Protocol of the Session on February 25, 2011

Stimmen Sie unserem Antrag zu! Wir können über alles reden, was in Ihrem Antrag steht, denn das Thema ist in der Tat diskussionswürdig.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Für die Fraktion des SSW erteile ich der Frau Fraktionsvorsitzenden Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Debatte um den Ausbau des Breitbandnetzes in Schleswig-Holstein wurde deutlich, dass es hinsichtlich der Netzsituation hier im Land noch viel zu tun gibt. Aber auch wenn derzeit noch nicht alle Möglichkeiten des Internets ausgeschöpft werden können, zum Beispiel aufgrund fehlender Bandbreiten, sind wir nicht in der Situation, dass wir Probleme einfach der Reihe nach abarbeiten können.

Die technische Entwicklung des Internets ist in den letzten Jahren bekanntlich enorm vorangeschritten, und die Nutzungsmöglichkeiten sind immens. Damit verbunden ist die Möglichkeit, sehr viel Geld zu verdienen. Auch das ist vorhin schon angesprochen worden. Das heißt, dass wirtschaftli

che Interessen den freien und ungehinderten Zugang zum Internet konterkarieren, wenn nicht schon jetzt gesagt wird: Vorsicht an der Bahnsteigkante. Denn fest steht: Das Internet entwickelt sich zu einem Markt für datenintensive Anwendungen wie Internetfernsehen oder Onlinespiele, die einen flüssigen Datenverkehr benötigen.

Die Netzkapazitäten sind derzeit aber nicht ausgelegt, diese Datenmengen zu transportieren. Damit führt die steigende Flut der Datenmengen unmittelbar zu Staus im Netz. Aus diesem Grund stehen wir vor der politischen Entscheidung, ob es bestimmte Vorfahrtsregeln für Daten geben soll und ob dies zulasten des neutralen Datenflusses gehen darf, nach dem Motto: Wer für den Datentransport mehr bezahlt, darf auch auf die Überholspur.

Eine Forderung dieser Art steht aber der fundamentalen Freiheit der digitalen Umwelt gegenüber. Bisher war die Netzneutralität ein Garant für einen freien und ungehinderten Zugang zum Internet, der auch für einen diskriminierungsfreien Datenfluss gesorgt hat. Wie wichtig der freie Zugang zu Informationen ist und wie wichtig dies für eine gelebte Demokratie ist, wird derzeit an den Ereignissen im Nahen Osten und in Nordafrika mehr als deutlich.

(Unruhe)

Die Netzneutralität gerät also leicht in Gefahr, unter die Räder wirtschaftlicher Interessen zu kommen. Aus Sicht des SSW darf es keine Bevorzugung bestimmter Dienste geben, die eine Diskriminierung anderer Dienste bedeutet.

(Anhaltende Unruhe - Glocke der Präsiden- tin)

Der neutrale Zugang zum Netz und der neutrale Transport von Daten müssen sicherstellen, dass Dienstleistungen und Anwendungen nicht eingeschränkt werden. Der diskriminierungsfreie Zugang zu Informationen muss also weiter gewährleistet bleiben. Er ist ein Teil der demokratischen Vielfalt im weltweiten Netz. Die Informationsgesellschaft lebt vom freien Zugang zu Informationen und vom diskriminierungsfreien Austausch. Wenn wir die Netzneutralität wirtschaftlichen Interessen opfern, besteht die Gefahr einer elektronischen Zweiklassengesellschaft, und das wollen wir nicht.

(Anhaltende Unruhe)

Das Thema Netzneutralität ist seit Längerem auch ein Thema der Europäischen Union. Der Kollege Fischer hat dazu schon einiges ausgeführt. Im Rahmen der Digitalen Agenda des Projekts Europa 2020 führte das Europäische Parlament eine An

(Ingrid Brand-Hückstädt)

hörung durch, deren Schlussfolgerungen sich in dem Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN widerspiegeln.

(Anhaltende Unruhe - Glocke der Präsiden- tin)

Auf der Kommissionsebene hat nunmehr der Konsultationsprozess begonnen. Grundsätzlich spricht sich die zuständige Kommissarin Neelie Kroes für den Erhalt der Netzneutralität aus, gleichwohl ist auch sie dem Druck der Wirtschaft ausgesetzt. Nachzulesen ist jedenfalls, dass sie nun im Rahmen der Digitalen Agenda einen Kompromiss vorschlägt, der zusammengefasst lautet, dass Verbraucher über Eingriffe in den Netzverkehr informiert werden müssen. Das ist das, was auch die Kollegin Brand-Hückstädt ansprach.

Dass das Thema Netzneutralität auch für den Deutschen Bundestag ein Thema mit hoher Priorität ist, wissen wir, das sagt sich von selbst. Aus dem Umfeld des Chaos Computer Clubs ist zu hören, dass die bisherigen Beratungen und Diskussionen eher enttäuschend verlaufen sind. Die Konklusion lautet: Die Diskussion über die Risiken, die mit einer Aufhebung der Netzneutralität einhergehen, hat den Berliner Gesetzgeber noch nicht erreicht.

Für uns steht somit fest, dass wir unsere schleswigholsteinischen Interessen besser wahrnehmen, indem wir zweigleisig fahren und nicht erst die Ergebnisse abwarten.

(Unruhe)

Wünschenswert wäre aus unserer Sicht, beide Anträge an den Ausschuss zu überweisen. Ich plädiere ausdrücklich für Ausschussüberweisung beider Anträge, um eine Diskussion auf Augenhöhe zu führen. Ich fände es nicht glücklich, wenn die regierungstragenden Fraktionen sagten: Unser Antrag ist der zukunftweisende, und den Antrag der Opposition stimmen wir jetzt einfach weg. Es wäre gut, beide Anträge im Ausschuss zu beraten und einen aktuellen Sachstandsbericht der Enquetekommission einzufordern.

Frau Abgeordnete, kommen Sie bitte zum Schluss. Es ist schon über die Zeit.

Ja. - Und wir müssen erfahren, wie auf EU-Ebene an diesem Thema gearbeitet wird.

(Beifall beim SSW sowie vereinzelt bei SPD und der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn ich vorhin gesagt habe, der Geräuschpegel sei noch zumutbar gewesen, muss ich feststellen, dass er das jetzt zwischendurch nicht mehr war. Ich bitte, darauf etwas mehr zu achten.

Zu einem Dreiminutenbeitrag erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Thorsten Fürter das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich schließe mich der Kollegin Anke Spoorendonk an, auch ich fände es besser, wenn beide Anträge an die Ausschüsse überwiesen würden. So viel substanzstärker ist Ihr Antrag nun auch wieder nicht, dass man sagen muss, den SPD-Antrag bräuchten wir im Ausschuss nicht.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der LINKEN)

Ich glaube aber, dass wir auch so zu einer interessanten Debatte kommen werden. Ich schätze die Kolleginnen und Kollegen im Innen- und Rechtsausschuss. Wir werden das schon qualitätsvoll diskutieren, egal, was hier heute beschlossen wird.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und der LIN- KEN)

Das Problem ist doch, dass in Ihrem Antrag das Wort „Netzneutralität“ interessanterweise überhaupt nicht auftaucht. Auch bei Licht betrachtet, können wir gewisse Differenzen sehen. Herr von Boetticher hat sich hier in seiner Rede klar zur Netzneutralität bekannt. Sie, Frau Brand-Hückstädt, haben sich dazu in dieser Form nicht bekannt, sondern Sie haben für das Motto plädiert: Wer mehr zahlt, für den darf es auch etwas schneller gehen. Ich finde, das kann nicht das Motto für das Internet sein.

Wir haben heute auch die Debatte über andere Netze, die Energienetze, geführt. Man muss Netze nicht immer staatlich organisieren. Das ist in vielen Fällen sinnvoll. Aber das Internet ist in weiten Teilen nicht staatlich organisiert, es ist privat organisiert. Das nehme ich zur Kenntnis. Ich habe auch keine Forderung aus der Fraktion der Grünen gehört, dass man das verstaatlichen solle, aber wenn man es nicht verstaatlicht, wenn man private Elemente in einem solchen Netz hat, hat man als Poli

(Anke Spoorendonk)

tik die verdammte Pflicht, auch bestimmte Elemente mit einer Aufsicht durchzusetzen. Dafür ist die Bundesnetzagentur eigentlich das ideale Instrument. Eine solche Aufsicht brauchen wir.

Ich kann nicht so richtig verstehen, dass hier ernsthaft die Meinung besteht, man könne so ein Motto von zwei Geschwindigkeiten durchsetzen, das wäre kein Problem. Das würde dann nämlich ganz schnell dazu führen, dass Leute, die es sich nicht leisten können, dann auch keinen vernünftigen Internetzugang mehr hätten, und die, die es sich leisten können, hätten einen vernünftigen. Das entspricht nicht dem Leitbild des Internets.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt bei der LINKEN)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Kai Dolgner das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Brand-Hückstädt, Sie machen genau das, was beispielsweise im Augenblick auch gern die Deutsche Telekom macht, nämlich die Frage der Netzneutralität, nämlich die Frage, ob man aus kommerziellen Gründen verschiedene Geschwindigkeiten schalten kann, mit dem Thema Quality of Service, Qualität des Services, das dankenswerter Weise auch der Kollege von Boetticher angesprochen hat, zu vermengen.

Das hört sich doch erst einmal gut an, vor allen Dingen, weil es um technische Details geht, die nicht jedem offensichtlich sind. Es spricht nicht das geringste dagegen, zum Beispiel im dpi-Bereich das hat der Kollege von Boetticher auch schon angesprochen -, beispielsweise bei videomedizinischen Konferenzen Prioritäten zu setzen und die Pakete schneller durchzuleiten. Aber das kann nicht vor dem Hintergrund eines kommerziellen Interesses geschehen. Das ist der Unterschied. Die Deutsche Telekom versucht das Thema ja nicht deshalb nach vorn zu bringen, weil es beispielsweise um Videokonferenzen für medizinische Operationen geht - wir sind uns sicherlich darüber einig, dass es da nicht davon abhängig sein darf, ob das Krankenhaus mehr Geld zahlt -, sondern hier geht es ganz klar um kommerzielle Interessen. Es geht um kommerzielle Interessen von Breitbandanbietern von multimedialen Unterhaltungsangeboten. Dazu

muss ich ganz klar für meine Fraktion sagen: Da hört der Spaß auf.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Und wenn Mark Nierwetberg von der Deutschen Telekom von einem „Basisinternet“ für die Leute spricht, die sich dann wie bei der Krankenversicherung nur das Mindeste leisten können - und zwar wohlgemerkt für die Anbieterseite; wir reden hier nicht über die Zugangsseite, liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN -, muss ich sagen: Ich finde es zwar relativ normal, dass man für höherwertige Technik und einen höheren Datenstrom auf der Privatseite, zum Beispiel für 16 Mbit statt 1 Mbit - wenn man meint, das zu brauchen - auch ein bisschen mehr Geld bezahlen sollte. Da geht es auch nicht um Ärzte, die Videokonferenzen durchführen wollen, sondern da geht es um den normalen Informationsbedarf. Auch da gibt es beispielsweise Techniken, die man einsetzen kann, um unnötige Bilder zu komprimieren und so weiter. Das sehe ich alles relativ gelassen. Aber es geht darum, wie die Pakete von der Anbieterseite aus weitergeleitet werden. Das darf nicht davon abhängig sein, wie viel Geld der Anbieter auf den Tisch legen kann.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Denn auch bei den hochgelobten Revolutionen in den Maghreb-Staaten wäre kaum einer der Anbieter, der Blogger, dazu in der Lage gewesen, das entsprechend zu bezahlen, womöglich noch von einer doch staatlich organisierten Stelle aus organisiert, die dann sozusagen sagt, reiche Revolutionäre dürfen ihre Pakete schneller weiterleiten als arme Revolutionäre. Das kann es doch nicht sein.

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD)

Ich glaube, wir befinden uns auf einem guten Weg.

(Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Genau. Demokratische Revolutionen müssen für jeden erschwinglich sein. Ich glaube, darüber sind wir uns hier im Haus alle einig.

(Vereinzelter Beifall und Heiterkeit)

Ich glaube, wir müssen das gar nichts so großartig gegeneinander diskutieren, aber wir sollten tatsächlich darauf verzichten, die Nebelkerzen, die einige kommerzielle Zugangsanbieter, die natürlich andere Interessen als ein Parlament haben müssen, werfen, auch noch aufzunehmen.