- Ich erzähle ja nur den Inhalt, Herr Kubicki. - Es geht um fünf junge Menschen, die in Krümmel verhindern wollten, dass ein Gerät in das Atomkraftwerk gebracht wird. Ich will gar nicht darüber diskutieren, ob das richtig oder falsch ist. Die Polizei fand, es war falsch, und hat sie festgesetzt, in Gewahr genommen - wie immer man das nennt. Die wurden in ein Auto gepackt. Das war kein Gefangenentransporter. Als die Polizei sie wieder aus dem Auto herausholen wollte, stellte die Polizei fest, dass die jungen Leute das Auto von innen verriegelt hatten und in dem Auto Party feierten. Das geht nicht, das sehe auch ich so. Die Polizei hat die jungen Leute zum Öffnen der Tür und zum Beenden der Party bewegt, indem sie Pfefferspray in den Wagen gesprüht hat.
Ich würde jetzt normalerweise - ich kenne die Leute nicht besonders gut, die mir das geschrieben haben - hingehen, mich mit denen, die mir geschrieben haben, intensiv unterhalten. Ich würde auch erstmal den Wahrheitsgehalt dieser Meldung oder dieser EMail prüfen.
Mittlerweile ist meine Motivation, den Wahrheitsgehalt anzuzweifeln, relativ gering. Das liegt vor allen Dingen daran, dass ich letzte Woche die Aussagen des Innenministers in der Sitzung des Innenund Rechtsausschusses gehört habe. Ich werde also diesem Vorgang weiter nachgehen.
Pfefferspray ist eine Waffe, Pfefferspray kann schwere Verletzungen hervorrufen, Pfefferspray kann Menschen töten. Das alles wissen wir schon lange.
Ich will gar nicht die Diskussion über das Verbot von Pfefferspray vorwegnehmen, ich will einzig und allein, dass ganz klar geregelt wird, unter welchen Bedingungen Reizgase von der Polizei, von den Sicherheitskräften eigentlich eingesetzt werden können. Die Aufgabe eines Innenministers, der für sich die Pflicht der Fürsorge gegenüber seinen Polizeibeamtinnen und -beamten in Anspruch nimmt, wäre es, eine klare Richtlinie über die Zulässigkeit des Einsatzes von Reizstoffen zu erarbeiten und diese als Dienstanweisung allen Polizistinnen und Polizisten bekannt zu machen. Das wäre Fürsorge.
Sie aber, Herr Innenminister, sahen es offenbar als ihre vordringliche Aufgabe an, stattdessen eine Richterin anzuschreiben und diese für ein Urteil zu schelten, das sie gegen einen Polizeibeamten nach dem Einsatz von Pfefferspray gefällt hat. Mit welcher Qualifikation Sie das taten, ist mir nicht bekannt. In Ihrem offenen Brief an die Richterin führen Sie jedenfalls keine juristischen Gesichtspunkte an. Das wäre ja auch gar nicht möglich gewesen, weil Ihnen das Urteil zu diesem Zeitpunkt genauso wenig wie irgendjemand anderem bekannt war, da es nämlich noch gar nicht verschriftlicht war.
Sie führen darin einzig die schweren Bedingungen an, unter denen Polizistinnen und Polizisten in unserem Land Dienst leisten. Ich gehe davon aus, dass diese Bedingungen auch der Richterin bekannt gewesen sind, und ich gehe ebenfalls davon aus, dass die Richterin diese im Rahmen der Gesetze betrachtet und abgewogen hat, bevor sie ihr Urteil fällte. Sonst wäre es nämlich eine schlechte Richterin, und ich kann mir gar nicht vorstellen, dass sie dann in unserem Land Richterin wäre.
und noch viel weniger, Herr Innenminister, ist es an Ihnen, das zu entscheiden. Ihr Brief an die Richterin ist nicht nur eine bodenlose Unverschämtheit gegenüber einer unabhängigen Juristin,
es ist auch eine unglaubliche Respektlosigkeit gegenüber einer unabhängigen Rechtsprechung in unserem Land.
Diese Respektlosigkeit kann man Diskutanten am Stammtisch nicht untersagen, aber man bekommt dafür deren Beifall. Das weiß wohl jeder hier im Haus. Der „Stammtisch“, Herr Minister, war es ja offensichtlich auch, der Sie zu diesem Brief veranlasst hat. So weit also haben Sie es gebracht, Herr Schlie! Sie haben die Politik des Landes SchleswigHolstein dem „Stammtisch“ preisgegeben, Sie haben dem „Stammtisch“ den Grundsatz der Gewaltenteilung geopfert.
Rechtsausschuss, den Verfassungsausschuss, gestellt und dickköpfig darauf bestanden, dass das, was Sie getan haben, die einzig richtige Maßnahme gewesen sei.
Nach all dem gibt es nur eine Möglichkeit, mit Anstand aus dieser Sache herauszukommen: Denken Sie mal kurz nach, machen Sie sich klar, was passiert ist, entschuldigen Sie sich bei der Richterin, und entschuldigen Sie sich bei der Justiz unseres Landes!
Sollten Sie dies nicht tun, Herr Minister, glaube ich, dass dieses Land einen besseren Innenminister verdient hat.
Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Dr. Ralf Stegner, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Situation unserer Polizei ist so, dass die Polizeibeamten eine schwierige Aufgaben haben, dass sie für unser Gemeinwesen hart zu arbeiten haben und dass Gewalt gegen Polizeibeamte zunimmt. Deswegen verdient die Polizei die Unterstützung des gesamten Hauses, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wenn man fragt, ob es darum aber in dieser Debatte geht, dann lautet die Antwort eindeutig nein. Worum es geht, ist ein untragbarer Vorgang, der durch den Herrn Innenminister hervorgerufen wurde. Sie kritisieren das Urteil einer Amtsrichterin,
ohne es zu kennen, massiv und ohne Relativierung, Sie veröffentlichen den Namen dieser Richterin, Sie umgehen den Dienstweg und wenden sich direkt an die Richterin, Sie stellen die Urteilsfindung und die Urteilsfähigkeit von Gericht und Richterin infrage. Ich muss sagen, Herr Justizminister Schmalfuß hat dazu deutliche Worte gefunden.
Ist nun aber das Ergebnis dieses Vorgangs, dass Sie sich zurückziehen und sich dafür entschuldigen? Nein. Im Gegenteil, Sie bleiben dabei, dass Ihr Vorgehen gut und richtig gewesen sei.
Der Schleswig-Holsteinische Richterverband, die Neue Richtervereinigung, der Anwalts- und Notarverband fordern gemeinsam eine unmissverständliche Distanzierung von Ihrem Vorgehen, Herr Minister. Auch dies ist ein einmaliger Vorgang, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Der Sachverhalt ist klar: Sie verletzen die Grenzen der Gewaltenteilung, und Sie stellen die Integrität der Justiz infrage. - Der Landtag wird sich schon was dabei gedacht haben, dass er heute die Landesverfassung als Kleinbuchdruck verteilen ließ, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Nun kann man sich ja fragen, warum Sie das tun, Herr Innenminister. Tun Sie das aus Unkenntnis? Da will ich Sie in Schutz nehmen: Nein, das weiß jeder Polizeischüler. Er fällt nämlich durch die Polizeiprüfung, wenn er das nicht beachtet. Das sollte aber auch der oberste Dienstherr der Polizei wissen.
Wenn man dann darüber nachsinnt, welches für Sie der Grund ist, dann muss man nur auf das hören, was Ihr Pressesprecher, der sehr geschätzte Herr Giebeler, öffentlich gesagt hat. Er hat nämlich geantwortet, er habe noch nie so positive Rückmeldungen auf einen Brief von Ihnen bekommen.
Nun habe ich ja durchaus Verständnis für Ihre Lage, denn positive Resonanz bekommt die Regierung ja fasst nie. Was den Stand der Zuversicht bezüglich Wahlerfolgen angeht, so kann man den ja daran erkennen, dass wir hören, dass Ihr eigener Staatssekretär für den nächsten Landtag kandidieren will. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das spricht Bände, was Ihre Zuversicht angeht.
Also dachten Sie offenkundig allein an die Stammtische. Sie wollten ein Zeichen für die Polizistinnen und Polizisten setzen, und Sie sind mit der Wirkung anscheinend zufrieden.
Herr Minister, wenn Sie gegen die Überstunden bei der Polizei kämpfen würden, wenn Sie es überflüssig machen würden, dass sie mit „Pinocchio-Plakaten“ unterwegs sein muss, dann hätten Sie unsere Unterstützung. Das wäre nämlich prima.
Die Polizei ist eine Vertreterin des Rechts, und Sie vertiefen den Graben zur Justiz. Das ist das, was Sie tun. Das ist unseriös, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Sie opfern den Rechtsstaat bewusst möglichen Wählerstimmen. Das ist auch von einem Innenminister fahrlässig.