Protocol of the Session on February 24, 2011

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Schleswig-Holsteinische Landtag beschäftigt sich seit Beginn der 16. Wahlperiode intensiv mit der Thematik der flächendeckenden ärztlichen Versorgung, insbesondere im ländlichen Raum. Mit Schwarz-Gelb auf Landes- und Bundesebene ist Bewegung in die Sache gekommen. CDU und FDP haben mit den Anträgen zur Sicherstellung der hausärztlichen flächendeckenden Versorgung und Verbesserung der Kooperation im Bereich der ambulanten Behandlung erneut Diskussionen angestoßen, die zum Umdenken anregen.

Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei den Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen bedanken, die mit ihren Anträgen dies unterstützt haben. Wir werden im Sozialausschuss gemeinsam über die weitere Vorgehensweise beraten.

Wir sind uns dessen bewusst, dass kleinteiligere Planungsräume und eine Konzentration auf den an Morbiditätsentwicklung und Demografie orientierten Versorgungsbedarf allein nicht ausreichen, eine

(Katja Rathje-Hoffmann)

wohnortnahe medizinische Versorgung in der Fläche sicherzustellen.

Wir begrüßen, dass auch aus der Bundespolitik positive Signale zur bedarfsorientierten Planung kommen, eine sektorenübergreifende Zusammenarbeit gefördert wird und den Ländern mehr Handlungsspielraum gegeben werden soll.

Die Anhörung im Sozialausschuss hat ergeben, dass auf allen Ebenen und bei allen Beteiligten trotz unterschiedlicher Interessen die Bereitschaft zur sektorenübergreifenden Zusammenarbeit vorhanden ist. Es gibt bereits hervorragende Kooperationen und Vernetzungen, die im Falle von Unterversorgung in der ambulanten Behandlung weiter auszubauen sind.

Ziel unseres Antrags zur Verbesserung der Kooperation im Bereich der ambulanten Behandlung ist, die Kooperation und intersektorale Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern weiter zu fördern und eine Qualitätssicherung mit gleichen Anforderungen sowie die Gleichstellung der Qualitätsprüfung im Rahmen des § 116 b SGB V für niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser zu erreichen.

Auch wenn es in Schleswig-Holstein bisher gelungen zu sein scheint, den § 116 b relativ geräuschlos umzusetzen, birgt er doch eine Menge Konfliktstoff, verbunden mit bürokratischem Aufwand einschließlich der Rechtsprechung. Ärzte, vor allem niedergelassene Fachärzte sehen sich gegenüber den am Krankenhaus ambulant tätigen Kollegen deutlich schlechter gestellt. Es wurde unter anderem ein intransparentes Abrechnungswesen bis hin zum Verdacht des Missbrauchs bemängelt.

In städtischen Regionen wird der Konkurrenzdruck stärker empfunden, da in ländlichen Regionen der für § 116 b spezifizierte Facharztbereich ohnehin kaum vertreten ist.

Kostentransparenz ist auch für uns ein wichtiger Faktor. Oberstes Gebot muss aber sein, den Patienten die bestmögliche Behandlung schnellstmöglich zukommen zu lassen. Ein Hin- und Herschieben aus Gründen des Gewinns von Marktanteilen darf es aber nicht geben, weder bei § 116 b noch bei allen anderen Behandlungsabläufen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Aus Sicht der Krankenhäuser gab es keine Kritik an der Ausgestaltung des § 116 b, wohl aber daran, dass die Aufnahme der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein in die Runde der unmittelbar Beteiligten in Betracht gezogen werden

konnte. Das konnte ich gestern bei der Mitgliederversammlung der privaten Krankhäuser hautnah erleben. Die Möglichkeit, die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein als unmittelbar Beteiligte einzubeziehen, ist nach der von CDU und FDP vorgesehenen Änderung des Ausführungsgesetzes des Krankenhausgesetzes mit der folgenden Formulierung gegeben:

„Das Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit wird ermächtigt, das Verfahren bei Anträgen von Krankenhäusern zur Erbringung ambulanter Leistungen und bei grundsätzlichen Fragen der intersektoralen Zusammenarbeit durch Verordnung zu regeln.“

Mit dieser Verordnungsermächtigung wird die Landesregierung in die Lage versetzt, relativ schnell und flexibel agieren zu können. Darin kann ich, wenn man es mit der intersektoralen Zusammenarbeit auf Augenhöhe wirklich ernst meint, nichts Negatives sehen; es sei denn, man möchte den Kreis der unmittelbar Beteiligten grundsätzlich nicht erweitern oder der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein diesen Status nicht zugestehen.

Bisher haben mich noch keine Gründe überzeugt, die gegen ein solches Verfahren sprechen. Wir werden diesen Gesetzentwurf im Ausschuss beraten und den üblichen Verfahrensweg gehen. Ich freue mich auf eine konstruktive Beratung.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Bernd Heinemann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Sassen, bei dieser Vorlage geht es nur peripher um den § 116 b. Der bürgerliche Otto von Bismarck war der Auffassung:

„Die Scheu vor Verantwortung ist die Krankheit unserer Zeit.“

Nur so lässt sich dieses „Ermächtigungsgesetz“ erklären. Es mag sein, dass das Regierungsbündnis vom vielen Schieben des Rasenmähers über die soziale Landschaft erschöpft ist und die Sorge um weitere Fehler die Koalition geradezu lähmt und die Lust auf politische Entscheidungen schwächt. Diese

(Ursula Sassen)

Vorlage für eine derartige Gesetzesinitiative ist aber mehr als nur erstaunlich.

(Beifall bei der SPD)

Gerade haben wir gelernt, dass die Erlasse des FDP-Bildungsministers im Schnitt eine Gültigkeitsdauer von drei Tagen haben. Dies gilt beispielsweise für den 1.-April-Erlass zur Lehrerarbeitszeit, den Psycho-Erlass oder den 21-Tage-Melde-Erlass. Jetzt sollen wir dem Gesundheitsminister ins Gesetzbuch schreiben, dass er per Verordnung die Kooperation zwischen Krankenhäusern und ambulanten Diensten selbst regeln kann. Was wir bei Prüfungsordnungen für Heilpraktiker richtig finden und bei der seit über einem Jahr verschleppten Krankenhaushygieneverordnung als Gesetzesinitiative gerade noch nachvollziehen können, wird mit diesem Antrag zur Farce.

Wir wurden am 5. Mai, also vor neun Monaten, durch einen schwarz-gelben Antrag von einer Grundsteinlegung zur Verbesserung der Kooperation im Bereich der ambulanten Behandlung überrascht. Wir haben uns im Parlament und im Sozialausschuss bemüht, die Bausteine einer verbesserten Kooperation zwischen den Sektoren durch eine umfassende Anhörung zusammenzutragen. Wir haben uns intensiv damit beschäftigt, den politischen Mörtel der nachhaltigen Versorgungsverbesserung hinzubekommen. Auf der Tagesordnung der nächsten Sozialausschusssitzung stehen - nach der Auswertung eines monatelangen Anhörungsverfahrens zu den Inhalten genau dieser Gesetzesinitiative - konstruktive Anträge der CDU-, der FDP- und der SPD-Fraktion.

Die regierungstragenden Fraktionen machen in ihrem neuen Änderungsantrag Drucksache 17/530 zwar behutsam, aber immerhin wenigstens noch Vorschläge für gesetzliche Qualitätsanforderungen zwischen den Sektoren. Wir sind jetzt kurz vor dem Richtfest, und nun wollen Sie das konstruktive Ergebnis ohne Rücksprache abreißen und ein Fertighaus als Verordnung ohne jeglichen politischen Anspruch im Ministerium bestellen, und zwar nach dem Motto: Die machen das schon. Freie Fahrt für Interessengruppen.

Wenn dies eine neue Gesetzesinitiative zu besserer und fairer Beteiligung wäre, also ein Anbau, dann hätten Sie nicht mit § 20 entpolitisiert, sondern in § 19 die Beteiligung zumindest der Psychotherapeutenkammer oder an anderer Stelle die Beteiligung der Krankenhäuser realisiert.

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Sassen?

Herr Kollege Heinemann, gehen Sie davon aus, dass sich die intersektorale Zusammenarbeit nur auf § 116 b bezieht? Teilen Sie nicht die Auffassung, dass unsere Anträge, die wir noch im Sozialausschuss beraten, noch weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit beinhalten, sodass sie nicht wertlos sind?

- Das kann ich zwar nachvollziehen, aber ich verstehe nicht, weshalb in einem Zwischenschritt das Ministerium beauftragt werden soll, diesen Job zu machen. Dann hätten wir erst zu Ende diskutieren und über unsere Anträge entscheiden müssen. Was jetzt aber läuft, ist eine Farce.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es ist noch Karneval. Deshalb denke ich, hier wäre wirklich der Orden wider den tierischen Ernst fällig. Wozu noch ein Gesundheitsausschuss, wozu noch dieses Parlament? Wenn das Ihr Ernst ist, was Sie hier vorhaben, dann sollten wir die Diskussion um das Wahlgesetz abbrechen, das Parlament endgültig auflösen und die Monarchie wieder einführen. Wollen Sie wirklich das ganze Verfahren wiederholen, eine neue Anhörung und neue Gesetzesinitiativen zur politischen Ausrichtung dieses Ausführungsgesetzes? Was passiert dann als Nächstes?

Meine Damen und Herren, wenn dieses Gesetzesvorhaben ein Beitrag zur Entpolitisierung und zur Verflachung sein soll, dann haben die Antragstellenden es gut gewählt. Die Krankenhausgesellschaft, die Kassenärztliche Vereinigung, die Ärztegenossenschaft und all die anderen beteiligten Verbände und Kammern wären dann zwar nur als Kasperpuppen im Ausschuss aufgetreten, aber dann ist dieser Antrag wenigstens der Beleg für einen neuen Nichtpolitikstil, den wir gerade erleben.

Liebe Koalitionsmitglieder, einige wenige unter Ihnen haben offensichtlich keine Lust mehr, Ihre Regierung zu tragen, was ich allerdings gut verstehen kann.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Diese Ausnahmepolitikerinnen und -politiker wollen vielleicht zumindest die Parlamentsarbeit dem

(Bernd Heinemann)

nächst ganz einstellen und die Verantwortung komplett an die Regierung abtreten. Nur Mut, kann ich dazu nur sagen. Das Problem ist nur, dass zumindest die Führungen des Bildungs- wie des Sozialund Gesundheitsministeriums leider schon jetzt nicht mehr ihren Job schaffen. Die Bildungserlasse sind das eine. Den Entwurf beziehungsweise das Konzept einer Krankenhaushygieneverordnung erwähnte ich bereits in der vergangenen Sitzung. Über die seit über eineinhalb Jahren verschollene Verordnung zum Selbstbestimmungsstärkungsgesetz reden wir später noch. Inhaltlich verweise ich auf unsere und Ihre eigenen Anträge im Sozial- und Gesundheitsausschuss zu diesem Thema.

Bitte erklären Sie dem Hohen Hause doch wenigstens, was mit unserer aufwendigen und umfangreichen Arbeit zur Meinungsbildung geschehen soll und wie Sie das alles den beteiligten Verbänden erklären wollen. Diese Gesetzesinitiative bringt das ganze Dilemma der Handlungserstarrung auf den Punkt.

Meine Damen und Herren, Dietrich Bonhoeffer hat einmal gesagt: Den größten Fehler, den man im Leben machen kann, ist, immer Angst zu haben, einen Fehler zu machen. - Dem können wir uns nur anschließen.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion hat nun die Frau Abgeordnete Anita Klahn das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Koalition hat sich zum Ziel gesetzt, die Kooperation im Bereich der ambulanten Behandlung zu verbessern. Für die Regierungsfraktionen sind dabei folgende Ansatzpunkte wichtig. Erstens. Die Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern soll befördert werden. Dabei muss insbesondere bei der Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgungssituation für die Akteure ein Miteinander auf Augenhöhe geleistet werden. Zweitens muss eine Qualitätssicherung mit gleichen Anforderungen sektorenübergreifend erreicht werden. Das bezieht sich speziell auf § 116 b SGB V.

(Niclas Herbst [CDU]: Hört, hört!)

Im Sozialausschuss haben wir zu diesem Themenfeld eine umfangreiche Anhörung durchgeführt, auf die auch Herr Heinemann eben hingewiesen hat.

Ein Ergebnis dieser Anhörung ist der Ihnen jetzt vorliegende Gesetzentwurf. Denn die Anhörung hat fast einhellig gezeigt, dass hier Handlungsbedarf besteht. Der derzeitige Rechtsrahmen nach § 116 b SGB V wird als verbesserungswürdig angesehen. Bemängelt werden insbesondere mangelnde Transparenz, Wettbewerbsverzerrung und fehlende Einbindung der Angebote der Krankenhäuser in die Bedarfsplanung. Dies wird übrigens nicht nur in Schleswig-Holstein kritisiert, sondern bundesweit. Wir müssen hier auf eine zunehmend sektorenübergreifende Versorgungsrealität reagieren.

§ 116 b SGB V regelt hoch spezialisierte ambulante Behandlungen und Erkrankungen mit besonderem Krankheitsverlauf. Während der durchgeführten Anhörung im Sozialausschuss zu diesem Thema beklagten zum Beispiel die natürlich hiervon besonders betroffenen Radiologen, Onkologen, aber auch Kardiologen, dass die niedergelassenen Ärzte gegenüber denen am Krankenhaus ambulant tätigen Kollegen finanziell deutlich schlechter gestellt seien. Begründet wurde dies damit, dass Klinikambulanzen über die Möglichkeit stationärer Querfinanzierung der apparativen und personellen Ausstattung ohne die Budgetbeschränkung der Kassenärztlichen Vereinigung verfügen. Niedergelassene Fachärzte haben im Vertrauen auf ihre Zulassung oftmals erhebliche Investitionen in ihre technische Ausstattung getätigt, haben sich fachlich spezialisiert und können damit diese Leistungen erbringen und fühlen sich jetzt zu Recht benachteiligt, wenn es darum geht, über Investitionen im Krankenhaus zu entscheiden. Insbesondere wenn es dazu führt, dass die Erbringung ambulanter Leistungen ermöglicht oder verbessert wird, muss es möglich sein, dieses in Abstimmung mit vorhandenen Angeboten zu koordinieren.

CDU und FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag eine klare Aussage getroffen, dass sie die partnerschaftliche sektorenübergreifende Zusammenarbeit unterstützen werden. Wir haben zugesichert, dafür Sorge zu tragen, dass neue Formen der Kooperationen nicht zulasten der freiberuflich tätigen niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte gehen.