Protocol of the Session on February 23, 2011

(Beifall bei SSW, SPD und der LINKEN)

Das Wort für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Jost de Jager.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was mich gestört hat an dieser Debatte, die ich ansonsten eigentlich entspannend und konstruktiv fand, war der ungemein populistische Ansatz der SPDFraktion, zu sagen, sie würde für eine Energiewende stehen. Meine Damen und Herren, der Punkt ist doch: Bei der Frage einer Energiewende geht es überhaupt nicht um die SPD Schleswig-Holstein. Die Energiewende kann nur auf Bundesebene vollzogen werden. Was dazu die Auffassung der Bundes-SPD ist, darf ich Ihnen gern vorlesen. Ich zitiere aus dem Regierungsprogramm. Dort heißt

(Flemming Meyer)

es: „Auf absehbare Zeit kann auf die Nutzung von Kohle und Gas nicht verzichtet werden.“ Und etwas später heißt es weiter: „Wir beabsichtigen, die Technologie zur Abscheidung von Kohlendioxid in Deutschland weiterzuentwickeln.“

(Beifall bei CDU und FDP)

In Kenntnis einer solchen Position hier eine weiße Pfote zu machen und zu sagen, wir in SchleswigHolstein sind aber dagegen, ist so opportunistisch, dass es irrelevant ist. Denn Sie bestimmen nicht die Energiewende. Herr Stegner, selbst dann, wenn Sie eine Energiewende in Schleswig-Holstein herbeiführen wollten, würde das an der Frage CCS überhaupt nichts ändern, weil es nicht um das Kohlendioxid aus Schleswig-Holstein, sondern um das Kohlendioxid aus den Versuchsanlagen geht. Insofern spielt Ihre Haltung dazu keine Rolle.

Meine Damen und Herren, es ist aber der blanke Opportunismus, wenn Sie als SPD in Kiel behaupten, Sie seien der Garant dafür, dass CCS nicht komme, während die SPD in Potsdam der Garant dafür ist, dass CCS kommen soll.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das ist ein Grad an Populismus und an Opportunismus, der mich überrascht; Man kann sogar eine mathematische Formel aufstellen, die besagt: Je enger die Kooperation von SPD und Linke, desto größer die Unterstützung für CCS.

(Beifall bei CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, das ist Energiepolitik in Deutschland nach Adam Riese. Ich bin aber der Auffassung, dass das am Ende am Thema völlig vorbeiführt; denn letztlich haben wir einen regionalen Zielkonflikt in Deutschland. Es gibt Bundesländer, die CCS wollen, und es gibt Bundesländer, die CCS nicht wollen. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident hat mehrfach - auch als Reaktion auf die Proteste im Norden des Landes - gesagt, dass wir sicherstellen wollen, dass CCS nicht gegen den Willen der Bevölkerung und gegen den Willen der Mehrheit des Landtags in SchleswigHolstein eingeführt wird. Dieses Ziel verfolgen wir weiterhin, und dazu stehen wir auch weiter.

Deshalb ist es eine große Unterstützung, dass Bundesumweltminister Röttgen seine Position ebenfalls bekräftigt hat, dass es nicht sein könne, dass CCS gegen den Willen der betroffenen Bundesländer eingeführt wird. Das ist übrigens auch eine Frage der Akzeptanz. Die Lehre aus den Akzeptanzproblemen großer Infrastrukturprojekte in Deutschland der vergangenen Wochen und Monate kann doch

nicht sein, die Akzeptanzfrage nicht ernst zu nehmen.

Hier sind wir dabei, eine neue Technologie einzuführen. Wir erleben, dass diese neue Technologie auf Akzeptanzprobleme stößt. Insofern ist es politisch richtig, darauf einzugehen und den Willen der Menschen zu vertreten. Das werden wir auch tun bei den Formulierungen, die wir finden müssen.

Meine Damen und Herren, ich bin zuversichtlich, dass es uns gelingen wird, eine solche Formulierung zu finden. Eine solche Formulierung wird aber nicht trivial sein; denn der Zielkonflikt, der sich insgesamt bei der Frage zeigt, welche Bundesländer CCS wollen und welche Bundesländer CCS nicht wollen, muss sich am Ende auch in der Formulierung wiederfinden. Insofern geht es darum, den Versuch zu unternehmen, eine sachgerechte Formulierung der entsprechenden Passagen im CCS-Gesetz zu finden. Ich sage in aller Deutlichkeit: Wenn es nicht gelingt, eine solche Formulierung zu finden, wird sich die schleswig-holsteinische Landesregierung im Bundesrat mit einem Nein verhalten.

Wir sind der Auffassung, dass man Politik an der Sache orientiert und seriös machen muss. Das bedeutet, man muss zunächst einmal versuchen, eine sachgerechte Lösung durch eine entsprechende Formulierung zu finden. Das wollen wir machen. Das dient den Interessen der Menschen in SchleswigHolstein. Dies gilt aber nicht für solche Scheindebatten über Energiewenden, die man am Ende nicht herbeiführen kann.

(Beifall bei CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, nach unserer Geschäftsordnung kann in der Aktuellen Stunde nach einer Rede der Landesregierung noch einmal jede Fraktion reagieren. Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Ralf Stegner.

(Minister Jost de Jager)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mit großer Spannung Ihrer bemerkenswerten Rede zugehört, Herr Wirtschaftsminister. Dabei habe ich heute eine ganz neue Definition von Populismus von Ihnen gehört. Was ist populistisch daran, wenn man sich für eine Energiepolitik einsetzt, wie das die schleswig-holsteinische Sozialdemokratie übrigens seit Jahrzehnten buchstäblich tut, und in Zeiten der Regierungsverantwortung diese umsetzt? Seit 1988 haben wir den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung von 0,05 % auf an die 30 % gesteigert. Das ist kein Populismus, sondern das ist der Beitrag zur Energiewende, den man leisten kann, wenn man als Regierung vernünftige Politik macht, Herr Wirtschaftsminister, wovon bei Ihnen gar keine Rede sein kann.

(Beifall bei der SPD)

Ich verstehe, dass Sie Spaß daran haben, über die brandenburgische Landesregierung zu reden. Natürlich vertreten wir in unterschiedlichen Ländern unterschiedliche Positionen. Etwas unangenehmer ist es allerdings, wenn ich Sie daran erinnere, dass Sie in der Haushaltsdebatte in diesem Haus über 30mal gemeinsam mit CDU, FDP und Linkspartei abgestimmt haben. Das können Sie zwar tun, aber das ist eine unmittelbare Zusammenarbeit, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zurufe von CDU und FDP)

- Über die Anträge der SPD-Fraktion haben Sie so abgestimmt. Insofern sollten Sie nicht ins ferne Brandenburg schauen, sondern in Schleswig-Holstein bleiben!

Wir haben diese Aktuelle Stunde nicht beantragt, weil uns interessiert, was Parteifreunde anderswo sagen, sondern weil uns interessiert, was Sie hier konkret tun. Die Tatsache, dass Sie den Atomausstieg gar nicht wollen, sondern dass Sie mitmachen, was letztlich in Berlin geschieht, zeigt, dass Sie keine Energiewende wollen. Eine Energiewende gibt es nur unter einer vernünftigen Regierung, und eine solche wird es nach der nächsten Wahl wieder geben.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schippels?

Mit dem größten Vergnügen, Herr Kollege.

Herr Dr. Stegner, Sie haben gerade wieder auf die Debatte in der Haushaltsberatung angespielt. Ich wollte Sie fragen, ob Sie es nicht für vernünftig für eine linke Oppositionspartei halten, die sagt, dass sie keinen Kürzungen im Landeshaushalt zustimmt, dass sie auch keinen Kürzungen zustimmt, die von der SPD vorgeschlagen werden.

- Ich wollte das inhaltlich gar nicht bewerten.

(Zurufe von CDU und FDP)

Da der Wirtschaftsminister gesagt hat, die Situation mit der Regierung in Brandenburg sei so furchtbar, wollte ich ihn nur darauf hinweisen, dass bei etwa 30 Anträgen der SPD die Kollegen, die dort sitzen, und die Kollegen, die dort sitzen, gemeinsam abgestimmt haben. Das habe ich gar nicht bewertet, sondern ich wollte den Kollegen nur daran erinnern.

Dass das den CDU-Kollegen unangenehm ist, merkt man daran, dass sie uns jetzt regelmäßig aufsuchen und fragen, wie wir es schaffen können, Anträge auf den Weg zu bringen, bei denen DIE LINKE möglichst nicht dabei ist. Das ist die Art und Weise, wie die Kollegen damit umgehen. Herr Wirtschaftsminister, das zeigt übrigens, wie weit es bei Ihnen mit den opportunistischen Neigungen bestellt ist. Das machen Sie viel perfekter, als das jemand anderer könnte.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort für die SSW-Fraktion erteile ich dem Kollegen Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Beginn meines Beitrags möchte ich dem Kollegen Matthiessen recht geben, der vorhin sagte, wir sollten keine Spielchen spielen. Letztlich sind wir uns alle einig, meine Damen und Herren. Wir sind uns einig darin, dass wir CCS hier in Schleswig-Holstein sowie unterhalb von Nord- und Ostsee ablehnen. Ich finde, deshalb sollten wir auch gemeinsam entsprechend sprechen.

(Beifall beim SSW)

Wir haben als SSW einen Antrag eingebracht, von dem ich mir wünsche, dass er zu einem gemeinsamen Antrag wird. Ich bin auch offen dafür, ihn umzuformulieren, wenn es noch Änderungswünsche geben sollte.

Wir diskutieren über ein Veto. Dieses Veto, das Schleswig-Holstein eingelegt hat, ist unsere Verhandlungsposition. Das ist unser Kompromiss, den wir vorgeschlagen haben, den die Landesregierung dort vertritt.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Das ist unser Kompromiss. Genauso ist es, lieber Kollege Kubicki. Bei dieser Frage sehe ich uns als Land und als Landtag als eine Einheit. Das sehe ich anders, als Sie das sehen. Ich sehe es nicht als Regierung und Opposition, sondern ich sehe es als unsere Position, dass wir alle gern wollen, dass Schleswig-Holstein ein Veto gegen ein CCS-Endlager in Schleswig-Holstein einlegen kann.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Veto wurde bisher von denen, die das nicht zulassen wollen, mit juristischen Argumenten abgelehnt. Es wurde vorgebracht, ein Veto sei rechtlich nicht möglich. Deshalb schlagen wir vor, gesetzlich zu verankern, dass CCS hier in Schleswig-Holstein und in der Nord- und Ostsee nicht erlaubt ist; denn dies lässt die EU-Richtlinie eindeutig zu.

Das ist der Inhalt unseres Antrags, den wir gern mit Ihnen gemeinsam beschließen wollen. Wir wollen das, weil wir das als eine Unterstützung der Landesregierung ansehen. Angesichts der Tatsache, dass auf Bundesebene kurzfristig darüber beschlossen werden soll, wollen wir, dass dieser Landtag sein deutliches Votum zu dieser Frage abgibt.

Die Landesregierung hat schon einen Erfolg in den Verhandlungen erzielt. Die Kabinettsbefassung auf Bundesebene ist verschoben worden. Sie war eigentlich für die nächste Woche geplant und ist nun um eine Woche verschoben worden, sodass wir als Landtag die Gelegenheit haben, ein unterstützendes Votum nach Berlin zu schicken und unsere Landesregierung zu unterstützen. Dann wird es auch noch entsprechende Gespräche geben können.

Deshalb haben wir uns für einen gemeinsamen Antrag ausgesprochen. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie uns entgegenkommen würden, sodass wir einen gemeinsamen Antrag aller sechs im Landtag vertretenen Parteien hinbekommen. Ich glaube, dann kommen wir dem am nächsten, was der Kolle

ge Matthiessen vorhin gesagt hat. Wir machen keine Spielchen, sondern wir vertreten das Land Schleswig-Holstein und seine Bürger und halten uns an das, was der Kollege Meyer vorhin angemahnt hat. Wir versuchen, die Versprechen, die wir der Bevölkerung gegeben haben, so gut wie möglich einzuhalten. Das wäre mit einem solchen gemeinsamen Antrag möglich.

(Beifall beim SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Vorsitzende, Herr Abgeordneter Dr. Robert Habeck, das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich knüpfe an Lars Harms und Detlef Matthiessen an. Zur grundsätzlichen Positionierung ist schon alles gesagt worden. Zwei Punkte trage ich noch nach. Herr Kubicki hat nachgefragt, ob wir glauben, dass es ein Gesetz gibt, wie es der SSW vorgeschlagen hat, das noch weitergeht als das Vetorecht der Länder. - Liebe Regierungsseite, zum einen gibt es ein Problem, und zwar - wenn ich es richtig weiß - endet die Befugnis des Landes 12 sm vor der Küste. Wenn Sie sich aber die von Greenpeace veröffentlichte Karte angucken, dann sind die fetten roten Boller außerhalb der Außenwirtschaftshandelszone. Das heißt, dass die Bundesregierung wahrscheinlich entlang ihrer Gesetzgebung entscheiden kann, dass 12 sm jenseits der Westküste doch CO2 verpresst wird. Da nutzt dann auch ein Vetorecht nichts.

Deswegen müssen wir in den Topf der Verhandlungen mindestens weitergehende Instrumente hineingeben, wie es der SSW vorgeschlagen hat. Das muss da mit hinein, sonst haben wir 12,2 sm vor der Küste auf einmal CO2-Verpressungen, die dann in das Wattenmeer diffundieren. Wenn wir uns einig sind, dass wir das im Wattenmeer und in Schleswig-Holstein nicht haben wollen, dann brauchen wir die Initiative des SSW, um die Verhandlungsposition von Schleswig-Holstein partei- und fraktionsübergreifend zu stärken. Gut, dass ihr den Antrag gestellt habt.