Ich will noch einen Satz zu den, wie ich finde, diffamierenden Begriffen wie „Fernhalteprämie“ und „Herdprämie“ sagen.
Sie werden sich erinnern, Herr Stegner: Als wir die Regierung der Großen Koalition begonnen haben, gab es in Schleswig-Holstein praktisch keine Betreuung für Kinder unter drei Jahren. Es gab null. Den Landeszuschuss zu den Betriebskosten in der Kinderbetreuung für die über Dreijährigen hatten Sie seit Jahren gedeckelt und nicht an die tatsächliche Entwicklung angepasst.
Wir werden in diesem Jahr bei den Betreuungsplätzen für unter Dreijährige einen Deckungsgrad haben, der bei etwa 25 % liegt. Das ist dem Ziel noch nicht ganz angemessen, aber wir werden im Jahr 2013 im Land Schleswig-Holstein im Durchschnitt eine Deckung von etwa 35 % erreicht haben. Das heißt allerdings - 100 minus 35 -, dass trotz dieses erheblichen Einsatzes von Land, Bund, Kommunen und auch der betroffenen Eltern zwei Drittel aller Familien ihre Kinder allein - zu Hause, selbst, in eigener Verantwortung, ohne Rückgriff auf das öffentliche System - betreuen. Diese zwei Drittel in dieser Art und Weise zu diffamieren, wie Sie das machen, ist wirklich unerträglich.
Meine Damen und Herren, nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung stehen jetzt allen Fraktionen wieder drei Minuten Redezeit zur Verfügung.
Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, begrüße ich aber auf der Zuschauertribüne weitere Gäste: die zweite Gruppe von Schülerinnen und Schüler der Käthe-Kollwitz-Schule sowie deren Lehrkräfte. Herzlich willkommen im Landtag!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zum Ende dieser Debatte vier Unterschiede zwischen uns feststellen, die in der Debatte deutlich geworden sind.
Erstens. In der Tat haben wir gesagt: Das Existenzminimum muss sowieso berücksichtigt werden, nämlich 2013, wenn der Bericht vorliegt. Was wir falsch finden, ist, das Vorziehen der Anpassung als Geschenk zu bezeichnen und in ein Paket zu packen, in dem Punkte enthalten sind wie die „Fernhalteprämie“ und ungerechte Regelungen bei der Pflegeversicherung.
Zweitens. Wir haben wirklich eine ganze Weile für den Kanalausbau gekämpft, der für das Land dringend notwendig ist.
Wir bekommen jetzt nur die fünfte Schleusenkammer und nicht den Rest, nachdem Sie vorher das Geld herausgenommen haben.
Drittens. Der Finanzminister hat wunderbar deutlich gemacht, was uns in der Steuerpolitik unterscheidet. Anders als Sie sind wir der Meinung, dass die mit den höchsten Einkommen und Vermögen in diesem Lande mehr beitragen müssen, damit wir die Bildungsinvestitionen bezahlen können, die wir haben.
Wenn Sie sich hier auf die Schultern klopfen, möchte ich Ihnen, lieber Herr Wiegard, gern eine Zahl liefern, weil Sie gerade behauptet haben, Sie hätten das alles verbessert: Im Jahr 1988, als wir die Regierung übernommen haben, waren im Haushalt für Kindertageseinrichtungen 700.000 DM, und wir waren bundesweit Schlusslicht. Nachdem wir die Regierung abgegeben haben, standen 60 Millionen € im Haushalt für Kindertageseinrichtungen. Das ist der Unterschied zwischen uns beiden, verehrter Herr Wiegard.
Zum vierten Punkt komme ich sehr gern, Herr Ministerpräsident. Ich muss ehrlich sagen, dass mich das ein bisschen schockiert. Sie sagen, Sie wollten einmal deutlich machen, wo der Unterschied zwischen uns beiden sei, was das Familienverständnis angeht, und Sie seien sogar stolz dar
auf, dass das so sei. Ich möchte Ihnen ehrlich sagen: Kein Mensch kritisiert, wenn Kinder in Familien erzogen werden. Kein Mensch kritisiert das.
Sie haben das von mir nicht gehört. Sie haben sich auf den Unterschied zwischen uns beiden bezogen. Der Unterschied zwischen uns beiden ist, dass kein vernünftiger Mensch 2 Milliarden € zum Fenster herauswirft, um Kinder von Kindertageseinrichtungen fernzuhalten. Das ist der Unterschied zwischen uns beiden und nicht das Erste, was Sie gesagt haben. Das ist unverfroren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Wiegard, zeigen Sie mir einen Verband, eine Kommune, einen Menschen in Schleswig-Holstein, der sich hingestellt und gefordert hat: Ich will das Betreuungsgeld haben! Zeigen Sie mir einen! Es gibt diese Forderung im Land faktisch nicht.
Wenn Sie sich mit den Kommunen unterhalten das tun Sie vermutlich genauso wie alle anderen im Haus -, wissen Sie, dass ihnen das Wasser bis zum Hals steht. Uns werden Konnexitätsklagen, eine Riesendebatte angedroht, um die U-3-Betreuung auszufinanzieren. Das Problem in Schleswig-Holstein ist nicht der Ruf nach Betreuungsgeld, das Problem in Schleswig-Holstein ist die Infrastruktur für frühkindliche Bildung.
Das nicht wahrnehmen zu wollen und hier abstrakte Gerechtigkeitsdebatten zu führen, zeigt, dass Sie die Ideologie vor die Interessen und die Wirklichkeit des Landes stellen.
Vielleicht einen Vorschlag zur Güte - meine Kollegin Marret Bohn hat es im Sozialausschuss gesagt -: Wenn der Bund dieses Geld verausgaben will, lassen Sie uns doch wenigstens - vor allem Sie, die Sie ja Kanäle haben, die wir nicht haben dafür kämpfen, dass wir selbst darüber entscheiden können, wie wir das Geld verausgaben.
Dann können wir uns hier in einem halben Jahr weiter qualifiziert darüber streiten, ob das Geld die Kommunen erhalten oder irgendjemand als direkte Leistung oder Gutschein bekommt. Das wäre einmal eine Ansage, die wäre vernünftig. Der Vorschlag liegt auf dem Tisch. Ich freue mich auf die Diskussion, wahrscheinlich im Sozialausschuss.
Herr Wiegard, ich habe nicht verstanden, wo der Unterschied sein soll zwischen charakterlosem Schuldenmachen im Land und Schuldenmachen im Bund. Sie sagen, Sie seien Landespolitiker und deswegen äußerten Sie sich nicht zum Bund. Das ist in der Sache doch kein starkes Argument! Entweder müssen Sie nach dieser Debatte aufhören, von charakterlosem Schuldenmachen im Land zu sprechen und sich scheuen, diese Rhetorik hier vorzutragen, oder Sie werden damit leben müssen, dass Sie diesen Vorwurf gegenüber Ihrer Bundeskanzlerin erheben. Entweder hören Sie auf, hier mit charakterloser Schuldenmacherei zu arbeiten, oder Sie werfen gleichzeitig der Bundeskanzlerin vor, selbst charakterlos Schulden zu machen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aktuelle Stunde abgeschlossen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:
Ich erteile der Berichterstatterin des Bildungsausschusses, der Frau Abgeordneten Susanne Herold, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Landtag hat den Gesetzentwurf Drucksache 17/1715 am 26. August 2011 federführend an den
Der Bildungsausschuss hat sich am 22. September 2011, der Finanzausschuss am 27. Oktober 2011 mit dem Gesetzentwurf der LINKEN zur kostenfreien Schülerbeförderung befasst.
Im Einvernehmen mit dem an der Beratung beteiligten Finanzausschuss empfiehlt der Bildungsausschuss dem Landtag gegen die Stimme der LINKEN mit den Stimmen aller anderen Fraktionen, den Gesetzentwurf Drucksache 17/1715 abzulehnen.
Ich danke der Frau Berichterstatterin. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Abgeordneten Ulrich Schippels das Wort.