Es geht hier konkret darum, die Erbschaftsteuer, die Vermögensbesteuerung und einen deutlich höheren Spitzensteuersatz in Angriff zu nehmen und hier durch Bundesratsinitiativen ein deutliches Zeichen zu setzen. Das wäre ein kleiner Schritt in Richtung Umverteilung und für mehr Gerechtigkeit.
Meine Redezeit ist um. Das passt ganz gut. - Ich beantrage, dass wir den Bericht im Sozialausschuss weiterberaten. Es ist eigentlich ein Querschnittsthema, das auch in anderen Ausschüssen beraten werden sollte. Aber da die Erfahrung zeigt, dass es vor allem die Sozialpolitiker sein werden, die sich mit dieser Thematik auseinandersetzen, beantragen wir erst einmal die Überweisung an den Sozialausschuss. Vielleicht beantragen die Kollegen noch ergänzende Überweisungen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Armut ist hier in Schleswig-Holstein nicht erst seit gestern ein ernstes Problem. Egal, ob Kinder- oder Altersarmut, wir versuchen seit Jahren, diese Probleme in den Griff zu bekommen. Doch leider ist es bis heute nicht gelungen. Aktuelle Studien zur Verschuldung der Bürgerinnen und Bürger im Land belegen sogar, dass die Zahl der Menschen, die ihre Rechnungen nicht mehr
zahlen können und ihre Kredite nicht mehr tilgen können, weiterhin wächst. Uns allen ist bewusst, dass Teile unserer Gesellschaft von Armut bedroht sind. Dass sich dieses Problem aber trotz wirtschaftlicher Erholung weiterhin verschärft, ist aus Sicht des SSW beschämend.
Auch wenn der vorliegende Bericht der Landesregierung leider nicht das ganze Ausmaß des Problems in unserer Region zeigt, sind auch die hier vorgelegten Zahlen schlicht und einfach erschreckend. Nach wie vor sind über 50 % der Erwerbslosen und deutlich über 40 % der Alleinerziehenden in Schleswig-Holstein armutsgefährdet. Die sogenannte Armutsrisikoquote, gemessen am Durchschnittseinkommen, liegt bei 15,9 %. Damit liegt Schleswig-Holstein im Ländervergleich nur knapp vor den Schlusslichtern Hamburg und Bremen. Statistiken sind ganz sicher nicht immer gleich aussagekräftig, und in manchen Fällen führen sie sogar in die Irre. Doch diese Zahlen zeigen, dass das Risiko in unserer Wohlstandsgesellschaft, zu verarmen und dauerhaft arm zu bleiben, auch heute viel zu hoch ist.
Vor diesem Hintergrund habe ich große Zweifel an der Behauptung, dass die Sozialpolitik in Schleswig-Holstein für einen gut funktionierenden Sozialstaat steht und den Hilfebedürftigen ein verlässlicher Partner ist.
Aus Sicht des SSW muss viel mehr passieren, um diesem Anspruch gerecht zu werden. Leider wird damit aber auch in naher Zukunft wohl kaum zu rechnen sein. Denn schon in der Einleitung des Berichts heißt es:
„erfolgt im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel und unter Beachtung der Erfordernisse der Haushaltskonsolidierung.“
Nach dieser Logik kann die Landesregierung also gleich die Hände in den Schoß legen, und dies können wir nicht akzeptieren.
Armut hat bekanntlich viele verschiedene Ursachen: Das größte Risiko hier im Land haben Arbeitslose und Alleinerziehende. Ein geringes Bildungsniveau, ein Migrationshintergrund oder einfach nur das Älterwerden sind wesentliche Ursachen für Armut. All diese Ursachen sind schon seit vielen Jahren bekannt, und trotzdem kommen wir hier ganz einfach nicht weiter voran. Ich möch
Wir brauchen regelmäßig aktualisierte Daten und Analysen, um dieses Problem gezielt angehen zu können. Ich denke, mittlerweile muss allen klar sein, dass hier endlich gehandelt werden muss. Doch egal, ob es um frühkindliche Bildung, Wirtschaftsförderung, Arbeitsmarktpolitik oder die Förderung von Frauen geht: Viele der bewährten Maßnahmen in diesen Bereichen sind Opfer der Kürzungspolitik der schwarz-gelben Regierung.
Neben den Zahlen zur Armutssituation sagt der Bericht auch etwas zur Verteilung von Reichtum im Land. Zwar hat die Zahl derjenigen, die Einkünfte von über 1 Million € im Jahr haben, leicht abgenommen. Aber auch der allgemeine bundesweite Trend, nach dem es immer mehr Arme gibt, während die Wohlhabenden immer mehr verdienen, setzt sich hier fort. Aus unserer Sicht kommen wir mittel- bis langfristig nicht daran vorbei, große Vermögen und hohe Einkommen stärker zu besteuern als bisher.
Der Zustand, dass Menschen hier im Land arm trotz Arbeit sind, muss endlich durch einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn beendet werden.
Wir alle wissen, dass wir bei der Bekämpfung von Armut nur weiterkommen, wenn der Bund dabei eine wichtige Rolle spielt. Aber es gibt auch keinen Zweifel daran, dass wichtige Handlungsfelder in der Zuständigkeit des Landes liegen. Wir sehen die Regierung in der Pflicht, wenn es um Chancengleichheit im Bildungssystem geht. Auch im Bereich der arbeitsmarktpolitischen Leistungen gibt es Spielräume, die das Land nutzen muss. Wir müssen uns zum Beispiel stärker um die Gruppe der Langzeitarbeitslosen bemühen und dafür sorgen, dass wirklich alle Menschen gleiche Chancen auf Teilhabe am Arbeitsmarkt haben. Beides muss zum Kern einer Strategie gegen Armut und soziale Ausgrenzung gehören. Aber das setzt voraus, dass man auch wirklich eine Strategie hat. Aber das ist bei dieser Landesregierung manchmal schwer zu erkennen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke erst einmal dem Minister für Arbeit, Soziales und Gesundheit für diesen umfangreichen Bericht zum Thema Armut und Reichtum in SchleswigHolstein. Der Bericht enthält viel Wissenswertes und ist eine gute Grundlage für unsere politische Arbeit. Vor allem wird eines deutlich: Als Folgen einer materiellen Armut und mangelnder finanzieller Spielräume sind häufig der Rückzug und die Selbstausgrenzung aus dem gesellschaftlichen Leben und damit eine fehlende Teilhabe an Bildung, Sport und Kultur zu beobachten. Das darf nicht sein. Dem müssen wir entgegenwirken.
Allerdings haben sich allzu viele neue Erkenntnisse nicht ergeben. Wir sind durch verschiedene Berichte wie den EU-Bericht 2010 und die Bundesberichte 2001, 2005, 2008 und 2011 hinreichend über die Armutssituation informiert gewesen. Eine hohe Armutsgefährdung ist auch in Schleswig-Holstein bei den 18- bis 25-Jährigen und bei den Ein-Personen-Haushalten festzustellen. Über die Situation der Alleinerziehenden und deren Lebensverhältnisse haben wir umfangreiche Kenntnisse dank der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage, Drucksache 17/1043. Knapp 27 % der Alleinerziehenden in Schleswig-Holstein erhalten ALG II.
Der Bericht beschäftigt sich noch mit einer Reihe weiterer Armutsrisiken, die hier und heute nicht alle diskutiert werden können, die aber genauso dramatisch sind. Dazu gehören beispielsweise die Risiken Migrationshintergrund, Alter und Krankheit. Auch davon sind wir alle nicht frei.
234.000 Menschen erhalten Leistungen nach dem SGB II. Davon sind rund 64.000 Personen Kinder unter 15 Jahren. Das heißt, dass fast 16 % aller Kinder unter 15 Jahren in Schleswig-Holstein auf Hilfen aus dem SGB II angewiesen sind. Das ist nicht gut. Hier müssen wir unbedingt gegensteuern.
Eine Bemerkung im Bericht verdient unsere Aufmerksamkeit: die Überschuldung von jungen Volljährigen. Überschuldung ist das Einfallstor zur Armut, wie es im Bericht heißt. Erschreckend ist da
bei, dass die mangelnde Finanzkompetenz sowie eine Überschätzung der eigenen finanziellen Möglichkeiten in diese Situation führen. Nachdenklich machen sollte uns in diesem Zusammenhang vor allen Dingen die veröffentlichte Untersuchung der Koordinationsstelle für Schuldnerberatung Ende September in Schleswig-Holstein. Da heißt es, dass bereits Jugendliche unter 18 Jahren wenig Wissen über Geld und Schulden besitzen. Wir wissen auch, dass gerade bei den jungen Menschen Wünsche und Kaufmöglichkeiten steigen und die Gefahren oft nicht eingeschätzt und richtig beurteilt werden können. Hier weise ich besonders auf die Gefahren durch Handy und PC hin. Ein Mausklick reicht, und man hat einen Vertrag abgeschlossen.
Der SCHUFA Kreditkompass 2011 berichtet, dass rund 70 % der unter 30-Jährigen es als kompliziert empfinden, ihre Finanzen im Griff zu behalten 70 % der unter 30-Jährigen! Das ist eine immense Zahl und für mich eine ganz bedenkliche Aussage.
Immerhin ist eine unwirtschaftliche Haushaltsführung laut dem Dritten Armutsbericht der Bundesregierung einer der vier häufigsten Gründe für die Überschuldung.
Finanzkompetenz muss gestärkt werden. Hier sollten wir unbedingt über Methoden und Möglichkeiten nachdenken und im Ausschuss beraten. Ich glaube, wir müssen auch schon früher, an den Schulen, anfangen.
Die Landesregierung unter Ministerpräsident Peter Harry Carstensen wirkten seit Langem mit zahlreichen, im Bericht aufgeführten Maßnahmen in den unterschiedlichsten Bereichen der Armut in Schleswig-Holstein entgegen. Größtes Armutsrisiko - das wurde schon öfter genannt - ist die Arbeitslosigkeit. Besonders betroffen sind die Langzeitarbeitslosen. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist hier in Schleswig-Holstein zwischen 2005 und 2011 von 55.000 auf 26.000 gesunken. Das ist immer noch zu viel, aber trotzdem eine beachtliche und gewaltige Reduzierung, finde ich.
Hier wird auch deutlich, dass Wirtschaftsförderung und optimale Rahmenbedingungen für die Wirtschaft wichtige Instrumente der Armutsbekämpfung sind. Zu den Rahmenbedingungen der Wirtschaft zählt an erster Stelle eine intakte Verkehrsinfrastruktur. Der Ausbau und die Instandhaltung von Wasserstraßen, Schienen-, Straßenund Breitbandnetzen sind unverzichtbare Grundlagen, damit sich Wirtschaft entwickeln kann, damit
Arbeitsplätze geschaffen werden, damit zukünftige Armut reduziert wird, damit sich die finanziellen Spielräume des Staates erhöhen, und damit wir dann wirksam den übrigen auch wichtigen Armutsrisiken begegnen können.
Lassen Sie uns daher den Bericht der Landesregierung an den Sozialausschuss überweisen und ihn dort diskutieren!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch von mir vorweg ein Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Gesundheit für die Aufbereitung der Daten und Fakten des Dritten Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung. Der Bericht legt die vielen Facetten der Armut und des Armutsrisikos dar. Armut zeigt sich eben nicht nur am Mangel an Geld, sondern am Mangel der Teilhabe an zentralen Lebensbereichen wie Bildung, Erwerbsarbeit, gesundheitliche Versorgung, Wohnen und Kultur. Wenn in Schleswig-Holstein die Armutsrisikoquote im Jahr 2009 bei 15,9 % lag und nur Hamburg und Bremen höhere Armutsrisikoquoten aufweisen, fordert uns das sehr heraus, ganz besonders die Situation von Kindern und Jugendlichen ist dabei nicht zu akzeptieren.
Circa 2,5 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland - davon 76.000 Kinder und Jugendliche allein in Schleswig-Holstein - sind von Armut betroffen. Hier gibt es einen dringenden Handlungsbedarf. Der Ausbau der Betreuungsinfrastruktur bei Kita und Schule, Investitionen in Bildung, gleiche Bildungschancen für alle und auch zusätzliche Geldtransfers sind wichtige Lösungsansätze.
Bei der Suche nach Wegen zur Verringerung der Kinderarmut in Deutschland dürfen die Bereiche „Geld“ und „Infrastruktur“ nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Denn neben dem Ausbau der Betreuungsinfrastruktur könnte eine eigenständige Kindergrundsicherung ein wichtiger Schritt zur Verringerung der Kinderarmut sein. Da Kinderarmut aber immer