Protocol of the Session on June 29, 2011

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Herr Kubicki, vielleicht können Sie auch einmal einen Moment zuhören. Wenn man sagt, Benehmen sei Glückssache, dann haben Sie aber eine richtige Pechsträhne seit Jahren im Hause. Insofern können Sie vielleicht auch einmal einen Moment zuhören, wenn man ernsthaft spricht.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Der Punkt ist ein anderer: Die SPD hat nämlich auch in der zurückliegenden Legislaturperiode immer wieder sehr deutlich gemacht, wie wir in der minderheitenpolitischen Frage denken. Es ist die Abgeordnete Spoorendonk gewesen, die darauf hingewiesen hat, dass wir das zum fünften Mal beraten. Insofern ist das Glas wirklich nicht halb voll, sondern es ist halb leer, wenn im Grunde in der fünften Beratung fast alle Fraktionen im Hause der Meinung sind, wir sollten das tun, aber eine Fraktion dem widerspricht.

Herr Kollege von Boetticher, Frau Pauls hat auch deshalb so argumentiert wie sie argumentiert hat, weil wenn Sie, der Sie Fraktionsvorsitzender dieser CDU sind und Ministerpräsident werden wollen, es nicht fertig bringen, Ihre Union dazu zu bekommen, dass sie dem zustimmt, dass das endlich in die Verfassung kommt, ist das Führungsschwäche, Herr Kollege von Boetticher. Das muss man Ihnen glasklar vorhalten. Das ist rückwärtsgewandt und rückständig.

(Beifall bei der SPD)

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki zu?

Mit dem größten Vergnügen.

Herr Oppositionsführer, ich glaube, ich habe Ihre Ausführungen verstanden. Ich kann nachvollziehen, dass man in einer Koalition, weil ich selbst in

(Rolf Fischer)

einer bin, unter Umständen seine eigene Meinung nicht durchsetzen kann. Können Sie mir aber erklären, wenn das für die SPD eine Herzensangelegenheit ist, warum Ihre Abgeordneten mit Nein gestimmt haben und sich nicht enthalten haben, wie wir das jetzt tun?

- Das kann ich Ihnen gern erklären. Zunächst einmal macht das in der Sache gar keinen Unterschied. Zum anderen vereinbaren Koalitionen - zumindest war das bei uns so -, dass man einheitlich abstimmt. Das haben wir in der Frage getan. Wir haben aber in den Wortbeiträgen - es kommt immer auf den Inhalt dessen an, was man sagt - immer deutlich zum Ausdruck gebracht, dass wir das in der Sache anders sehen und wir das ändern werden, wenn wir die Mehrheiten dafür haben. Das ist der Punkt, den ich dem Kollegen von Boetticher vorwerfe. Jetzt ist eine ganz andere Situation da.

Wenn Herr Weiß, der oben auf der Tribüne sitzt, nach dieser Debatte weggeht und wieder sagen muss, es ist zum fünften Mal hier erörtert worden, und die schleswig-holsteinische Union ist nicht in der Lage, einmal über ihren Schatten zu springen und das zu verabschieden, ist das ein Ausweis von Gestrigkeit, Herr Kollege von Boetticher. Das isoliert Sie hier im Hause. Das ist falsch. Es gibt überhaupt keinen Grund dafür. Ich kann das auch überhaupt nicht verstehen. Ich versichere Ihnen eines: Wir werden im nächsten Landtag mit diesem Antrag wiederkommen. Ich bin zuversichtlich, dass wir dann eine Mehrheit finden werden, um die Verfassung zu ändern.

(Beifall bei SPD und der LINKEN)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag erteile ich der Fraktionsvorsitzenden des SSW, Frau Abgeordneter Anke Spoorendonk, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte noch einmal daran erinnern, um was es hier geht. Es geht eben nicht um Fraktionsgeplänkel, um Koalitionsgeplänkel, um die Tatsache, dass wir uns hier im Parlament wieder einmal mit uns selbst beschäftigen, sondern es geht um die Änderung unserer Landesverfassung, um das zu heilen, was 1990 versäumt wurde, nämlich die Aufnahme aller drei nationalen Minderheiten in die Landesverfassung. Dass das 1990 noch nicht geschah, hatte Gründe. Da war die Diskussion noch nicht so weit. Ich bin sicher und weiß auch, dass die

europäische Dimension, das heißt die Verabschiedung der Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten in Europa und auch die Sprachencharta dazu geführt haben, dass begriffen worden ist - auch in der Bundesrepublik als Ganzes -, dass dieses Land vier nationale autochthone Minderheiten hat.

Das ist der Rahmen, und das ist das eigentliche Thema. Ich bitte wirklich darum, dass man auf dem Teppich bleibt. Die Diskussion, die es bisher dazu in den letzten Jahren gegeben hat - ich habe vorhin darauf schon Bezug genommen -, war wenig erfreulich. Erfreulich ist - weil ich positiv denke -, dass die CDU dabei ist, sich zu bewegen. Das passiert zwar im Tempo einer Schnecke, aber immerhin bewegt sie sich. Darum bin ich zuversichtlich, dass dies der zweitletzte Anlauf sein wird, denn beim nächsten Anlauf erwarte ich von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, dass Sie diesen Weg zu Ende gehen. Wenn Sie das dann nicht tun, dann haben Sie Ihre Glaubwürdigkeit in Sachen Minderheitenpolitik völlig verspielt. Ich denke, das wollen Sie nicht.

(Beifall beim SSW sowie vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit bin ich bei dem, worum es auch geht. Es geht hier und heute um eine Staatszielbestimmung - um nicht mehr und nicht weniger. Wir vom SSW, die dänische Minderheit und die friesische Volksgruppe, haben gelernt, dass Staatszielbestimmungen eben nichts anderes sind als die Formulierung von Staatszielen. Man kann nicht erwarten, dass sich daraus bestimmte Gesetze ableiten. Es wäre gut gewesen, wenn man das daraus hätte herleiten können. Aber auch für Staatszielbestimmungen gilt natürlich, dass der Lackmustest dieser Ziele darin besteht, wie sie sich im täglichen Leben und in den Gesetzen widerspiegeln. Da besteht also ein Zusammenhang, und dieser Zusammenhang muss auch bestehen. Das heißt, Staatszielbestimmungen sind Symbole dafür, wie das Thema auf Landesebene wahrgenommen wird. Das hat mit Wertschätzung, das hat mit Gleichberechtigung, das hat mit Ernsthaftigkeit zu tun. Letztlich wird es natürlich in jedem Fall darauf ankommen, wie denn die Umsetzung sich in den Gesetzen widerspiegelt. Daran geht kein Weg vorbei.

Frau Abgeordnete, kommen Sie bitte zum Schluss! Ihre Redezeit ist vorbei.

(Dr. Ralf Stegner)

Das werde ich jetzt auch machen.

Ich wollte nur noch einmal gern den Appell loswerden -

Bitte nur noch in einem Satz!

Ich wollte den Appell loswerden, dass wir uns daran erinnern, um was es geht - nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Werner Kalinka von der CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich empfinde es als schmerzlich und schließe mich der Auffassung der Kollegin an, dass manche aus der Opposition diese Debatte offenbar mehr für persönliche Attacken nutzen als für eine Diskussion zur Sache. Ich habe nicht gesagt alle, sondern manche. Wenn hier gesagt wird - sinngemäß -, ich hätte gesagt, Türken und Polen könnten dann ja auch kommen, muss ich sagen - Frau Kollegin, Sie haben mir leider eine Zwischenfrage verwehrt -: Ich habe dies weder gesagt noch gemeint, noch ist es ausweislich des Protokolls vom 19. März 2010 in irgendeiner Form gesagt worden. Ich bitte Sie, gerade bei einem solch sensiblen Thema in korrekter Art und Weise zu zitieren und nicht den Versuch zu machen, von diesem Podium aus Menschen in eine diffamierende Rolle zu drängen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Zweitens. Wir haben Ihnen vor genau einem Jahr eine Gesamtdebatte über die Verfassung angeboten. Wir haben von Ihnen bis heute nicht einmal eine annähernd vollumfängliche Antwort - außer einem pauschalen Ja - zu Ihrer Diskussionsbereitschaft bekommen. Wenn Sie das so wichtig nähmen, hätte ich von Ihnen erwartet, dass Sie viel intensiver auf dieses Angebot eingestiegen wären und hierzu Vorschläge unterbreitet hätten.

Dritte Bemerkung: Der Kollege Fischer hat zutreffend gesagt, Sinti und Roma hätten auch jetzt schon den Schutz der Verfassung und eine finanzielle Förderung. Nun kann man der oder der Meinung sein. Das muss man respektieren. Sie können das auch einordnen, wie Sie das wollen. Aber man kann doch auch bei einer Meinung bleiben - wenn es keine neuen Sachverhalte gibt -, zu der man nach sorgfältiger Überlegung schon vor Jahren gekommen ist und die man noch einmal überprüft hat. Muss man sich dafür rechtfertigen und schelten lassen, wenn man dann bei seiner Meinung bleibt, wenn man bei nochmaliger Überprüfung sagt: Ich bleibe bei einer Meinung, die ich schon vorher hatte, wenn keine neuen Argumente hinzugekommen sind? Ich finde, dafür dürfen Sie einen Abgeordneten nicht schelten. Es ist das gute Recht eines Abgeordneten, seine Meinung zu behalten.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Genauso gestehe ich jedem anderen das gute Recht zu, auch zu einer anderen Auffassung, zu einer modifizierten Auffassung oder wie auch immer, zu kommen.

(Zuruf des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

- Herr Kollege Fischer, ich möchte in Erinnerung rufen, dass es nach meinem Beitrag am 19. März 2010 hier im Plenum im Protokoll hieß: „Beifall bei CDU und FDP“.

Meine Damen und Herren, mir kam es eigentlich darauf an, hier deutlich zu machen, dass ich es als etwas schmerzlich ansehe, wie diese Debatte zum Teil durch Angriffe aus Ihren Reihen geprägt worden ist. In der Sache kann man so oder so zu einer Auffassung kommen, aber der Respekt vor der Meinung des anderen und vor der Meinung des Abgeordneten sollte für alle gelten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Heinz-Werner Jezewski von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kalinka, vielen Dank dafür, dass Sie das Stichwort „Respekt vor der Meinung des Abgeordneten“ in die Debatte geworfen haben.

Wir sind ja nun alle keine Mathematiker, und trotzdem kann man sich eins überlegen: Auf dieser Seite des Hauses - da bin ich mir ziemlich sicher - gibt es 50 Abgeordnete, die diese Verfassungsänderung wollen. Auf dieser Seite des Hauses gibt es noch einmal zwölf Abgeordnete, die deutlich erklärt haben, dass sie das wollen.

(Zurufe von der FDP)

Und da, auf der anderen Seite des Hauses, gibt es auch eine ganze Menge an Abgeordneten, die diese Verfassungsänderung wollen. Ich glaube, wenn man einmal in Ihren Reihen durchzählen würde ich will da gar nicht mit dabei sein, das können Sie ja intern machen -, dann kommen Sie auch auf eine Mehrheit, die diese Verfassungsänderung will. Aber, Herr von Boetticher, innerhalb Ihrer Fraktion ist diese Mehrheit wahrscheinlich nicht vorhanden. Ich glaube, jetzt müssen wir uns doch einmal fragen, ob es richtig ist, dass eine Minderheit in einer Fraktion, die nicht einmal annähernd ein Drittel, ein Viertel oder ein Fünftel der Abgeordneten dieses Hauses stellt, eine Verfassungsänderung verhindern kann. Ist das denn richtig?

Ich sage es einmal so: Ich glaube, ich habe noch meine parlamentarische Unschuld, ich habe noch nie regieren müssen.

(Lachen bei der FDP)

Ich weiß durchaus, dass das einigen von Ihnen nicht leichtfällt. Ich kann mir aber vorstellen, wie man sich fühlt, wenn man abends ins Bett geht und sagt: Ich hatte ein Herzensanliegen und habe das heute in diesem Landtag niederstimmen müssen. Ich glaube, damit geht es einem nicht gut. Es ist anderen schon lange nicht gut gegangen bei solchen Sachen.

Deshalb sollten Sie noch einmal in sich gehen, überlegen und sich fragen, ob das das richtige Verfahren ist, oder ob es nicht das richtigere Verfahren wäre zu sagen, wir respektieren die Entscheidung eines jeden Abgeordneten, und jeder Abgeordnete kann seine Stimme in der Sache so abgeben, wie er das möchte.

(Zuruf von der FDP)

Und dann - da brauchen wir uns auch nichts vorzumachen - hätten wir nämlich die Verfassungsänderung. Darum bitte ich Sie.

(Beifall bei der LINKEN und der Abgeord- neten Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zuruf des Abgeordneten Wolf- gang Kubicki [FDP])

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag hat Herr Abgeordneter Ulrich Schippels für die Fraktion DIE LINKE.