Protocol of the Session on January 25, 2012

Beschlüsse müssen tatsächlich umgesetzt werden, sonst können wir die KMK einstampfen.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Andreas Tiet- ze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die berufliche Bildung zeigt, wie es gehen kann. In vielen, vor allem dualen Ausbildungsberufen gelten bundesweit gleiche Regelungen. Dies ist ein hervorragendes Beispiel für das, was wir brauchen: einen bundesweit gleichen Rahmen und die individuelle Umsetzung vor Ort.

Das hat die KMK für die allgemeinbildenden Schulen nicht geschafft. Sie bringt Reformen wenn überhaupt - nur in Trippelschritten voran. Un

(Minister Jost de Jager)

terschiedliche Positionen, die unterschiedliche Finanzkraft der Länder und das Einstimmigkeitsprinzip hemmen enorm.

Deshalb hatten wir in unserem Antrag zum Bildungsföderalismus den Bildungsrat vorgeschlagen. Er ist für uns ein neutrales Gremium, das diese bundesweiten Regelungen gemeinsam erarbeiten könnte. Sogar Frau Schavan und andere unterstützen diese Idee. Herr Klug, auch Sie sollten diesen Vorschlag in der KMK unterstützen. Wir müssen unser System verändern. Nicht die Menschen müssen sich unserem kleinstaaterischen Bildungssystem anpassen, sondern das Bildungssystem muss sich den aktuellen Herausforderungen anpassen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Martin Habersaat [SPD])

Wir brauchen ein deutsches Bildungssystem, das Qualität und Mobilität gewährleistet.

Bildungsminister sind nicht dazu da, um sich selbst zu verwirklichen, sondern um bundesweit gleiche Bildungschancen zu gewährleisten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn die Bildungsminister dieser Aufgabe nicht gerecht werden, dann stellen wir Grüne den Bildungsföderalismus auch insgesamt infrage. Dann bekommt der Bund die Zuständigkeit dafür, die bundesweit gleichen Rahmenbedingungen festzulegen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

Die KMK muss liefern, sonst ist sie überflüssig.

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Abgeordneten Björn Thoroe das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es stimmt, die SPD ist sehr langsam zu ihrer Entscheidung gekommen und hat sich auch noch nicht so viel darum gekümmert. Man muss aber auch einmal kurz erwähnen, dass in der CDU anscheinend auch nicht viele Gespräche miteinander stattfinden. Denn Frau Franzen hat sich gerade hier hingestellt und gesagt, Baden-Württemberg würde sich für das Kooperationsverbot aussprechen. Herr de Jager hat gestern auf der Pressekonferenz auf Nachfrage das Gegenteil gesagt. Das nur einmal am Rande.

In einer Sache sind wir uns einig: Das Kooperationsverbot muss weg. Das Bildungssystem ist auf finanzielle Unterstützung der Bundesebene angewiesen. Die strukturelle Unterfinanzierung der Hochschulen, der geplante Abbau von Lehrerstellen und eine schlechte Ausstattung der Kitas sind zumindest auch ein Ergebnis des Kooperationsverbots. Das Kooperationsverbot ist aber nur die eine Seite der Medaille, die heute diskutiert wird, Frau Strehlau hat es eben angesprochen. Die bildungspolitischen Defizite in Schleswig-Holstein und im gesamten Bundesgebiet sind nicht allein mit Geld zu lösen. Auf der anderen Seite steht der Bildungsföderalismus, der uns einen völlig unübersichtlichen Flickenteppich im deutschen Bildungssystem beschert hat. Wer an das Kooperationsverbot heran will, muss auch den Bildungsföderalismus ändern, sonst ist diese ganze Diskussion hier nichts als heiße Luft. Ein Bekenntnis zur Entscheidungshoheit der Länder, wie es auch von der SPD gekommen ist, konterkariert jede Bemühung, das Kooperationsverbot abzuschaffen. So ist völlig utopisch, eine Mehrheit im Deutschen Bundestag zu erreichen. Auch inhaltlich ist das Festhalten an einer Bildungskleinstaaterei schlichtweg falsch.

(Beifall der Abgeordneten Ulrich Schippels [DIE LINKE] und Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Falsche Eitelkeiten der Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitiker auf Landesebene dürfen nicht einer bundesweiten Angleichung im Bildungssystem im Wege stehen. Bildung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. DIE LINKE setzt sich für eine bundesweite Angleichung durch eine einheitliche bildungspolitische Zielsetzung ein. Diese sollten von einem Gremium aus Vertreterinnen und Vertretern von Land, Bund und Kommunen ausgearbeitet werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Soziale Kriterien müssen bei der Ausarbeitung auch eine große Rolle spielen. Es bedarf zusätzlich einer umfassenden schulpolitischen Strukturreform, hin zu einer Schule für alle. Binnendifferenzierter Unterricht an Gemeinschaftsschulen wird allen Lernenden am besten gerecht. Individuelle Förderung an einer Schule für alle wird zu einer sozialen Öffnung führen, soziale Ungerechtigkeiten im Bildungssystem einebnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie schon erwähnt, sind dafür natürlich auch eine gute Ausstattung und kleinere Klassen nötig. Das Schulsystem braucht dringend mehr finanzielle

(Ines Strehlau)

Mittel. Deshalb muss das Kooperationsverbot weg. Umwege wie bei der Universität Lübeck oder beim Bildungs- und Teilhabepaket werden ohne Kooperationsverbot endlich nicht mehr benötigt. Wir können uns den zentralen bildungspolitischen Problemen widmen. Auch unsinnige Förderung zur Elitenbildung wie die Exzellenzinitiative im Hochschulsystem sollten dann endlich der Vergangenheit angehören.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein anderer wesentlicher Punkt, der immer wieder gern vergessen wird, den wir als LINKE aber nicht unter den Tisch kehren werden, ist die Inklusion. Inklusion wird es nicht geben, wenn nicht endlich mehr Mittel dafür bereitgestellt werden. Wenn wir die Ziele der UN-Konvention für Menschen mit Behinderung tatsächlich ernst nehmen und umsetzen wollen, dann nur in gemeinsamer Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen.

(Beifall bei der LINKEN)

DIE LINKE setzt sich für eine nachhaltige Bildungsfinanzierung ein. Das haben wir in unserem Antrag zum Bildungsföderalismus auch deutlich gemacht. Die werden ja leider ohne Aussprache hier in dieser Sitzung behandelt.

(Gerrit Koch [FDP]: Das ist schade!)

Während sich die grünen Initiativen vor allem auf den Bildungsbereich Schule beschränken, zeigen wir als Linke, dass das Kooperationsverbot auch andere Bereiche schwer einschränkt.

Ich weise noch einmal darauf hin, dass auch die Hochschulen von dem Kooperationsverbot weitreichend betroffen sind, zum Beispiel durch die Föderalismusreform, die dazu geführt hat, dass die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau gekürzt wurde.

Wir Linke fordern eine Bildungsfinanzierung in der Breite, die niemanden ausgrenzt und jedem die bestmögliche Förderung ermöglicht, immer unter der Prämisse des lebenslangen Lernens.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Abschluss mache ich auf eine Forderung der Hochschulrektorenkonferenz aufmerksam. Die Hochschulrektorenkonferenz fordert, dass Ausgaben für Bildung, Wissenschaft und Forschung künftig als investive Ausgaben zu behandeln sind, nämlich als Zukunftsinvestitionen. Da ist auch das Land gefordert, die beschlossenen Kürzungen im Bildungssystem, die alle anderen Parteien durchsetzen wollen, sind auch mit Kooperationsverbot nicht akzeptabel. Das Kooperationsverbot darf auch nicht

zur Ausrede verkommen. Wenn nicht bald mehr Geld in das Bildungssystem fließt, wird SchleswigHolstein in der Zukunft verarmen. DIE LINKE will das nicht und sieht Bildung außerdem als Menschenrecht. DIE LINKE kämpft gegen Kooperationsverbot und Schuldenbremse für ein ausfinanziertes und sozial gerechtes Bildungssystem.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Dr. Ralf Stegner, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das, was hier heute an Geschichtsklitterung zum Kooperationsverbot verbreitet worden ist, würde allein schon lohnen, sich damit zu beschäftigen. Übrigens alle Parteien und Fraktionen in den Ländern, in denen Sie mitregiert haben, haben das so beschlossen, mit Ausnahme von Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Ich kann mich gut entsinnen. In einem dpa-Gespräch habe ich gesagt: Die SPD wird nicht mitmachen, aus Gründen die etwas mit Beamtenrecht, aber auch Bildungsföderalismus zu tun haben. Ich bekam einen erbosten Anruf des Herrn Ministerpräsidenten, der in Kopenhagen war, und gesagt hat, mit der CDU sei überhaupt nicht ausgemacht, das so zu machen. Das ist der Sachverhalt. Ohne die SPD hätte die CDU beim Kooperationsverbot zugestimmt. So einfach ist die Sache.

(Zuruf von der SPD)

Das sind aber Dinge von gestern. Das lohnt nicht mehr.

Ich komme zu dem „Scheinriesentum“, lieber Herr de Jager. Das ist ein sehr interessanter Begriff. Mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich, was die „Financial Times Deutschland“ über Ihre Pressekonferenz mit Frau Merkel geschrieben hat. Am 16. Januar, vor neun Tagen, schreibt die „Financial Times Deutschland“ Folgendes:

„Als Spitzenkandidat der schleswig-holsteinischen CDU fordert de Jager, dass der Bund wieder Geld für die Bildung an die Länder geben kann, er verlangt die Aufhebung des sogenannten Kooperationsverbots. Das ist ziemlich aussichtslos in Merkels schwarzgelber Koalition, für das notorisch klamme Schleswig-Holstein, aber vielleicht der einzi

(Björn Thoroe)

ge Ausweg aus der Bildungsmisere. ‚Insofern werden wir hier möglicherweise eine Initiative starten’, sagt de Jager. Es ist ihm sichtlich unangenehm.“

So weit zum „Scheinriesentum“. Wenn Sie das wirklich machen wollten, könnten Sie ja Frau Merkel überzeugen.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Es ist übrigens mitnichten so - was auch Frau Franzen gesagt hat -, dass wir keinen Antrag vorgelegt hätten. Denn wir haben unsere Leute überzeugt. Wir haben einen Grundgesetzartikel 104 c vorgeschlagen, in dem es heißt: Dauerhafte Finanzhilfen des Bundes für Bildung ohne die Bildungshoheit der Länder einschließlich der Vereinbarung zwischen Bund und Länder in Finanzfragen.

Der Punkt ist also: Wir könnten die Grundgesetzänderung beschließen, wenn Sie das wollten, im Bundestag und im Bundesrat. Unsere Stimmen sind dabei. Kommen Sie uns nicht mit Ihrem halbstarken Koalitionspartner. Sie sehen ja, wie Frau Merkel in Sachen Transaktionssteuer mit denen umgeht. Wenn Sie es beantragen, wenn Sie Frau Merkel überzeugen, ist die SPD dabei. Dann haben wir die Zweidrittelmehrheit im Bund und in den Ländern. Das ist Tun, aber nicht, darüber zu schwadronieren und sich nicht durchsetzen zu können.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Sie können noch so viel reden, Fakt ist: Es scheitert an der CDU und ihrem kleinen Koalitionspartner. Das ist Fakt. Wir haben es vorgeschlagen. Sich hier hinzustellen und zu sagen, es sei nicht konkret, wenn man zwischen den Ländern Finanzhilfen verhandeln muss - ich kann natürlich nicht im Einzelnen sagen, was darin stehen wird -, ist eines, aber Sie könnten zumindest noch die Interessen des Landes wahrnehmen. Beantragen Sie das! Machen Sie das im Bundestag! Überzeugen Sie Ihre Bundeskanzlerin! Ich habe eher den Eindruck, die Union hat Schleswig-Holstein längst abgeschrieben. Deswegen muss sie gar keine solchen Zusagen machen. Die setzen gar nicht mehr auf ihre Möglichkeiten. Die wissen, dass sie in die Opposition müssen. Das ist der Sachverhalt.