Protocol of the Session on January 25, 2012

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki?

Nein, ich möchte mich heute auf den wichtigen Teil der Koalition beschränken. Insofern möchte ich meinen Gedankengang lieber fortsetzen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ich möchte mich noch ein bisschen mit der Lernfähigkeit der Union auseinandersetzen. Wenn der Zeitpunkt nicht ein bisschen eigenartig wäre, könnte man sich darüber freuen, dass Sie das jetzt ma

chen. Dieses Parlament hat im Dezember 2010 beschlossen, einen Antrag zu stellen, der darauf abzielt, das Kooperationsverbot aufzuheben. Dass Sie bis zum Beginn des Jahres 2012 nicht in der Lage gewesen sind, dies voranzutreiben, und dass Sie dies nun kurz vor Ende Ihrer Amtszeit tun, ist ein Ausdruck von Arbeitsverweigerung, aber nicht von Kompetenz dieser Landesregierung.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man soll sich aber freuen, wenn andere Dinge nachmachen. Wir wissen schon seit Theodor Fontane, dass man sich über Plagiate nicht ärgern soll; denn sie sind wahrscheinlich die ehrlichste Form der Anerkennung. Sie tun aber nur so.

Es gibt einen Unterschied zwischen Ihnen und uns. Es gab durchaus sozialdemokratisch regierte Länder, die das Kooperationsverbot in der Verfassung begrüßt haben. Es ist uns gelungen, in einem Prozess, der nicht so einfach war, die RheinlandPfälzer und andere davon zu überzeugen, dass es notwendig ist, dies zu ändern. Wir haben das auf dem Bundesparteitag der SPD einstimmig so beschlossen. Wenn also Ihr Antrag im Bundesrat zur Abstimmung gestellt würde, wären alle SPD-Stimmen dabei, um die Verfassung mit Zweidrittelmehrheit zu ändern. Das ist Fakt.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei Ihnen ist das aber ganz anders. Über den Auftritt der Frau Bundeskanzlerin und Ihrer Parteispitze war zu lesen, der Kandidat, der Kollege de Jager, habe gesagt, man könne sich vorstellen, eventuell eine Initiative zu starten. Mutti hat wahrscheinlich dazu gesagt: Das kannst du gern machen. Ich habe nichts dagegen. Eine Mehrheit dafür gibt es aber nicht.

Das kommt de facto dabei heraus, wenn Sie solche Initiativen starten; denn die Union ist dagegen. Sie haben keine Mehrheit. Im Gegensatz zu unseren Bemühungen ist Ihr Versuch, diesen Prozess auf dem Bundesparteitag Ihrer Partei auf den Weg zu bringen, kläglich gescheitert. Es ist glasklar, dass Ihre Leute das nicht wollen.

Insofern war es ein bisschen komisch, gestern mit Ihrem glorreichen Bildungsminister der Presse gegenüber zu sagen: Jetzt machen wir eine Initiative. Drei Monate vor der Wahl machen wir eine Initiative. - Sie wissen aber genau, dass Sie dafür keine Mehrheit bekommen.

(Dr. Ralf Stegner)

In der Sache ist es also richtig. Außerdem ist es immer gut, wenn Sie lernen. Es ist aber nicht ehrlich gemeint. Das wollen wir den Bürgerinnen und Bürgern heute auch sagen. Wenn Sie es ehrlich meinen würden, dann hätten Sie versucht, sich in Ihrer Partei damit durchzusetzen. Dann wären Sie mit Ihrer Initiative nicht drei Monate vor der Wahl gekommen, sondern zu einem Zeitpunkt, zu dem man das im Bundesrat durchsetzen kann. Das ist der Sachverhalt, über den wir sprechen.

Diese Aktuelle Stunde bietet die Gelegenheit, genau diesen Unterschied aufzuzeigen. Sie kündigen noch alle möglichen Dinge an. Kurz vor Toresschluss lernt der Bildungsminister die Situation an den Schulen kennen und vieles andere mehr. Dies bekommen wir durch tolle Überlegungen und Anträge dargeboten. Mit der Realität hat das aber nichts mehr zu tun; denn Sie wissen, dass Sie nach dem 6. Mai nicht mehr für dieses Land verantwortlich sein werden.

Das ist der Sachverhalt. Deswegen ist diese Aktuelle Stunde eine gute Aktuelle Stunde. Sie zeigt, was wir wollen und was uns von Ihnen unterscheidet. Wir werden nämlich nach dem 6. Mai umsetzen, was wir angekündigt haben.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort für die CDU-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Heike Franzen.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist richtig, 2010 haben wir gemeinsam im Landtag beschlossen, eine Bundesratsinitiative zur Abschaffung des Kooperationsverbots auf den Weg zu bringen. Der Hintergrund dazu ist, dass wir 16 verschiedene Bundesländer, 16 verschiedene Schulgesetze, 16 verschiedene Hochschulsysteme, 16 verschiedene Lehrpläne und 16 verschiedene Grundlagen für die Lehrerausbildung haben. Das wird nicht dem gerecht, was wir im Bildungsbereich in Deutschland brauchen.

(Beifall bei der CDU)

Die Föderalismusreform I hat zu dem Ergebnis geführt, dass die Bildungshoheit und die Finanzhoheit bei den Ländern angesiedelt ist. Leider sind die Bundesmittel, die in die Bildung geflossen sind, nicht bei den Ländern angesiedelt worden.

Das hat dazu geführt, dass wir unterschiedlich finanzkräftige Bundesländer haben, die sich auch unterschiedlich entwickelt haben. Was die Finanzkraft betrifft, so haben sich die Hochschulen in unserem Land voneinander entfernt. Alle Sorgen, die die Landesregierung 2006 geäußert hat und die dazu geführt haben, dass wir im Bundesrat der Föderalismusreform an dieser Stelle nicht zugestimmt haben, sondern dass sich das Land Schleswig-Holstein der Stimme enthalten hat, haben sich leider bewahrheitet. So werben andere Bundesländer aufgrund ihrer Finanzkraft Professoren in ihre Bundesländer ab.

Der Bund hat signalisiert, dass er sich an der Finanzierung der Bildung und auch an der Finanzierung der Hochschulen beteiligen will. Wir alle wissen, welch schwierige Konzepte es in den vergangenen Jahren gegeben hat. Dies gilt beispielsweise für die Finanzierung der Ganztagsschulen. Dies betrifft auch das Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“, das vielen sicherlich noch bekannt ist, oder die Finanzierung von Schulsozialarbeit, die über Elternvereine gelaufen ist.

Der Bund und die Länder stehen in der Verantwortung, bei der Finanzierung von Studienplätzen für gleiche Voraussetzungen zu sorgen. Schauen wir uns einmal an, dass es in Hamburg und in Schleswig-Holstein annähernd die gleiche Zahl von Studienplätzen gibt. Unsere Studienplätze sind aber doppelt so teuer, weil wir auch finanzintensive Studienplätze anbieten. Deshalb muss es möglich sein, zu einem entsprechenden Ausgleich zu kommen.

Das Fazit ist: Wir brauchen eine engere Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen und somit eine Aufhebung des Kooperationsverbots.

Der Bildungsausschuss hat in seiner Sitzung am vergangenen Donnerstag einen entsprechenden konkretisierten Antrag auf dem Weg gebracht, um die Zusammenarbeit zu stärken, um Bildungsstandards und eine gemeinsame Förderkulisse zu schaffen, beispielsweise für die Ganztagsschulen, für die Schulsozialarbeit, aber auch für die Inklusion, die nach der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung zu beachten ist. Ich glaube, dass wir auch an den Qualitätsstandards für die frühkindliche Bildung gemeinsam arbeiten müssen.

Herr Stegner, der Unterschied zwischen Ihnen und den Koalitionsfraktionen besteht darin, dass wir in einem Antrag deutlich formuliert haben, wie wir uns die Aufhebung des Kooperationsverbots vorstellen. Einen entsprechenden Vorschlag sind Sie

(Dr. Ralf Stegner)

als SPD-Fraktion dem Landtag bisher schuldig geblieben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Es wäre schön, wenn Sie einmal formulieren würden, wie Sie sich eine Aufhebung des Kooperationsverbotes vorstellen.

So überraschend, wie Sie es darstellen, ist der Beschluss des Kabinetts überhaupt nicht gefasst worden. Hierzu hätten Sie Ihre Kollegen aus dem Bildungsausschuss durchaus einmal befragen können. Im September vergangenen Jahres hat Frau Staatssekretärin Dr. Andreßen angekündigt, dass diese Bundesratsinitiative im Kabinett vorbereitet und noch in dieser Legislaturperiode auf dem Weg gebracht wird. Insofern ist das überhaupt keine Überraschung. Wir brauchen deswegen auch keine Aktuelle Stunde auf Antrag der SPD-Fraktion zu diesem Bericht.

Ich will auch gern noch einmal auf Folgendes hinweisen: Sie machen jetzt Druck, und der Beschluss Ihres SPD-Bundesparteitags ist vom Dezember letzten Jahres. Auf der einen Seite werfen Sie der Landesregierung vor, Sie sei nicht schnell genug gewesen. Was für ein Glück; denn wenn Sie schneller gewesen wäre, dann würden jetzt wahrscheinlich auch die SPD-Länder gern bereit sein, mitzustimmen - ich hoffe, das tun Sie an der Stelle auch -, um das tatsächlich klar zu machen. Bis dato war es nämlich noch lange nicht so weit - das muss man auch mal sagen -, dass alle SPD-Bundesländer tatsächlich zustimmen werden. Ich warte insoweit bitte auch auf die Tat und nicht nur auf die Ankündigung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie auf die CDU anspielen und auch auf die konservativen Länder, dann habe ich ein gewisses Verständnis dafür, dass Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen erhebliche Bedenken anmelden. Das sind die Länder, die bisher in konservativer Regierungsverantwortung wirkliche Spitzenwerte bei Pisa und bei OECD-Studien abgeliefert haben, die unter anderem in Deutschland den Bundesdurchschnitt angehoben haben. Die haben die große Sorge, die ich mitnehmen und aufnehmen will, dass die anderen Bundesländer, insbesondere SPD-geführte Bundesländer, dafür sorgen, dass es zu einem Abstieg des Bildungsniveaus und der Abschlüsse in diesen bisher guten Bundesländern kommt. Ich glaube, das muss man auch bedenken. Deshalb muss man Gespräche miteinander führen.

Trotzdem halte ich es für richtig, dass wir das Kooperationsverbot angehen. Unser Ziel muss lauten: Bildungshoheit bleibt in den Ländern bei verbindlichen bundesweiten Bildungsstandards und einer gemeinsamen Finanzverantwortung von Bund, Ländern und Kommunen. Dass das funktionieren kann, meine Damen und Herren, sehen wir im berufsbildenden Bereich. Wir haben eine gemeinsame bundesweite Ausbildungsverordnung. Diese Ausbildungsverordnung stellt in keiner Weise die Bildungshoheit der Länder in Frage.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort für die FDP-Fraktion erteile ich dem Herrn Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Kubicki.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, der Kollege Stegner hätte sich selbst und uns allen einen Gefallen getan, wenn er auch angesichts der technischen Probleme, die wir hatten, auf die Aktuelle Stunde verzichtet hätte, damit wir uns in diesem Parlament mit den wesentlichen Problemen des Landes hätten beschäftigen können.

(Beifall bei der FDP)

Was aktuell sein soll an der Maßgabe, das Kabinett möge eine Bundesratsinitiative ergreifen und umsetzen, die die bisherige Möglichkeit und Unmöglichkeit zur Mitfinanzierung des Bundes bei Ausgaben im Bildungsbereich aufhebt, das, Herr Stegner, kann sich hier niemandem erschließen. Auch die Kollegin Franzen hat in ihrer charmanten Art und Weise - ich kann das etwas pointierter machen - darauf hingewiesen, dass in der 33. Sitzung des Bildungsausschusses die Staatssekretärin bereits erklärt hat, in welcher Reihenfolge, auch in welcher zeitlichen Reihenfolge diese Beschlusslage des Landtags umgesetzt wird. Sie hat wörtlich erklärt, Ende Januar werde es eine Kabinettsvorlage geben, die im Februar beim Bundesrat eingereicht werde. Das war allgemein bekannt, sodass es für aktuelle Nachfragen in dieser Situation keine Notwendigkeit gibt.

Wenn Sie, Herr Dr. Stegner, uns allerdings mitteilen wollten, dass es jetzt aktuell sei, dass Sie sich wie auch immer auf dem SPD-Bundesparteitag durchgesetzt hätten, das bisherige Kooperationsverbot wieder aufzugeben, dann kommt das reichlich spät. Denn wenn Sie sich schon durchgesetzt hätten, als das Kooperationsverbot eingeführt wer

(Heike Franzen)

den sollte, hätten wir die Problemlage nicht, die wir jetzt haben. Denn ohne SPD wäre die Verfassungsänderung gar nicht möglich gewesen.

(Beifall bei der FDP)

Ich darf vielleicht noch einmal darauf hinweisen, dass es die Kollegen Müntefering und Stoiber waren - beides sind keine Schleswig-Holsteiner, wie man schon am Namen feststellen kann -, die mit Wucht und Macht dieses Kooperationsverbot in der Föderalismuskommission durchsetzen wollten, was sich im Nachhinein als falsch herausgestellt hat, weil wir in vielen Bereichen deutschlandweit herausragende Qualität nicht sichern können ohne eine Mitfinanzierung des Bundes. Das müssen auch die bisher noch reichen Bundesländer BadenWürttemberg und Bayern sowie Hessen begreifen, die glaubten, sie könnten das aus eigener Kraft stemmen. Sie wollten deshalb nicht, dass der Bund in irgendeiner Form im Bildungsbereich mitredet.

(Beifall bei der FDP)

Es geht momentan nicht um die Frage einer Vereinheitlichung von Standards, Frau Kollegin Franzen, sondern es geht um die Frage einer Mitfinanzierung. Für meine Fraktion und für meine Partei auch auf Bundesebene sage ich: Wir haben uns bedauerlicherweise ähnlich wie die Union in SchleswigHolstein auf unserem Bundesparteitag auch nicht mit der Frage einer Aufhebung durchsetzen können, weil andere Länder dies anders sehen. Wir präferieren das Schweizer Modell, nämlich dass der Bund Vereinbarungen schließen kann mit den einzelnen Bundesländern, ohne dass die originäre Zuständigkeit für den Bildungsbereich der Länder aufgehoben wird. Die Kultur- und Kultushoheit ist nach wie vor eines der wesentlichen Merkmale, um den Bestand von Ländern noch zu rechtfertigen. Die muss auch nach meiner Auffassung bei den Ländern verbleiben.

Das heißt allerdings nicht, dass wir uns nicht auf bundesweit gemeinsame Standards einigen könnten. Es muss nicht unbedingt in der KMK sein, einer wie ich finde, durchaus überflüssigen Behörde. Aber dass wir vergleichbare Abschlüsse in den verschiedenen Bildungsbereichen brauchen, halte ich für sinnvoll. Dass es im Bildungsangebot in den verschiedenen Ländern aber auch Unterschiede geben muss, halte ich ebenso für selbstverständlich, weil ich mich als Bayer genauso dagegen wehren würde, wenn die Schleswig-Holsteiner das bestimmen wollten, wie ich mich dagegen verwahren würde, dass alles bundesweit in Berlin einheitlich entschieden werden soll.

(Beifall bei der FDP)

Also noch einmal, Herr Dr. Stegner: Es ist nichts Neues, wenn Sie der deutschen und der schleswigholsteinischen Bevölkerung mitteilen wollen, dass Sie sich in der SPD einmal durchgesetzt haben. Das können wir gern alle beklatschen. Aber uns wäre viel erspart geblieben, wenn es Ihnen bereits früher gelungen wäre, als Sie sich in der Großen Koalition in Kiel durchgesetzt hatten, aber auf Bundesebene offensichtlich nicht so stark waren, einen falschen Weg, wie Sie ihn heute skizzieren, zu verhindern.