Protocol of the Session on November 20, 2009

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist eine etwas eigenartige Situation, weil die Opposition der Landesregierung glaubt und sie unterstützen möchte. Die die Regierung tragenden Fraktionen sagen: Vorsicht an der Bahnsteigkante!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW - Lachen bei der CDU)

Ich zitiere aus dem „Hamburger Abendblatt“ vom 18. November. Das ist ein Zitat des Ministerpräsidenten: „Wir werden einem Gesetz, das uns belastet, nicht zustimmen.“

Das ist das, bei dem wir der Landesregierung heute den Rücken stärken wollen. Wir wollen sagen: Ja, auch der Landtag sagt und bestätigt noch einmal: Keine Zustimmung Schleswig-Holsteins! Sie stellen sich jetzt hier hin und wollen uns erklären, das würde die Landesregierung bei ihren Verhandlungen behindern. Sie stellen sich hier hin und sagen, es behindert die Landesregierung, wenn der Landtag noch einmal eindeutig sagt: Keine Zustimmung. So eine Erklärung habe ich in 13 Jahren nicht gehört. Immer dann, wenn es darum ging, die Landesregierung im Bundesrat zu stärken, haben wir bis

her noch einmal den Willen des Parlaments deutlich gemacht.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Herr Kubicki, ich kann verstehen, dass Sie eine Mischung aus frustriert, enttäuscht, verlegen oder was weiß ich noch allem sind.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Sie erwecken heute den Eindruck, dass Sie nicht an den Erfolg des Ministerpräsidenten glauben. Sie sagen jetzt: Bloß nicht so einen Beschluss! Nachher heißt es, er hat ihn nicht umgesetzt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage Ihnen heute: Der Beschluss soll eine Stärkung der Landesregierung sein.

(Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Ich glaube daran, dass der Ministerpräsident alles tut, um dieses Gesetz zu verhindern, wenn er das ankündigt. Stärken wir also der Landesregierung den Rücken. Wenn Sie das heute vertagen oder verschieben, dann wird jeder Mensch im Land wissen: Sie ziehen den Schwanz ein, bevor das Gefecht begonnen hat.

(Anhaltender Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Wir fahren trotzdem in der Debatte fort. Das Wort hat Herr Finanzminister Rainer Wiegard.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In jedem Fall ist die Debatte in der neuen Wahlperiode unterhaltsamer geworden, wenn auch nicht unbedingt inhaltlich besser.

(Widerspruch bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

- Herr Kollege, es muss immer aufmerken lassen, wenn man von diesem Pult aus angebrüllt wird. Wissen Sie, wenn hier Wortbeiträge gehalten werden, bei denen man nur angeschrien wird, dann erinnere ich mich immer an ein paar Ratschläge meiner älteren Generation, die da lauten: Pass auf, wenn einer immer schreit, dann will er irgendetwas übertönen! Genau das haben wir heute auch hier wieder erlebt.

(Dr. Christian von Boetticher)

(Beifall bei CDU und FDP - Zurufe von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe im Juli - ich erinnere mich genau, es war der 10. Juli 2009, denn das war mein 60. Geburtstag - im Deutschen Bundesrat für Schleswig-Holstein dem Bürgerentlassungsgesetz nicht zugestimmt - übrigens als Einziger und mit dem Hinweis auf die Auswirkungen auf die Haushaltskonsolidierung für Schleswig-Holstein. Ich warte eigentlich heute noch darauf, wie denn die Bundesländer damit umgehen, die von Sozialdemokraten und Grünen regiert werden. Sie haben freudig erregt zugestimmt. Das ist der Unterschied: Hier Klamauk veranstalten und in Wahrheit im Bundesrat alles durchwinken, das ist die Politik, die Sie verfolgen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Deshalb sage ich Ihnen sehr deutlich: Wir werden uns mit dieser Regierung bei einem ähnlichen Sachverhalt wieder genauso im Bundesrat verhalten. Wenn die Vorschläge keine wachstumsstimulierende Wirkung haben, wenn sie möglicherweise auch keine krisenentschärfende Wirkung enthalten - was ich von einzelnen der vorgelegten Gesetzesvorschläge sehr wohl erwarte -, oder wenn wir keine Kompensation erhalten, die angemessen ist, dann werden wir dem Gesetz nicht zustimmen. Das haben wir dem Bund übrigens mitgeteilt - der Ministerpräsident, der stellvertretende Ministerpräsident, genauso wie die Fraktionsvorsitzenden der CDU und der FDP und auch der Finanzminister. Damit ist die Gefechtslage klar.

Aber einfach zu sagen, wir werden alle Steuervorschläge, die auch im Einzelnen möglicherweise rechnerisch zu Steuermindereinnahmen führen, ablehnen, das ist ein bisschen zu simpel, zu plump und auch ein bisschen zu sehr auf Stimmenfang und öffentliche Wirkung ausgerichtet. Wir brauchen eine intelligentere Steuerpolitik als die, die wir derzeit haben.

(Beifall des Abgeordneter Ulrich Schippels [DIE LINKE])

Nicht jede Steuerentlastung führt zwingend zu Mindereinnahmen. Übrigens führt auch nicht jede Steuererhöhung zwingend immer zu Mehreinnahmen.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Ich wundere mich ein bisschen, mit welcher Intensität hier derzeit unser derzeitiges Steuerrecht verteidigt wird, dass es auf jeden Fall so erhalten bleiben müsse, wie es derzeit ist.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Weitere Zurufe von der SPD)

- Sie schreien ja schon wieder, Frau Heinold!

(Zurufe von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Glocke des Präsidenten)

Die derzeitige Steuergesetzgebung in Deutschland ist nun wahrlich kein Musterbeispiel für Transparenz und Einfachheit.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das sagt doch auch niemand!)

Sie ist kein Musterbeispiel für Leistungsgerechtigkeit und Motivation und schon gar nicht für Wachstumsstimulierung und für Krisenentschärfung. Das ist das, was wir derzeit im Wesentlichen brauchen.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Ansonsten hat mir noch niemand bisher fundiert erklären können, warum wir unbedingt ein Steuerrecht in Deutschland brauchen, für dessen Durchsetzung wir in Schleswig-Holstein 5.000 Steuerbeamte brauchen.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Nein, nein, Frau Heinold.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Zu welchem Tages- ordnungspunkt reden Sie jetzt?)

- Genau zu dem, zu dem Sie hier heute schon zweimal gesprochen haben! Die derzeitigen Steuergesetze enthalten Vorschriften, die wirtschaftliches Wachstum gefährden und die insbesondere die Krisensituation von Unternehmen erheblich verschärfen. Ich erinnere nur an die Regelungen zur Zinsschranke und die Regelungen zu Gewinnhinzurechnungen, die Unternehmen in schwierige Situationen bringen, wenn sie von der Zinslast erdrückt werden und darauf auch noch Steuern zu zahlen haben.

Deshalb haben wir dem Bund mitgeteilt, dass wir dieses Gesetz so nicht akzeptieren werden, aber dass wir die Vorschläge des Bundes sehr sorgfältig prüfen und unsere Entscheidung im Ergebnis am erwarteten Mehrwert für unsere Volkswirtschaft und für unsere Haushalte im Land und in den Gemeinden messen werden. Das wird so sein, das wird so bleiben.

(Beifall bei CDU und FDP)

(Minister Rainer Wiegard)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 17/15 dem Finanzausschuss zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Die Gegenprobe! Enthaltungen? - Damit ist der Antrag mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und SSW an den Finanzausschuss überwiesen worden.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Diesen Tagesordnungspunkt können wir damit abschließen.

Ich möchte noch auf einen Punkt eingehen, der in der Debatte vorkam. Ich halte den Vorwurf „Bilanzfälscher“ für eine unparlamentarische Ausdrucksweise, und ich möchte darum bitten, dass wir dies in Zukunft unterlassen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Herr Kollege Kubicki, wir können uns darüber im Ältestenrat unterhalten. Das sollten wir auch tun. Aber grundsätzlich sollten wir uns alle vor Augen führen, dass es das eine oder andere gibt, was wir im Schleswig-Holsteinischen Landtag auch gemeinsam auf den Weg zu bringen haben.

(Beifall bei SPD, der LINKEN und verein- zelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf: