Protocol of the Session on December 17, 2010

An alle anderen Verantwortlichen: Denken Sie daran, Sie tragen Verantwortung für die nächsten Generationen! Dies ist für die nächsten Generationen eine Chance. Nehmen Sie das Positive dieser Investitionen, nehmen Sie das Positive dieser Infrastrukturmaßnahmen, die einmalig sind, die die gleiche Bedeutung haben wie der Bau des Nord-Ostsee-Kanals vor 120 Jahren! Wenn Sie das verstanden haben, brauchen Sie die Leute nur noch zu unterstützen und ihnen nicht weiter Angst zu machen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Herrn Oppositionsführer und Fraktionsvorsitzenden Dr. Ralf Stegner das Wort.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sowohl als auch! - Tobias Koch [CDU]: Ein klares Sowohl- als-auch!)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Fehmarnbelt-Querung ist in diesem Haus in der Tat schon sehr häufig debattiert worden. Zur Sache selbst ist zu sagen, dass es einen gültigen deutsch-dänischen Staatsvertrag gibt und dass die Finanzierung dieser festen Fehmarnbelt-Querung, wenn sie umgesetzt wird, weitgehend durch das Königreich Dänemark erfolgt.

Sie wissen, dass die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten hier im Haus das europäische Projekt einer festen Fehmarnbelt-Querung als unsere mehrheitliche Auffassung immer offensiv vertreten haben und damit auch in mehrere Wahlkämpfe gezogen sind. Dabei haben wir allerdings auch stets betont, dass die Anliegen der Menschen, die in der Region, also insbesondere auf Fehmarn und in Ostholstein, leben, berücksichtigt werden müssen und dass man darüber mit den betroffenen Bürgerinitiativen und den Menschen im Dialog bleiben muss.

(Hans-Jörn Arp)

Wir wissen alle: Wer Ja oder Nein sagt, riskiert immer den Irrtum. Nur wer dauernd Jein sagt, irrt nie. Man ist aber klug beraten, immer wieder die eigene Position zu überprüfen.

Zweierlei verbietet sich für die SPD hier im Haus: Weder werden wir uns dem Opportunismus verschreiben und als Oppositionspartei genau das Gegenteil dessen fordern, was wir als Regierungspartei und Fraktion für richtig gehalten haben. Das überlassen wir Ihnen. Man hat ja in der Haushaltsdebatte gesehen, wie Sie mit Ihren Versprechungen umgehen. Noch kann gelten, dass bei Großprojekten dieser Art, die über viele, viele Jahre geplant werden, das Augen-zu-und-durch-Prinzip gilt, das heißt, dass man im wahrsten Sinne des Wortes koste es, was es wolle - an früheren Festlegungen festhält, auch wenn sich die Verhältnisse verändern beziehungsweise politische Akteure gegebene Zusagen nicht einhalten.

Deshalb hat meine Landespartei einen umfassenden Fragenkatalog erarbeitet und wird vor dem Hintergrund der Beantwortung dieser Fragen im April 2011 auf unserem Landesparteitag neu über das Thema befinden. Dabei geht es um die Entwicklung der Finanzierungsfragen, übrigens auch mit Blick auf andere elementar wichtige Verkehrsinfrastrukturprojekte wie etwa die A 20. Ich habe noch von niemandem gehört, wie die Elbquerung bei Glückstadt vernünftig finanziert werden soll. Es geht auch um Umweltverträglichkeit, es geht um elementare Interessen der Region.

Wie sieht die Hinterlandanbindung in Qualität und Quantität aus? Bekommen wir eine Eisenbahnverbindung, die sich auf dem Niveau Bulgariens befindet? Was ist mit dem Tourismus, dieser für unser Land so existenziell wichtigen Branche? Wie geht es mit der Entwicklung des Lübecker Hafens weiter? Was ist mit den Arbeitsplätzen in der Region? Wie werden die Forderungen, die an Berlin und Kiel zu richten sind, umgesetzt, beziehungsweise was ist aus den konkreten Zusagen geworden?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich werde Anfang Februar mit einer Delegation nach Kopenhagen reisen, um die dänische Perspektive auf diese Fragen aus erster Hand zu erfahren und zu hören, ob es dort Veränderungen in der Einschätzung gegeben hat.

Richtig ist aber auch, dass die Bevölkerung in der Region Anspruch darauf hat, von der Bundes- und Landesregierung nicht abgespeist zu werden. Dass Ihnen der ernsthafte Willen zum Dialog fehlt, egal

was Sie hier ständig betonen, sieht man an zwei Dingen: Wenn Sie das Schreiben von Herrn Ramsauer lesen, das er gerade an die Region gerichtet hat, ist das das glatte Gegenteil dessen, was die Bundeskanzlerin dort zugesagt hat. Auch der sogenannte ernsthafte Dialog, den diese Landesregierung angeblich pflegt - der Minister hat das wieder gesagt -, ist einer, der entweder im kleinen Kreis hinter verschlossenen Türen stattfindet oder in komplizierten Raumordnungsverfahren, aber jedenfalls nicht so, dass ihn die Beteiligten als befriedigend empfinden würden. Das kann man hören, egal mit wem man dort spricht.

Herr Kollege Arp, Ihre Behauptung war eine Frechheit. Die SPD hat das von Anfang an getan, wahrscheinlich als einzige Partei regelmäßig, jedenfalls anders, als Ihre Partei mit den Betroffenen umgeht.

Sehr verehrter Herr Kollege Arp, was die Interessen angeht, hätten Sie sich nicht so aufplustern sollen. Wie Sie Interessenvertretung verstehen, kann man in bundesweiten Magazinen lesen. Sie sollten vielleicht einmal in Ruhe bei einem Malteser nachdenken, ob es richtig ist, was Sie so machen, und ob das diesem Landtag und Ihrer Fraktion zur Ehre gereicht, was man über Sie lesen kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Lehre aus Stuttgart 21 ist für mich nicht, dass wir das Ja oder Nein der Fehmarnbelt-Querung debattieren. So habe ich meinen Moderationsvorschlag nicht gemeint, denn die Entscheidung fällt nicht in Kiel. Es geht vielmehr darum, dass frühzeitig, also zu einem Zeitpunkt, wo man Dinge noch verändern kann, Regionsinteressen so öffentlich formuliert werden, dass Druck entsteht. Nur so werden Fehmarn und Ostholstein nicht weiter ignoriert werden können, wie das gegenwärtig in Kiel und Berlin offenkundig geschieht, jedenfalls dann, wenn man in Haushaltspläne guckt und konkrete Entscheidungen nachvollzieht. Das ist etwas, was Stuttgart erreicht hat, dass die offenkundig willens sind, für die Interessen der Bevölkerung eine Menge mehr zu investieren. Ich höre keine konkreten Zusagen der Deutschen Bahn bezogen auf das, was man da gesagt hat. Die Menschen brauchen keine warmen Worte, sondern sie wollen Taten sehen.

Ich habe den Vorschlag mit der Moderation deswegen gemacht, damit man überparteilich in der Lage ist, die Interessen öffentlich so zu formulieren, dass das auch gehört wird.

Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass aus der festen Fehmarnbelt-Querung - egal, ob sie kommt oder nicht, und auch unabhängig davon, welche

(Dr. Ralf Stegner)

Partei welche Position dazu hat oder verändert -, kein gesellschaftlicher Großkonflikt wird, wie wir ihn anderswo erleben. Das wäre weder gut für Schleswig-Holstein noch für Dänemark. Das gilt übrigens gleichgültig, wer nach der nächsten Landtagswahl hier die Regierungsverantwortung trägt.

Die Frage, was mit den Interessen der Region passiert, beschäftigt die Menschen am meisten. Dazu wollen sie konkret gehört werden, darüber wollen sie konkret reden und nicht in Verfahren, die keiner durchschaut. Wenn alles, was Sie so machen, so wunderbar wäre, würde es ja niemanden geben, der sich permanent darüber beklagt, dass er nicht ordentlich angehört wird.

Wir schauen uns das an. Entschieden wird das nicht in diesem Haus, sondern anderswo. Aber was wir mit entscheiden können, ist, wie die Menschen mit ihren berechtigten Anliegen in Ostholstein und auf Fehmarn mitgenommen werden. Dafür werden jedenfalls wir Sorge tragen.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Christopher Vogt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich danke dem Herrn Minister ebenfalls für seinen Bericht, den wir für diese Sitzung beantragt hatten. Uns ist auch bei diesem Projekt die ständige Begleitung durch den Landtag wichtig.

Nun werden auch schon entscheidende Fortschritte sichtbar. Die Kosten für den Bau werden deutlich, und das Projekt nimmt langsam Form an. Es ist nun klar, dass es einen Absenktunnel geben soll, und zwar auf deutscher Seite mit einer Einfahrt, die östlich von Puttgarden liegt.

Die feste Fehmarnbelt-Querung hat eine große Bedeutung für Schleswig-Holstein. Sie ist mehr als ein regionales Projekt, sie hat eine europäische Bedeutung. Das sollten wir uns auch immer wieder vor Augen führen. Sie bietet große Chancen für Schleswig-Holstein, die wir auf jeden Fall nutzen sollten.

Das beginnt schon während der Bauphase. Die Stadt Lübeck hat sehr gute Chancen, als Bauhafen wirtschaftlich davon zu profitieren. Mehrere Hundert Arbeitsplätze könnten dort schon in den nächsten Jahren geschaffen werden.

Wir sind jetzt wirklich an einem Punkt angekommen, an dem wir nicht mehr über das Ob, sondern über das Wie reden. Auf deutscher Seite sind wir lediglich für den Bau der Hinterlandanbindung zuständig, wobei der Ausbau der B 207 weniger auf Interesse stößt als der Ausbau der Schienen, die Trassenführung.

Das Raumordnungsverfahren nimmt bei der Suche nach der besten Lösung für den Schienenverkehr, für die Menschen in der Region, die Umwelt und den Tourismus eine wichtige Rolle ein. Die Signale aus Berlin sind positiv. Auch die Betroffenheitsanalyse - die wurde hier noch gar nicht angesprochen - in Ostholstein ist ein wichtiges Instrument, um die Transparenz und die Einbindung der unterschiedlichen Interessen zu gewährleisten.

Herr Stegner, ich habe Ihren Gastbeitrag am 5. Dezember 2010 im „sh:z“ sehr aufmerksam gelesen. Ich teile zum Großteil Ihre Einschätzung, dass die politisch Verantwortlichen aus den Stuttgarter Ereignissen und der offensichtlich zunehmenden Kritik an Großprojekten jeglicher Art lernen müssen. Was ich jedoch nicht teile, ist Ihre konkrete Schlussfolgerung, dass man bei der Beltquerung nun eine Art Schlichtung wie in Stuttgart mit zwei Schlichtern, am besten - so haben Sie es vorgeschlagen - zwei altgedienten Politikern von CDU und SPD, von den zwei Volksparteien, durchführen sollte. Einmal abgesehen davon, dass man auch darüber streiten kann, ob die SPD noch eine Volkspartei ist, darum geht es jetzt gar nicht.

(Widerspruch bei der SPD)

- Ja, das ist eine offene Frage, die man auch diskutieren kann.

(Zurufe von der SPD)

- Ich habe jetzt nicht von uns gesprochen, sondern von der SPD. Sie sollten sich das auch einmal zu Gemüte führen. Wenn man solche leicht anmaßenden Vorschläge macht, sollte man auch darüber einmal nachdenken.

Zurück zum Thema! Liebe Freunde der Sozialdemokratie, ich finde Ihren Vorschlag in der konkreten Form derzeit wenig zielführend und nur schwer umsetzbar. Ich weiß auch nicht, ob Sie mit diesem Vorschlag Herrn Jansen einen Gefallen getan haben, indem Sie seinen Namen schon in die Diskussion gebracht haben. Ich möchte auch den Kollegen Schröder gar nicht in die Diskussion einbeziehen. Er ist ein sehr weiser Wirtschaftsausschussvorsitzender, und er macht das hervorragend. Er hat insofern eine wichtige Aufgabe.

(Dr. Ralf Stegner)

(Vereinzelter Beifall bei FDP und CDU)

Wenn man dies diskutiert, muss man sich zunächst erst einmal die folgenden Fragen stellen: Was genau soll denn jetzt eigentlich geschlichtet werden? Und vor allen Dingen, zwischen wem soll geschlichtet werden? Was wird durch die bisherigen Foren und Beteiligungsmöglichkeiten nicht gewährleistet? - Das sind ja nicht ganz unwesentliche Fragen, die man zunächst konkret beantworten muss, bevor man Vorschläge macht.

Auch die Grünen in diesem Haus sind für eine Schlichtung nach Stuttgarter Vorbild. Das finde ich ziemlich scheinheilig, wenn man gleichzeitig sagt, eigentlich wolle man das Projekt überhaupt nicht haben. Ich weiß nicht, was da noch eine Schlichtung soll. Wir haben ja in Stuttgart gesehen, wo Sie auch eine Schlichtung gefordert haben, dass Sie sich dann an den Schlichterspruch, das Ergebnis der Schlichtung, in keiner Weise halten. Deshalb finde ich es wirklich scheinheilig, wenn man hier eine Schlichtung fordert.

(Beifall bei FDP und CDU)

Insofern nehme ich Ihnen diesen konstruktiven Vorschlag auch nicht ab. Ich glaube eher, Sie brauchen ein neues Demo-Projekt im Norden. Die A 20 zieht bei den Kritikern nicht mehr so, deshalb brauchen Sie jetzt die feste Fehmarnbelt-Querung als zweites Stuttgart 21, was sie definitiv nicht ist.

Meine Damen und Herren, wir stehen für ein transparentes Verfahren bei der Planung und beim Bau der festen Fehmarnbelt-Querung und der Hinterlandanbindung. Wir stehen in einem konstruktiven und in einem sachlichen Dialog mit dem Aktionsbündnis, Herr Stegner. Da gibt es Leute, die sich seit Jahren mit diesem Projekt beschäftigen und sehr fundierte Kritik äußern. Auch damit setzen wir uns auseinander, das nehmen wir sehr ernst. Aber Akzeptanz beim Bürger entsteht durch eine breite Diskussion und Transparenz der Verfahren. Ich bin der Meinung, das ist bisher gegeben gewesen.

Wie gesagt, Sie haben zu Recht angemerkt, dass man seine Meinung auch einmal überdenken und zu anderen Schlüssen kommen kann. Ich bin derzeit aber nicht der Meinung, dass das hier notwendig ist. Ich bin der Meinung, wir sollten die Chancen der Fehmarnbelt-Querung nutzen, wir sollten einen breiten Dialog führen. Über die Frage, wie das passieren soll, können wir uns gern weiter unterhalten. Ich bin aber davon überzeugt, dass dieses Projekt für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land wirtschaftlich große Vorteile bringen wird.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Dr. Andreas Tietze das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir können tatsächlich nach Stuttgart 21 nicht so tun, als wenn es einfach so weiterginge. Wir haben bei Stuttgart 21 eine beispielhafte Transparenz erlebt. Die Übertragung der Schlichtung war Quotensieger bei „Phoenix“, wir alle wurden zu Bahnhofsund Fahrplanexperten.

Willy Brandt hat einmal gesagt: „Mehr Demokratie wagen“, ich ergänze das: Mehr Transparenz wagen! Wir brauchen gerade bei Großprojekten diese Transparenz. Wir müssen die Bürgerinnen und Bürger mitnehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Sie machen die gleichen Fehler wie Ihre Kollegen in Baden-Württemberg. Die FDP schließt sich dem an. Es gibt nach wie vor keine Transparenz in der Kostenfrage. Ein „Weiter so!“ nach den gesellschaftspolitischen Erfahrungen, die wir mit Stuttgart 21 gemacht haben, ist ein schwerer politischer Fehler.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)