Es geht um eine Bewusstseinsveränderung in unserer aller Köpfe. Dies geht nur gemeinsam und fraktionsübergreifend. Deswegen ist dies ein guter Schritt. Es geht aber auch nur gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen.
Auch wenn es mir persönlich nach den Haushaltsberatungen und der letztjährigen Debatte zur Mitbestimmung, die ich gerade erwähnt habe, sehr schwerfällt, müssen wir gemeinsam nach vorn schauen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch wir werden dieses Gesetz nicht schlechtreden. In einen Jubel darüber, dies sei ein guter Schritt für Schleswig-Holstein oder gar ein Weihnachtsgeschenk, werden wir aber nicht eintreten. Wir meinen, dass mit der Neufassung des Artikels 6 a der Landesverfassung Schleswig-Holstein noch nicht zu einem kinderfreundlichen Land wird.
Für uns ist dies lediglich ein kleiner Schritt dorthin. DIE LINKE hat den mühseligen Prozess begleitet, an dessen Ende der Kompromiss steht, der dem
Landtag heute zur Abstimmung vorliegt. DIE LINKE hat diesen Schritt immer anerkannt. Wir haben aber auch immer gesagt, und dabei bleiben wir: Dieser Schritt ist für uns zu kurz.
Die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention bedeutet für uns: Wir wollen nachprüfbare und einklagbare Rechtsansprüche für Kinder in der Landesverfassung.
Wir wollen eines ausdrückliche Verpflichtung von Land, Kreisen und Gemeinden, um Kinder vor Armut und Ausbeutung zu schützen.
Das war der Grund für unseren Änderungsantrag, an dem wir festhalten. Wir sind aber auch Realisten, meine Damen und Herren,
Die Volksinitiative „Kinderrechte stärken - Armut bekämpfen“ hat die Initiative zur Verfassungsänderung ergriffen. Wir bedanken uns heute noch einmal ausdrücklich dafür, dass Sie diese Volksinitiative angestoßen haben und sich dafür eingesetzt haben, dass Schleswig-Holstein ein kinderfreundliches Land wird. Wir danken Ihnen, dass Sie sich gerade für die Kinder, die von Armut betroffen sind, eingesetzt haben.
Sie haben dafür 30.000 Unterschriften gesammelt. Sie haben außerdem - das ist für uns ganz wichtig den erreichten Kompromiss als Fortschritt begrüßt. Wir respektieren dieses Votum und werden die Änderung der Verfassung heute mittragen, meine Damen und Herren.
Das Kinderhilfswerk hat die Elemente aufgezählt, die auch wir gern in der Verfassung verankert sehen würden. Das Kinderhilfswerk plädiert für einen Vorrang des Kindeswohls bei allen Kinder betreffenden Entscheidungen, für das Recht des Kindes auf Anerkennung als eigenständige Persönlichkeit, für das Recht des Kindes auf Bildung, Entwicklung und Entfaltung, für ein Recht des Kindes auf Schutz, auf Förderung und auf einen angemessenen Lebensstandard, für ein Recht des Kindes auf Beteiligung sowie eine Verpflichtung des Staates, für kindergerechte Lebensbedingungen Sorge zu tragen.
Wir wissen aber auch, dass es nur ein kleiner Teil der Aufgabe ist, die rechtlichen Grundlagen dafür festzuschreiben. Der Punkt ist es, diese Grundsätze in der Lebenswirklichkeit aller Kinder umzusetzen. Die aktuellen Probleme heißen jedoch in Schleswig-Holstein weiterhin: Kinderarmut, Fälle von Vernachlässigung, ungleich verteilte Bildungschancen. Unverändert ist es so, dass jedes dritte Kind in Schleswig-Holstein von Kinderarmut betroffen ist. Der Kampf gegen Kinderarmut und für die Zukunft von Kindern aus armen Familien bleibt also eine dringend Notwendigkeit.
Wir werden uns doch hoffentlich nicht einbilden, mit den neu ermittelten Kinderregelsätzen, die die alten Regelsätze plus Bildungspaket sind, sei dieser Kampf erledigt.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit noch einmal daran erinnern, dass sich die Kinderarmut in den vergangenen fünf Jahren, also in der Ära Hartz IV, kein Stück verbessert hat, meine Damen und Herren. Die Haushaltsbeschlüsse von Mittwoch lassen befürchten, dass weitere Aktivitäten gegen Kinderarmut, soweit sie Geld kosten, für die kommenden zehn Jahre aufs Eis gelegt wurden. Die betroffenen Kinder können nicht warten, bis endlich Ihre Schuldenbremse die Entwicklung des Landes zum völligen Stillstand gebracht hat.
Was die Chancen von Kindern und ihre Zukunft angeht, fahren an jenem Tag die Züge ab, meine Damen und Herren. Der nächste Generationenzug ist hier im Landtag auch schon im Verfahren. Ich spreche davon, die verpflichtende Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in der Gemeindeordnung des Landes zu belassen und zu verbessern,
obwohl auch die jetzige Regelung schon von vielen Seiten als vorbildlich angesehen wird, aber, wie schon gesagt, es ist hier noch viel zu tun, um die Beteiligungsrechte auszubauen.
Es passt überhaupt nichts ins Bild, diese Regelung ohne jede Not aufzugeben. Damit ergibt sich schon die nächste Gelegenheit hier im Landtag im nächsten Jahr zu zeigen, wie ernst wir es mit der Landesverfassung nehmen wollen.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich denke, wir sind uns mittlerweile alle einig: Die Aufnahme von Kinderrechten in unsere Verfassung war überfällig. Auch wenn wir Kritik am Verfahren geübt und uns konkretere Formulierungen gewünscht haben, ist die Aufnahme der Kinderrechte ein positives Signal.
Ich möchte mich auch an dieser Stelle bei der Volksinitiative und bei anderen Akteuren für den Einsatz und auch die Geduld bedanken. Uns muss aber eines klar sein: Damit ist es noch lange nicht getan. Die Klarstellung, dass Kinder Träger von Rechten sind, verbessert ihre Situation in der Realität kaum. Nicht zuletzt deshalb weist ja auch das Kinderhilfswerk in seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf darauf hin, dass weitere Schritte nötig sind, um tatsächlich kindgerechte Lebensverhältnisse zu schaffen und zu erhalten. Hier ist die Landespolitik nach wie vor gefragt.
Wir dürfen uns nicht von der wichtigen Aufgabe, Schleswig-Holstein in Zukunft kinderfreundlicher zu machen, verabschieden.
Auch die schwierige finanzielle Lage des Landes kann nicht als Vorwand dafür dienen, es nun einfach bei dieser Verfassungsänderung zu belassen. Wir stehen ganz einfach in der Verantwortung, wenn es beispielsweise um die Sicherung von Beteiligungsrechten oder um die Herstellung von gleichen Bildungschancen für Kinder und Jugendliche in unserem Land geht. Ob dafür weitere Verfassungsänderungen nötig sind, wie von einigen Beteiligten ja gefordert wird, ist hier und heute nicht das Entscheidende. In erster Linie geht es um den Erhalt und um die Verbesserung bestehender Regelungen, die im Sinne der Kinder in unserem Land sind.
Dabei geht es mir unter anderem um die Diskussion über die Gemeinde- und Amtsordnung im Rahmen der Regionalkonferenzen des Innenministeriums. Der SSW hat hierzu ja schon angemerkt, dass wir es als ein sehr ernstes Problem ansehen, wenn im Namen von Entbürokratisierung und Einsparun
gen die Beteiligungsrechte der Kinder verringert werden sollen. Dabei müssen wir uns klar machen, dass es hier um nicht weniger als die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft geht. Diese erhalten wir nur, wenn wir das politische und gesellschaftliche Engagement junger Menschen früh wecken und fördern. Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Am Recht der Kinder und Jugendlichen zur Mitsprache bei politischen Fragen, die ihren Alltag betreffen, darf nicht gerüttelt werden.
Weiterte Beteiligungsmöglichkeiten und damit eine lebendigere Demokratie sind ein Gewinn für uns alle und nicht etwa ein sinnloser Aufbau von Bürokratie.
Auch das Recht der Kinder auf Bildung haben wir für die Zukunft in unsere Verfassung geschrieben. Der SSW verbindet damit die Erwartung, dass dies ohne Unterschied für alle Kinder gilt, um ihnen damit auch die gleichen Lebenschancen zu geben. Ich sage das deshalb, weil wir uns von diesem Ziel mit dem gerade beschlossenen Haushalt leider weiter entfernt haben.
Die Bildungschancen in Schleswig-Holstein hängen immer noch viel zu stark vom Einkommen der Eltern ab. Dafür, daran etwas zu ändern, hat die Landesregierung offenbar keine besonders hohe Priorität gesetzt.
Selbstverständlich begrüßt auch der SSW die Beschlüsse, die frühkindliche Bildung durch den Ausbau der Betreuungsangebote zu stärken. Um aber allen Kindern annähernd gleiche Startchancen zu geben, ist es dringend notwendig, den Besuch der Kita auch für ärmere Kinder zu ermöglichen.
Die Abschaffung des beitragsfreien Kita-Jahres halte ich deshalb für einen schweren Fehler, der so schnell wie möglich korrigiert werden muss.
Auch die Streichung der Zuschüsse für die Schülerbeförderung zeigt, dass wir weit davon entfernt sind, allen Kindern die gleichen Chancen zu geben.