oder reden Sie mit dem Mitglied der Grundsatzkommission der FDP, Christian von Weizsäcker. Der hätte auch etwas zu Ihrer Schuldenbremse zu sagen. Die Schuldenbremse ist ein Irrweg. Die Schuldenbremse ist und bleibt eine Bildungsbremse. Wir stellen uns dagegen.
Nachdem ich die Reden von SPD und Grünen gehört habe, bin ich zuversichtlich, dass alles nicht so schlimm kommt, wie ich es befürchtet habe.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Jahresabschluss 2011 zeigt, dass die Maßnahmen der Politik - hier insbesondere auf der Bundesebene - zur Bewältigung der Konjunkturkrise erfolgreich waren. Wir können feststellen, dass die staatlichen Eingriffe und die konjunkturfördernden Maßnahmen des Staates eindeutig der richtige Weg waren. Es ist also sinnvoll, dass der Staat, wenn die Konjunktur nicht so läuft, wie es normal wäre, eingreift und mit einem staatlichen Konjunkturprogramm gegensteuert. Gerade unser Jahresabschluss in Schleswig-Holstein zeigt dies überdeutlich.
Der gute Abschluss liegt nicht in der Verantwortung der Landesregierung, sondern insbesondere in den Konjunkturprogrammen seit 2008 begründet, die jetzt anfangen, ihre Wirkung zu entfalten. Das ist ja nicht nur bei uns sichtbar, sondern auch in anderen Bundesländern. Das zeigt, dass es nicht die Landesregierung ist, die für die gute Haushaltslage gesorgt hat, sondern dass dies die Konjunkturprogramme des Bundes getan haben. Sonst müssten die anderen Bundesländer wesentlich schlechter dastehen.
Diese Entwicklung beweist, dass wir in Deutschland klüger mit der Krise umgegangen sind als andere Länder. Dies wirkt sich glücklicherweise auch positiv auf den Haushalt des Landes Schleswig
Der Jahresabschluss zeigt uns, dass es richtig war, in die Verfassung einen Passus aufzunehmen, der es ermöglicht, in besonderen konjunkturellen Lagen gegenzusteuern. Ein Ausführungsgesetz soll jetzt diese Bestimmung umsetzen und einen Weg aufzeigen, wie dies geschehen kann. Dabei wird festgelegt, dass man sein Konto in einem bestimmten Umfang auch längerfristig überziehen kann, um die Konjunktur anzukurbeln. Gleichzeitig müssen aber die diesbezüglichen Schulden wieder schnell zurückgeführt werden. Wir meinen, dass dieses System immer noch flexibel genug ist, um auf alle Eventualitäten reagieren zu können, und dass die Nutzung eines Kontrollkontos ein sehr transparenter Weg ist. Bis hierhin sind wir uns einig.
Aber die Vorgehensweise, die zugrunde gelegt wird, um konjunkturelle Schieflagen zu definieren, weicht im Regierungsentwurf ohne Not und erkennbaren Grund von der Bundesregelung ab. Das heißt, man berechnet im Finanzministerium einmal die Konjunkturkomponente nach der Bundesregelung, damit die Konsolidierungshilfen nicht gefährdet werden, und einmal nach der WiegardRegelung. Nun mag man sagen: Das ist gut fürs Ego des Finanzministers, und es passt in die Reihe der einsamen Entscheidungen der Landesregierung bis hin zum Glücksspielgesetz, aber es gibt definitiv keinen Grund, warum hier doppelt gearbeitet werden soll und warum man von einer transparenten Regelung, die bundesweit überall, auch auf Bundesebene gilt, abweichen will. Alleingänge mögen sinnvoll sein, wenn man noch Entscheidungen beeinflussen will. Sie sind es aber nicht, wenn die Entscheidungen schon gefallen sind und sich alle geeinigt haben. Dann sind solche leicht rechthaberischen Alleingänge à la Landesregierung SchleswigHolstein gegen den Rest der Welt einfach nur noch peinlich.
Knackpunkte gibt es aber auch an anderen Stellen. So wird im Regierungsentwurf festgelegt, dass das strukturelle Finanzierungsdefizit des Jahres 2010 bei 1,119 Milliarden € liegen soll. Mit dem Bund ist aber vereinbart, dass dieser Wert eigentlich bei etwas mehr als 1,3 Milliarden € liegt, also am Anfang um knapp 200 Millionen € höher. Die Abbaupfade bis 2020 unterscheiden sich deshalb massiv um kumuliert rund 1,1 Milliarden €. Ich kann diese Selbstbeschränkung durch die Landesregierung nur als den Versuch deuten, einer zukünftigen Regierung moralische Handschellen anzulegen. Man
kann ja verstehen, dass Sie künftige Regierungen als Schuldenmacher darstellen wollen. Was ich aber nicht verstehen kann, ist, dass Sie dies auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger des Landes tun. Denn durch Ihre Regelung knebeln Sie das Land ohne Not, ohne Zwang und vor allen Dingen ohne Verstand.
Wir schlagen deshalb gemeinsam mit den Grünen und der SPD vor, uns an die Vorgaben des Bundes zu halten, die nicht nur mit ihm ausgehandelt sind, sondern die auch in allen anderen Bundesländern gelten - übrigens auch in Brandenburg.
Im Übrigen weise ich außerdem noch einmal darauf hin, dass beide Wege dazu führen, dass ab dem Jahr 2020 die Neuverschuldung auf null reduziert ist.
Kaputtsparen macht hier definitiv keinen Sinn. Die Schuldenbremse muss umgesetzt werden. Da sind wir uns alle - bis auf die LINKEN - einig. Meine Damen und Herren, dies ist ein Verfassungsauftrag. Es ist aber kein Verfassungsauftrag, das Land kaputtzusparen. Im Übrigen ist es auch nicht verboten, das zulässige Finanzierungsdefizit zu unterschreiten. Sparen ist also weiterhin möglich, aber man sollte nach unserer Auffassung die flexiblere Bundeslösung nutzen - wie alle anderen Länder der Bundesrepublik Deutschland das auch tun.
Ein weiterer Knackpunkt ist die Definition von strukturellen Einnahmen und Ausgaben. Was finanzielle Transaktionen nach § 5 angeht, kann man die Haltung vertreten, dass diese als einmalig auftretende Ereignisse in der Betrachtung außen vor gehalten werden sollen. Insbesondere wenn es um Einnahmen größerer Art geht, kann man sogar ein gewisses Verständnis haben, da diese Einnahmen dann nicht für dauerhaft auftretende Belastungen verausgabt werden sollten. Dies tut auch der Bund in seinem Gesetz zur Ausführung von Artikel 115 GG.
Aber wenn man dann die Ausgabenseite betrachtet, würde auch der Erwerb von Beteiligungen nicht berücksichtigt werden. Wir könnten also Anteile an Banken oder Unternehmen erwerben, ohne dass dies das zulässige Defizit berühren würde. Das wäre nämlich systemfremd, wenn die entsprechenden Einnahmen auch nicht berücksichtigt werden. Wenn man aber eine solche Regelung schafft, soll
ten wir auch festlegen, dass beispielsweise der Erwerb von Beteiligungen nur durch Veräußerungsgewinne aus anderen Beteiligungen zu finanzieren ist.
Was die Rücklage und die haushaltstechnischen Verrechnungen angeht, müssen diese eigentlich nach unserer Auffassung in die Berechnung des zulässigen Defizits mit einfließen. Dieses sind Gelder, die das Parlament für den Haushaltsvollzug genehmigt hat. Sollten diese jetzt nicht zweckgebunden verausgabt oder vereinnahmt werden können, muss eigentlich der Haushaltsgesetzgeber hier wieder neu entscheiden. Das heißt, im Guten wie im Schlechten müssten diese Finanzmittel voll berücksichtigt werden können, da sonst zumindest das Ist-Ergebnis bei der Endabrechnung des zulässigen Defizits verfälscht werden könnte. Eine Berücksichtigung der Rücklagen wäre zum Beispiel auch möglich, beispielsweise will auch Rheinland-Pfalz hier Sonderregelungen einführen. Auch darüber sollten wir also in den Ausschussberatungen noch einmal nachdenken.
Eine weitere Anmerkung allgemeiner Art haben wir aber noch darüber hinaus. Bei der Definition der strukturellen Einnahmen und Ausgaben fehlt bisher noch die Berücksichtigung von sogenannten ÖPPModellen. Es ist denkbar, dass man, wenn man keine weiteren Schulden aufnehmen darf, weil man diese Grenze reißt, solche Modelle zunehmend als Alternative einsetzt. So würde man sich aber - wie bei einer echten Kreditaufnahme - über Jahrzehnte binden. Das bedeutet, dass man die Schulden nur auf eine andere Art und Weise aufnimmt. Aus einer einmaligen defizitrelevanten Investition mit damit verbundenen Krediten werden dann dauerhafte Zahlungen an private Unternehmen. Der Charakter der Transaktion bleibt aber derselbe. Man erhält heute schon eine Leistung und zahlt diese dann nach und nach ab. ÖPP-Modelle sind so gesehen dann verdeckte Kreditaufnahmen, und diese Kreditaufnahmen müssten dann womöglich sogar noch höher verzinst werden als normale Kredite - das alles nur, um überhaupt weitere Schulden machen zu können. Die Entscheidung für ein ÖPP-Projekt darf aber eben nur auf Basis von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen erfolgen.
Die Art der Buchung im Rahmen der Schuldenbremse darf keinen Einfluss auf die Entscheidung über die Art des Projekts - also ÖPP oder eigene Investitionen - haben. Auf diese Problematik weist auch das Bundesfinanzministerium in seinem Kompendium zur Verschuldensregel des Bundes hin. Auch der Landesrechnungshof hat dieses Problem schon einmal angesprochen.
ob nicht eine entsprechende Festlegung in diesem Gesetz notwendig sein könnte, lieber Kollege Kubicki, damit klar geregelt wird, wie mit ÖPP-Projekten umgegangen wird.
Wir haben heute gemeinsam mit SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen Gesetzentwurf vorgelegt, der das beinhaltet, was auch in allen anderen Bundesländern und im Bund gilt. Wir sehen diesen Gesetzentwurf als einen Kompromissvorschlag, der auch nicht alle Bedenken des SSW - wie Sie gerade gehört haben - völlig ausräumt. Aber die wichtigsten Hemmnisse für die Bürgerinnen und Bürger werden aus dem Weg geräumt. Nach unserer Auffassung wäre die große Gemeinsamkeit, die der Verfassungsänderung zur Schuldenbremse seinerzeit zugrunde lag, auch hier wieder anzustreben, damit wir eine Regelung bekommen, die auch etwaige Regierungswechsel überlebt und so für finanzpolitische Kontinuität und Transparenz steht.
Die Ausschussüberweisung gibt uns diese Möglichkeit. Deswegen fordere ich insbesondere die Regierungsfraktionen jetzt auf, einen Schritt auf die Opposition zuzugehen.
(Beifall beim SSW sowie der Abgeordneten Peter Eichstädt [SPD] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir alle sind der Schuldenbremse verpflichtet, und wir alle wollen, dass die Nettokreditaufnahme 2020 auf null ist. Da gibt es keinen Dissens. Wir als Opposition haben unseren ersten Schritt schon gemacht.
- Lieber Kollege Kubicki, nun kommt es auf CDU und FDP an, ob sie diesen Kompromiss und die Transparenz wollen oder nicht. Meine Damen und Herren, wir von SPD, Grünen und SSW wollen sie in jedem Fall. Dem Land Handschellen anzulegen, hieße, die Zukunft des Landes zu verspielen. Das können wir nicht verantworten. Deswegen ist der Weg, den wir hier gemeinsam mit SPD und Grünen vorschlagen
Ein letztes Wort zu den Kollegen der LINKEN: Wir haben hier die Schuldenbremse im Verfassungsrang, und zwar auf Bundesebene. Sie gilt für uns alle in jedem Bundesland, sogar in den Bundesländern, in denen Sie regieren. Dort handeln Ihre Leute danach. Es wird Zeit, dass Sie auch einmal handeln!
Zu einem Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki von der Fraktion der FDP das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich fürs Protokoll festhalten, weil mir eine Kritik am Präsidium nicht gestattet ist, dass wir uns daran gewöhnt haben, dass wir für Erklärungen von Herrn Stegner immer Ordnungsrufe erhalten. Aber ich möchte fürs Protokoll darauf hinweisen, dass die Aussage des Kollegen Stegner als Finanzminister, die von der Kollegin Loedige zitiert worden ist, in der 131. Sitzung der 15. Wahlperiode am 16. Dezember 2004 - Plenarprotokoll Seite 10.176 - gefallen ist, ohne dass das Präsidium Anlass zum Einschreiten sah.
Nun zur Sache: Ich freue mich ja, dass die Grünen ein gewisses Maß an Ehrlichkeit an den Tag legen, denn wir wissen seit heute, dass auch im Landtagswahlkampf der Kampf um die Frage geführt werden wird, ob die Menschen in diesem Land es akzeptieren wollen, dass die jetzigen Oppositionsparteien von Grünen, SPD und SSW dieses Land im Vergleich zu Schwarz-Gelb mit 1 Milliarde € zusätzlicher Schulden bis zum Jahr 2020 beglücken wollen. Das ist der Unterschied, der sich hier findet.
Ich sah das Dilemma der Grünen bei ihrer ganzen Argumentation, immer erklären zu müssen, wie sie ihre spektakulären Wahlzusagen oder die Möglichkeit, etwas von dem zurückzunehmen, was Schwarz-Gelb als Sparmaßnahme beschlossen hat, unterlegen wollten. Denn Ehrlichkeit heißt auch auch in Richtung der Sozialdemokraten -: Bitte sagt doch einmal, wo das Geld für die Ausgaben herkommen soll, die Ihr tätigen wollt. - Wir wissen das jetzt: Es soll aus zusätzlicher Verschuldung kommen, aus nichts anderem. Es gibt keine Maßnahme
von Schwarz-Gelb, die wir beschlossen haben, die die Unterstützung der Opposition gefunden hat keine. Oder habe ich da etwas übersehen? Ich war jedenfalls immer anwesend. Deshalb ist die Frage, wie Sie Ihre zusätzlichen künftigen Ausgaben finanzieren wollen, ausschließlich damit zu beantworten, dass das nicht durch zusätzliches Sparen, sondern durch zusätzliche Verschuldung geschehen soll. Das ist übrigens das erste Mal, dass ich ein neues Modell von Sozialdemokraten und Grünen erlebe, das da lautet: Sparen durch mehr Ausgeben. - Das ist eine sensationelle Geschichte.
Wir geben mehr Geld aus, um zu sparen. Mit dieser Politik ist übrigens Frau Kraft vor dem Verfassungsgericht in Nordrhein-Westfalen gescheitert. Das werden die Menschen Ihnen auch nicht durchgehen lassen, weil sie mittlerweile europaweit erleben, was das im Zweifel bedeutet. 1 Milliarde € mehr Schulden bis 2020 ohne substanzielle Verbesserung für Schleswig-Holstein insgesamt - das ist wirklich unverantwortlich.
Ich sage es noch einmal: Wir haben 2009 - ich will keine Geschichtsklitterung betreiben oder einen Rückblick machen - ein Problem übernommen, weil wir eine Schuldensituation vorgefunden haben, die wir in den Griff bekommen mussten, nicht nur wegen der Schuldenbremse, sondern auch faktisch, weil klar war, dass wir - unabhängig von der Schuldenbremse - auf Dauer an den Kapitalmärkten die entsprechende Refinanzierung nicht darstellen können, wenn die Schulden über unsere Schuldentragfähigkeit hinaus wachsen. Das haben wir übernommen. Schwere Operationen waren notwendig. Was haben wir für Proteste in diesem Hause gehört, was haben wir für Proteste von außen hingenommen - im Interesse unseres Landes, definitiv. Da kam immer nur „ideenloses Sparen, konzeptionsloses Sparen“. Von Ihnen kommt überhaupt nichts zum Sparen, sondern es kommt jetzt die Erklärung: Mehrausgaben durch mehr Schulden.