Protocol of the Session on December 16, 2010

(Zurufe)

- Ach, das haben Sie nicht gelesen? Gut, das hatte ich angesichts des Antrages auch schon vermutet.

Frau Kollegin Hinrichsen, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Eichstädt?

Frau Kollegin Hinrichsen, habe ich Sie eben richtig verstanden, dass Sie unserem Gesetzentwurf zustimmen würden, wenn wir auf 34 Wahlkreise gehen würden?

(Heiterkeit bei SPD und CDU)

- Nein. Darauf komme ich gleich noch einmal. Ich wollte sozusagen nur einmal die Rechenkünste vorführen.

Sie müssten dann auch zugestehen, dass der Landtag erheblich größer wird, das bedeutet nämlich, die Zahl 35 mal 3 zu nehmen. Wenn das wirklich in der Landesverfassung auch drin stehen würde, dann würden 35 Wahlkreise passen.

(Werner Kalinka [CDU]: Nein! Das ist der Worst Case!)

Dann habe ich kein Problem mit der Zahl.

(Anke Erdmann)

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber - wie gesagt - ehrlich wäre es, gleich im Landeswahlgesetz zu sagen, so groß soll der Landtag sein, ein Drittel bis x gehört ungefähr dazu, da es Direktwahlkreise gibt.

Herr Callsen, ich möchte noch einmal ganz kurz darauf zurückkommen. Ich schlage vor, dass Sie das Urteil noch einmal lesen. Dort steht drin, dass die Abweichung im Moment bei den Wahlkreisen 44 % beträgt - das ist der Wahlkreis Husum-Land und ein Wahlkreis im südlichen Landesteil. Das Landesverfassungsgericht hat wirklich ausgeführt, dass die Abweichung höchstens 15 % betragen darf, sodass es insgesamt höchstens 30 % werden. Das steht so in dem Urteil drin.

(Vereinzelter Beifall bei SSW und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Das entnehme ich Ihren Anträgen nicht. Sie haben mir aber gerade vorhin erklärt, Sie hätten sich genau an das Urteil gehalten.

Ein Weiteres. Ich habe nichts dagegen, wenn jetzt ehrlicherweise diejenigen, die für 35 Wahlkreise eintreten, dann auch sagen, wie groß das Parlament werden soll.

Frau Kollegin Hinrichsen, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Callsen?

Sehr geehrte Frau Kollegin Hinrichsen, wenn Sie wie ich das Urteil aufmerksam gelesen haben, geben Sie mir recht, dass das Landesverfassungsgericht die Frage der 15-prozentigen Abweichung nicht in dem Urteil selber und in den Vorgaben, sondern in den Überlegungen aufgeführt hat, wie man möglicherweise unter welchen Rahmenbedingungen zu einem neuen Wahlrecht kommen kann?

- Ich denke, der Kollege Kubicki wird Ihnen erklären, wie man ein Urteil und auch die Maßgaben liest, die dort drin stehen. Das können Sie nachher vielleicht noch einmal untereinander klären.

(Vereinzelter Beifall beim SSW)

Ich würde gern noch einmal ganz kurz Folgendes sagen: Herr Dr. Borchert, Bund der Steuerzahler,

hat in der neusten Zeitschrift des Bundes der Steuerzahler hinsichtlich der Wahlkreise ausgeführt - eine höchst interessante Geschichte -:

„Das Problem für karriereinteressierte Politiker: Eine große Zahl von Überhang- und damit Ausgleichsmandaten lässt sich nur verhindern, wenn der Anteil der Direktmandate an der gesamten Sitzzahl des Landtages deutlich verringert wird. Nur bei höchstens 25 bis 30 Direktmandaten könnte man Überhangmandate einigermaßen sicher ausschließen.“

Frau Kollegin, Sie müssen leider zum Schluss kommen. Gleichzeitig frage ich Sie, ob Sie dennoch eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Dolgner zulassen.

Ja, sehr gern. - Dann Herr Kalinka auch noch? Gern, ja. Aber erst ist einmal Herr Dr. Dolgner dran.

Liebe Frau Kollegin Hinrichsen, erinnern Sie sich mit mir zusammen auch an die Aussage des von Ihnen als Experten zitierten Herrn Dr. Borchert, dass der ideale Landtag ein ehrenamtlicher Landtag mit 51 Abgeordneten wäre?

- Das ist total richtig. Ich kann Ihnen nur Recht geben, ich kann sicherlich den weiteren Thesen des Kollegen Dr. Borchert nicht folgen. Er hat 51 Abgeordnete vorgeschlagen.

In dem Zusammenhang ist aber noch eines wichtig, dazu wollte ich Folgendes weiter zitieren:

„Zur Umsetzung müssen die Parteien über ihren Schatten springen: Denn nach wie vor ist die Aufstellung der Landesliste mit der Vergabe der aussichtsreichsten Plätze sowie die Kandidatenaufstellung für die Direktwahlkreise ein attraktives Instrument der Parteien, um unmittelbar Einfluss auf die Zusammensetzung des Landtages zu nehmen.“

Das sagt Herr Dr. Borchert auch, aber darüber reden wir nicht.

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss! Es tut mir leid, aber Ihre Redezeit ist weit überschritten.

(Silke Hinrichsen)

Okay. Ja. Der letzte Satz geht nur noch dahin: Herrn Dr. Borcherts Theorien schließe ich mich nicht vollständig an, seine Aussagen in diesem Artikel sind nur deshalb so spannend, weil er auch auf das Urteil verweist und sagt, daran müssten wir uns halten.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Ralf Stegner das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich drei Bemerkungen machen. Man wird ja gelegentlich für Dinge kritisiert, die man gar nicht so gesagt hat. Hier hat kein Mensch gesagt, dass Wahlkreisabgeordnete mehr wert seien als solche, die auf Listen kandiert haben. Das hat niemand gesagt. Als jemand, der seinen Wahlkreis gar nicht gewonnen hat, aber dennoch Wahlkreisabgeordneter ist, kann ich Ihnen sagen: Da kommen Menschen in die Bürgersprechstunde - in einem sehr ländlichen und großen Wahlkreis -, die bestimmte Dinge wissen wollen, die darüber reden und ihre Anliegen vortragen wollen. In einem Flächenland wie Schleswig-Holstein ist es gut, wenn wir nicht zu wenig Wahlkreise haben, damit sie das auch tatsächlich können. Der Bund der Steuerzahler kommt nicht in meine Sprechstunde, er hat ein ganz anderes Demokratieverständnis, jedenfalls ein anderes als das, was für uns gilt. Das ist das Erste, was ich Ihnen gern sagen wollte. Da geht es auch um Bürgernähe.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens, liebe Frau Kollegin Erdmann, Sie haben bei Ihrer Frage, die Sie Herrn Eichstädt vorhin gestellt haben, übersehen, dass es eine einleitende Bemerkung gewesen ist - jedenfalls für die Sozialdemokratie -, dass wir einräumen, Fehler bei der Erstellung des Wahlgesetzes gemacht zu haben. Als ich Sie und vor allen Dingen auch die Rede Ihres Fraktionsvorsitzenden gehört habe, habe ich mich daran erinnert, dass es einen sehr schönen Spruch von Horaz gibt. Der sagt nämlich: Wenn wir selbst fehlerfrei wären, würde es uns nicht so viel Vergnügen bereiten, sie an anderen festzustellen. Das ist genau der Punkt, der einem einfällt, wenn man Sie dazu reden hört. Ich finde, man muss auch bereit

sein, einmal ein Stück weit darüber zu reden, dass es in der Tat unterschiedliche Punkte gibt.

Das Dritte, was ich gern sagen möchte, wenn ich die ganze Debatte und einen Teil der Untertöne höre, ist: Es heißt in Artikel 21 des Grundgesetzes: Die Parteien wirken bei der Willensbildung des Volkes mit.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Ich muss Ihnen als Vertreter einer Partei, die die älteste demokratische Partei in Deutschland ist, sagen, natürlich habe ich hohen Respekt vor Bürgerbewegungen und vielen anderem - darüber reden wir auch -, aber ich finde, es ist auch ein Problem, wenn wir nicht einen Beitrag dazu leisten, dass die Parteien, die im Übrigen Bestandteil einer stabilen Demokratie sind, auch wieder stärker werden und wir die Antiparteienreflexe hier weiter verstärken.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Wir dürfen nicht so tun, als seien Parteien etwas Schlechtes. Ich bin wirklich jemand, der als Parteivorsitzender vielleicht auch in Ihrem Sinne Freude daran haben mag, Wahllisten mit aufzustellen, aber der Kern ist wirklich etwas anderes. Parteien und die Menschen, die ehrenamtlich in den Parteien arbeiten, wirken genauso daran mit, dass wir ein demokratisches Gemeinwesen habe wie die, die sich in der Kultur, im Sozialen, in den Kirchen, in den Verbänden oder anderswo engagieren. Sie bekommen dafür nur nie Lob. Wir tun uns nichts Gutes, wenn wir diesem Antiparteienreflex hier auch noch Nahrung geben, sondern wir sollten etwas dafür tun, dass unsere Parteien besser werden.

Wir bemühen uns übrigens auch um innerparteiliche Demokratie. Darauf bin ich stolz, dass wir so etwas machen. Wir sollten aber nicht so tun, als ob Parteien etwas Schlechtes wären. Damit tun wir letztlich - wenn das die Untertöne sind, die immer wieder rauskommen der Demokratie etwas Schlechtes. Es ist uns völlig egal, um welche demokratische Partei es hier geht, das will ich ausdrücklich sagen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Parteien wirken an der Willensbildung des Volkes mit, das müssen sie auch können. Wir sollten uns da ein bisschen mäßigen, was die Debatte zu dieser Frage angeht. Parteien sind übrigens auch kompromissfähig. Das wird sich hier im Landtag auch zeigen.

Ich wünsche mir, dass alle Parteien wieder stärker werden, jedenfalls die demokratischen. Das wäre gut für das Gemeinwesen. Wir dürfen nicht so tun, als wären sie eigentlich das Problem. Das Problem sind nicht die Parteien, sondern das Problem ist, dass sich zu wenig Menschen engagieren und zu wenig Menschen wählen gehen, und dass wir so tun, als wäre es etwas Schlechtes, Partei zu ergreifen, denn das ist etwas Gutes in einer Demokratie.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)