Protocol of the Session on October 5, 2011

Der Einzige, der wirklich gegen CCS argumentiert hat, war Wirtschaftsminister Bode (FDP) aus Niedersachsen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Er hat klar gesagt: Es kann doch wohl nicht angehen, dass für fünf Kraftwerke mit CCS-Technologie noch ein sechstes gebaut werden muss, um das System überhaupt am Laufen zu halten. Herr Minister Bode war der Einzige, der das deutlich gemacht hat. Wenn etwas anderes behauptet wird, entspricht das nicht den Tatsachen und den politischen Gegebenheiten. Angesichts der gegenwärtigen Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat haben wir nicht die Chance, dass CCS überall abgelehnt wird. Fast jeder will CCS nutzen; wir haben verdeutlicht, dass das für uns nicht gilt.

Herr Habeck, ich habe mich zwar am 13. April 2011 über Ihren Glückwunsch zu unserem CCS-Erfolg gefreut; aber die Situation ist leider so, dass wir weder im Bundesrat noch im Bundestag die Mehrheit für eine gemeinsame Initiative bekommen, wie sie in Österreich möglich ist. Eine solche Mehrheit ist nicht vorhanden.

Wenn die Länderklausel angeblich ein stumpfes Schwert ist - warum in aller Welt haben sich dann die Kohleländer sowie Steinmeier und Gabriel derart ins Zeug gelegt, um die Länderklausel - nur die

Länderklausel! - zu verhindern? Die Antwort ist ganz einfach: Die Länderklausel hätte Sicherheit geboten; sie wäre für Schleswig-Holstein ein wirksames Instrument gewesen. Genau deshalb haben die CCS-Befürworter das Gesetz in dieser Form ausgebremst. Abgesehen davon, dass es nur um Demonstrations- und Forschungsvorhaben mit begrenzten Speichermengen ging, hätte ein Land, das CCS ablehnt, auch nicht einspeichern müssen.

Was ist mit potenziellen CCS-Vorhaben auf dem Meer, jenseits der 12-Meilen-Zone? So sehr ich mir auch hier Rechtssicherheit wünsche - Sie werden in Deutschland kein Gesetz bekommen, das uns als Land Mitsprache jenseits der 12-Meilen-Zone einräumt. Wir haben keine Mitsprache, wenn CO2 in den Niederlanden eingelagert wird. Wir haben keine Mitsprache, wenn CO2 in Brandenburg eingelagert wird. Wir haben keine Mitsprache, wenn CO2 in Polen eingelagert wird. Wir haben, wie gesagt, auch keine Mitsprache jenseits der 12-Meilen-Zone. Dafür ist ausschließlich der Bund verantwortlich. Schleswig-Holstein wird keine Mehrheit für den Ausschluss von CCS außerhalb der Küstengewässer finden.

So freuen sich nun vor allem die CCS-Befürworter, weil sie ihren Zielen ein Stück weit nähergekommen sind. Deshalb wirkt es für mich auch ziemlich heuchlerisch, wenn die SPD jetzt vor Ort den Eindruck erweckt, als sei sie grundsätzlich gegen CCS. In Wirklichkeit macht sie sich im Bundestag für ein CCS-Gesetz ohne Länderrechte stark. Dem Interesse Schleswig-Holsteins erweisen die Sozialdemokraten hier einen Bärendienst.

Meine Damen und Herren, auch die Forderung der grünen Landesregierung von Baden-Württemberg, die CO2-Speicherung auf industrielle Emissionen zu beschränken, geht ins Leere. Das ist nicht nur EU-rechtswidrig, weil die EU-Richtlinie nicht zwischen Industrie und Energieversorgung differenziert, sondern es ist vor allem völlig unerheblich. Klar ist doch: Wer zwischen vermeintlich guter und schlechter CO2-Verpressung ideologisch differenziert, der nimmt die Ängste der Bürger nicht ernst.

(Beifall bei CDU, FDP und des Abgeordne- ten Lars Harms [SSW])

Den Menschen sind solche Spitzfindigkeiten egal; es bliebe bei der Einlagerung von CO2. Das CO2 aus Industrieanlagen ist das gleiche wie das aus Kohlekraftwerken. Angesichts dessen sage ich klar: Wir werden mit allen Mitteln jegliches Einspeichern von CO2 verhindern, solange wir in diesem Land die Verantwortung tragen.

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

(Beifall bei CDU und FDP)

Unter Umweltminister Gabriel (SPD) wurde 2009 ein CCS-Gesetz ohne Länderklausel vorgelegt. Die Bundes-SPD will auch jetzt noch die CO2-Speicherung. Deswegen war Ihre Rede ganz schön peinlich, Herr Stegner; denn Sie haben nicht gesagt, was Sie nun genau wollen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Sie hätten vielleicht doch nur Frau Sellier reden lassen sollen. Sie hat zwar nicht sachlich, aber zumindest zum Thema gesprochen.

Steinmeier hat seine Absicht vor einigen Tagen in einem Interview bekräftigt. Die meisten Länder ich gebe es zu - wollen ebenfalls die CO2-Speicherung erproben, allen voran die SPD-geführten Länder. Kein Land hat im Bundesrat einen Antrag auf Ausschluss von CCS im gesamten Bundesgebiet gestellt. Herr Matthiessen, selbst das grüne BadenWürttemberg unterstützt die Pläne zur Erforschung der industriellen Anwendung der CO2-Speicherung.

Tatsache ist - um diese Erkenntnis kommen wir nicht herum; das können wir nicht wegdiskutieren -, dass das politische Umfeld, in dem sich Schleswig-Holstein bewegt, generell CCS-freundlich ist. Gerade deshalb war die sichere Länderklausel ein großer, hart erkämpfter Erfolg.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wie soll es weitergehen? Zweifellos hat sich die Ausgangslage für Schleswig-Holstein verschlechtert. Das Dilemma ist: Die SPD hat im Bundesrat die Länderklausel verhindert, während die Bundesregierung gleichzeitig in der Pflicht steht, eine EURichtlinie zu CCS umzusetzen. Geschieht das nicht, droht seitens der EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren mit Strafzahlungen - übrigens mit Kostenbeteiligung der Länder.

Die Bundesregierung klärt jetzt das weitere Verfahren. Es ist offen, ob sie den Vermittlungsausschuss anruft oder ein neues Gesetz auf den Weg bringt. Ich gebe gern zu: Ich bin in dieser Frage gespalten. Ich weiß nicht, was besser ist. Es ist beides schlecht. Wir sind in einer sehr schwierigen Situation.

Ob in einem mehrheitsfähigen Gesetzesvorschlag die Länderklausel erhalten bleibt, ist aufgrund der Haltung der SPD jedoch äußerst fraglich. SPD-Parteichef Gabriel und der Bundestagsfraktionsvorsitzende Steinmeier haben sich jedenfalls wiederholt gegen die Länderklausel positioniert.

Ungeachtet dessen werden wir erneut den politischen Kampf für ein Vetorecht der Länder aufnehmen. Wir werden dafür erneut in Berlin verhandeln und erneut Mitstreiter unter den anderen Ländern suchen. Eine neue Verhandlungsrunde liegt vor uns. Die Karten für diese Runde sind gemischt und neu gegeben. Klar ist: Schleswig-Holstein hat in der neuen Runde ein schlechteres Blatt in der Hand. Die Menschen im Land sollen wissen, wer für diese neue Runde und wer für dieses schlechte Blatt verantwortlich ist.

(Beifall bei CDU und FDP)

SPD, Grüne und Linke haben dem Land geschadet. Die Landesregierung wird ihr Blatt dennoch bestmöglich ausreizen. Wir werden retten, was zu retten ist.

(Beifall bei CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, nach der Geschäftsordnung können nach einem Redebeitrag der Landesregierung in der Aktuellen Stunde die Fraktionen jeweils mit einem Redner drei Minuten darauf reagieren.

Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden Dr. Ralf Stegner.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon ein tolles Stück, das wir heute erleben. Sie zitieren reihenweise Sozialdemokraten aus anderen Ländern. Ein selbstbewusstes Vertreten Ihrer eigenen Meinung habe ich nicht gehört.

Es ist wahr: Die schleswig-holsteinische Sozialdemokratie setzt sich seit vielen Jahren für Punkte ein, die teilweise Zeit brauchen, bis sie mehrheitsfähig werden. Das galt für den Anti-Atom-Kurs, und das gilt auch für das Nein zu CCS.

Wenn Sie aber nicht selbst erst vor kurzer Zeit umgefallen wären - sowohl in der CCS- als auch in der Atomdebatte -, dann könnten Sie hier vielleicht ein bisschen ruhiger argumentieren.

Was ich aber wirklich dreist finde, ist Ihr Versuch, die Bürgerinitiative, deren Vertreter hier sitzen, in einer Weise für dumm zu erklären, dass es kaum zu fassen ist. Ich zitiere - mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten - den ersten Satz aus der Pressemitteilung der Bürgerinitiative:

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

„Durch den starken Bürgerprotest, der sich von der polnischen bis zur niederländischen Grenze und insbesondere auch in SchleswigHolstein gegen die Pläne für CO2-Endlager formiert hat, konnte das derzeitige CCS-Gesetz heute im Bundesrat zu Fall gebracht werden.“

Das ist nicht gemischt, das ist nicht differenziert, sondern das bedeutet die klare Ablehnung eines schlechten Gesetzes durch die Menschen vor Ort. Das ist der Sachverhalt, über den wir hier reden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Wenn die Zeit nicht angerechnet wird, mache ich das immer gern. Wer möchte die Zwischenfrage stellen? - Ach, der Kollege von rechts. Bitte!

Herr Kubicki, bitte!

Herr Kollege Dr. Stegner, darf ich Ihre Ausführungen so verstehen, dass die SPD-Landtagsfraktion einen Antrag unterstützen würde, der darauf gerichtet ist, dass das Land Schleswig-Holstein im Bundesrat eine Initiative einbringt mit dem Ziel, CCS in der gesamten Bundesrepublik Deutschland auszuschließen?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW - Antje Jansen [DIE LINKE]: Super!)

Sie dürfen zur Kenntnis nehmen, dass die SPD in Schleswig-Holstein für CO2-Vermeidung und nicht für CO2-Verpressung ist - weder in Schleswig-Holstein noch in der Nordsee -, und das rechtssicher. Das ist unsere Position.

(Lachen bei der FDP)

Ich finde es ein bisschen merkwürdig: Einerseits argumentieren Sie -

(Unruhe - Glocke des Präsidenten - Zuruf von der CDU)

- Manche Fragen kann man nicht mit Ja oder Nein beantworten, sondern man muss einen Satz mehr dazu sagen.

Worauf es uns schleswig-holsteinischen Sozialdemokraten ankommt, ist, dass eine CO2-Verpressung in Schleswig-Holstein und in der Nordsee nicht stattfindet und dass das rechtssicher hergestellt wird. Dafür setzen wir uns ein.

(Beifall bei der SPD sowie vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für alles andere kämpfen wir in unseren Parteigremien, was die Position der Bundespartei angeht, aber darum geht es hier nicht.

Was ich interessant finde, ist, dass Sie hier argumentieren, das ginge leider nicht im Bundesrat. Meines Wissens hat die SPD keine konstruktive Mehrheit im Bundesrat, das werden wir erst nach der Schleswig-Holstein-Wahl haben, noch ist das nicht so. Sie haben die Mehrheit im Bundestag, und wir haben keine konstruktive SPD-Mehrheit im Bundesrat. Daher verstehe ich nicht, wie Sie hier argumentieren können.

Was Sie in Wirklichkeit tun, ist etwas ganz anderes: Sie bereiten die Menschen darauf vor, dass, wenn Sie wieder verhandeln, das Ergebnis noch schlechter ist als das jetzige. Das ist doch das, was Sie uns sagen! Ich kenne schon Ihre Reden, Sie werden sagen, auch daran sei wieder die SPD schuld. Das ist doch nicht zu glauben! Sie regieren hier, Sie haben die Mehrheit, und die einzige Erklärung, die wir hören, mit Zitaten von Pontius bis Pilatus, lautet: Die SPD ist an allem schuld. Sie bringen nichts zuwege, Sie können kein ordentliches Handwerk, Sie kriegen Rechtsgutachten um die Ohren gehauen und Sie haben keine vernünftigen Antworten darauf. Die Menschen glauben es Ihnen auch nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist der Sachverhalt.