Protocol of the Session on May 25, 2011

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde Steuer- und haushaltspolitische Konsequenzen aus der jüngsten Steuerschätzung

Antrag der Fraktion der SPD

Ich erteile dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Herrn Oppositionsführer Dr. Ralf Stegner, das Wort.

(Zurufe)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer die letzte Steuerschätzung betrachtet, der freut sich natürlich darüber, dass die Zahlen besser sind als gedacht. 180 Millionen € mehr als noch im November geplant, aber immer noch weniger als vor der Krise eingeplant, für 2012 immerhin 430 Millionen € weniger als ursprünglich gedacht.

Nun ist Schleswig-Holstein Haushaltsnotlageland. Wir haben lange versucht, dies zu vermeiden, um eine größtmögliche Eigenständigkeit zu behalten.

(Lachen bei CDU und FDP)

Ich glaube, dass die parteipolitischen Auseinandersetzungen darüber, wer in der Vergangenheit daran schuld war, das Publikum weitgehend langweilen und nichts Neues beizutragen haben.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das glauben wir nicht!)

- Herr Kollege Kubicki, Sie sind heute so schlecht in Form, Sie sollten an sich arbeiten.

Was zu tun ist, ist etwas ganz anderes: Wir brauchen auf der einen Seite strukturelle Hilfen, einen fairen Altschuldenfonds und nach wie vor eine deutliche Stärkung der Einnahmebasis, und wir brauchen ein nachhaltiges Konzept von Kürzungen und Investitionen, von Prioritäten und Posterioritäten, wo die Vorsorge im Vordergrund steht und nicht das ständige Anhäufen von Reparaturkosten.

Deshalb geht es in der Debatte, die zu führen ist, nicht um die Frage, ob wir für oder gegen Konsolidierung sind. Das ist nicht der Dissens, auch wenn Sie immer wieder so tun, als gäbe es da einen Dissens. Da gibt es keinen Dissens. Jeder vernünftige Mensch weiß, dass wir uns konsolidieren müssen, weil wir unseren Kindern und Enkeln die Spielräume erhalten wollen und müssen und weil die Zinslasten das zerstören.

Es geht um etwas ganz anderes, es geht darum, ob man am richtigen Ende kürzt. Es geht darum, ob man die richtigen Schwerpunkte setzt. Es geht darum, ob man Konzepte hat oder Strukturen zerstört, ob man - wie die Regierung - sozial unausgewogen mit regionaler Schlagseite kürzt, ob man den Rechnungshof braucht, um noch von einem Einzigen an der einen oder anderen Stelle Lob zu kriegen. Ich muss allerdings sagen, auch der Rechnungshof ist nur in wenigen Bereichen mit seinen eigenen Vorschlägen weitsichtig, etwa bei der Verwaltungsreform, wo bei Ihnen glatte Fehlanzeige herrscht, nichts kommt zu diesem Thema, absolut gar nichts.

Kurzsichtigkeit ist der Kernteil der marktliberalen Wirtschaftsanschauung,

(Christopher Vogt [FDP]: Genau!)

dass Sie die Folgekosten für diese schwarz-gelbe Haushaltspolitik überhaupt nicht betrachten,

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

für eine verfehlte Umwelt- und Wirtschaftspolitik, die die alten Strukturen fördert und neue, zukunftsweisende zerstört, nicht nur in der Landwirtschaft, für eine verfehlte Bildungspolitik, die am Ende mit weniger Ansiedlungen, mehr Arbeitslosen und mehr sozialen Problemen einhergeht. Das ist der Kern. Sie attackieren das, was unter anderem Hannelore Kraft, aber auch andere vertreten, und sagen, wir nehmen klaglos hin, dass die Sozialkosten wachsen, weil wir nicht dafür sorgen, dass ordentliche Einkommen und Bildungsinvestitionen in dem Maße stattfinden, dass die Kosten bei der Jugendhilfe endlich zurückgehen, dass die Arbeitslosigkeit zurückgeht, und all diese Fragen.

(Christopher Vogt [FDP]: Hannelore Kraft ist Ihr Vorbild? - Zurufe von CDU und FDP - Glocke des Präsidenten)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind am Anfang der Tagung. Vielleicht sollten wir es ein bisschen mit Ruhe versuchen.

(Präsident Torsten Geerdts)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was Sie machen, ist eine verfehlte Sozialpolitik, zu wenig Investitionen in die richtigen Bereiche und dann noch Ihr Privatisierungswahn, mit dem öffentliches Eigentum verschleudert werden soll und die Beschäftigten alleingelassen werden, beim UK S-H und anderswo. All diese Dinge werden wir nach den Wahlen im nächsten Jahr ändern und ändern müssen, weil Konsolidierung nur dann vernünftig ist, wenn man es richtig macht.

(Beifall bei der SPD)

Es kommt etwas anderes hinzu. Ich lese in der letzten Woche vom „Neustart der FDP“. Und was macht der neue Parteivorsitzende der FDP? - Er kommt als Erstes wieder mit dem Wort „Steuersenkungen“ daher und sagt, jetzt müssten die Steuern doch gesenkt werden, er habe sich mit Herrn Schäuble darüber verständigt. - Wer in dieser Lage der öffentlichen Haushalte immer noch über Steuersenkungen redet, ist von vorvorgestern und hat es verdient, dass er in öffentlichen Umfragen bei 2 bis 3 % gehandelt wird.

(Beifall bei der SPD)

Leider ist das, was Herr Wiegard beizutragen hat, auch nicht besser: Erbschaftsteuer abschaffen, Stufentarif wie bei Herrn Merz, ermäßigte Mehrwertsteuersätze abschaffen mit sozialer Schlagseite das sind Stützungsprogramme für Besserverdienende zulasten derer, die wenig haben.

(Zurufe)

Das ist angesichts der Lage der öffentliche Haushalte falsch und muss zurückgewiesen werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer bei der Unterfinanzierung des Staates solche Vorschläge macht, der handelt verantwortungslos zulasten unserer Zukunftsfähigkeit. Konsolidierung muss sein. Die Schuldenbremse hat übrigens einen großen Vorteil: Sie weist auch darauf hin, dass wir unsere Einnahmen nicht verschlechtern sollen. Sie ist auch eine Bremse, die Einnahmen zu verschlechtern. Lesen Sie einmal, was Sie gemeinsam mit uns beschlossen haben!

Die Antwort kann nur sein: Bildung, Bildung, Bildung und Investieren in die Bereiche, die uns von Sozialkosten entlasten, die unser Land erdrücken, die ungerecht sind, die die Kommunen treffen. Wer als Arbeitnehmer nicht genug verdient, hat eine Armutsrente, und da springt die öffentliche Kasse wieder ein. Diese Zusammenhänge endlich zu be

greifen, ist das, wozu die Landesregierung leider nicht die Kraft hat, die Mehrheit in diesem Hause nicht den Willen hat. Deshalb wird die Mehrheit hier im Hause auch nur noch ein Jahr Bestand haben.

(Beifall bei der SPD - Christopher Vogt [FDP]: Das war die Rede vom Parteitag! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Dass es Ihnen nicht zu denken gibt, dass die eigenen Mit- glieder Sie nicht mehr wollen!)

Für die CDU-Frakton erteile ich Herrn Kollegen Tobias Koch das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Steuerschätzer haben uns in ihrer Mai-Steuerschätzung für die Jahre 2011 und 2012 400 Millionen € mehr Steuereinnahmen vorhergesagt, als sie selbst noch im November geschätzt haben. Das ist eine aktuelle Meldung, die aber keine aktuellen Auswirkungen auf unseren Haushalt hat. Insofern habe ich mich gefragt, was für die SPD Anlass war, hier eine Aktuelle Stunde zu beantragen. Ich muss zugeben: Auch nach dem Debattenbeitrag des Kollegen Stegner bin ich da nicht wirklich schlauer geworden.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das war ja noch nicht mal eine aktuelle Rede. Die Rede haben Sie hier schon einmal gehalten. Das ist doch Ihre Haushaltsrede aus dem letzten Jahr.

(Beifall bei CDU und FDP)

Der Unterschied ist, dass wir die Schuldenbremse verstehen, die wir gemeinsam beschlossen haben, Herr Kollege Stegner. Damit haben wir unsere Haushaltskonsolidierung von den konjunkturellen Schwankungen abgekoppelt. Im Mittelpunkt steht unser strukturelles Defizit, losgelöst von konjunkturellen Steuereinnahmen. Wir machen nicht die Fehler, die frühere Landesregierungen, die frühere Finanzminister gemacht haben, die sich immer reich gerechnet und gefreut haben, wenn in guter Konjunkturphase die Steuereinnahmen stiegen, und dann ganz große Augen gemacht haben, wenn es wirtschaftlich wieder nach unten ging,

die Steuereinnahmen wegbrachen, auf einmal die Löcher wieder da waren und nichts, aber auch gar nichts, getan worden ist, um diese Löcher im Vorfeld zu stopfen. Man muss sich schon fragen, was

der Kollege Scholz in Hamburg, der jetzt seine Wahlversprechen aus diesen sprudelnden Steuereinnahmen bezahlt, 2017 oder 2020 macht, wenn es wirtschaftlich wieder anders aussieht. Dann muss auch er die Schuldenbremse einhalten.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Was macht Hannelore Kraft in Nordrhein-Westfalen? - Sie schafft es selbst jetzt - bei sprudelnden Steuereinnahmen - noch nicht mal, einen verfassungsgemäßen Haushalt vorzulegen. Wie will sie denn 2020 die Schuldenbremse einhalten?

(Beifall bei CDU und FDP)

Für unseren Landeshaushalt gibt es nur eine Konsequenz - das hat der Finanzminister bei der Vorlage der regionalen Steuerschätzung deutlich formuliert -: Mit den unerwarteten Einnahmen werden wir die Neuverschuldung weiter senken. Zu verteilen gibt es aufgrund dieser Steuerschätzung nichts, so Rainer Wiegard.

Ich selbst habe für die CDU-Fraktion erklärt: Wir werden jeden Euro, der zusätzlich hereinkommt, zum Abbau der Neuverschuldung einsetzen. Das sind keine bloßen politischen Willenserklärungen. Das ist eine sehr zutreffende juristische Beschreibung unserer Gesetzeslage, unserer Verfassungslage, dessen, was unsere Schuldenbremse vorschreibt. Solange wir noch Kreditaufnahmen für konjunkturell bedingte Mindereinnahmen im Haushalt haben, gibt es keine anderen Möglichkeiten, was wir mit diesen Steuermehreinnahmen, die rein der Konjunktur geschuldet sind, machen können.

Herr Kollege Stegner, wenn heute etwas aktuell gewesen wäre, dann wäre es Ihr Konzept zur Haushaltskonsolidierung gewesen, auf das wir nach wie vor warten. Was wir von Ihnen zu hören bekommen, ist die rote Wundertüte der Versprechungen. Ihr Spitzenkandidat Torsten Albig verspricht den Kommunen, den Eingriff in den kommunalen Finanzhaushalt in Höhe von 120 Millionen € rückgängig zu machen.

(Beifall des Abgeordneten Ulrich Schippels [DIE LINKE])

Das ist ein tolles Versprechen. Da freuen sich die Kommunen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Macht er nicht mehr! - Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Hat er wieder zurückgenommen!)

- Macht er nicht mehr? Hat er zurückgenommen? Mag sein.