Was Sie als Vorwurf meinen, kommt bei uns als Lob an. Ja, wir sind in diesem Punkt standhaft geblieben.
Nach dem Gesetzentwurf von SSW und Grünen würden die kleinen Oppositionsfraktionen gemeinsam auf 16 Abgeordnete kommen. Nach Ihrem Gesetzentwurf wären es 20. Natürlich würden auch die kleinen Fraktionen lieber mit 20 als mit 16 Abgeordneten Politik für Schleswig-Holstein machen, aber wir sind der Meinung, dass ein solcher Aufschlag nicht drin ist. Die Wahrheit ist: Wir sind standhaft, weil wir diese Zurücknahme von Politik
Ein Wahltermin steht heute nicht ausdrücklich zur Abstimmung. Herr Stegner, Sie haben es eingeleitet: Es war richtig, vor der Verabschiedung des Gesetzes Klarheit über den Wahltermin zu haben. De facto haben wir bei unserem Erfolg in SchleswigHolstein mit einem Wahltermin im Mai 2012 fast eine Halbierung der Legislaturperiode erreicht. Stimmen aus den Reihen der Regierungsfraktionen haben sich nicht durchgesetzt, die vom Verfassungsgericht vorgegebene Höchstfrist bis zum allerletzten Ende auszuschöpfen. Das ist immerhin etwas. Einem auf verfassungswidriger Grundlage gewählten Landtag hätte es tatsächlich nicht gut zu Gesicht gestanden, bis zum Ende in das Lied einzustimmen: Wir sind voll legitimiert, ohne Mehrheit wird weiter regiert.
Den Wahltermin im Jahr 2012 halten wir allerdings weiterhin für zu spät. Das Interesse der Abgeordneten an einer möglichst langen Legislaturperiode kann dem nicht ernstlich entgegenstehen. Auch hier muss sich Politik zurücknehmen. Die Menschen in Schleswig-Holstein hätten Neuwahlen 2011 verdient gehabt.
Der dritte Grundsatz: Wir begreifen das Wahlrecht als ein dynamisches Rechtsgebiet, mit dem wir auf gesellschaftliche Entwicklungen regieren müssen. Das Ausländerwahlrecht kann hier nur kurz erwähnt werden. Ich weiß, dass wir hier ohne Änderung des Grundgesetzes wenig Spielraum haben, etwas zu ändern, aber es gibt durchaus einen Bereich, in dem wir etwas hätten tun können. Wir haben in einem gemeinsamen Antrag mit der SPD die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre gefordert. Die SPD hat jetzt leider ihre Unterstützung für den Antrag nicht nur zurückgezogen, sondern im Ausschuss sogar gegen die Herabsetzung gestimmt.
Ich weiß nicht, ob viele von CDU und FDP bei den aktuellen Anti-Atommahnwachen dabei sind. Ich finde es stark, wie viele Jugendliche dort ihre politischen Grundrechte wahrnehmen, und zwar auch unter 18-Jährige.
In der vergangenen Woche habe ich mit der Kollegin Anke Erdmann eine Schule besucht, in der sich bereits Sechstklässler mit den Geschehnissen in Japan auseinandergesetzt haben.
Vielleicht aber haben Sie genau davor Angst, dass wir wieder mehr Jugend in der Demokratie wagen. Ich halte es für einen Fehler, dieses Engagement der Jugend nicht stärker für die Politik zu nutzen. Ich verspreche Ihnen: Wir werden das Wahlalter 16 beschließen, und zwar zusammen mit der SPD, in der kommenden Legislaturperiode.
Herr Landtagspräsident Geerdts, ich möchte Ihnen an dieser Stelle ausdrücklich danken. Sie haben durch Ihren Einsatz mit dafür gesorgt, dass wir heute tatsächlich substanzielle Verbesserungen im Wahlrecht bekommen. Einigen geht selbst das zu weit. Ein Kieler Politikwissenschaftler fordert nun im Prinzip das Ende der Gewaltenteilung, wie wir sie bisher kannten. Herr Stegner hatte auch darauf hingewiesen. Ich zitiere Herrn Krause wörtlich:
„Es ist Aufgabe des Landtags, Machtmissbrauch nicht nur der Landesregierung, sondern auch des Verfassungsgerichts zu verhindern.“
Nicht nur, dass Herr Krause an dieser Stelle die Gewaltenteilung gründlich missverstanden hat, er verlässt auch den Rahmen einer angemessenen Debatte, indem er dem Verfassungsgericht an dieser Stelle Machtmissbrauch vorwirft.
Es reden noch einige Redner nach mir. Ich wünsche mir, dass wir uns als Landtag deutlich von solchen Worten distanzieren, wie Herr Stegner das getan hat.
Als Fazit bleibt: Mit unserer Klage ist es uns gelungen, erhebliche Änderungen im Wahlrecht zu erringen, die es sonst nicht gegeben hätte. Die Anzahl der Abgeordneten kann ein Gericht nicht erzwingen, hier sind Vernunft und Selbstbeschränkung des Parlaments gefragt. Meine Fraktion ist der Auffassung, dass Schleswig-Holstein in der Regel mit 69
Abgeordneten auskommen sollte. Dazu hätten die Wahlkreise deutlicher reduziert werden müssen. Da CDU, SPD und FDP hierzu nicht die Hand reichen, lehnen wir das Wahlgesetz und die Verfassungsänderung ab.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Für mich gibt es drei Seiten, die das Thema Wahlrecht eingrenzen: In Artikel 20 Abs. 2 des Grundgesetzes heißt es:
Dieser Landtag legitimiert das Ende seiner Wahlperiode durch ein Urteil des Landesverfassungsgerichts. Wie wir aber gleich sehen werden, geht auch die Macht des Landesverfassungsgerichts vom Volk aus. Der große Kurt Tucholsky wusste schon: Wenn Wahlen etwas verändern würden, dann wären sie längst verboten. Zu guter Letzt wissen wir, dass Tausende Hamburgerinnen und Hamburger nicht zu den letzten Bürgerschaftswahlen gegangen sind, weil ihnen die Wahlzettel zu kompliziert waren. Sie fürchteten, damit nicht klarzukommen.
Wir sollten niemals vergessen, dass ein Wahlrecht niemals Selbstzwecks ist und auch nie sein darf, sondern stets der Umsetzung von Verfassungsgeboten dient. Noch vor acht Monaten glaubten viele in diesem Land, dass Schleswig-Holstein vor einer Staatskrise stehe. Das Landesverfassungsgericht hatte dem Landtag bestätigt, dass er nach einem nicht verfassungsgemäßen Wahlrecht gewählt worden war. Natürlich war und ist auch die Landesregierung von einem Landtag gewählt worden, der nach einem nicht verfassungsgemäßen Wahlrecht gewählt worden ist.
- Wenn Sie weiter zuhören, merken Sie, dass wir gar nicht so weit voneinander weg sind. Auch das Landesverfassungsgericht ist von einem Landtag gewählt worden, der nicht nach einem verfassungsgemäßen Wahlrecht gewählt worden ist. Das kann man so feststellen. Die Auswirkungen dieser Nicht
verfassungsgemäßheit sind damals nicht durchgeschlagen, sondern erst in dieser Legislaturperiode. So war auch der letzte Landtag nach einem Wahlrecht gewählt, das nicht verfassungsgemäß war. Das muss man einfach so sehen, wenn man das Urteil richtig liest.
Durfte das Landesverfassungsgericht uns anweisen, bis zum 30. September 2012 einen neuen Landtag wählen zu lassen? - Ich bin froh, dass wir diese Frage überhaupt nicht diskutieren müssen. Sie stellt sich nicht, denn wenn es überhaupt notwendig ist, das zu entscheiden, dann wird das Bundesverfassungsgericht dies tun. Unstrittig ist wohl, dass das Landesverfassungsgericht uns anweisen durfte, bis zum 31. Mai dieses Jahres ein neues Wahlgesetz zu verabschieden, und diese Frist wird dieses Haus jetzt unterbieten. Ob die Qualität des Gesetzes mit dem Tempo der Verabschiedung mithalten kann, bezweifele ich.
Die grundsätzliche Kritik der LINKEN habe ich oft genug geäußert: Es ist ein sehr bedenkliches Verfahren, die Verfassung zu ändern, um so einfaches Recht verfassungsgemäß zu machen.
Wir hatten in der letzten Woche ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Unterbringung von Strafgefangenen in Mehrpersonenzellen. Niemand würde nach diesem Urteil auf die Idee kommen, den Satz, „die Würde des Menschen ist unantastbar“, aus dem Grundgesetz zu streichen, um weiterhin zwei Gefangene in einer Zelle unterbringen zu können.
Sie werden aber gleich die Zahl der Abgeordneten des Schleswig-Holsteinischen Landtags aus der Landesverfassung streichen, weil Sie ganz genau wissen, dass Ihr Wahlgesetz sonst wiederum verfassungswidrig wäre. Es möge mir bitte niemand erzählen, es wäre unsinnig gewesen, diese Zahl jemals in die Verfassung reinzuschreiben. Es ist per Definition nicht möglich, etwas Unsinniges in eine Verfassung zu schreiben, und das ist in meinen Augen auch gut so.
stimmung mit der Verfassung abstreiten können, wenn diese erst einmal beschlossen ist. Ich weiß, dass ich in meiner Fraktion vehement dafür plädieren werde, dies als geltendes Recht anzuerkennen und nicht zu irgendwelchen Gerichten zu laufen, egal, was irgendwelche wild gewordenen Zeitungskommentatoren darüber schreiben mögen.
Wir sollten uns nur über eines klar sein: Die Zielgröße von 69 Abgeordneten, die als einfache Rechtsnorm weiter bestehen bleibt, wird mit diesem Wahlrecht nur zufällig und unter günstigen Umständen zu erreichen sein.