Protocol of the Session on December 14, 2011

(Anita Klahn [FDP]: Danke! Das wollte ich hören!)

Sie meinten, deshalb sollte man sich dabei zukünftig zurückhalten. Ich denke, da liege ich mit meiner Vermutung richtig.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir am heutigen Tag über den Armuts- und Reichtumsbericht reden, dann können wir zu einer großen Armutsfalle nicht schweigen, nämlich zu Hartz IV. Dieses Problem möchte ich für meine Fraktion noch einmal ganz klar benennen. Hartz IV ist Armut per Gesetz. Das gehört abgeschafft, und das zeigt auch der Armuts- und Reichtumsbericht.

(Beifall bei der LINKEN)

Armut und Reichtum bedingen einander. Wenn wir uns kritisch mit Reichtum auseinandersetzen, dann wahrlich nicht, um eine Neiddebatte zu führen. Reichtum wird aber dann zum Problem, wenn der wachsende Reichtum der Wenigen seine Ursache in der Verarmung der Vielen hat. Das ist in Deutschland und auch in Schleswig-Holstein so.

Die reichsten 10 % der Bevölkerung verfügen über Nettoprivatvermögen in Höhe von 4,6 Billionen €. Das sind sagenhafte 62 %. Der Rest verteilt sich auf die übrigen 90 % der Bevölkerung.

Diese Reichtumsverteilung ist nicht hinnehmbar. Wir brauchen eine Umverteilung des Reichtums von oben nach unten. Was wir dagegen gar nicht gebrauchen können, sind Steuergeschenke für Einkommensmillionäre, die dazu führen, dass in öffentlichen Kassen Geld fehlt, um Sozialleistungen armutsfest auszugestalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Armutsgefährdung der Bevölkerung ist zwischen 2005 und 2009 insgesamt um mehr als 1 % gestiegen. 15,8 % bedeuten: Jeder sechste Mensch in Schleswig-Holstein muss unterhalb der Armutsgrenze leben. Bei den unter 18-Jährigen ist das schon jede fünfte, bei den 18 bis 25-Jährigen sogar jede vierte Person.

Arm sind mehr als die Hälfte der Erwerbslosen, jeder vierte Einpersonenhaushalt und 42 % der Alleinerziehenden. Hinzu kommt eine unerbittlich zunehmende Zahl von Rentnerinnen und Rentnern.

Das sind erschreckende Zahlen, meine Damen und Herren.

Altersarmut ist für uns kaum sichtbar und spürbar im täglichen Leben, aber sie wird unvermeidbar weiter steigen. Altersarmut ist fast immer versteckte Armut. Alte Menschen schämen sich dafür, dass sie in Armut geraten. Die Folgen sind bedrückend: Sozialhilfe wird nicht beantragt. Betroffene sparen an Lebensmitteln. Reparaturen in der Wohnung werden verzögert. Rezepte werden nicht eingelöst. Medizinische Leistungen werden nicht in Anspruch genommen.

Meine Damen und Herren, das zunehmende Auseinanderklaffen der Einkommensverteilung spiegelt sich auch in der Lebenserwartung wider. Herr Kollege Baasch hat dies bereits erklärt. Die Reichen leben immer länger. Dafür leben die Armen kürzer. Die Lebenserwartung männlicher Geringverdiener war 2010 im Durchschnitt zwei Jahre kürzer als noch im Jahr 2001.

Es darf nicht sein, dass Kinder hungrig in der Schule sitzen. Es darf nicht sein, dass Eltern nicht wissen, wie sie ihre Kinder ernähren und bekleiden sollen, dass Menschen in dunklen und eiskalten Wohnungen sitzen, weil sie Strom- und Heizkosten nicht bezahlen können. Kinder können als Folge von Armut körperliche und seelische Schäden davontragen.

Was aber macht die Landesregierung? - Sie stellt die Armutsbekämpfung unter den Vorbehalt der Haushaltskonsolidierung. Die Auswirkungen erleben wir inzwischen an vielen Stellen. Dies betrifft die Streichungen und Kürzungen, die für die Haushalte 2011 und 2012 beschlossen wurden. In der konkreten Politik wird die Armutsbekämpfung dieser Landesregierung zur Bekämpfung der Armen.

Immer mehr Menschen in Schleswig-Holstein - so stellt der Bericht fest - sind zur Deckung ihres Lebensunterhalts auf mehr als ein Beschäftigungsverhältnis angewiesen. Hinzu kommen die vielen Erwerbstätigen im Niedriglohnsektor mit nur einem Job, die wir als „Aufstocker“ in Hartz IV wiederfinden. Es ist beschämend, meine Damen und Herren, dass Menschen in Schleswig-Holstein von ihrer Arbeit nicht leben können. Dagegen hilft einzig und allein ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn.

Wer Armut bekämpfen will, muss Chancengerechtigkeit für die nachwachsenden Generationen in den Mittelpunkt seiner Politik stellen. Die Landesregierung beschränkt sich aber auf reine Symbolpolitik. Ich will dies am Beispiel der frühkindlichen

(Antje Jansen)

Bildung verdeutlichen. Statt für insgesamt beitragsfreie Ganztagsangebote von Krippen und Kitas zu sorgen, was flächendeckend und bedarfsdeckend Eltern die Erwerbstätigkeit ermöglich, hat die Landesregierung das gerade erreichte beitragsfreie dritte Kita-Jahr wieder einkassiert. Das ist schlicht das Gegenteil einer Politik, die die Armut zurückdrängen will. Solche Politik brauchen wir nicht.

Wir brauchen keine Sozialpolitik unter dem Vorbehalt der Haushaltskonsolidierung. Wir müssen diese Logik umkehren. Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn. Wir brauchen eine armutsfeste und sanktionsfreie Grundsicherung.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt viel zu ändern, damit wir nicht nur über Armut berichten, sondern diese auch wirksam bekämpfen. Es gibt kein Naturgesetz, dass es arme und von der Gesellschaft abgehängte Menschen gibt.

(Beifall bei der LINKEN und des Abgeord- neten Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort für einen Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Ulrich Schippels.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin ein bisschen erstaunt, wie unwichtig die Fraktionen der CDU und der FDP dieses Thema offensichtlich finden. Dies verdeutlicht die Tatsache, dass Ihre Reihen sehr gelichtet sind. Das ist ein Armutszeugnis.

Frau Klahn, Sie haben gesagt, der Bericht sei so teuer gewesen, und man müsse sich überlegen, ob wir weiterhin solche Berichte im Landtag diskutieren müssen. Lesen Sie das bitte einmal in Ihrer Rede nach! Auch das ist ein Skandal.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf der Abge- ordneten Anita Klahn [FDP])

Wir haben damals beantragt, alle zwei Jahre einen Armuts- und Reichtumsbericht durch das Statistische Landesamt erstellen zu lassen und die hierfür notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Sie wollen etwas anderes und sollten deshalb hier nicht so herumjammern.

Meine Damen und Herren, Armut ist eine Geißel für die Menschheit. Ich möchte, dass wir in diesem Jahrhundert Armut in Schleswig-Holstein zur Geschichte machen, wie uns dies mit der Pest und der Cholera auch gelungen ist. Das ist unser Anspruch. Das wollen wir realisieren. Solange das nicht erfolgt, werden wir in diesem Land noch öfter über dieses Thema diskutieren.

Es ist doch eine Schande: 483 € bekommt heute eine Durchschnittsrentnerin in Deutschland. Neurentnerinnen bekommen nur noch 472 €. Das ist der Lohn für 50 Jahre Leistung in dieser Gesellschaft. Das ist ein Armutszeugnis für diese Gesellschaft. Das kann einfach nicht so bleiben.

(Beifall des Abgeordneten Björn Thoroe [DIE LINKE])

Schauen Sie einmal nach Gaarden, wie dort die Zukunftsaussichten der Kinder sind, die in Haushalten aufwachsen müssen, deren Eltern überhaupt keine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt mehr sehen! Diese Generation, die dort aufwächst, ist dank Ihrer Politik verloren.

Meine Damen und Herren, Armut ist die eine Seite der Medaille, Reichtum die andere. Mehrere Rednerinnen und Redner haben schon darauf hingewiesen. Ich möchte das auch noch einmal erwähnen. In den 70er-Jahren galt einmal ein Spitzensteuersatz von 56 %. Dieser sank dann auf 53 % und später auf 42 %. Jetzt gibt es dankenswerterweise die Bestrebung, diesen auf 49 % zu erhöhen. Wir meinen, dass ein Spitzensteuersatz von 53 % angemessen ist.

Das ist doch die zweite Seite der Medaille. Die Armut von vielen ist die Folge des Reichtums von wenigen. Deshalb gehören Armut und Reichtum zusammen.

Das Gleiche gilt übrigens auch für die Körperschaftsteuer. Der Körperschaftsteuersatz lag schon einmal bei 40 %. Die Körperschaftsteuer ist im Jahr 2001 so verändert worden, dass manchmal sogar ein negatives Steueraufkommen dabei herauskam. So durften wir den Betrieben noch etwas bezahlen. Jetzt liegt der Körperschaftsteuersatz bei 15 %.

Auch da müssen wir ran, nur so wird ein Schuh daraus. Wir können die Armut nur bekämpfen, wenn wir das Geld in dieser Gesellschaft umverteilen.

(Beifall der Abgeordneten Björn Thoroe [DIE LINKE] und Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Glocke des Präsidenten)

(Antje Jansen)

Zum Schluss möchte ich sagen - leider sind drei Minuten ja relativ kurz -: Dass es Armut gibt, Frau Klahn, das ist ein Armutszeugnis für die Gesellschaft, für die Politik, und wir werden uns damit niemals abfinden.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Beantragt worden ist, den Bericht der Landesregierung in der Drucksache 17/1850 federführend dem Sozialausschuss und mitberatend dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Konsolidierung kommunaler Haushalte (Kom- munalhaushaltskonsolidierungsgesetz)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 17/1868

Bericht und Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses Drucksache 17/2075

Ich erteile dem Vorsitzenden des Innen- und Rechtsausschusses, Herrn Abgeordneter Thomas Rother, zur Berichtserstattung das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Einfachheit halber verweise ich auf die Vorlage.

Herzlichen Dank für den Bericht. Gibt es Wortmeldungen zu dem Bericht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Ich erteile für die Fraktion der CDU Frau Abgeordneter Astrid Damerow das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Fehlbeträge unserer Kommunen in Schleswig-Holstein belaufen sich für 2009 auf insgesamt 734 Millionen €. Die größten Schuldenpro