung bewiesen, dass dieses möglich ist. Wir nutzen die guten Steuereinnahmen, um die Neuverschuldung bis 2014 auf unter 400 Millionen € abzusenken. Gleichzeitig verringert sich gemäß des Eckwertebeschlusses das strukturelle Defizit bis 2014 auf 660 Millionen €. Dieser Wert entspricht ziemlich

(Minister Rainer Wiegard)

genau dem in der Finanzplanung 2011 ausgewiesenen strukturellen Defizit von 670 Millionen € für 2014. Das zeigt: Wir verschärfen nicht den Sparkurs, um uns kurzfristig vor der Landtagswahl zu profilieren, sondern wir setzen einfach konsequent den eingeschlagenen Kurs fort. Es sind die Oppositionsparteien, die mit ihrem Änderungsantrag diesen Kurs der Haushaltskonsolidierung, den wir seit 2010 unverändert in diesem Haus verfolgen, jetzt aufweichen wollen.

Der Landesrechnungshof mahnt uns deshalb zu Recht, dass höhere Verschuldungsmöglichkeiten, so wie sie sich die Opposition jetzt einräumen möchte, aller Erfahrung nach auch ausgenutzt werden. Wenn die Opposition behauptet, die erhöhten Kreditobergrenzen überhaupt nicht in Anspruch nehmen zu wollen, dann entspricht das entweder nicht der Wahrheit, oder dieser Änderungsantrag ist völlig überflüssig.

(Beifall bei der CDU)

Wer zwischenzeitliche Erfolge bei der Haushaltskonsolidierung wieder zurückdreht, dem wird es bis 2020 nicht gelingen, das Defizit auf null zu reduzieren.

Wir als Abgeordnete, als heutige Politikergeneration, würden doch komplett versagen, wenn wir das Ziel von Haushalten ohne neue Schulden erneut vor die Wand fahren oder auf die lange Bank schieben, wie es der SPD-Spitzenkandidat im letzten Jahr schon einmal andeutete, als er davon sprach, dass der Schuldenabbau ein deutlich langfristigeres Ziel sein müsste. Zehn Jahre bis 2020 sind ein ausreichend langer Übergangszeitraum. Man darf nicht im ersten Jahr, nur weil eine Landtagswahl vor der Tür steht, anfangen zu wackeln und alle guten Grundsätze über Bord werfen.

Genauso wenig darf man vor der Wahl unhaltbare Versprechen machen, auch nicht, wenn es um das wichtige Thema der Kommunalfinanzen geht. Der kommunale Investitionsbedarf wird im Bericht der Landesregierung mit 3,6 Milliarden € beziffert, zumindest wenn man alle Anmeldungen der Kommunen aufaddiert. Und auch hier irrt der SPD-Spitzenkandidat, wenn er glaubt, dass das noch stärker unterfinanzierte und noch höher verschuldete Land Schleswig-Holstein für Abhilfe sorgen könne. Es haben sogar die Grünen richtigerweise erkannt, dass dies nicht möglich ist.

Genauso wie bei der Schuldenbremse und bei den Kommunalfinanzen denkt die SPD auch beim europäischen Fiskalpakt vom falschen Ende her. Denn gerade mit der Fiskalunion begeben sich die

beteiligten Länder auf den Weg zu einer gemeinsamen Ausgaben-, Steuer- und Abgabenpolitik. Eine europaweite Finanztransaktionssteuer wird deshalb in absehbarer Zeit das Resultat dieser Fiskalunion sein. Wenn man aber wie die SPD die Einführung der Transaktionssteuer zur Vorbedingung für die Zustimmung zum Fiskalpakt macht, dann zäumt man das Pferd von hinten auf. Unter diesen Umständen kommt eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag überhaupt nicht zustande, und die Fiskalunion wäre gescheitert, bevor sie überhaupt richtig begonnen hätte.

Meine Damen und Herren, ob es am Ende wirklich gelingt, spätestens 2020 einen Landeshaushalt ohne neue Schulden zu verabschieden, ist keine Frage von einzelnen Paragrafen im Ausführungsgesetz. Es ist auch keine Frage von noch so wohlklingenden Formulierungen in Anträgen und Resolutionen. Es ist am Ende einzig und allein die Frage, ob man dieses Ziel wirklich erreichen will und ob man sich dieser Verantwortung stellt.

(Beifall bei der CDU)

Das ist vor Wahlen nicht immer ganz einfach. Deswegen habe ich bei der Opposition nach wie vor nicht den Eindruck, dass dies der Fall ist. Wir als Union bekennen uns ausdrücklich zu dieser Verantwortung und nehmen sie wahr. Ich bitte deshalb um Zustimmung zum Ausführungsgesetz zur Schuldenbremse und zu unserem Antrag zu den Haushaltseckwerten für den Doppelhaushalt 2013/2014.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Abgeordneten Monika Heinold das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Finanzminister hat eben die gesamtgesellschaftliche Verschuldungsproblematik deutlich gemacht. Bei der Verankerung der Schuldenbremse in unsere Landesverfassung wollten wir ja gemeinsam ein sehr deutliches Signal setzen. Parteiübergreifend hatten wir uns darauf verständig, den Weg in Richtung Nettoneuverschuldung gemeinsam zu beschreiten. Wir haben das strukturelle Defizit in Höhe von 1,25 Milliarden € benannt und uns darauf verständigt, dieses bis 2020 abzubauen.

Darüber hinaus - Herr Wiegard hat es eben gesagt – haben wir uns auf einen Altschuldentilgungsfonds

(Tobias Koch)

verständigt. Diesen sollten wir auch weiterhin vehement vertreten. Ich weiß aus den Debatten mit meiner eigenen Partei in Berlin, dass es nicht ganz einfach ist, auch mit anderen Bundesländern. Des Weiteren haben wir uns im letzten Jahr auch darauf verständigt, gemeinsam für die Deutschland-Bonds zu streiten. Das habe ich bei unserem Parteitag schon einmal durchgesetzt. Ich hoffe, das hilft.

Schuldzuweisungen für den aufgetürmten Schuldenberg sollten der Vergangenheit angehören.

(Zurufe von der FDP)

- Ich verstehe, dass Sie aufstehen, weil Sie das verdrängt haben. Aber das war die Grundlage der ganzen Debatte. Es sollte nämlich zukünftig um den Wettbewerb um das beste Konzept in diesem sehr eng gesteckten Rahmen gehen.