Protocol of the Session on September 16, 2011

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegin Sassen, am 27. Februar 2009 diskutierte der Landtag über das Partikeltherapiezentrum, und Ihre blumige Rede hatte die Überschrift: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Glücksspiel!)

Inzwischen wissen wir: Schleswig-Holstein hat verloren, Kiel hat verloren, das UK S-H hat verloren, und vor allem die Patientinnen und Patienten haben verloren. - Das ist nicht lustig, Herr Kollege Kubicki.

Die Patienten bleiben frustriert zurück, ihnen wird gesagt: Eure Gesundheit ist uns zu teuer. Sie werden im Regen stehen gelassen, obwohl die Technik funktioniert, aber es rechne sich eben nicht mehr. Das ist die direkte Folge einer falschen Gesundheitspolitik, einer Gesundheitspolitik, die Gesundheit zur Ware macht, einer Gesundheitspolitik, die nicht den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Ulla Schmidt lässt grüßen, sie hat das Feld bereitet für Rösler und für Daniel Bahr.

Herr Abgeordneter Schippels, lassen Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Sassen zu?

Ja, gern.

Herr Kollege, Sie zitieren aus meiner Rede. Sind Sie sicher, sie ganz gelesen zu haben? Dann dürfte Ihnen

(Antje Jansen)

nicht entgangen sein, dass es hier um Schleswig-Holstein ging. Schleswig-Holstein war bereit, für krebserkrankte Menschen ein Risiko einzugehen. Es geht um Siemens, die diesen Schritt nicht zu Ende gegangen sind. Stimmen Sie mir überein, dass SchleswigHolstein einen hervorragenden Vertrag abgeschlossen hat? Es hätte auch alles anders ausgehen können.

- Ich danke für diese Frage. Dann habe ich ein bisschen mehr Zeit, das auszuführen. Zum einen ist es so, dass offensichtlich schon im Februar 2009 Zweifel an der Möglichkeit der Durchführung der Technik vorhanden waren. Siemens hat offensichtlich schon damals gesagt: Wir haben Probleme. An der Stelle hätte man schon versuchen können, konkret nachzuhaken. Was aber haben Sie gemacht? Sie haben in Ihrer Rede gesagt, es müsse Schluss sein mit schlechten Nachrichten. Sie haben eine Stillhaltetaktik gefordert, die nicht dazu geführt hat, dass sich das Partikeltherapiezentrum positiv entwickelt hat, sondern es ist zum Desaster gekommen.

Bitte lassen Sie die Uhr noch nicht weiterlaufen; ich bin noch dabei, die Frage zu beantworten, Frau Präsidentin.

Was Sie zu den Verträgen gesagt haben, finde ich interessant; wir haben schon an verschiedenen Stellen darüber geredet. Es hat zwar 18 Aktenordner gegeben, aber in denen stand an keiner Stelle, was konkret passiert, wenn Siemens diese Technik nicht zur Verfügung stellt. Das hätte im schlimmsten Fall, wenn Siemens sich auf die Hinterbeine gestellt hätte - Stichwort Toll Collect - und es zu einer juristischen Auseinandersetzung gekommen wäre, dazu geführt, dass die Urverträge hätten geöffnet werden müssen. Die entsprechenden Konsequenzen kennen zumindest diejenigen, die dem Beteiligungsausschuss angehören. Wir können von Glück sagen, dass Siemens an dieser Stelle den Rückzug angetreten hat und wir so gut und sauber aus der Sache herausgekommen sind. Ich wiederhole: Das hätte ganz anders ausgehen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Sehr geehrte Damen und Herren, die Patienten bleiben frustriert zurück. Ihnen wird gesagt: „Eure Gesundheit ist uns zu teuer!“ Sie werden im Regen stehen gelassen, obwohl die Technik funktioniert. Ulla Schmidt und Daniel Bahr lassen grüßen.

Siemens ist vollständig aus dem Projekt ausgestiegen, weil sich das Geschäftsmodell nicht mehr rechnet. Die Höhe der bisher eingetretenen Schäden

für das Land soll bei null liegen; ich will hoffen, dass das stimmt. Zumindest haben wir - Frau Heinold hat darauf hingewiesen - im Pastor-HusfeldtPark einen Bau, der nicht nur nicht schön ist, sondern der auch nicht seiner Bestimmung entsprechend genutzt werden kann. Über die Folgen würde ich gern noch einmal konkreter diskutieren. Vor allem hat die Stadt Kiel verloren; auch das wurde schon gesagt. Wir als Land haben Glück, dass Siemens es nicht auf die juristische Auseinandersetzung hat ankommen lassen.

Noch eine Anmerkung zum PTZ: Herr Weber hat auf das Projekt in Shanghai hingewiesen. Nunmehr gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder löst Siemens die technischen Probleme bei der Software, oder Siemens löst sie nicht. Wenn das Projekt in Shanghai aber läuft, dann stünde der Vermutung nichts entgegen, dass es auch in Kiel funktioniert. Ich hoffe, dass Sie in Ihren Gesprächen mit Siemens darüber diskutiert haben. Wenn es in Shanghai läuft, wird das PTZ hier in Schleswig-Holstein vielleicht doch noch realisiert.

Ich möchte noch etwas zu den Investitionsmaßnahmen beim UK S-H sagen, die über eine ÖPP realisiert werden sollen. Mit ÖPP-Projekten fallen wir regelmäßig auf die Nase. Ich nenne nur die Stichworte „Betonstraße an der Grenze zu Dänemark“, „Keitum-Therme“ und „NRoCK“. Jetzt geht es mit dem UK S-H weiter. Ich betone: Wir teilen die Kritik des Landesrechnungshofs. Sie haben es in den Ausschüssen gehört. Niemand kann sagen, warum eine konventionelle Finanzierung angesichts der aktuellen Zinssituation - wir zahlen zurzeit Zinsen, deren Höhe unter der Inflationsrate liegt schlechter sein soll. Die Privaten werden die Profite erwirtschaften wollen; sie können das Geld nicht so günstig am Kreditmarkt aufnehmen wie das Land. Im Ergebnis bleibt an uns eine Jahresmiete von circa 30 Milliarden bis 35 Millionen € hängen, die das UK S-H wahrscheinlich nicht wegtragen kann.

Frau Heinold, Ihre Argumentation fand ich besonders brillant.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Zum einen teilen Sie die Argumentation des Landesrechnungshofs, dass ÖPP-Projekte nur dann durchgeführt werden dürften, wenn sie auch das Land per se finanzieren könne. Zum anderen kritisieren Sie das ÖPP-Projekt und weisen auf die vielen Probleme hin, die es mit solchen Projekten gibt. Am Schluss aber sagen Sie: Das Land hat gar kein

(Ulrich Schippels)

Geld, also können wir es nicht anders machen. Das ist ein großer Widerspruch. Das finde ich wirklich haarsträubend.

Herr Abgeordneter Schippels, lassen Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Heinold zu?

Ja, gern, Frau Präsidentin.

Herr Schippels, können Sie mir bitte die Haushaltsstellen benennen, aus denen Sie die Baumaßnahmen für das UK S-H finanzieren wollen?

Die Haushaltsstellen benennen - Frau Heinold!

(Lachen bei CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe versucht, es zu erläutern: Wir können gegenwärtig auf dem Kapitalmarkt Geld zu Zinsen aufnehmen, die niedriger sind als die Inflationsrate. Selbstverständlich können wir diese Maßnahmen einfach finanzieren.

Wenn wir schon dabei sind: Heute ist die Meldung über den Ticker gegangen, dass in die Hamburger Universität 320 Millionen € investiert werden. Das wird über die Staatskasse abgewickelt! Das ist in Hamburg kein Problem, und es wäre auch kein Problem bei uns in Schleswig-Holstein. Über die Haushaltsstellen können wir wirklich an anderer Stelle reden, Frau Heinold. Es geht um die Beträge.

(Beifall des Abgeordneten Björn Thoroe [DIE LINKE] - Unruhe - Glocke der Präsi- dentin)

Selbstverständlich ist auch eine normale Finanzierung nicht frei von Risiken. Wir erleben das täglich, zum Beispiel bei der Elbphilharmonie.

(Anhaltende Unruhe)

Herr Abgeordneter, einen Moment. - Ich bitte um ein bisschen mehr Aufmerksamkeit.

Ich danke, Frau Präsidentin. - Selbstverständlich ist auch eine normale Finanzierung nicht frei von Risi

ken, Frau Heinold. Wir erleben das täglich an der Entwicklung der Elbphilharmonie in Hamburg. Schlechte Verträge kann man bei ÖPP-Projekten genauso abschließen wie bei klassischen Finanzierungen. Es ist eben die Aufgabe, gute Verträge abzuschließen.

Wieso Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, immer noch dem Dogma der CDU und der FDP hinterherlaufen, die Privaten könnten alles besser und billiger, das geht auf keine Kuhhaut mehr.

(Lachen bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Der Vorsitzende des Finanzausschusses des britischen Unterhauses, Andrew Tyrie, hat im August der Öffentlichkeit einen Bericht über ÖPP in Großbritannien vorgestellt. Wie Sie wissen, ist Großbritannien das Land, das die „glorreiche“ Erfindung ÖPP auf den Weg gebracht hat. Dort wurden in den vergangenen zwanzig Jahren 700 ÖPPProjekte mit einem Gesamtvolumen von 60 Milliarden GBP realisiert. Frau Heinold, die Kapitalkosten dieser Projekte liegen - ich betone: das sagt der Vorsitzende des Finanzausschusses des britischen Unterhauses - um 70 % höher als bei rein staatlichen Finanzierungen.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Effizienzvorteile gibt es überhaupt nicht - so der Finanzausschuss von Großbritannien. Die Betriebskosten dieser Projekte liegen bei privaten Betreibern sogar deutlich höher als bei staatlichen, Frau Heinold. Besonders problematisch ist die lange Vertragsdauer dieser Projekte, die keinerlei Flexibilität zulässt und Anpassungen an veränderte Nutzungsbedingungen horrend teuer macht, Frau Heinold. Der Finanzausschuss von Großbritannien fordert deshalb, ÖPP-Projekte nicht weiter zu fördern und auf das absolute Minimum herunterzufahren. Null ÖPP! Diese Einsicht wünschen wir uns auch hier in Schleswig-Holstein.

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen jetzt zu den Dreiminutenbeiträgen. Ich erteile zunächst der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk von der Fraktion des SSW das Wort.

(Ulrich Schippels)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil ich noch drei Sätze zu dem Thema Partikeltherapiezentrum sagen möchte. Wenn es zutrifft, dass wir - als Ideal rationale Entscheidungsprozesse brauchen, dann haben wir mit dem Entscheidungsprozess zu dem Partikeltherapiezentrum genau das Entgegengesetzte erlebt.

Erstens. Wer sich an den Ablauf erinnern kann, weiß genau, dass das ein Leuchtturmprojekt des damaligen Wirtschaftsministers Austermann war. Er wollte dieses Projekt haben. Wir hatten damals -

(Unruhe bei der CDU)

- Hören Sie zu! Man kann daraus etwas lernen.

Es ging um ein Leuchtturmprojekt für Kiel und das gesamte Land.

Zweitens. Die Entscheidungen mussten schnell getroffen werden.

(Tobias Koch [CDU]: Ja, haben wir ge- macht!)