Protocol of the Session on December 14, 2011

Meine Damen und Herren, das war eine der Minderheitensprachen, nämlich Friesisch, in der ich mich für den Minderheitenbericht bedankt habe, unter dem Hinweis, dass ein Minderheitenbericht erst einmal eine politische Diskussion überhaupt in Gang bekommt.

Ich glaube, was unserer Debatte heute an manchen Stellen fehlt, ist die Reflexion, was wir eigentlich mit diesem Politikfeld wollen, welche Zielsetzung wir damit haben.

Ich möchte in Erinnerung rufen: Früher ging es um das grenzüberschreitende Thema von Minderheiten in zwei Staaten, Stichwort Bonn/Kopenhagener Erklärungen, dass sich Staaten einig waren, dass sich Staaten an einer Grenze befriedeten. Später, in den 80er-Jahren, kam man dazu zu sagen: Wir wollen weitere Minderheiten anerkennen, die hier heimisch sind. Das waren die Friesen sowie die Sinti und Roma - wobei die Anerkennung der Sinti und Roma leider immer noch nicht abgeschlossen ist. Wir haben über die Gleichstellung, Gleichbehandlung von Minderheiten geredet. Anke Spoorendonk hat das vorhin anhand des Beispiels aus dem Jahr 1986 deutlich gemacht, in dem die dänischen Schulen gleichgestellt wurden, wo das Ziel teilweise erreicht wurde.

Wir müssen darüber nachdenken, was wir mit diesem Politikziel noch anfangen wollen, wenn wir anfangen, davon wieder abzuweichen. Ich nenne als Beispiel einmal den Wunsch des Nordfriesischen Instituts, endlich einmal Planungssicherheit zu bekommen und eine Vergleichbarkeit mit anderen wissenschaftlichen Institutionen herzustellen. Die Sinti und Roma wünschen sich, endlich gleichgestellt zu werden mit den anderen Minderheiten im Land, was die Landesverfassung angeht.

Wenn wir von diesen Grundprinzipien abweichen, dann haben wir hier tatsächlich Rückschritte zu verzeichnen. Genau das ist in der Debatte in den letzten zwei Jahren in Bezug auf die dänischen Schulen geschehen. Wir sind davon weggekommen anzustreben, die Minderheiten mit der Mehrheitsbevölkerung gleichzustellen, und fangen an, das Erreichte wieder abzubauen. Das ist aus minderheitenpolitischer Sicht eine Katastrophe.

Wir brauchen Planungssicherheit, wir brauchen Verlässlichkeit, und wir brauchen vor allem auch neue Zielsetzungen, die man draufsatteln kann. Deshalb haben wir zur Weiterentwicklung der Sprachenpolitik eine Berichtspflicht vorgeschlagen. Denn die Berichte und Diskussionen in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten im Land haben ja

(Heinz-Werner Jezewski)

etwas gebracht. Genau das wollen wir auch in den Kommunen implementieren, dass man über dieses Politikfeld auch auf kommunaler Ebene redet und sich gegenseitig immer wieder Rechenschaft ablegt, ob man das erreicht hat, was man erreichen wollte, oder was man noch verbessern kann. Das geht nur über eine Berichtspflicht auf kommunaler Ebene.

Ich komme aus dem Kreis Nordfriesland und weiß daher, dass das weder teuer noch Teufelswerk ist. Wenn der Kreis Nordfriesland das schafft, wenn die Stadt Flensburg das schafft, dann schaffen das auch alle anderen Kommunen in Schleswig-Holstein.

Es geht hier nicht nur um Friesisch und Dänisch, sondern wir wollen ganz bewusst die ganze Kultur des Landes Schleswig-Holstein in den Blick nehmen. Dazu zählt auch das Niederdeutsche. Das Niederdeutsch-Gremium des Landtags hat sich dafür ausgesprochen, unseren Gesetzentwurf zu beschließen, damit endlich in allen Regionen des Landes etwas für das Niederdeutsche getan werden kann.

Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Das werde ich.

Meine Damen und Herren, es geht uns in der Minderheitenpolitik darum, dass wir von der Beliebigkeit wegkommen hin zu konkreten Zielen, zu konkreten Planungen, die umgesetzt werden. Dann muss man sich neue Ziele setzen und darf nicht alte Ziele über Bord werfen. Perspektive muss sein, etwas Neues zu schaffen, etwas Besseres zu schaffen. Was in der Vergangenheit gemacht worden ist, ist leider nicht etwas Besseres gewesen.

(Beifall beim SSW sowie vereinzelt bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Robert Habeck das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal gemeldet, weil Frau Herold darum gefleht hat, wir sollten den Minderhei

tenbericht nicht auf die Einsparung bei den dänischen Schulen reduzieren.

Frau Herold, Schleswig-Holstein hat sich mehrfach neu erfunden, und auch die CDU hat sich neu erfunden. Erst waren das Land und die CDU ein Kampfverband gegen die deutsch-dänische Grenzziehung, für ein kulturpolitisches Vorpreschen gegen eine Versöhnung im Grenzgebiet und gegen die Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg.

Dann wurde das geändert, dann haben sich das Land Schleswig-Holstein und auch die CDU neu erfunden, das Land der Integration, Leben mit den Minderheiten. Es war Uwe Barschel, zu dem man zwei, drei Meinungen haben kann, der das durchgesetzt hat. Ich erlaube mir, aus einer Publikation der Konrad-Adenauer-Stiftung zu zitieren:

„Es gelang ihm“

- gemeint ist Barschel

„auch, die Auseinandersetzungen mit den politischen Organisationen der dänischen Minderheit zu entspannen, indem er für die Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Fördermittel sorgte.“

Gemeint ist der Beschluss, die Förderung der dänischen Schulen von 85 % auf 100 % anzuheben 1986! Da können Sie sich doch nicht wundern, dass genau dieser Satz negativ zitiert wird, wenn man die Förderung von 100 auf 85 % zurückfährt, und dass das Verhältnis zu den dänischen Organisationen, das Verhältnis der Mehrheitsbevölkerung zu der Minderheitsbevölkerung darunter leidet! Das ist doch evident, das geht aus der Landesgeschichte hervor, das geht aus der Geschichte der CDU hervor! Beschäftigen Sie sich mit der Landesgeschichte und der Geschichte der CDU!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Fraktion der SPD erteile ich zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag Herrn Abgeordneten Dr. Ralf Stegner das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man dieser Debatte folgt, stellt man fest, dass wir in diesem Hause schon deutlich weiter gewesen sind. Wir haben Minderheitenpolitik früher überparteilich gemacht; Minderheiten haben Verfassungsrang. Früher war es üblich, dass der SSW,

(Lars Harms)

auch wenn er nicht in der Regierung war, sondern in der Opposition, dem Haushalt zugestimmt hat; das hat er diesmal erstmalig nicht getan; das hat seine Gründe.

Die hehren Worte, die ich von den Koalitionsvertretern und von Minister Dr. Garg gehört habe, haben weitgehend aus Selbstlob bestanden. Natürlich hat sich die Kollegin Pauls falsch ausgedrückt: Sie hätte von Unwahrheit reden sollen bezogen auf das, was Sie mit Blick auf die dänische Seite gesagt haben. Sie hätte es vornehmer ausdrücken können, aber in der Sache hat sie völlig recht. Die Art und Weise, wie die Landesregierung damit umgeht, ist peinlich. Herr Minister, Ihr ostentatives Desinteresse, mit dem Sie sich hier geäußert haben, finde ich dem Thema nicht angemessen,

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

und auch nicht, dass die Spitzen der Koalition weitgehend nicht im Saal waren, als das hier diskutiert worden ist. Hehres Reden ist das eine, eigenes Handeln das andere. Sie loben sogar Dinge, mit denen Sie gar nichts zu tun haben: Sie haben weder mit Sonderburg etwas zu tun, noch will ich davon reden, wie die Kieler Oberbürgermeisterin das Projekt Maro Temm seinerzeit begleitet hat; das war wirklich nicht förderlich, das haben vielmehr andere unterstützt.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Dass Sie von der Union sich immer noch verweigern, die Förderung von Sinti und Roma in die Verfassung zu schreiben, ist eine Schande.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

So zu tun, als ob es im Grunde genommen alternativlos wäre, weil Sie nur das Wort Schuldenbremse kennen und damit jede Form von Politik eingestellt haben, verkennt, dass die Minderheiten durchaus bereit sind, über die Fragen mit zu diskutieren. Sie wollen einbezogen werden, sie wollen vernünftig einbezogen werden, in der Art und Weise, wie das früher die Regierungen von Björn Engholm und Heide Simonis getan haben und wie das Minderheitenbeauftragte getan haben, die sich wirklich gekümmert haben, wie Kurt Hamer, Kurt Schulz oder Renate Schnack. Das war eine andere Form von Minderheitenpolitik, die wir gemacht haben.

(Beifall bei der SPD)

Trotz der heftigen Kritik, die ich hier übe, will ich doch sagen: Ziel muss sein, dass wir minderheitenpolitische Fragen nicht mit parteipolitischen Mehrheiten entscheiden, sondern dass wir zurückfinden, das als etwas Gemeinsames zu begreifen und gemeinsam zu handeln. Dazu gehört aber auch, dass man sich nicht hier hinstellt und Dinge vorliest, von denen man erkennbar weiß, dass sie mit der Realität nichts zu tun haben. Da nützt auch nicht die Entschuldigung, dass das eigentlich die Rede von Herrn Carstensen ist, die Sie vorgelesen haben. Es ist keine innere Beteiligung da, es ist kein Willen da, Minderheitenpolitik als etwas zu begreifen, wo Schleswig-Holstein einmal Vorbild gewesen ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie machen uns zum Schlusslicht. Wir wollen wieder Vorbild werden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. - Entschuldigung. Ich habe nicht gesehen, dass Sie sich gemeldet haben. Ein weiterer Dreiminutenbeitrag wird gerade angemeldet. Ich erteile Herrn Abgeordneten Flemming Meyer von der Fraktion des SSW das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte eigentlich beschlossen, auf Zwischenrufe und Bemerkungen aus dem Saal nicht einzugehen, weil die Qualität der Zwischenrufe oft von solcher Art ist, dass sich das gar nicht lohnt. Vorhin kam dann aber doch ein Zwischenruf, wo ich mich gezwungen fühle, doch hier hochzugehen. Denn als Anke von 1986 erzählte, als wir unter Barschel von 85 auf 100 % kamen, kam ein Zwischenruf von da hinten: Da haben wir mit Schuldenmachen angefangen. Wenn uns irgendjemand unterstellen will, wir seien schuld an der Finanzmisere dieses Landes, dann sage ich lieber nichts, sonst gebrauche ich nur ein falsches Wort.

Das treffe ich sehr oft an, auch auf kommunaler Ebene, dass wir Minderheiten für das Land vor allem als Kostenfaktor angesehen werden.

Aber das ist doch nicht wahr. Wir sind nicht nur eine sprachliche und kulturelle Vielfalt, sondern für dieses Land sind wir auch eine ökonomische Bereicherung. Das ist den meisten noch nicht bewusst.

(Dr. Ralf Stegner)

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Wir, die dänische Minderheit, sind ein großer Arbeitgeber. Über 1.836 Arbeitsplätze in dieser Region, über 55 Millionen € Staatszuschuss aus Dänemark plus diverser Geschenke, mal hier eine Schule, mal da eine Kirche und so weiter. Wir sind weiß Gott auch eine finanzielle Bereicherung für dieses Land. Das vergessen viele. Solche Bemerkungen „Da fing es mit dem Schuldenmachen an“ möchte ich nicht gern hören.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe deshalb die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung, zunächst zu Punkt a). Der Ausschuss empfiehlt, den Gesetzentwurf Drucksache 17/522 abzulehnen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer lehnt die Ausschussempfehlung ab? - Enthaltungen sehe ich nicht. Dann ist die Ausschussempfehlung mit den Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW angenommen worden.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Nur, weil wir nicht auszählen!)

Nun kommen wir zur Abstimmung zu b). Es ist der Antrag gestellt worden, den Bericht der Landesregierung, Drucksache 17/2025, dem Europaausschuss und mitberatend dem Bildungsausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer diesem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist dies einstimmig so beschlossen.

Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 13: