Es geht hier also um eine Gesellschaft, in der Inklusion selbstverständlich ist. Inklusion muss eine breite öffentliche Akzeptanz haben, und die Menschen müssen davon überzeugt sein, dass die Teilhabe aller Menschen zu unserem demokratischen Rechtsstaat gehört. Die Landesregierung ist davon auch überzeugt, so schreibt sie:
„Es hat sich auch gezeigt, dass eine inklusive Beschulung nicht nur einen Vorteil darstellt für die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, sondern dass die anderen Kinder und Jugendlichen davon genauso profitieren.“
„Auch hier zeigt sich, dass eine Schule durch die Vielfalt der Schülerinnen und Schüler bereichert wird und dass sich die Schulkultur aufgrund des inklusiven Konzepts positiv verändert.“
Wir begrüßen, dass die Landesregierung die Vielfalt von Schülerinnen und Schülern an einer Schule als Bereicherung ansieht. Allerdings überrascht es doch auch, dass diese Ansicht nicht die Schulpolitik des Landes als Ganzes prägt und noch viel zu häufig die Meinung vertreten wird, dass Schulen selektieren sollen und eben nicht für alle da sind. Ich erinnere an die Diskussion um die Kürzung bei den Differenzierungsstunden an der Gemeinschaftsschule.
Die Landesregierung stellt in ihrem Bericht fest, dass inklusive Beschulung aus ihrer Sicht kostenneutral umzusetzen ist. Mit anderen Worten: Es werden keine neuen Lehrkräfte für die inklusiv zu beschulenden Kinder eingesetzt. Neben einem Runden Tisch für Menschen mit Behinderung und Verbänden sowie dem Projekt „Index für Inklusion“ stellt sich hier aber die Frage, ob eine Realisierung von Inklusion, die nicht mehr kosten darf, überhaupt zukunftsfähig ist. Wir begrüßen, dass die Landesregierung hier nicht sparen will, dass die sogenannte demografische Rendite also in dem Bereich bleibt. Aber das reicht nicht. Das reicht vielleicht zum Erhalt des Status quo, es reicht aber nicht, wenn Inklusion wirklich völlig umgesetzt werden soll.
Um noch einmal zu dem Punkt zurückzukommen, der vorhin von der Kollegin Erdmann angesprochen wurde, nämlich ob jetzt Förderbedarf in der Schuleingangsstufe festgestellt wird: Meines Wissens gilt das nicht mehr. Das hat natürlich Konsequenzen, weil dort dann auch Kinder durch das Raster fallen, die eigentlich auch inklusiv beschult werden müssten.
on insgesamt realisieren? Es geht nämlich nicht darum, Schülerinnen und Schüler den Schulen anzupassen, sondern umgekehrt wird ein Schuh daraus. Ich denke, das muss im Mittelpunkt der kommenden Diskussion stehen. Es geht um die individuelle Betreuung, und es geht auch um die Umsetzung von baulichen Maßnahmen und die Schaffung von Rahmenbedingungen, die insgesamt dazugehören. Ansonsten haben wir es mit einem schönen Bericht zu tun, den wir uns Sonntags durchlesen können, der aber für den Alltag überhaupt nicht passt.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe daher die Beratung. Die Kollegin Erdmann hatte Ausschussüberweisung beantragt. Wer dem Antrag zustimmen will, den Bericht der Landesregierung Drucksache 17/ 1568, dem Bildungsausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist das einstimmig so beschlossen.
Meine Damen und Herren, bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, möchte ich mitteilen, dass die Kollegin Dr. Marret Bohn heute Nachmittag krankheitsbedingt leider nicht an der Plenarsitzung teilnehmen kann. Wir wünschen ihr von dieser Stelle aus gute Besserung.
Bevor wir in der Reihenfolge der Tagesordnung fortfahren, rufe ich jetzt den Tagesordnungspunkt 45 auf:
Hierzu hat die Fraktion DIE LINKE beantragt, diesen Tagesordnungspunkt von der Tagesordnung mit der Maßgabe abzusetzen, dass die Landesregierung zur November-Tagung schriftlich berichten wird. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist auch dies einstimmig so beschlossen.
Ich erteile dem Herrn Berichterstatter des Sozialausschusses, Herrn Abgeordneten Christopher Vogt, das Wort. - Ich hätte Sie beinahe schon wieder mit dem Kollegen zu meiner Rechten verwechselt. Bitte, Herr Vogt.
Frau Präsidentin, vielen Dank. Das ist nicht so schlimm, der Kollege Kumbartzky sieht ja auch hervorragend aus. Insofern ist das in Ordnung.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Landtag hat dem Sozialausschuss den Antrag der Fraktion der SPD mit dem Titel Berufsordnung für Pflegeberufe durch Plenarbeschluss vom 19. November 2010 überwiesen. Dieser hat ihn in drei Sitzungen, zuletzt am 18. August 2011, beraten. Er empfiehlt dem Landtag mit den Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und SSW, den Antrag abzulehnen.
Ich danke Ihnen, Herr Vogt. - Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache und erteile Frau Kollegin Ursula Sassen von der CDU-Fraktion das Wort. - Liebe Frau Sassen, möchten Sie nach vorn kommen?
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! So kann es einem gehen, wenn einen ein wohlmeinender Kollege auf eine alte Pressemitteilung vom Dezember 2000 anspricht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, angesichts der immer älter werdenden Bevölkerung steigt die Zahl der Pflegebedürftigen. Nach Berechnungen des Statistischen Landesamtes Nord wird die Zahl der derzeit circa 80.000 Pflegebedürftigen in Schleswig-Holstein schon im Jahr 2015 auf über 90.000 steigen. 2020 werden über 100.000 Pflege
bedürftige erwartet. Das ist in zehn Jahren eine Steigerung von fast 30 %. Das Arbeitsamt Nord warnt vor einem dramatischen Fachkräftemangel in der Altenpflege, zumal offene Stellen schon jetzt nicht mehr besetzt werden können. Es heißt, bis 2010 brauchte Schleswig-Holstein rund 11.000 zusätzliche Pflegekräfte, davon 4.000 examinierte.
Der Fach- und Pflegekräftemangel geht nicht nur zulasten der zu Pflegenden, sondern stellt auch eine unzumutbare Situation für die Pflegekräfte selbst dar. Um den Bedarf an Fach- und Pflegekräften annähernd decken zu können, sind grundlegende Reformen in der Altenpflegeausbildung und in der Pflegeversicherung auf Bundesebene erforderlich.
Der Bundesgesundheitsminister hatte noch für September konkrete Eckpunkte angekündigt. Dieses Thema auf die kommende Wahlperiode verschieben zu wollen, wäre unverantwortlich.
Frau Kollegin, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche. Ich möchte alle Mitglieder des Plenums um etwas mehr Aufmerksamkeit, Ruhe, Achtsamkeit und Respekt für die Rednerin bitten. Es ist sehr unruhig hier. Wenn Sie nicht zuhören können oder wichtige Gespräche führen müssen, dann bitte ich Sie, dies draußen zu tun. - Danke.
Danke, Frau Präsidentin. - Bezüglich einer Neuordnung der Finanzierung der Pflegeausbildung hat Minister Dr. Garg die Unterstützung des Landes Schleswig-Holstein zugesagt, um die Altenpflege auf dauerhaft tragfähige Füße zu stellen. Wir begrüßen dies und erwarten, dass die erforderlichen bundespolitischen Maßnahmen zur Verbesserung der Pflegesituation nicht auf die lange Bank geschoben werden. Die Neuordnung der Ausbildung zur Altenpflegehelferin beziehungsweise zum Altenpflegehelfer untersteht der Länderkompetenz. Ich weiß, dass das Beteiligungsverfahren eingeleitet ist, sodass wir uns zum gegebenen Zeitpunkt - also bald damit beschäftigen werden.
Ich komme noch einmal zum Antrag der SPD-Fraktion, Berufsordnung für Pflegeberufe. Die Kollegin Birte Pauls hat in der Plenardebatte am 19. November 2010 zu diesem Thema den Satz gesagt:
„Ich begrüße jegliche Aktivitäten, um auf die Situation in der Pflege aufmerksam zu machen und um für die Pflege zu werben.“
Diesen Satz unterstreiche ich voll. Ob jedoch die Einführung einer Berufsordnung für Pflegeberufe ein wirksames Mittel ist, um den geschilderten Problemen zu begegnen, bezweifele ich. Ich habe mir die Stellungnahmen der Angehörten noch einmal angesehen. Positive Reaktionen lagen vor allem von großen Pflegeverbänden vor, die verständlicherweise zur Erleichterung des täglichen Arbeitsablaufes eine verbindliche Richtschnur begrüßen. So lässt sich eine zeitaufwendige Kommunikation reduzieren. Einige auf den ersten Blick zustimmende Stellungnahmen sind nicht wirklich überzeugend. Dass etwas geschehen muss, ist allen klar. Wenn der Weg zur Verbesserung der Pflegesituation über eine Berufsordnung führte, dann würde man sich dieser nicht verschließen.
In der Anhörung wurden aber auch Zweifel dahin gehend deutlich, ob eine Berufsordnung konkret zur Professionalisierung, zur Imageverbesserung oder zur Qualitätssicherung beitragen kann. Ich kann nicht erkennen, dass es zwingend einer Berufsordnung bedarf, um zum Beispiel das Vertrauen zwischen Pflegenden und Pflegebedürftigen zu fördern und zu erhalten, und dass diese die Fortbildungspflicht sichert, berufswürdiges Verhalten fördert und berufsunwürdiges Verhalten verhindert.
Es gibt Stellungnahmen, die aus meiner Sicht zu Recht darauf hinweisen, dass zunächst einmal abgewartet werden soll, wie sich die Umsetzung des Selbstbestimmungsstärkungsgesetzes auswirkt, bevor weitere Regularien geschaffen werden, die das Kernproblem nicht lösen. Lassen Sie uns zunächst wichtigere Baustellen beseitigen. Dazu gehören eingangs genannte Reformen, die Attraktivitätssteigerung der Pflegeberufe, insbesondere der Altenpflege, die Verbesserung der Zugangsmöglichkeiten zur Pflegeausbildung und die Sensibilisierung der Gesellschaft dafür, diese Phase des Lebens nicht zu verdrängen, sondern Respekt und Anerkennung all denen entgegenzubringen, die in der Pflege tätig sind. Wer einen solchen Beruf ergreift, der bringt etwas mit, was mit Geld nicht auszugleichen ist,
nämlich die Bereitschaft, mit Verständnis und besonderer menschlicher Zuwendung den Bedürfnissen des zu Pflegenden gerecht zu werden. Das ver