Protocol of the Session on September 15, 2011

Wir bleiben dabei: Die NPD gehört verboten.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wissen aber auch, dass das nicht ausreicht. Gute Bildung ist die beste Medizin gegen Rechts.

(Zuruf der Abgeordneten Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Bei allem Glück darüber, dass die NPD hier noch nicht stärker ist, als sie es jetzt ist, möchte ich noch einmal daran erinnern, wie das 1992 war, als wie aus Phönix aus der Asche eine Formation, die sich DVU nannte, hier über 6 % der Stimmen bei der damaligen Landtagswahl erreichte.

(Luise Amtsberg)

Faschismus ist keine Meinung, Faschismus bleibt ein Verbrechen. Deshalb freuen wir uns auch, dass jedes Jahr in Lübeck im März viele, viele Menschen sich den Rechten in den Weg stellen, friedlich in den Weg stellen, auch blockieren - unter anderem auch die Stadtpräsidentin oder der Bürgermeister.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich würde mir wünschen, dass ich auch mehr Mitglieder des Hauses, vielleicht auch Sie von der Fraktion der FDP,

(Zuruf des Abgeordneten Gerrit Koch [FDP])

bei den Blockaden sehen würde.

Zum Zweiten: Unsere Schützerinnen und Schützer der Verfassung kritisieren in dem jetzigen Verfassungsschutzbericht, dass sich DIE LINKE und auch Vertreter des SSW, der SSW-Landtagsfraktion, mit Abgeordneten aus der Türkei getroffen haben. Für uns ist es selbstverständlich, dass wir uns auch mit Abgeordneten aus anderen Ländern treffen. Der Verfassungsschutz vergaß leider in seinem Bericht zu erwähnen, dass es während der besagten Rundreise mit den türkischen Abgeordneten auch Gespräche zum Beispiel mit Helga Limburg - MdL Niedersachsen bei den Grünen -, Edita Lohberg MdL Niedersachsen bei der CDU - und unter anderem auch Hans-Christoph von Sponeck gegeben hat. Hans-Christoph von Sponeck - Sie wissen das ist der Sohn von Generalleutnant Hans von Sponeck, der im Juli 1944 von den Nazis ermordet wurde. Hans-Christoph von Sponeck war Diplomat bei den Vereinten Nationen, erhielt unter anderem im Jahr 2000 den Coventry Friedenspreis der englischen Kirche, 2003 den Bremer Friedenspreis der Stiftung „Die Schwelle“ und 2010 die Ehrendoktorwürde des Fachbereichs Gesellschaftswissenschaften und Philosophie der Universität Marburg. Ich könnte Weiteres aufzählen. Wir stellen uns gern, wir stellen uns wirklich gern mit diesen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in eine Reihe,

(Beifall des Abgeordneten Björn Thoroe [DIE LINKE])

und selbstverständlich diskutieren wir auch mit demokratisch gewählten Abgeordneten anderer Länder, solange es keine Faschisten sind.

Meine Damen und Herren, in der Türkei gibt es große Probleme beim Umgang mit Minderheiten und mit den Menschenrechten. Deshalb stehen wir in Schleswig-Holstein, die wir gute Erfahrungen gemacht haben, in der Verantwortung, unsere Er

fahrungen auch weiterzugeben. Und dazu dienen solche Gespräche.

Noch ein Letztes: Weiter bedenklich wird es in meinen Augen, wenn der Verfassungsschutzbericht erwähnenswert findet, dass ein Abgeordneter sein grundgesetzlich geschütztes Recht wahrnimmt und eine Versammlung unter freiem Himmel abhält. Das ist schon hart an der Grenze.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erteile der Vorsitzenden der SSW-Fraktion, Frau Abgeordneter Anke Spoorendonk, das Wort.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte des Verfassungsschutzberichts kommt zu einem Zeitpunkt, wo Gedenkfeiern auf der ganzen Welt an die Anschläge vom 11. September 2001 erinnern, im Sommer in Norwegen ein schreckliches Massaker angerichtet wurde, in Berlin zwei mutmaßliche Bombenbauer festgenommen wurden und wir erneut ein NPDVerbotsverfahren diskutieren. Wir stehen also tagtäglich vor der Herausforderung, wie die demokratischen Werte unserer Gesellschaft geschützt und gelebt werden können. Dabei ist es völlig egal, dass sich der vorliegende Verfassungsschutzbericht inhaltlich gesehen auf das Jahr 2010 bezieht.

2001 wurden die Anschläge in den USA von NichtAmerikanern geplant und ausgeführt, von Personen, die mit ihrer Zerstörung der Twin Towers deutlich machten wollten, was sie von den Werten der amerikanischen Gesellschaft, von Demokratie und Freiheit, hielten. Die Antwort der USA auf diese Terroranschläge waren der Krieg gegen den internationalen Terrorismus, Guantanamo und in den USA eine massive Einschränkung der bürgerlichen Freiheitsrechte.

2011 wurden der Bombenanschlag in Oslo und das Massaker auf der Insel Utøya von einem Norweger geplant und ausgeführt, einem Mann, der die norwegische Gesellschaft und ihre Grundwerte kennt und sie trotzdem zerstören will. Bemerkenswert ist die norwegische Reaktion auf diese Anschläge. Die Norweger reagieren nämlich nicht mit Überwachung und Kontrolle, sondern mit Zusammenhalt und Offenheit.

,,Die Antwort auf Gewalt ist größere Offenheit, die Antwort auf Terror mehr Demokratie",

(Ulrich Schippels)

sagte der norwegische Premierminister Jens Stoltenberg.

(Beifall bei SSW, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Soll heißen: Der Schutz unserer demokratischen Gesellschaft ist alternativlos, die Art und Weise, wie dies geschieht, ist es nicht. Das Verhältnis von Sicherheit und Freiheitsrechten muss immer wieder neu austariert werden. Das gilt heute, wo wieder über Vorratsdatenspeicherung diskutiert wird, genauso wie 2001, wo wir in diesem Hause die Antiterrorgesetze der Bundesregierung debattiert haben. Auch der Einsatz verfassungsrechtlicher Maßnahmen ist Teil dieses Abwägungsprozesses.

Losgelöst von diesen Überlegungen zeigen die Ereignisse in Norwegen, dass wir zukünftig nicht mehr nur mit Terror aus dem Ausland zu rechnen haben, sondern dass vor allem auch Inländer eine Bedrohung sein können. Auch im Verfassungsschutzbericht selbst wird deutlich, dass es in Deutschland vor allem Deutsche sind, die als Anhänger von Extremismus auftreten. Dabei spielt erst einmal keine Rolle, ob es Rechts- oder Linksextremismus oder ein religiöser Extremismus ist. Wichtig ist vor allem, wie wir darauf reagieren und vorbeugend tätig werden.

Konkret hebt der Verfassungsschutzbericht hervor, dass die rechtsextreme Szene in Schleswig-Holstein derzeit nicht viel Sprengkraft besitzt und von Ideenlosigkeit und Lähmung geprägt ist. Trotzdem bleiben an den verfassungsfeindlichen Zielen der NPD und der Gewaltbereitschaft dieser Szene keine Zweifel.

Auch die linksextreme Szene ist von zunehmender Gewalt geprägt und versteht es, anlassbezogen viele Menschen zu mobilisieren, die bereit sind, ihre Ziele mit Gewalt zu erreichen. Obwohl in SchleswigHolstein aktuell keine islamistisch motivierte terroristische Struktur vorhanden ist, sind die Bedrohungslage und Terrorbereitschaft islamischer Extremisten ganz klar von Gewalt gegen Demokratie und Freiheit geprägt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nutzen wir also die symbolische Einrahmung des vorliegenden Verfassungsschutzberichts, das Thema Verfassungsschutz vom Kopf auf die Füße zu stellen! Norwegen macht es uns vor. Es geht nicht um rigidere Gesetze, sondern darum, wie wir unsere Demokratie stärken und sie leben können. Es reicht eben nicht, nur die Verfassung zu schützen. Das friedliche Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen verlangt einen anderen Einsatz.

Viel wichtiger ist die Frage, wie wir unsere Gesellschaft organisieren: Demokratie, Respekt und Toleranz gegenüber anderen - das mag banal klingen, aber das sind die Schlüsselworte, wenn es darum geht, die politische Auseinandersetzung mit Rechtsoder Linksextremisten zu führen und auch dem religiösen Extremismus keinen Nährboden zu geben.

(Beifall bei SSW, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich rufe jetzt die Dreiminutenbeiträge auf. - Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat zunächst die Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Kollegin Jansen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Koch, als Lübeckerin kann ich Ihre Aussage hier so nicht stehen lassen. Auf der einen Seite kritisieren Sie den alljährlichen Naziaufmarsch in Lübeck, auf der anderen Seite diskriminieren Sie ein breites bürgerliches Bündnis in Lübeck. Pastoren, Bischöfe, Richter, Lehrerinnen und Lehrer, der Bürgermeister,

(Widerspruch des Abgeordneten Gerrit Koch [FDP])

Stadtpräsidentin, Bürgerschaftsmitglieder, Landtagsabgeordnete und viele engagierte Bürgerinnen und Bürger auch aus dem Lübecker Umland unterstützen diesen Aufruf. „Wir können sie stoppen“ ist ein breites Bündnis.

(Zuruf des Abgeordneten Gerrit Koch [FDP])

Auf der Grundlage zeigt eine ganze Stadt Zivilcourage gegen den alljährlichen Naziaufmarsch, um ihn zu verhindern und dagegen zu protestieren.

(Beifall bei der LINKEN sowie vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist unsere einzige Möglichkeit. Wir könnten ihn verbieten; das versuchen wir ja auch, aber das klappt nicht, weil die Organisation der NPD angeblich immer noch eine demokratische Partei sei. Die Stadt zeigt Zivilcourage, und Sie als Lübecker beteiligen sich nicht daran.

(Gerrit Koch [FDP]: Ich gehe zur Demo!)

- Sie gehen zur Demo. Das ist ein Aufruf, unter dem sich alle sammeln.

(Anke Spoorendonk)

(Gerrit Koch [FDP]: Das stimmt doch gar nicht!)

Jeder Demokrat, der Nazis verhindern will, kann und muss so einen Aufruf unterstützen.

(Beifall bei der LINKEN)

Da gibt es keine Straftaten, die da irgendwie verschriftet sind, dazu gibt es keinen Aufruf. Gut, den Aufruf zu Blockaden.

(Gerrit Koch [FDP]: Ach so!)

- Aber das ist keine Straftat.

(Beifall bei der LINKEN)