Ich erinnere daran - einige Redner haben es vor mir auch schon gemacht -: Im Jahr 1974 war die „Gorch Fock“ wieder das erste deutsche Schiff in
Danzig. Am 1. September 1939 begann durch den Beschuss der Westerplatte vom Schlachtschiff „Schleswig-Holstein“ aus der Zweite Weltkrieg. Ich finde, dass es gerade mit dem Thema der Völkerverständigung sehr gut verbunden werden kann, dass die „Gorch Fock“ nach diesen schrecklichen Ereignissen des Zweiten Weltkriegs als erstes deutsches Marineschiff in Polen wieder willkommen geheißen wurde.
Die Aufgaben, die aus dieser Patenschaft erwachsen, sind unserer Meinung nach nicht auf das Schiff als Schiffskörper beschränkt. Nein, es ist keine Personifizierung von Planken und Masten, wiewohl diese schön anzusehen sind. Dies richtet sich auch und gerade auf die Beziehungen, die Menschen zu diesem Schiff und untereinander auf diesem Schiff haben, auf jene, die auf ihm arbeiten und ihren Dienst tun. Wir sind der Meinung, dass diese Patenschaft vor allen Dingen der Besatzung an Bord dient, die diesen Dienst für uns leistet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die „Gorch Fock“ hat eine Vorbildfunktion und eine Verantwortung, die Menschen, die auf ihr segeln, ebenfalls. Das Segeln auf einer Dreimastbark verlangt eben genau Teamgeist und gegenseitiges Vertrauen. Beides soll auf dem Schulschiff gelernt werden. Eine Dreimastbark in rauen Wetterverhältnissen ist gut geeignet, ein Gespür für einen gemeinsamen Erfolg zu entwickeln, eigene Bedürfnisse einmal zurückzustellen. Ein Ausbildungskonzept, wie wir es verstehen, muss auf diese positiven Werte eingehen. Das war in der Vergangenheit so, das ist jetzt so und muss auch in Zukunft so sein. Das muss unsere gemeinsame Aufgabe und unser gemeinsames Ziel sein. Die Ausbildung muss dazu befähigen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Kommission ist eingesetzt, um genau dies zu bewerten. Deshalb geht es in dieser Situation gerade nicht um Schnellschüsse und um Symbolpolitik, es geht nicht um Parteipolitik, sondern tatsächlich darum, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen und nicht voreilig Fakten bewerten, bevor wir sie endgültig kennen.
Wir freuen uns, dass es in der Kürze der Zeit gelungen ist, diesen gemeinsamen Antrag auf den Weg zu bringen. Ich finde es gut, dass er eine breite Mehrheit bekommt, möchte aber auch noch einmal darauf hinweisen, dass auch meine Fraktion der Meinung ist, der letzte Satz, der sich auf den guten Ruf bezieht, könnte missverstanden werden. Unsere Fraktion meint nicht den Korpsgeist, sondern wir
verstehen es so, dass dort, wo Fehler gemacht wurden, wo massive Übergriffe im Raum stehen, die einzige auf der Tagesordnung befindliche Thematik die Transparenz, die Offenheit, der Wille ist, uneingeschränkt aufzuklären.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Ruf wird nicht durch Verschweigen, sondern erst durch Transparenz zum guten Ruf. Eine moderne Armee, eine Marine unseres demokratischen Gemeinwesens, muss aus dieser Sicht handeln und muss einen fairen Umgang auch zwischen Vorgesetzten und Untergebenen ermöglichen. Selbstverständlich brauchen wir eine moderne und effiziente Armee. Der gute Ruf der Bundeswehr ist eben auch der gute Ruf der „Gorch Fock“. Das - ich habe es gerade noch einmal gesagt - ist nur durch Fairness, durch Transparenz und durch den Geist eines demokratischen Rechtsstaats möglich.
Ich denke, ich spreche für alle Antragsteller: In unserer Armee ist auch in schwierigen Zeiten und im Alltagsbetrieb der wichtigste Satz unserer Verfassung gültig: Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bisher wurde von vielen ein tadelloses Bild der „Gorch Fock“ gepflegt. Das Ausbildungsschulschiff der deutschen Bundesmarine ist nach Ansicht vieler nicht nur die Schule für das Seemannsleben, sondern auch exzellenter Botschafter Deutschlands und Werbeträger der deutschen Marine.
Die jüngsten Ermittlungen des Wehrbeauftragten zerstören in ihren differenzierten Feststellungen und Ermittlungsaufgaben dieses Bild mit großer Wucht.
Hellmut Königshaus spricht von einer Meuterei der Besatzung, von massiver Drangsalierung, Nötigung der Soldaten, rüden Umgangsformen, Beleidigungen und herabwürdigenden Äußerungen bis hin
zum Vorwurf der sexuellen Belästigung. Auch müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass es in den letzten Jahren zwei Tote auf der „Gorch Fock“ gegeben hat.
Fazit: Der Ruf der „Gorch Fock“ ist jetzt so schwer beschädigt, dass es nicht mehr reicht zu prüfen, wie die Ausbildung auf der Gorch Fock durchgeführt werden kann. Wir fordern die Außerdienststellung der „Gorch Fock“ als Marineschiff. Unseres Erachtens gibt es neben der Klärung einzelner Vorwürfe gute Gründe für die Außerdienststellung der „Gorch Fock“ als Marineschiff.
Erstens. Es gibt keine gute Lösung für das Problem des Schutzes von Frauen auf der „Gorch Fock“. Die langen Fahrten auf einem Segelschiff in bedrückender räumlicher Enge mit extrem dichten Sozialkontakten zwischen Männern und Frauen bringen diese fast automatisch in schwierigste Situationen. Diesen Situationen kann keine Frau entkommen. Eine moderne Ausbildung für Frauen und Männer ist auf der „Gorch Fock“ strukturell unmöglich. Schon auf regulären Schulschiffen müssen verstärkt Vorkehrungen zum Schutz von Frauen getroffen werden.
Zweitens. Allen muss klar sein, dass eine militärische Ausbildung auch Drill bedeutet. Das militärische Prinzip von Befehl und Gehorsam widerspricht den normalen Instinkten eines Menschen.
Viele soziologische Untersuchungen haben gezeigt, dass die Einteilung von Menschen in Herrscher und Beherrschte auf engem Raum fast zwangsläufig in menschlichen Tragödien endet. Auf der „Gorch Fock“ war das zum Beispiel das unrechtmäßige Erzwingen von Wantenklettern.
Drittens. Die Ausbildung auf der „Gorch Fock“ muss heute gerechtfertigt werden. Weltweit kommen die meisten Nationen bei der Marineausbildung auch ohne Segelschulschiff aus.
Viertens. Es ist kein anderer Grund für die Fortführung der Ausbildung auf der „Gorch Fock“ zu sehen als eine eher sentimentale Traditionspflege. Dabei handelt es sich um eine Tradition, die ungebrochen vom Kaiserreich über die Weimarer Republik und das Naziregime bis in die DDR und die Bundesrepublik reicht.
rung. Dazu wird das Verständnis von Strenge, Disziplin und Gehorsam neu formuliert werden. Die Frage ist, welche Menschen die Bundeswehr als Ausbildungs- und Arbeitsplatz interessant finden. Wir finden die Aussicht, dass die Bundeswehr vor allem Menschen anzieht, die auf Strenge, Disziplin und Gehorsam Wert legen, besorgniserregend.
Zum Schluss zur „Gorch Fock“ als Botschafter und Werbeträger der Marine. Können Sie nicht einen Widerspruch erkennen in dem gleichzeitigen Bemühen, friedlicher Botschafter zu sein und Ausbildungsschiff einer Marine, die deutsche Wirtschaftsinteressen militärisch durchsetzen soll? Wir lehnen die militärische Nutzung der „Gorch Fock“ ab.
Aber eines bleibt: Die „Gorch Fock“ ist ein wunderschönes Schiff, das einer breiten Öffentlichkeit, Jugendlichen und Kindern für eindrucksvolle Erfahrungen zur Verfügung gestellt werden sollte. Das ist der richtige Weg.
DIE LINKE setzt sich für eine Übernahme der „Gorch Fock“ durch die öffentliche Hand ein. DIE LINKE will, dass auf der „Gorch Fock“ - gern mit dem Landtag als Paten - zukünftig alle Menschen segeln lernen können. Die „Gorch Fock“ als Segelschulschiff für alle, das ist das Ziel der LINKEN in Schleswig- Holstein.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist gut, dass wir uns hier in einer großen Mehrheit in diesen Parlament zu unserem Patenschiff „Gorch Fock“ und zu seiner Besatzung bekennen. Blickt man auf die Berichterstattung aus den letzten Wochen zurück, so muss man sagen, dass Tag für Tag immer wieder schwerwiegende Vorwürfe in der Öffentlichkeit erhoben worden sind. Was davon stimmt und was nicht, das kann ich jedenfalls in keinster Weise beurteilen.
Was wir aber alle können, ist, deutlich zu machen, dass Aufklärung vonnöten ist und dass dieses Aufklärungsbemühen nichts mit Vorverurteilungen zu tun hat.
Vorverurteilungen sind nämlich fehl am Platz. Glücklicherweise gibt es in unserem Land Instanzen, die unabhängig alle Vorfälle untersuchen, die sich möglicherweise auf der „Gorch Fock“ zugetragen haben könnten. Ich bin fest davon überzeugt, dass - sollten Verfehlungen festgestellt werden - die erforderlichen Konsequenzen auch gezogen werden. Allerdings dürfen wir nicht vorschnell urteilen. Das gilt auch für das Krisenmanagement von jetzt handelnden Personen. Dass der Kommandant des Schiffes vom Verteidigungsminister von seinen Aufgaben enthoben wurde, sehen wir ebenfalls - so, wie es Minister Guttenberg auch erklärt hat -, als eine Schutzmaßnahme. Diese Maßnahme darf auf keinen Fall als eine Vorverurteilung angesehen werden.
Man muss aber auch ehrlich sagen, dass die Diskussion über die möglichen Vorfälle auf der „Gorch Fock“ auch zu einer ganz anderen Diskussion geführt haben, nämlich darüber, ob die Ausbildung auf der „Gorch Fock“, so wie sie durchgeführt wird, noch zeitgemäß ist. Derzeit wird erst einmal alles infrage gestellt. Ich meine, dass dies auch in Ordnung ist.
Wir müssen ernsthaft darüber nachdenken, ob und wie die „Gorch Fock“ in Zukunft genutzt werden soll. Dabei sind wir der Auffassung, dass sich diese Überlegungen an zwei Hauptkriterien ausrichten sollten. Zum einen muss überlegt werden, ob die Sicherheit und Unversehrtheit der Besatzung umfassend gewährleistet werden kann. Das bezieht sich nicht nur auf die körperliche Unversehrtheit, sondern auch auf die psychische, die seelische Unversehrtheit. Wir müssen diese Frage unabhängig und unvoreingenommen beantwortet bekommen. Das sind wir auch all denen schuldig, die verunglückt sind oder die anderweitige Vorwürfe erhoben haben.
Der zweite Punkt ist, dass wir untersuchen müssen, ob die Ausbildung auf der „Gorch Fock“ seemännisch und militärisch noch sinnvoll ist und, wenn ja, in welcher Form sie zukünftig stattfinden soll. Ich sage das deshalb, weil wir meinen, dass hier und jetzt eine ehrliche Debatte über die Zukunft der „Gorch Fock“ geführt werden muss. Und diese Debatte muss frei von Vorabfestlegungen sein. Wenn also das Bundesverteidigungsministerium zu dem Schluss kommen sollte, dass eine weitere Ausbil
dung auf dem Schiff nicht sinnvoll ist, dann muss darüber nachgedacht werden, welche Aufgabe das Schiff dann erfüllen kann. Genauso kann es aber auch dazu kommen, dass Ausbildungsgänge zeitlich verkürzt werden, um die Strapazen der Besatzung so gering wie möglich zu halten, oder auch, dass in Zukunft nicht nur Offiziere, sondern auch Mannschaftsdienstgrade auf dem Schiff ausgebildet werden. - Egal, welche Entscheidung getroffen wird, es wird dann unsere Aufgabe als Paten sein, das Schiff und seine Besatzung bei dieser nötigen Umstrukturierung zu begleiten. Wir wollen jedenfalls keine Denkverbote aussprechen, sondern vielmehr das Schiff auf seinem Weg unterstützen, egal wohin dieser möglicherweise führt.
Auch uns als SSW ist klar, dass die „Gorch Fock“ ein großer Sympathieträger und Botschafter für unser Land ist. Diese Funktion wollen wir auch aufrecht erhalten. Aber heute können wir noch nicht wissen, was die Zukunft bringen wird. Als gute Paten können wir aber auf jeden Fall unsere Unterstützung zusagen, und das machen wir auch mit unserem gemeinsamen Antrag deutlich. Eine große Mehrheit des Landtags steht hinter der „Gorch Fock“.
Bei aller Sorge um die Zukunft des Schiffes darf es aber nicht so sein, dass wir über das möglicherweise Geschehene hinwegsehen. Die Aufklärung aller Vorwürfe muss unverzüglich und rückhaltlos erfolgen. Das ist die eigentliche Hauptaufgabe, erst danach kann man sich Gedanken über die Zukunft des Schiffes machen.
Bei all diesen Gedanken, meine Damen und Herren, möchte ich aber abschließend noch das Wichtigste zum Ausdruck bringen. Unser tiefes Mitgefühl ist bei den Menschen, die Freunde und Angehörige verloren haben, sei es auf der „Gorch Fock“ oder auch andernorts, wo die Bundeswehr tätig ist.