Antje Jansen
Appearances
17/3
17/4
17/5
17/6
17/7
17/8
17/10
17/11
17/13
17/14
17/15
17/16
17/17
17/18
17/19
17/20
17/22
17/23
17/24
17/25
17/27
17/28
17/29
17/30
17/31
17/32
17/33
17/34
17/35
17/36
17/37
17/38
17/40
17/41
17/42
17/43
17/44
17/45
17/46
17/47
17/49
17/52
17/53
17/54
17/55
17/56
17/57
17/58
17/59
17/60
17/62
17/63
17/64
17/65
17/66
17/67
17/68
17/70
17/72
17/73
17/75
17/76
17/77
17/78
17/79
Last Statements
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch wir bedanken uns für den Bericht, aber für uns gibt der Bericht nur ansatzweise Aufschluss darüber, wie es in Schleswig-Holstein um die Kinder mit Migrationshintergrund im Bildungssystem bestellt ist. Wir stellen fest, dass Kinder mit Migrationshintergrund keine gleichen Startbedingungen haben, da die meisten dieser Kinder in sozial schwächeren Verhältnissen leben. Unter Bildungssystem funktioniert aber nach wie vor nach dem Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben. Wer die finanziellen Mittel hat, kann auch von den Möglichkeiten und Chancen des Bildungssystems profitieren. So können Kinder wohlhabender Familien viel leichter auf Ressourcen wie Frühförderung und Sprachangebote zurückgreifen, um ihre Chancen zu optimieren. Zahlreiche Studien belegen: Sowohl der Bildungsstand der Eltern als auch der Migrationshintergrund einer Schülerin oder eines Schülers haben einen Einfluss auf den Schulerfolg. Daraus folgt: Je reicher, desto erfolgreicher. Das gilt es zu ändern, meine Damen und Herren.
Wir wollen die Chancen aller Kinder verbessern.
Die Zahlen der Chancenstudie, die im Auftrag der Bertelsmann Stiftung kürzlich auch veröffentlicht wurden, bestätigen die erschreckende Bildungssituation in Schleswig-Holstein. Da werden ja auch noch einmal die Zahlen genannt, wie es um Schüler und Schülerinnen hier in Schleswig-Holstein bestellt ist. Bei gleicher Intelligenz sind die Chancen der Schüler und Schülerinnen aus sozial schwachen Familien auf ein Abitur fast sechsmal geringer. Die Ausgrenzung zieht sich durch den gesamten Bildungsweg, beginnt in der Kita und setzt sich beim
Zugang zur beruflichen Ausbildung fort. Ganz besonders die Kinder von Migrantinnen und Migranten scheitern an den Übergängen im gegliederten Schulsystem. Schleswig-Holstein braucht ein Schulsystem, das alle Schülerinnen und Schüler entsprechend ihren individuellen Fähigkeiten fördert und die Schullaufbahn nicht weiter vom Geldbeutel der Eltern oder auch der Herkunft abhängig macht. Das ist immer noch so.
Deshalb brauchen wir eine Schule, die die betroffenen Kinder nicht weiter aussortiert, sondern ihnen Zeit lässt, ihre Talente zu entwickeln und zu zeigen. Deshalb ist es dringend geboten, Startbedingungen von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund in unserem Bildungssystem zu verbessern. Ungeachtet von sozialer und ethnischer Herkunft müssen alle Kinder aufgefangen und gefördert werden.
Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Grünen hat gezeigt: Nur 25 % aller Kinder mit Migrationshintergrund gehen auf ein Gymnasium, aber fast doppelt so viele Schülerinnen und Schüler insgesamt. Dafür gehen 16 % der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund auf eine Hauptschule; insgesamt sind das nur knapp 8 %. Diese Bildungsbenachteiligung ist und bleibt eine soziale Ungerechtigkeit. Wir können und dürfen es uns nicht leisten, diese Kinder und die dazugehörigen Eltern zu vernachlässigen.
Wir sind uns einig, dass die Sprache beim Bildungserfolg und auch insgesamt bei der Integration der Betroffenen eine Schlüsselrolle spielt. Es ist deshalb richtig, die Sprachförderung im Kindergarten und vor der Einschulung zu intensivieren.
Die regierende schwarz-gelbe Koalition hat diese Ansätze fortgeführt, aber keineswegs weiterentwickelt. Schwarz-Gelb hat die Mittel für die Sprachförderung im Kindergarten mit 4 Millionen € auf viel zu niedrigem Niveau eingefroren und die Förderstunden in der Schule reduziert. Sie hat das beitragsfreie Kita-Jahr gestrichen, das hauptsächlich sozial schwachen Kindern zugutekam. Ein Minimalprogramm wird nicht reichen, wenn Sie ernsthaft die Zahl der Kinder, die keinen Schulabschluss erlangen, reduzieren wollen. Das beste Sprachförderkonzept kann nur greifen, wenn die Kita-Besuchsquote auch bei den Kindern mit Migrationshintergrund deutlich erhöht wird.
Aber neben der Landessprache ist es auch wichtig, die Herkunftssprache stärker zu fördern.
Man kann nicht nur sagen, Deutsch lernen ist wichtig, sondern die Herkunftssprache muss gleichrangig mitgefördert werden.
Das ist nicht nur eine notwendige Grundlage, um auch Deutsch als Zweitsprache zu beherrschen, sondern es ist auch ein Signal, dass wir die besonderen Fähigkeiten der Menschen mit Migrationshintergrund wertschätzen und auch brauchen.
Daneben muss sich Schleswig-Holstein verstärkt darum bemühen, Migrantinnen und Migranten als Erzieherinnen und Erzieher und als Lehrkräfte in die Bildungseinrichtungen zu holen. Gerade sie könnten wichtige Vorbilder für die Kinder sein und die Eltern dabei unterstützen, Zugang zu ihnen manchmal fremden deutschen Schulen zu finden.
Auch hier ist die Datenlage katastrophal. Das hat die Große Anfrage gezeigt. Bereits mit den wenigen Daten, die wir hier haben, können wir sagen: Wir brauchen mehr Erzieherinnen und Erzieher, mehr Pädagoginnen und Pädagogen mit Migrationshintergrund. Die Antwort der Landesregierung macht uns im Wesentlichen deutlich, wie viel zu tun ist. Wir können auch sagen: Die Kinder müssen hier in Schleswig-Holstein die gleichen Chancen haben. Ich denke, wir müssen noch verstärkt daran arbeiten, dass dieses Ziel auch endlich erreicht wird.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch wir bedanken uns bei der Bürgerbeauftragten, Frau Wille, für den Bericht und für die gute Zusammenarbeit. Offensichtlich sind die Bürgerinnen und
Bürger mit ihren Sorgen bei Ihnen in guten Händen. Dafür spricht, dass 88,5 % der erledigten Eingaben positiv abgeschlossen werden konnten.
Dafür spricht auch, dass die Zahl der Eingaben mit 3.713 einen neuen Höchststand erreicht hat. Bürgerinnen und Bürger nehmen wahr, dass sie sich an die Bürgerbeauftragte wenden können.
Ein neuer Höchststand bei der Zahl der Eingaben ist in diesem speziellen Fall aber eine Medaille mit zwei Seiten. Die Kehrseite ist, dass es diese Eingaben überhaupt noch gibt und dass sie nicht weniger werden. Wenn die Beschwerden in dem einen Bereich weniger werden, dann wachsen sie im nächsten Themenfeld nach.
Wenn man sich die aufgeführten Einzelbeispiele ansieht und diese mit den Beispielen der Berichte der Bürgerbeauftragten der Vorjahre vergleicht, kommt man nicht an der Feststellung vorbei, dass in vielen Fällen in Behörden und Verwaltungen in Schleswig-Holstein falsche Entscheidungen getroffen werden. Das passiert. Beschämend ist aber, dass nicht die Einwände und Widersprüche der belasteten Bürgerinnen und Bürger zur Berichtigung führen. Sondern erst das Eingreifen der Bürgerbeauftragten führt dazu, dass die Menschen Erfolge erzielen. Dafür danke ich Frau Wille von ganzem Herzen.
Wer eine Bestätigung dafür sucht, dass Hartz IV Armut per Gesetz ist, der muss nur Jahr für Jahr in den Bericht der Bürgerbeauftragten schauen. Fast 1.400 Fragen und Beschwerden zum SGB II betreffen die Grundsicherung für Arbeitsuchende. Das sind 38 % aller Eingaben. Damit ist dieses Themenfeld „unrühmlicher Spitzenreiter“ im Bereich des SGB II „mit seinen vielfältigen Missständen, Problemen und Schwierigkeiten sowohl im Verwaltungshandeln als auch in der Gesetzgebung“.
Die Ursache dafür liegt aber nicht bei den Menschen, die auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen sind. Die Reform der SGB-II-Gesetzgebung vom vergangenen Jahr hat daran auch nichts geändert. Die Spannweite der Probleme reicht von der Erreichbarkeit der Jobcenter über lange Beratungszeiten, Berechnungsfehler, fehlende Transparenz und Verständnis der Bescheide bis hin zu mangelnden Fachkenntnissen der im Jobcenter Beschäftigten.
Das alles wussten wir aber schon; denn im vergangenen Bericht wurden die gleichen Mängel aufge
führt. In den Berichten der Vorjahre haben wir ebenso davon lesen können.
Wir kritisieren die immer noch unveränderte Situation seit dem Inkrafttreten der Hartz-IV-Gesetze. Lassen Sie es mich noch einmal sagen: Hartz IV muss weg; denn es funktioniert nicht. Das geht nur zulasten der Bürgerinnen und Bürger.
Der Bericht der Bürgerbeauftragten macht aber auch deutlich, dass es nicht nur bei Hartz IV brennt. Die Reihe der Problemlagen ist lang. Peinlich ist außerdem, dass der Bericht weiter auf die fehlende Umsetzung einer landeseinheitlichen Sozialstaffelregelung für die Kita-Eltern-Beiträge und den Wegfall der 85-Prozent-Regelung hinweisen muss.
Der Landtag hat dazu im Dezember 2009 einen Beschluss gefasst. Seit mehr als zweieinhalb Jahren warten wir auf eine Lösung. Nach dem Wegfall des beitragsfreien dritten Kita-Jahres ist die Situation unerträglich. Sie wird nicht besser, wenn wir im Bericht lesen müssen, dass Jugendämter es unterlassen, Eltern im Hartz-IV-Bezug über die Möglichkeit zu informieren, vom Kostenbeitrag nach § 90 Abs. 3 SGB VIII befreit zu werden.
Wer diese Regelung kennt und einen Antrag stellt, der wird von den Kosten befreit. Aber viele Eltern hier im Land wissen über diese Regelung überhaupt nicht Bescheid. Hierzu sollten wir den Kreisen und kreisfreien Städten noch einmal eine Information geben, damit sie dann auch die Eltern vor Ort darüber informieren.
Soziale Sicherungssysteme sind für die Menschen da. Der Tätigkeitsbericht der Bürgerbeauftragten lässt Zweifel zu, dass diese Grundprämisse zum Selbstverständnis in den Ämtern und Verwaltungen gehört. Hier ist Abhilfe nötig, und genau hier bleibt auch für den nächsten Landtag viel zu tun.
Ich hoffe, dass die Anträge, die wir und die anderen gestellt haben, gerade zu den sozialen Fragen, den nächsten Landtag auch weiter beschäftigen werden und hoffentlich durch ihn auch umgesetzt werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Förderprogramm Soziale Stadt wurden seit Mitte der 90er-Jahre finanzielle Mittel zur Aufwertung besonders benachteiligter Stadtteile bereitgestellt. Diese Mittel wurden zur Verbesserung der Lebenssituation der dort lebenden Menschen eingesetzt. Die Förderung solcher Stadtteile einschließlich der Pflege von nachbarschaftlichem Zusammenleben, verbunden mit bildungs- und arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, hat bisher anerkanntermaßen viel geleistet.
Kollege Koch - Sie kommen ja auch aus Lübeck -, Sie haben, glaube ich, auch das Programm Soziale Stadt im Stadtteil Buntekuh begleitet. Kollege Kalinka, ich glaube, Sie haben mit einigen Fraktionskolleginnen auch Lübeck besucht, und ich kenne auch eine Pressemitteilung von Ihnen, in der das sehr gelobt wurde, was in Lübeck gerade im Stadtteil Buntekuh geleistet worden ist, wo auch soziale Spannungen abgebaut wurden. Deshalb verstehe ich jetzt Ihre Argumentation nicht, dass das alles nur rausgeschmissenes oder verlorenes Geld gewesen ist.
Wir meinen, dass die Notwendigkeit einer solchen Förderkonstellation immer noch besteht. Es gibt bis jetzt keinen Grund dafür, das irgendwie zu ändern.
Das Förderprogramm Soziale Stadt ist in den vergangenen Jahren drastisch gekürzt worden. Die besondere Qualität des Projekts Soziale Stadt bestand von Anfang an darin, dass materielle Investitionen in Stadtquartiere immer mit sozialen Programmen für die dort lebenden Menschen verknüpft waren. Das hat dazu beigetragen, die Folgen der sozialen Spaltung wenigstens partiell zu dämpfen, vorhandenes Konfliktpotential zu entschärfen und das Abgleiten von städtischen Wohnquartieren zu sozialen Brennpunkten zu verhindern und umzukehren. Gerade das ist zum Beispiel in Lübeck in dem Stadtteil Buntekuh gelungen. Gerade bei jugendlichen Migranten ist es gelungen, sie zu integrieren und eine gute Straßensozialarbeit zu machen, um damit die Jugendprobleme aufzufangen.
Die Tendenz zu ökonomischen, sozialen und ökologischen Spaltungen der Städte in Deutschland besteht weiter und verschärft sich geradezu in Ballungsgebieten. Daher ist es völlig falsch, gerade
dieses Programm zu reduzieren, in seiner Wirkung auf rein investive Maßnahmen zu beschränken und die Umverteilung von Bundesmitteln aus anderen Förderprogrammen zu unterbinden.
Die Kürzung der Mittel für das Programm Soziale Stadt hat vor dem Hintergrund der leeren Kassen in den Städten verheerende Auswirkungen auf die soziale Stadtentwicklung. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass die Bundesregierung auf die 28 Millionen € für dieses Jahr noch etwas draufgelegt hat. Damit kommt immer noch nicht das dabei heraus, was wir in den Kommunen für dieses Programm brauchen.
Diese Kürzung wird begleitet von einer kompletten Sinnentleerung dieses Programms durch die Vorgabe, Fördermittel nur investiv zu verwenden. Es ist doch schon schizophren, davon zu sprechen, dass mit dem Programm Soziale Stadt, bei dem nur noch in Beton investiert wird, eine integrative Wirkung erzielt werden soll. Das kann nicht funktionieren, meine Damen und Herren.
Die Mittelausstattung von mindestens 95 Millionen € muss wieder erreicht werden und muss verstetigt werden. Die Beschränkung des Programms auf investive Zwecke entstellt seinen Sinn und muss zurückgenommen werden.
Die Forderung des SPD-Antrags, die Kürzung des Programms Soziale Stadt zurückzunehmen und die Förderung ab 2012 wieder auf den vorherigen Stand zu bringen, ist richtig und notwendig.
Das gilt bei diesem Programm gerade auch für die inhaltliche Wiederherstellung. Das bedeutet, die Mittel müssen auch wieder für Modellvorhaben verwendet werden können, wie das bis 2010 möglich war, nämlich Spracherwerb, Verbesserung von Bildungsabschlüssen und die Betreuung gerade von Jugendlichen in diesen Ballungsgebieten.
Die Bauministerkonferenz vom 28. Juni letzten Jahres hat die Bundesregierung aufgefordert, die Städtebauförderung ab 2012 mindestens auf einen Betrag von 535 Millionen € anzuheben und auf diesem Niveau zu verstetigen. Das Problem ist doch, dass die Kommunen aus eigener Kraft wegen ihrer finanziellen Verhältnisse gar nicht mehr in der Lage sind, eine soziale Stadtentwicklung zu betreiben.
Das geht alles nicht ohne Unterstützung, und deshalb müssen wir das Projekt Soziale Stadt auch wieder haben.
In den Stadtteilen geht es auch darum, sie zusammenzubinden und soziale Lebensräume zu entwickeln. Auf diese Aktivitäten kann schlichtweg nicht verzichtet werden, wenn man nicht dabei zusehen will, das Problemstadtteile sich in Gettos verwandeln und Menschen, die durch ihre Lebensumstände oder Herkunft an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, vollends ausgegrenzt werden. Materielle Armut zieht soziale Verelendung nach sich. Dieser Wucherung kann man mit dem Programm Soziale Stadt entgegenwirken. Darum muss das Programm Soziale Stadt als Fördermöglichkeit in alter Höhe wiederhergestellt werden. Vielleicht setzt sich ja die neue Regierung dafür ein, dass wieder solche Mittel zur Verfügung gestellt werden.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Tatsache, dass wir über mehrere Anträge zum Betreuungsgeld diskutieren, macht doch klar, dass die Mehrheit auf Bundesebene und auch dieses Hauses einfach noch nicht begriffen hat, was Eltern brauchen, die Kinder großziehen, um Ihre Lebensentwürfe zu verwirklichen. Sie haben die gesellschaftliche Debatte nicht verfolgen können, dass das, was Sie wollen, nämlich das Betreuungsgeld, nicht die Vorstellung derjenigen ist, die heute Kinder großziehen.
Das Betreuungsgeld verkörpert das Familienbild der 50er- und 60er-Jahre. So haben wir immer argumentiert. Frauen bleiben zu Hause, weil sie immer noch weniger verdienen. Männer gehen zur Arbeit. Frau Kollegin Rathje-Hoffmann, wenn heute eine
Frau drei Jahre zu Hause bleibt - das zeigen alle Studien -, hat sie hinterher ganz große Schwierigkeiten, auf dem ersten Arbeitsmarkt wieder einen Arbeitsplatz zu bekommen.
Die Debatte im Sozialausschuss über die Situation der Alleinerziehenden hat doch gezeigt, dass diejenigen, die zu Hause bleiben und Schwierigkeiten mit der oder keine Kinderbetreuung haben, kaum noch Arbeit finden, sondern auf Hartz IV angewiesen sind.
Wir wollen eine Familienpolitik des 21. Jahrhundert, in dem wir jetzt leben. Ihr Vorschlag der Einführung des Betreuungsgeldes ist kontraproduktiv.
Das Betreuungsgeld, das CDU/CSU und FDP verfolgen, speist Frauen mit einem Taschengeld ab und ist unsozialer Nonsens.
In Wahrheit geht es darum, die Mängel in der desolaten Infrastruktur für Kinder mit dem Betreuungsgeld komplett zu übertünchen. Sie wollen dafür kein Geld mehr ausgeben. Frauen, die arbeiten wollen, werden ins Abseits gestellt. Das Betreuungsgeld ist eine Fehlinvestition. Wir brauchen die Mittel, um Beruf und Familie endlich besser miteinander zu vereinbaren.
Bundesweit werden die Kosten für das Betreuungsgeld auf 1,2 Milliarden € pro Jahr geschätzt. Dieses Geld fehlt doch dann unseren Kommunen an allen Ecken und Enden, um zusätzliche Betreuungsplätze einzurichten. Die Kommunen haben doch jetzt schon große Schwierigkeiten, den Betreuungsauftrag bis 2013 überhaupt zu erfüllen. Wir müssen 35 % erreichen und haben bisher - Mitte 2012 - nur 21,8 %. Es sind noch acht Monate, und es müssen noch 9.000 weitere Plätze geschaffen werden. Dafür brauchen wir die Mittel, die für das Betreuungsgeld vorgesehen sind.
Die müssen eingesetzt werden, um möglichst schnell gute und kostenfreie Krippen, Kitas und viel mehr Ganztagsschulen einzurichten.
Wir brauchen keine Debatte mehr über die traditionellen Rollenbilder. Wir brauchen keine täglichen neuen und absurden Ideen, die das Betreuungsgeld
doch noch irgendwie wieder auf den Weg bringen. Alles, was jetzt auf Bundesebene diskutiert wird, ist unsäglich, eine Diskussion, die zulasten der Eltern, insbesondere der Frauen, und der Kinder geht.
Letztlich geht es nur darum, die Koalition auf Bundesebene auf dem Rücken der Frauen zu retten und das auch noch mit einer stockkonservativen CSU gerade, was Familienpolitik anbelangt.
Ihr Vorschlag zur Anerkennung von Erziehungszeiten in der Rente ist eigentlich überfällig. Alle Frauen brauchen natürlich eine höhere Rente, damit wir der Altersarmut gerade bei Frauen begegnen können. Damit müssen wir jetzt anfangen. Aber die Anerkennung der Erziehungszeit bei der Rente an das Betreuungsgeld zu koppeln, ist eine Verhöhnung jeder Frau.
Jetzt zu dem Vorschlag, das Betreuungsgeld auf das Arbeitslosengeld II anzurechnen. Dieser Vorschlag stößt ja wohl dem Fass vollends den Boden aus. CDU und CSU einigen sich auf Kosten der Ärmsten. Hier muss ich auch noch einmal betonen: Das sind letztlich die Auswirkungen von dem Gesetz Hartz IV, das 2005 eingeführt worden ist. In jeglicher Diskussion sind Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfänger immer benachteiligt. Auf deren Kosten wird gespart. Es wird jetzt nicht mehr Geld ausgegeben, sondern Sie sparen dort Geld ein und nehmen das für das Betreuungsgeld.
Jetzt noch einmal zur FDP. Kollegin Klahn, Sie sagten heute, Sie seien für das Betreuungsgeld.
- Nein. Sie sind gegen das Betreuungsgeld, entschuldigen Sie. Aber setzen Sie sich doch auch kraftvoll auf Bundesebene dafür ein, dass das Betreuungsgeld nicht ausgezahlt wird! Verhindern Sie das, und stimmen Sie unserem Antrag heute zu!
Ja. - Sie meinen jetzt auch noch, dass die Betreuung von Kindern in Hartz-IV-Familien weniger wert ist als in Familien mit auskömmlichem Einkommen. Ich möchte auch noch sagen -
Es gibt hier in Europa ein Modell des Betreuungsgeldes, und zwar in Norwegen. Das ist vor Jahren dort eingeführt worden.
Ja. - Und die Erfahrungen zeigen, dass die Wirtschaft beklagt, dass seit der Einführung 12 % weniger Frauen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Jetzt fängt in Norwegen die Debatte an, das Betreuungsgeld wieder abzuschaffen, weil es bei den Eltern so unbeliebt geworden ist. Nehmen Sie sich daran ein Beispiel, überlegen Sie sich das noch einmal, und ziehen Sie das zurück!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vorgestern hat der Deutsche Ethikrat seine Stellungnahme „Demenz und Selbstbestimmung“ veröffentlicht. Zu Recht sieht der Ethikrat in der Demenz eine der großen gesundheits- und sozialpolitischen Herausforderungen der Gegenwart. Die individuellen, sozialen und politischen Probleme im Zusammenhang mit der Demenz wachsen. Es besteht Handlungsbedarf in allen Bereichen: in der Gestaltung, in der Ausstattung, in der Finanzierung und in der Koordinierung. Der Ethikrat bekräftigt die Notwendigkeit eines Nationalen Aktionsplans Demenz, aber wohlgemerkt „neben regionalen Aktionsplänen“. Einen Demenzplan für Schleswig-Holstein zu erstellen, in dem sich die Landespolitik dieser zunehmend gewichtigen Problematik stellt, ist dringend notwendig.
Vor dem Hintergrund des gesundheitspolitischen Versagens der schwarz-gelben Bundesregierung wird ein solcher Demenzplan hier im Land umso dringender. Er benennt die Aufgabenfelder, und er kann und soll zur Verbesserung in der Lebenssituation demenzkranker Menschen und ihrer Angehörigen führen. Die Menschen mit Demenzerkrankungen in Deutschland und ihre Familien benötigen mehr als nur nette Worte.
Sie brauchen Aufklärung, Beratung und praktische Hilfe, um ein möglichst selbstbestimmtes Leben im gewohnten Umfeld führen zu können.
Dafür braucht das Land einen nachhaltigen und überprüfbaren Handlungsrahmen. Es geht dabei nicht um einen Neubeginn. Das Ziel ist die flächendeckende Verbesserung der medizinischen, pflegerischen und sozialen Versorgung der Menschen mit Demenz und ihrer Angehörigen.
Nun zu dem zweiten Antrag zum Thema Pflege, über das wir hier in den letzten zwei Jahren in fast jeder Landtagstagung diskutiert haben. Da muss man sagen, das ist auch gut so, aber ich muss auch sagen, dass sich die Situation seither nicht entscheidend verändert hat.
- Nein. - Bis zum Jahr 2020 werden wir 11.000 zusätzliche Arbeitskräfte im Pflegebereich benötigen, um die dann etwa 100.000 pflegebedürftigen Menschen im Land angemessen versorgen zu können.
Der Medizinische Dienst der Krankenkassen hat gerade jetzt einen neuen Pflegereport vorgelegt. Danach habe sich die Situation der Pflegebedürftigen zwar verbessert, das mache es aber noch nicht gut. Anhaltende Missstände sind alarmierende Anzeichen des Pflegenotstandes und der Überlastung der Alten- und Pflegeeinrichtungen.
Gerade Demenz verursacht häufig einen immensen Pflegeaufwand über einen längeren Zeitraum. Dieser ist vielerorts mit dem vorhandenen Personal nicht zu bewältigen. Der Pflegefachkräftemangel ist in weiten Teilen hausgemacht und politisch zu verantworten. Der Arbeitsdruck für das verbleibende Personal steigt, obwohl es schon an der Belastungsgrenze arbeitet.
DIE LINKE fordert schon lange, dass die Pflegeberufe und ihre Ausbildung attraktiver gemacht und verbessert werden müssen.
Dazu zählen neben einer anständigen Bezahlung auch die Perspektive für Aufstiegsmöglichkeiten sowie gute Arbeitsbedingungen, der Abbau von Belastungen, soziale Absicherung und Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf.
Nur so erreichen wir, dass die Arbeit in der Pflege hierzulande attraktiver wird.
Dafür brauchen wir ein breites Bündel an Maßnahmen. Wir brauchen einen Ausbau der Ausbildungskapazitäten genauso wie die Aufwertung der Ausbildungsgänge. Dazu gehört auch, dass die Bundesagentur im Rahmen der Umschulungen die ganze Ausbildung finanziert.
Mit der Finanzierung des dritten Ausbildungsjahres muss anerkannt werden, dass nicht jeder Ausbildungsgang verkürzt werden kann. Betriebe, die Fachkräfte benötigen und mit diesem Fachpersonal Gewinne erwirtschaften wollen, müssen an den Kosten der Ausbildung beteiligt werden. Wir unter
stützen also die Forderung nach einer Ausbildungsumlage in der Altenpflege.
Die beiden vorliegenden Anträge von Grünen und SPD beschreiben richtige und notwendige Schritte zur Verbesserung der Rahmenbedingungen in der Pflege. Der einzige Punkt: Bei der Einrichtung einer Pflegekammer tun wir uns ein bisschen schwer. Da müssen wir noch diskutieren, auch mit den Menschen vor Ort und mit den Pflegekräften, inwieweit das sinnvoll ist. Trotzdem werden wir den beiden Anträgen zustimmen.
Ich hoffe, dass sich nach dem 6. Mai die Situation in der Pflege immens verbessert und dort die notwendigen Schritte entwickelt werden.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit Januar 2012 sind die Menschen schrittweise von der Rente erst ab 67 betroffen. Wer nicht bis zur erhöhten Altersgrenze beschäftigt sein wird, dem wird die Rente gekürzt. DIE LINKE will diese Rentenkürzung nicht hinnehmen. Mit unserem Antrag fordern wir die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die Rente mit 67 zurückgenommen wird.
Rente erst ab 67 ist die falsche Antwort auf die demografische Entwicklung. Es muss gelten: Wer kann, darf länger als bis 65, wer nicht kann, muss aber auch nicht bis 65 arbeiten.
Die Rente erst ab 67 garantiert weder ein gesundes Altern noch Arbeitsplätze für Ältere. Sie führt über massenhafte Rentenkürzungen geradewegs in die Altersarmut.
Viele Menschen können schon allein deshalb nicht bis 65, geschweige denn bis 67 arbeiten, weil sie keinen Job mehr haben. Mehr als 20 % der Menschen, die 2010 in Rente gegangen sind, sind erwerbsgemindert. Mit durchschnittlich 50,4 Jahren waren sie zudem noch recht jung. Je näher die Menschen dem Rentenalter kommen, desto geringer ist auch die Quote der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Die Beschäftigungsquote bei den 60- bis 64-Jährigen liegt bei etwas mehr als einem Viertel. Im Juni 2011 betrug diese Quote für 63-Jährige nur 17,7 %, für 64-Jährige 14,4 %. In Vollzeit sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren sogar nur 9,9 % aller 64-Jährigen und gerade einmal 5,9 % der Frauen dieses Alters.
Wer von der Rente erst ab 67 spricht, darf von den dramatischen Rentenkürzungen nicht schweigen, die für jeden Monat vorzeitiger Rente ein Leben lang in Kauf genommen werden müssen. Durch die Heraufsetzung der Regelaltersgrenze werden diese Abschläge künftig bis zu 14,4 % betragen. Wer diese Quote als Bestätigung dafür interpretiert, dass die Rente erst ab 67 der richtige Weg ist, verdreht die Wirklichkeit. Das ständige Gerede von der Erwerbstätigenquote verschleiert, dass damit alle irgendwie Beschäftigten, also auch Beamte, mithelfende Familienangehörige oder Menschen in Minijobs, gemeint sind. Menschen, die tatsächlich auf
die gesetzliche Rente angewiesen sind, brauchen für eine gute Rente sozialversicherungspflichtige Vollzeitarbeit.
Es ist schlicht falsch zu behaupten, alle Rentnerinnen und Rentner würden gleichmäßig immer länger Rente beziehen.
Die Hauptlast der gigantischen Kürzungen durch die Rente erst ab 67 tragen ausgerechnet Menschen mit geringem Einkommen, hohem Arbeitslosigkeitsrisiko und kürzerem Leben. Hinter der durchschnittlichen Dauer des Rentenbezugs verbergen sich enorme Unterschiede. Gering verdienende Männer, die nach 35 Versicherungsjahren nur die Hälfte bis zu drei Viertel des Durchschnittsverdienstes erreicht haben, beziehen laut Statistik der Deutschen Rentenversicherung nur elf Jahre lang Rente. Wer nach derselben Zeit das Eineinhalbfache des Durchschnittseinkommens hatte, erreicht dagegen 18,4 Jahre. Geringverdiener sind zudem häufiger im Alter erwerbslos.
Die SPD hat ein Modell vorgelegt, nach dem sie die Rente erst ab 67 vorläufig ausgesetzt haben möchte, nämlich solange, bis irgendwann einmal die Hälfte aller 60- bis 64-jährigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung steht. Wann soll denn dieser Zeitpunkt bei den gegenwärtigen Verhältnissen eintreten? Wir halten das für Wischiwaschi.
Die Rente erst ab 67 wird den Menschen weniger Rente und mehr Altersarmut bringen, aber keine neuen Jobs. Darum muss sie sofort ausgesetzt und schnellstmöglich, ohne Wenn und Aber, wieder zurückgenommen werden.
Das werden wir ja am 6. Mai sehen. Wir reden ja auch morgen noch einmal alleine, ganz zum Schluss.
Das hoffe ich auch.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat uns einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der Satzungsermächtigung nach § 22 a SGB II für die Kommunen in Landesrecht vorgelegt. Damit wird den Kommunen die Möglichkeit gegeben, in Satzungen festzulegen, in welcher Höhe Aufwendungen für Unterkunft und Heizung angemessen sein sollen.
Wie man sieht, sind wir die Einzigen, die hier Redebedarf haben. Das liegt sicherlich daran, dass die anderen Abgeordneten im Haus diese kommunalen Satzungen für unproblematisch halten. Wir, die Fraktion DIE LINKE, sehen das anders.
Probleme werden sich weiter verschärfen, wie sie jetzt - es gibt schon ein Beispiel - in Norderstedt aufgetreten sind, wo der Kreis Segeberg die Miethöchstgrenzen für die Übernahme von Unterkunftskosten Ende 2011 gesenkt hat. Dazu hat der Kreis nicht einmal eine Satzung erlassen müssen. Die soll ja jetzt erst kommen; das wird heute beschlossen. Das wurde über eine kommunale Richtlinie gemacht. Die Folge ist, dass über 1.000 Menschen aus ihren Wohnungen ausziehen müssen und sich innerhalb von zwölf Monaten neue Unterkünfte suchen sollen.
Das gibt der derzeitige Wohnungsmarkt nach unserer Meinung überhaupt nicht her. Denn wo gibt es heute noch günstigen Wohnraum?
Wir nennen das eine entwürdigende Praxis. Das Merkmal der Angemessenheit bildet das entscheidende Kriterium für die Höhe der Leistungen, die für Unterkunft und Heizung gewährt werden. Wenn nun die Umstände des Einzelfalls nicht mehr zugrunde gelegt werden, besteht für die Betroffenen in vielen Fällen im Bereich der Kosten der Unterkunft die Gefahr von Leistungskürzungen.
Zum Ausgleich dieser Leistungskürzungen muss dann ein Teil des Regelsatzes herangezogen werden. In vielen Fällen wird der auf Bundesebene im letzten Jahr von den Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜDNIS 90/DIE GRÜNEN ausgehandelter Hartz-IV-Kompromiss für die Betroffenen eine Verschlechterung darstellen.
Die Regelbedarfe werden durch ein verfassungswidriges Ermittlungsverfahren künstlich niedrig gehalten. Sie mögen dazu eine andere Auffassung vertreten, aber die gerade veröffentlichte Entscheidung des Berliner Sozialgerichts fällt ein vernichtendes Urteil über die so aufwendige Neufestsetzung der Regelsätze.
Transparent und nachvollziehbar ist daran höchstens die politische Willkür. Eine Prüfung der Angemessenheit muss sich auf den Einzelfall beziehen und darf nicht hinter der politischen Setzung einer pauschalen Obergrenze verschwinden. Das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum beinhaltet den Anspruch auf die Übernahme der angemessenen Miete und Heizkosten in voller und nachgewiesener Höhe.
Die Satzungsermächtigung zugunsten der Kommunen bedeutet auch keinesfalls eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung. Durch die Satzungsermächtigung wird für Kommunen mit angespannter Haushaltslage nun eine Möglichkeit eröffnet, die kommunalen Leistungen durch niedrige Obergrenzen für Kosten der Unterkunft zu drücken.
Einer der Hauptgründe für dieses Defizit besteht gerade darin, dass der Bund den Kommunen bereits seit Jahren zahlreiche kostenträchtige soziale Aufgaben übertragen hat, ohne für eine angemessene Finanzierung zu sorgen. Im Endeffekt werden hier die Haushaltsnöte der Kommunen gegen das Existenzminimum der Betroffenen ausgespielt. Es ist zu befürchten, dass durch kommunale Satzungen zu den Kosten von Unterkunft und Heizung eine Rechtszersplitterung nicht nur fortgeführt, sondern verfestigt wird. Denn Satzungen sind - anders als kommunale Richtlinien - nur mit erheblichem Aufwand wieder zu ändern.
Die kommunalen Landesverbände und eine Reihe von Kreisen und kreisfreien Städten versprechen sich von Angemessenheitssatzungen mehr Rechtssicherheit. Wenn überhaupt, dann werden mit der Satzungsermächtigung einseitig die Hartz-IV-Verwaltungen gestärkt, die Bezieherinnen und Bezieher von Hartz IV werden dagegen geschwächt.
Die Umsetzung der Satzungsermächtigung durch den Gesetzentwurf der Landesregierung löst für die Menschen keine Probleme, sondern schafft nur neue.
Deshalb darf das Land von der Möglichkeit, die Kommunen zu Satzungen zu ermächtigen, keinen Gebrauch machen. DIE LINKE lehnt den Gesetzentwurf der Landesregierung ab. Norderstedt im Kreis Segeberg wird nicht die einzige Kommune sein, wo dieses Problem auftritt, dass viele Menschen umziehen und eine neue Wohnung zu günstigen Bedingungen suchen müssen. Aber diesen Wohnraum gibt es nicht, meine Damen und Herren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In elf Tagen ist die Landtagswahl. Nach den vorangegangenen Debattenbeiträgen habe ich den Eindruck, dass wir in einer Wahlkampfarena sitzen und nicht im Parlament, in dem wir eigentlich Beschlüsse für die Bevölkerung, also für die Menschen vor Ort fassen müssen. Es gibt wahrhaftig keinen dringenden Anlass für die Frage, ob die Koalition aus CDU und FDP schon vor der Wahl am Ende ist. Wann, wenn nicht heute, soll der Landtag darüber debattieren, ob die schwarz-gelbe Landesregierung in eine tiefe Krise geraten ist? – Das ist eine Krise, die so tief ist, dass die Landesregierung ihre Handlungsfähigkeit verloren hat und vor dem Zerbrechen steht.
Gestatten Sie mir eine Prognose: Ich bin fest davon überzeugt, dass die Landesregierung die letzten eineinhalb Wochen bis zur Wahl irgendwie überstehen wird. Das Ende dieser Koalition wird am Abend des 6. Mai ausgezählt werden. Sie werden Ihre Mehrheit verlieren, davon bin ich fest überzeugt. Das ist eine Mehrheit, die Sie zweieinhalb Jahre lang nur aufgrund einer verfassungswidrigen Merkwürdigkeit des schleswig-holsteinischen Wahlrechts hatten. Das ist der Grund dafür, warum wir im Landtag in elf Tagen Neuwahlen haben werden.
Wir verdanken diese Aktuelle Stunde der politischen Fantasie der SPD-Fraktion. Die SPD hält den „schwindenden Einigungswillen der Koalitionsfraktionen“ für so dramatisch, dass wir diese Debatte noch brauchen. Für uns als Linke stellt sich dies aus der Erfahrung nach zweieinhalb Jahren schwarzgelben Einigungswillens anders dar. Auf diesen hätten wir bei der Halbierung des Landesblindengeldes, bei der Streichung des beitragsfreien dritten Kitajahres, bei der Schließung von Frauenhäusern und natürlich auch bei den immens hohen Streichungen im Bereich der Lehrerstellen gern verzichtet. Ich könnte diese Liste beliebig fortführen.
Das alles hätten wir wirklich auch nicht gebraucht.
Im Gegenteil: Wo immer die schwarz-gelbe Mehrheit ihr Programm durchgezogen hat, da hat sie politischen Schaden angerichtet. Wenn sich der Einigungswille der Koalitionsfraktionen jetzt im
Schlussakt dieser Legislatur wirklich erschöpft haben sollte, dann bedeutet das für uns kein Unglück für die Menschen, die die Folgen der schwarz-gelben Politik ertragen mussten. Wir als Linke werden den beiden Regierungsparteien keinen Strick daraus drehen, dass sie die lange Liste ihrer politischen Fehlentscheidungen vor dem 6. Mai nicht mehr verlängern wollen und nach dem 6. Mai auch nicht mehr verlängern können.
In der Bilanz von zweieinhalb Jahren schwarz-gelber Politik gibt es allerdings einen Dreh- und Angelpunkt. Dieser zentrale Punkt ist die Schuldenbremse und das damit verbundene Konzept der Haushaltskonsolidierung, das politisch total verfehlt ist. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal daran erinnern: Diese Schuldenbremse fällt nicht nur auf die beiden schwarz-gelben Parteien zurück. DIE LINKE im Landtag ist die einzige Fraktion, die an dieser Katastrophe nicht teilgenommen hat.
Aber alle anderen Fraktionen neben CDU und FDP, eben auch die SPD, die Grünen und der SSW, haben der Schuldenbremse zugestimmt. Und mit der Verankerung der Schuldenbremse in der Landesverfassung haben auch die anderen Oppositionsparteien die Richtung des Schuldenabbaus mit beschlossen.
Auch SPD, Grüne und SSW haben beschlossen, das Haushaltsloch über radikale Ausgabenkürzungen zu stoppen. Der große Konsens der Fraktionen hinter der Schuldenbremse ist deshalb ganz einfach zusammenzufassen: gemeinsam in die Sackgasse bis zum Ende der Politik. Der Preis für die angezogene Schuldenbremse ist der Verlust der Zukunftsfähigkeit für das Land und seine Menschen.
Und wenn heute Rot-Grün beansprucht, SchwarzGelb ablösen zu wollen, dann bedeutet das auch für unser Lieblingsland nicht mehr als: Es ist, wie es ist. Auf die Schuldenbremse übersetzt würde das für uns heißen: Friss, Vogel, oder stirb.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich vorweg sagen, dass ich nicht zu unse
rem Änderungsantrag, sondern zu unserem Antrag „Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“ rede, denn am heutigen Tag begehen wir mal wieder den weltweiten Equal Pay Day. Der Kollege Tietze ist ja mit einem Satz darauf eingegangen. Ich finde, dass wir dazu heute einen längeren Beitrag halten sollen, um zu sehen, wie die Situation der Frauen in Deutschland und auch in Schleswig-Holstein ist.
Theoretisch müssen Frauen bis zum 23. März 2012 arbeiten, um den Männerlohn von 2011 einzuholen. So weit ist die Entgeltdiskriminierung von Frauen. Es ist brandaktuell. Ich denke, wir sollten nicht nur darüber reden, sondern auch handeln, und zwar in Europa, in der Bundesrepublik und damit auch in Schleswig-Holstein.
Seit Jahren verdienen Frauen in Deutschland durchschnittlich rund 23 % weniger als Männer. 1999 lag dieser Wert kurz bei unter 20 %, aber dann stieg der Wert wieder auf 23 % an. Das ist bis heute so geblieben. In den 34 Industriestaaten, die sich in der OECD zusammengeschlossen haben, liegt die Differenz im Durchschnitt bei 16 %. In Norwegen bekommen Frauen lediglich 8,4 % und in Belgien 8,9 % weniger Gehalt als die Männer. Damit sind wir mal wieder eines der Schlusslichter im europaweiten Vergleich.
Es ist ein bitterer Fakt, dass Frauen noch immer materiell schlechter gestellt sind als ihre männlichen Kollegen. Aber nicht nur dort: Frauen sind in den hundert größten deutschen Unternehmen nur zu 1 % an führender Position vertreten. Der Frauenanteil in Politik und Wirtschaft liegt bei unter 10 %. Und auch die schleswig-holsteinische Landesregierung hat nur eine Ministerin in ihren Reihen.
Frauen bilden mit 65 % die größte Gruppe im Niedriglohnbereich, unglaubliche 41 % der vollzeitbeschäftigten Frauen arbeiten in Schleswig-Holstein für Niedriglöhne.
Die Verdienstlücke hat leider vielfältige Gründe: Frauen sind in niedrigen Hierarchiestufen beschäftigt, unterbrechen ihre Berufstätigkeit häufiger, arbeiten in Teilzeit. Diese strukturelle Diskriminierung besteht auch deshalb, weil es einen Mangel an Kinderbetreuung und immer noch eine ungleiche Verteilung von Hausarbeit zwischen Frauen und Männern gibt.
Wir leben im 21. Jahrhundert. Noch im Jahr 1966 hieß es - ich zitiere :
„Pflegerin und Trösterin sollte die Frau sein, Sinnbild bescheidener Harmonie, Ordnungsfaktor in der einzig verlässlichen Welt des Privaten, Erwerbstätigkeit und gesellschaftliches Engagement sollte die Frau nur eingehen, wenn es die familiären Anforderungen zulassen.“
Diese Zeiten sind Gott sei Dank vorbei,
aber Reste bestehen immer noch. Denn eine UNSchrift besagt:
„In keiner Gesellschaft stehen Frauen die gleichen Möglichkeiten offen wie den Männern.“
Genau aus diesen Gründen bleiben Gender- und Frauenpolitik ein wichtiges Anliegen für DIE LINKE.
Entgeltgleichheit, Abschaffung des Ehegattensplittings, Bekämpfung von Altersarmut, der Ausbau einer gebührenfreien, flächendeckenden, öffentlichen Kinderbetreuung müssen unser Ziel sein. Das Renten-, Steuer-, Sozial- und Familienrecht müssen endlich so gestaltet werden, dass für Frauenbenachteiligung in unserer Gesellschaft kein Platz mehr ist.
Wir setzen uns für die ökonomische und soziale Eigenständigkeit von Frauen ein. Wir als Politik dürfen nicht nur quatschen, sondern müssen endlich etwas unternehmen. Lohngerechtigkeit ist eine zentrale Forderung der Frauen, die vor mehr als 100 Jahren den Frauentag ins Leben gerufen haben. Seitdem ist jedoch nur wenig passiert.
Arbeitsplätze, die überwiegend von Frauen bekleidet werden, werden immer weniger wertgeschätzt. So wird die Verantwortung von einer Erzieherin für eine Gruppe Kinder geringer geschätzt als die eines Forstarbeiters für einen Wald. Damit muss endlich Schluss sein!
Wir fordern mit unserem Antrag „Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“ die Landesregierung auf, verbindliche Maßnahmen zur Herstellung der Entgeltgleichheit vorzunehmen und sich auf Bundes
ebene für gesetzliche Regelungen zur Entgeltgleichheit einzusetzen.
Ich habe heute Morgen in den Nachrichten gehört, dass die SPD in der nächsten Plenarwoche einen Gesetzentwurf in den Bundestag einbringen will, um die Entgeltgleichheit in ersten Schritten umzusetzen. Die Linken haben einen solchen Gesetzentwurf auch schon einmal in den Bundestag eingebracht. Ich hoffe, dass man hier weiterkommt.
Wir fordern einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von 10 €, Beendigung der geringfügigen Beschäftigung und die Umwandlung von Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Wir brauchen eine familienfreundliche Arbeitswelt und eine Neubewertung von Arbeit. Schleswig-Holstein ist mittlerweile das Bundesland in Deutschland mit den meisten Niedriglohnbeschäftigten. Ein Mindestlohn und eine gesetzliche Quote von 50 % Frauen in Führungsjobs würde die Ballung der Frauen am unteren Ende der Lohnskala verringern.
Wir könnten damit schon mal die strukturellen Probleme angehen. Wir solidarisieren uns natürlich auch mit denjenigen, die heute auf die Straße gehen und für gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit demonstrieren. Meine Damen und Herren, ich möchte nicht in den nächsten 10 bis 20 Jahren wieder auf die Straße gehen für gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. Wir müssen hier etwas tun.
Wir müssen endlich dafür sorgen, dass die Frauen genauso viel verdienen wie die Männer. Das muss endlich umgesetzt werden. Ich hoffe, ich habe Ihre Unterstützung.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, vielen Dank für Ihren Bericht. Die Uni Kiel, die Uni Lübeck und das UKSH haben ein gemeinsames Konzept zur Neuordnung der Universitätsmedizin vorgelegt, und unser Minister ist begeistert. Wenn unser Minister von irgendetwas begeistert ist, handelt es sich für uns in der Regel um Privatisierung oder wenigstens um Profit für die Privatwirtschaft. Das ist die Politik des Ministers. Das haben inzwischen auch alle im Land gemerkt
nicht nur wegen des Plans, die Uni Lübeck zu schließen.
Was das Konzept angeht, können wir uns als Linke keineswegs dafür begeistern. Da ist die Rede von „wirtschaftlich defizitärer Krankenversorgung“, als ob die erste Priorität der Krankenversorgung der Profit wäre. Nein, die Krankenversorgung ist für die Menschen da.
In erster Linie muss es doch darum gehen, dass sie patientengerecht ist.
Die Neuordnung verfolgt nach dem Konzept drei zentrale Ziele: erstens, die Spitzenposition der Universitätsmedizin Schleswig-Holsteins in der Forschung im bundesweiten Wettbewerb zu erhalten, zweitens, die universitäre Ausbildung durch das Medizinstudium langfristig in die Spitzengruppe deutscher Universitäten zu positionieren, und drittens, den Investitionsstau, der die Leistungsfähigkeit von Forschung, Lehre und Krankenversorgung bedroht, so schnell wie möglich zu beseitigen.
Die ersten beiden Ziele sollen das Prestige des Standortes stärken, und erst an dritter Stelle kommt die Krankenversorgung. DIE LINKE findet diese Prioritätensetzung gesellschaftlich unverantwortlich.
Ich komme nun zu den Eckpunkten dieses hoch gelobten Konzepts. Da ist schon auf den ersten Blick ein Widerspruch zu erkennen: Es wird angestrebt, zwei eigenständig agierende Universitätsmedizinstandorte mit jeweils eigenen Kliniken und Vorständen zu schaffen. Schon im nächsten Punkt wird aber die Bedeutung einer standortübergreifenden Zusammenarbeit betont. Hierzu sollen beide Standorte in einer sogenannten Holding zusammengeführt werden. Wenn da mal das Kompetenzgerangel nicht schon vorprogrammiert ist! Das haben bereits einige Vorredner festgestellt.
Nächstes Problem: Die Landesfinanzierung von Forschung und Lehre in der Medizin wird den Universitäten Lübeck und Kiel direkt überantwortet. Sie teilen sich also die Mittel von derzeit 120 Millionen € auf. Es ist doch so, dass bei möglichen finanziellen Engpässen in Zukunft der Schwarze Peter von der Politik an die Unis gegeben wird. Es wird dann heißen, die Universitäten seien in der Verantwortung. Das Märchen von der Autonomie der Hochschulen wird dann wieder heruntergebetet. Wer sich die derzeitige Energiepreisentwicklung und die immens steigenden Materialkosten an
sieht, wird schnell feststellen, dass bei Ausbleiben der Erhöhung des Budgets beide Standorte sehr schnell finanzielle Probleme bekommen werden. Wir haben also allen Grund zur Sorge bezüglich der nachhaltigen Finanzierung, insbesondere mit Blick auf die von Ihnen allen beschlossene Schuldenbremse.
Nächster Punkt: Die gemeinsame Exzellenzakademie. Dieses ganze elitäre Getue hat mehr mit Prestige zu tun als mit tatsächlicher Wissenschaftsförderung.
Hier wird ein Wettbewerb geheuchelt, der überhaupt nicht stattfindet. 70 % der Gelder gehen an eine Gruppe von 20 Hochschulen. Keine unserer Hochschulen gehört dazu. Und allein 60 % der Gelder gehen nach Bayern und Baden-Württemberg. Die paar Cluster, die wir bekommen haben, können darüber nicht hinwegtäuschen. Unsere Hochschulen sind unterfinanziert. Und der Bund legt ein Programm von 2,7 Milliarden € auf, die wettbewerblich verteilt werden. Das Ergebnis ist, dass unsere Hochschulen schlechter dastehen, als wenn die Gelder bedarfsbezogen auf die Hochschulen verteilt würden. Dann allerdings würde herauskommen, dass 2,7 Milliarden € ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Wie kann ein Landesminister eigentlich für ein Programm eintreten, das sein eigenes Bundesland über den Tisch zieht? Das müssen Sie den Menschen in unserem Land einmal erklären.
Das größte Problem allerdings sehen wir in dem angestrebten ÖPP bei der baulichen Sanierung. DIE LINKE teilt die Beurteilung der Landesrechnungshöfe, dass ÖPP auf keinen Fall gemacht werden darf, wenn man das nicht auch regulär finanzieren kann. Privatinvestoren sind keine karitativen Vereinigungen. Sie investieren nur dann, wenn Gewinne zu holen sind. Die bauliche Sanierung wird uns noch teuer zu stehen kommen. Wir wollen, dass die baulichen Sanierungen aus den Landesgeldern finanziert werden, also von öffentlicher Hand. Dafür stehen wir ein. Das ist meiner Meinung nach die bessere Lösung.
Das andere ist ein Irrweg. Wir werden danach hier diskutieren, wer letztlich die Defizite bezahlen muss. Ich denke, so wird es kommen.
Es muss gesagt werden, dass das Konzept Hintertüren für eine Privatisierung offenlässt. Unsere Forderung bleibt: Im Mittelpunkt muss der Erhalt des UKSH als medizinischer Maximalversorger in öffentlicher Hand bleiben. Das ist bei diesem Konzept keineswegs gesichert.
Zusammen mit den versteckten Kürzungen ist das alles in allem ein Machwerk und wird deshalb von der LINKEN abgelehnt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Gesundheitsfonds sind Milliardenüberschüsse aufgelaufen. Das hat die sofortige Begehrlichkeit des Bundesfinanzministers geweckt, der glaubt, in den Jahren 2010 und 2011 insgesamt 2 Milliarden € zu viel in den Gesundheitsfonds eingezahlt zu haben. Das finden wir unverschämt.
Der Bundesfinanzminister will sich aus den Mehreinnahmen der Krankenkassen bedienen. Das heißt nichts anderes, als dass er sich direkt aus den Beitragszahlungen der Versicherten bedienen will. DIE LINKE lehnt den Rollgriff des Finanzministers in die Überschüsse der Krankenkassen ab.
Wir kritisieren seit Langem die Irrungen und Wirrungen einer forcierten neoliberalen Gesundheitspolitik. Die zunehmende Auflösung der paritätischen Finanzierung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die Ausgliederung von ganzen Bereichen aus kassenfinanzierten Gesundheitsleistungen, die Praxisgebühr und die Zusatzbeiträge sind nur die offenkundigsten Beispiele.
Wir waren am Anfang nicht für die Einführung des Gesundheitsfonds. Der Gesundheitsfonds trägt nicht dazu bei, die gesetzliche Krankenversicherung auf eine dauerhafte und stabile Finanzierungsgrundlage zu stellen. Weder wird die private Krankenversicherung einbezogen noch die Beitragsbemessungsgrenze angehoben. Andere Einkommensarten werden nicht berücksichtigt. Noch nicht einmal der Sonderbeitrag von 0,9 Prozentpunkten, den die Versicherten allein zahlen müssen, wurde abgeschafft. Die Zeit ist reif für eine Versicherung, in die alle für alle einzahlen.
DIE LINKE streitet für eine solidarische und stabile Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen. Jetzt aber den Gesundheitsfonds abzuschaffen, finden wir die falsche Antwort. Wir wollen, dass der Ge
sundheitsfonds zu einer solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung weiterentwickelt wird.
Die aktuellen Überschüsse der gesetzlichen Krankenversicherungen will DIE LINKE dafür nutzen, die Praxisgebühr endlich abzuschaffen. Die Praxisgebühr hat keine positiven Wirkungen, sondern nur negative Folgen gehabt. Man muss nicht groß evaluieren, ob die Praxisgebühr als Steuerungsinstrument überflüssiger Arztkontakte tauglich ist. Die neu vorliegenden Zahlen zu Arztkontakten je Patient widerlegen das zur Genüge. Die Praxisgebühr hat das erreicht, was für uns immer absehbar war: Menschen mit geringem Einkommen gehen wegen der Praxisgebühr trotz Beschwerden nicht rechtzeitig zum Arzt oder verzichten ganz auf eine Behandlung. Die Praxisgebühr führt zur ungleichen Gesundheitsversorgung zwischen Arm und Reich und ist ein Baustein der Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland.
Das ist der Hauptgrund dafür, dass wir sie abschaffen wollen.
Die weiteren Überschüsse der gesetzlichen Krankenkassen müssen nach unserer Meinung im System verbleiben. Dieses Geld soll in eine bessere Krankenversorgung fließen. Wir haben hier schon oft genug darüber geredet, welche Nachteile sich für unsere Krankenhäuser und die Versorgung der Patientinnen und Patienten daraus ergeben, dass Schleswig-Holstein am unteren Ende des Landesbasisfallwerts liegt. Der Landtag war sich im Großen und Ganzen einig, dass mit der Einführung eines bundesweit einheitlichen Basisfallwerts Abhilfe geschaffen werden muss.
Das nützt unmittelbar einer großen Zahl von Versicherten in den benachteiligten Bundesländern, zu denen Schleswig-Holstein gehört. Wir würden damit etwas mehr Luft im System bekommen. Wir würden damit Konzentrationsprozesse im Krankenhausbereich ausbremsen, den Druck auf Privatisierungen, auf Personaleinsparungen und Arbeitsverdichtung abmildern und die Einführung von Haustarifen in Krankenhäusern nicht genehmigen.
Anders als die SPD in ihrem Antrag wollen wir mehr als die Wiedereinführung einer zweiten Konvergenzphase zur Erreichung eines bundeseinheitlichen Basisfallwerts. Nach unserer Auffassung soll
die Vereinheitlichung auf dem aktuell höchsten Niveau stattfinden.
Wir wollen, dass die Entwicklung der Kostensätze endlich den realen Kosten folgt und die Veränderungsrate nach dem Warenkorbmodell ermittelt wird.
Die sogenannten Überschüsse der Krankenkassen sind nicht die Verfügungsmasse des Finanzministers. Sie sind auch nicht das Geld der Krankenkassen. Dieses Geld gehört den Versicherten, und dahin muss es wieder zurück.
Wir möchten unseren Änderungsantrag Drucksache 17/2415 zum eigenständigen Antrag erklären.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich ahnte schon, dass die Regierung in der Frage der Schulsozialarbeit auf die Planungshoheit der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 80 SGB VIII verweist.
- Ja, das ist richtig so. Das haben Sie vorher schon so gemacht, das sehe ich auch so. Wir haben dies jetzt noch einmal benannt, weil wir der Meinung
sind, dass das Land stärker in die Förderung einsteigen muss. Das hat die Koalition jetzt gemacht, aber 2,5 Millionen € sind einfach zu wenig.
Wir meinen, dass das Wohltaten sind, die Sie in Ihrem Bericht anpreisen.
Frau Kollegin Conrad, man muss hier nicht in Jubel über den Bericht ausbrechen, denn es sind mit Ach und Krach 20 Stellen mehr. Die sind auf zwei Jahre befristet. Das muss man hier auch einmal sagen. Es sind keine Stellen, die weiterlaufen werden, sondern es steht infrage, ob sie in zwei Jahren überhaupt weiter geführt werden.
Sicherlich ist ein kleiner Anfang gemacht worden. Man hat die Kommunen unterstützt, aber es ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Ich rede aber von einer nachhaltigen, langfristigen Förderung, die ein flächendeckendes Angebot an Schulsozialarbeit überhaupt erst möglich macht. Ich glaube, das spiegelt sich auch in der Diskussion, die hier geführt wird: Schulsozialarbeit muss an jeder Schule stattfinden, und nicht, wie es jetzt aus dem Bericht hervorgeht,
dass Schulsozialbezirke zusammengefasst werden und ein Schulsozialarbeiter für drei oder vier Schulen zuständig ist. Das ist uns einfach zu wenig.
In dem Bericht wird auch gesagt, dass es zur weisungsfreien kommunalen Pflichtaufgabe gehört. Aber Sie wissen, dass die Kommunen in finanziellen Schwierigkeiten stecken und letztlich oft gar nicht in der Lage sind, die zusätzlichen Mittel zu finanzieren. Wie werden denn die Schulsozialarbeiter momentan bezahlt? - Sie haben befristete Arbeitsstellen für die ganze Zeit, sie werden schlecht bezahlt und sie bekommen nicht unbedingt den Tarif, den andere bekommen, die in diesem Bereich tätig sind.
Wir können nur empfehlen: Schauen Sie einmal nach Frankreich oder in die Niederlande! Dort ist das flächendeckende Angebot wesentlich besser aufgestellt. Dort hat Schulsozialarbeit einen festen Platz im Schulsystem. Schulbegleiterinnen und Schulbegleiter sind dort bereits in den 70er-Jahren etabliert worden.
Vielfältige soziale Probleme an Grund-, Regionalund Gemeinschaftsschulen, erhöhter Leistungsdruck an den Gymnasien, steigende Zahlen von Kindern und Jugendlichen in jugendpsychiatrischer Behandlung erfordern den Ausbau der Schulsozialarbeit.
Wir brauchen einen flächendeckenden Ausbau an allen Schularten, vor allem jedoch an den Grundund Förderschulen - was Sie zum Teil in kleinen Trippelschritten gemacht haben -, um frühzeitig präventiv wirken zu können.
Erfolgreiche Schulsozialarbeit entlastet auch die Jugendämter, den Allgemeinen Sozialen Dienst und die Jugendgerichtshilfe. Doch die Praxis auf kommunaler Ebene zeigt sich anders. Nach Gutdünken, Kassenlage und fachlicher Kompetenz der Sozialdezernenten und Jugendamtsleiter in den Kreisen werden Mittel für die Schulsozialarbeit bereitgestellt oder eben nicht. Ich weiß hier auch um die Schwierigkeit der Zusammenarbeit zwischen Schule und Jugendhilfe. Das ist zum Beispiel auch ein ganz dickes Brett, das hier gebohrt werden muss. Es ist nicht so einfach, diese Stellen an den Schulen zu besetzen.
Sie verweisen in Ihrem Ausblick zwar darauf, dass im kommenden Doppelhaushalt eine Erhöhung der Zuschüsse um weitere 3 Millionen € vorgesehen ist. Aber Herr Minister Klug, diese Lippenbekenntnisse retten Sie auch nicht über den 6. Mai herüber. Sie wissen auch gar nicht, wie das letztendlich weiter finanziert wird.
DIE LINKE fordert ein klares Konzept für eine funktionsfähige Schulsozialarbeit. Wir brauchen aber auch einen angemessenen Personalschlüssel:
eine sozialpädagogische Fachkraft auf 150 Schülerinnen und Schüler. In dem Bericht werden nur zwei Lehrerwochenstunden pro Schulamtsbezirk für die Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schulsozialarbeit bereitgestellt. Wenn ich vorher schon gesagt habe, wie schwierig diese Zusammenarbeit ist, weiß man, dass die zwei Lehrerwochenstunden meist überhaupt nicht ausreichen. Man muss keine Hellseherin sein, um jetzt schon zu sagen, dass es in der Form nicht funktionieren wird.
Wir brauchen ein professionelles Team für diese Zusammenarbeit, das übrigens auch im Hinblick auf die Umsetzung der Inklusion in der Schule un
erlässlich ist, und wir brauchen wir mehr zeitliche Ressourcen. Das heißt auch, dass wir mehr Geld in das System geben müssen.
Wir werden nicht akzeptieren, dass Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter prekär beschäftigt werden, weil die Landesregierung die Kommunen immer weiter ausbluten lässt. Sie verlieren in Ihrem Bericht kein Wort darüber, wie Sie die Schulsozialarbeit langfristig sichern wollen. Was passiert, wenn die Mittel aus dem Bildungs- und Teilhabepaket 2013 auslaufen? - Darauf haben Sie keine Antwort.
DIE LINKE wird nicht - wie CDU und FDP - darauf hoffen, dass nach Auslaufen der Bundesfinanzierung möglicherweise Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds bereitgestellt werden. Wir betreiben kein Glücksspiel, wenn es um die Zukunft unserer Kinder geht.
Wir brauchen eine Politik der sozialen Gerechtigkeit. Um die Kontinuität von Schulsozialarbeit zu gewährleisten, sind unbefristete Stellen unerlässlich.
DIE LINKE fordert: Bringen Sie endlich eine langfristige Sicherung der Schulsozialarbeit auf den Weg, dann können wir auch über ein gelungenes Programm sprechen! Der Bericht heute gibt das jedenfalls nicht her, denn er ist mehr als dürftig, und er wirft mehr Fragen auf, als er Lösungen anbietet. Ich denke mir, der erste kleine Schritt ist gemacht, aber der große Wurf ist es nicht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte auch ich mich für den Bericht der Landesregierung zu den pflegepolitischen Perspektiven des Landes Schleswig-Holstein bedanken. Richtig ist, die Pflege gehört zu den wichtigsten ge
sellschaftlichen und politischen Herausforderungen dieser Zeit und der Zukunft.
Wie alle anderen schon dargestellt haben, werden auch die Menschen in Schleswig-Holstein älter. Im Jahr 2009 gab es in Schleswig-Holstein rund 80.000 pflegebedürftige Menschen, das sind 2,8 % der Bevölkerung. Bis zum Jahr 2025 wird diese Zahl um 43 % wachsen, auf dann 114.000 Menschen, die Pflegeleistungen benötigen.
Schon heute haben wir im Bereich der Pflege einen Fachkräftemangel. Einrichtungen der Altenpflege haben zunehmend Probleme damit, die Fachkraftquote von 50 % zu erfüllen. Kollegin Klahn, wir sollten hier nicht in Jubelschreie ausbrechen über das, was in der letzten Zeit im Pflegebereich passiert ist, wenn man sieht, dass bis zum Jahr 2020 zusätzlich 11.000 Arbeitskräfte in der Altenpflege gebraucht werden, darunter mindestens 2.100 Altenpflegefachkräfte.
Aber - und auch das gehört zur demografischen Entwicklung - nicht nur die Zahl der pflegebedürftigen Menschen wird steigen, sondern bis 2025 wird auch die Zahl der Erwerbspersonen in Schleswig-Holstein gegenüber 2010 um etwa 55.000 Menschen sinken. Wir müssen also den steigenden Bedarf aus einem schrumpfenden Potenzial decken.
Die Frage ist also: Sind wir in Schleswig-Holstein so aufgestellt, dass wir die wachsenden Anforderungen erfüllen können?
Ein Arbeitsplatz in der Pflege ist kein Traumjob. Die Bezahlung ist schlecht, es gibt den Niedriglohnsektor mit den 400-€-Anstellungen. Die Arbeitsdichte wird immer belastender. Die Arbeitszeiten sind alles andere als familienfreundlich. Und auch das soziale Ansehen der Pflegeberufe könnte deutlich besser sein. Das haben wir häufig hier im Plenum diskutiert. Bis zum jetzigen Zeitpunkt gab es in diesem Bereich keine Fortschritte. Deshalb ist es höchste Zeit, die Pflegeberufe attraktiver zu machen.
Wir brauchen also mehr Personal, gute Arbeitsbedingungen, und eine bessere Bezahlung ist überfällig, außerdem muss natürlich auch die Ausbildung kostenfrei werden.
Wir brauchen dringend eine Reform der Pflegeausbildung. Eine umfassende und hochwertige Pflegeausbildung kann die Attraktivität der Pflegeberufe steigern und dadurch dem Fachkräftemangel entge
genwirken. Wir wollen den Umbau der Ausbildung in den Pflegeberufen zu einer dreijährigen dualen Ausbildung mit einer zweijährigen einheitlichen Grundausbildung und einer anschließenden einjährigen Schwerpunktsetzung in allgemeiner Pflege, Kinderkrankenpflege oder Altenpflege mit gleichwertigen Berufsabschlüssen. Schmalspurausbildungen sind keine Lösung.
Das macht für uns auch den Unterschied zur gerade erst vom Minister vorgelegten neuen „Landesverordnung über die Ausbildung und Prüfung in der Altenpflegehilfe“ aus, in der die Ausbildungsdauer um ein Drittel von 18 auf zwölf Monate verkürzt wird.
Weitere Schritte sollten dann auf der Bundesebene folgen, die Annäherung von Altenpflege- und Krankenpflegeausbildung. In vielen Punkten sind wir da vielleicht gar nicht so weit auseinander. Aber es muss hier endlich etwas passieren.
Ich weiß nicht, wie oft wir hier im Parlament schon über die Pflege, die Berufe und die kostenlose Ausbildung diskutiert haben, seitdem wir mit im Parlament sitzen. Ich kann das gar nicht mehr zählen. Diese Punkte diskutieren wir heute hier schon wieder, Herr Minister. Wir kommen da nicht voran. Das muss ich auch einmal so sagen.
Für uns ist der Zustand unerträglich, dass von den insgesamt in Schleswig-Holstein genehmigten 2.200 Schulplätzen in der Altenpflege nur 1.200 vom Land finanziert werden und die anderen 1.000 Plätze nicht. Sie hätten schon etwas unternehmen können, damit diese 1.000 Plätze auch noch finanziert werden. Sie sind weiter für die Auszubildenden kostenpflichtig. Das können wir nicht mittragen, das muss verändert werden.