Meine Damen und Herren von den LINKEN, ich weiß, dass Sie versuchen, hier den Anschein zu erwecken, Sie seien ganz besonders sozial.
- Ja, Sie wollen das vielleicht. Sie würden aber mit den Maßnahmen, die Sie vorschlagen, genau das Gegenteil von dem bewirken, was Sie möglicherweise haben wollen, ganz bestimmt. Mit Ihren Vorschlägen setzen Sie das Prinzip der Solidarität außer Kraft. Ich will Ihnen ganz deutlich sagen, warum das so ist. Das Solidarprinzip bedeutet: Wer Hilfe braucht, der soll und muss sie bekommen, und zwar ohne Wenn und Aber. Herr Stegner, das mögen Sie twittern oder es sein lassen. Das So
lidarprinzip bedeutet auch, dass Gruppen nicht wechselseitig gegeneinander ausgespielt werden, sondern dass Menschen, die hart arbeiten und mit ihrer Arbeit die Finanzierung von Transferleistungen sicherstellen, einen Anspruch darauf haben, dass sich Bezieher von Sozialleistungen natürlich so gut wie möglich bemühen, aus der Abhängigkeit von Sozialleistungen auch wieder herauszukommen.
Das ist übrigens genau das, was die überragende Mehrzahl der Menschen, die auf solche Leistungen angewiesen ist, will. Sie möchten die Unterstützung der Gemeinschaft, damit sie sich selbst wieder aus einer Situation heraushelfen können, sodass sie so kurz wie möglich in dieser Situation verweilen. Das ist unsere Aufgabe. Es ist nicht unsere Aufgabe, hier schöne Sonntagsreden zu halten.
Insgesamt will ich Ihnen sagen, dass das, was die Bundesarbeits- und Sozialministerin an Regelungen vorgelegt hat, ein einmaliger Erfolg für Kinder und Jugendliche in Deutschland ist.
- Es ist schön, dass Sie sich über zusätzliche Leistungen in Höhe von 620 Millionen € lustig machen, Herr Dr. Stegner. Ich tue das nicht. Ich glaube, dass wir einen ersten richtigen und wichtigen Schritt getan haben, um die Teilhabechancen von benachteiligten Kindern und Jugendlichen zu verbessern. Wenn Sie das lächerlich finden, dann ist das Ihre Sache. Ich finde das nicht lächerlich. Unser Job ist es jetzt, dafür zu sorgen, dass das umgesetzt werden kann, damit es bei den Kindern und Jugendlichen ankommt.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat ihre Redezeit um fünf Minuten überschritten. Wir haben im Moment noch fünf weitere Wortmeldungen. Sind Sie damit einverstanden, dass ich diese als Dreiminutenbeiträge aufrufe, oder wollen wir anfangen, alle Zeiten für die Fraktionen neu zuzuteilen? - Okay, wir verfahren so, aber ich wollte das geklärt haben.
Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Herrn Kollegen Wolfgang Baasch von der SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das, was Herr Minister Garg eben als alternativlos dargestellt hat, bedarf natürlich der Kommentierung und der Richtigstellung, weil es nicht alternativlos ist. Ich glaube auch nicht, dass jemand ernsthaft behaupten würde, dass Politik alternativlos sei. Wenn man sich ernsthaft anschaut, wie transparent die Bemessung der Regelsätze ist, dann sagen einem sogar Forscher beziehungsweise Wissenschaftler: Knapp gerechnet, der neue Hartz-IV-Satz beruht auf fragwürdigen Berechnungen. Das belegen sie.
Das sind keine Sozialdemokraten. Das sind Vertreter von Wohlfahrtsverbänden, die so etwas herausfinden, das sind Vertreter von Gewerkschaften. Sie belegen das zum Beispiel damit, dass man einfach die Referenzgruppen verändert hat. Man nimmt nicht mehr die untersten 20 % derjenigen Alleinstehenden, um das durchschnittliche Einkommen zu berechnen, sondern nur noch die untersten 15 %. Die Folge davon ist natürlich, dass das Durchschnittseinkommen sinkt und dass damit natürlich auch die Regelsätze niedrig bleiben. Wenn man wie früher - bei der Berechnung auf der Grundlage von 20 % geblieben wäre, hätte man andere Ergebnisse bekommen. Das ist ein Stück weit eine willkürliche Entscheidung. Man hätte auch anders reagieren können.
Ein zweiter Punkt: Wenn es darum geht, die zeitliche Folge zu dramatisieren, dann kann das in der Umsetzung schwierig werden, wenn das Gesetz der Bundesregierung im Bundesrat scheitert und wenn der Vermittlungsausschuss vielleicht erst im Januar oder Februar zu einem Ergebnis kommt. Dann wird man sich etwas einfallen lassen müssen. Ich frage nur: Wer hat die Zeit verdaddelt? Wer hat in der Zeit nichts getan? - Das war die Bundessozialministerin von der Leyen, die nichts getan hat. Sie hat uns den ganzen Sommer über Bildungschipkarten erklärt, statt die Gespräche mit den Kommunen über die Umsetzung zu suchen. Man hat keine Gespräche zur Umsetzung geführt. Das kommt jetzt alles. Warum hat sie sie nicht geführt? - Weil sie die Kommunen gar nicht beteiligen wollte. Sie hat einseitig und immer nur auf die Jobcenter gesetzt.
Hier sage ich Ihnen ganz deutlich: Wer in Zukunft die Experten für Jugendhilfe in den Jobcentern sieht, der begeht einen großen Fehler. Es ist falsch. Es ist schön: Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, wenn es darum geht, Regelsätze zu berechnen. Kinder sind aber auch keine kleinen Arbeitslosen,
Soll in Zukunft der Mitarbeiter des Arbeitsamtes oder der ARGE entscheiden können, welchen Bedarf zum Beispiel eine Familie hat, wenn es Erziehungsschwierigkeiten oder plötzliche Probleme in der sozialen Struktur der Familie gibt? - Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Das ist also der völlig falsche Weg. Deshalb ist es richtig, dort Alternativen zu prüfen, Alternativen in Gang zu setzen und diese Aufgabe den Kommunen zu übertragen. Dort, in den Jugendämtern, sitzen die Fachleute, wenn es darum geht, die Rechte und die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu beurteilen beziehungsweise zu begleiten.
- Wunderbar ist es immer, wenn es heißt, dass die Finanzen schwierig sind. Wir haben das ausgerechnet. Jeder Schule einen Sozialarbeiter zur Verfügung zu stellen, ist eine Förderung der Infrastruktur, die allen Schulen und allen Kindern zugutekommt, und zwar überall gleich. Dieses Geld würde genau den Betrag ausmachen, den die sogenannte Herdprämie ausmacht, durch die man eine rein individuelle Förderung durchführt, die vielleicht auch Menschen hilft, die gar keine Unterstützung brauchen, dieses Geld aber gern mitnehmen. Nein, das ist unsozial. Deshalb ist es richtig, in Infrastruktur zu investieren und zum Beispiel eine Schulsozialarbeit auf den Weg zu bringen.
Herr Kollege Baasch, ich fand Ihren Beitrag angenehm sachlich, aber ich habe eine Frage, weil wir beide schon länger im Parlament sitzen. Können Sie sich daran erinnern, dass zu der Zeit, als die FDP noch in der Opposition war und die SPD in der Regierung saß, die FDPLandtagsfraktion Anträge zur Einrichtung von Schulsozialarbeit mit 4 Millionen € stell
- Im Detail müsste ich nachgucken, ob die Zahlen, die Sie behaupten, auch von mir nachvollzogen werden können. Ich will Ihnen das erst einmal so glauben, aber ich will Ihnen auch sagen: Politik ist ein dynamischer Prozess. Sie verändern sich Gott sei Dank auch ab und an einmal in Ihrer politischen Haltung. Das tun wir auch. Ich denke, es ist in der heutigen Diskussion, wenn es darum geht, Ganztagsschulen auszubauen und die Lehrer nicht mit den Problemen alleinzulassen, eine notwendige Forderung, in Schulsozialarbeit zu investieren.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, ich habe vermisst, dass Sie darauf eingegangen sind, wie Sie als Sozialminister dazu stehen, dass erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik statt der untersten 20 % die untersten 15 % zur Berechnung herangezogen worden sind. Wie ist Ihre Einschätzung dazu als Sozialminister? Stimmt nach Ihrer Einschätzung unsere Berechnung, dass alleine dieser Fehler dazu führt, dass der Regelsatz bei 384 € liegen müsste? Darauf sind Sie leider nicht eingegangen. Das erwarte ich aber von Ihnen als Sozialminister.
Wenn Sie sagen, Schülerbeförderungskosten seien sowieso Schnee von gestern, dann ist das umso besser. Dann stimmen Sie doch einfach unserem Antrag zu.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Grunde genommen stehe ich nur deshalb hier, weil ich immer noch nicht fassen kann, was für eine Re
de ein Minister halten kann. Ich verstehe das einfach nicht. Wenn ich dazu etwas kommentiert habe - möglicherweise muss ich diese Regeln erst verstehen -, dann bezieht sich das darauf, dass Sie gesagt haben - - Emotionen kamen hoch, als Sie sagten, man stelle sich hier billig hin. Das hat mich so langsam aufgebracht. Richtig verärgert war ich aber, als Sie versuchten, illegale Drogen in unsere Berechnungen einzubauen, die Grundlage der Hartz-IVBerechnungen gewesen seien. Sie können im Protokoll nachlesen, dass Sie von illegalen Drogen und Schnittblumen gesprochen haben.
Wenn ich Sie dann auch noch frage, ob Sie die Wahrheit sagen, dann ist das ein Grund, weshalb man hier im Parlament schon einmal aus dem Häuschen geraten kann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es kann nicht immer so ruhig hier zugehen wie bei Diskussionen über die Zusammenarbeit mit China, bei der wir uns alle einig sind und zu der bedeutungsschwere Regierungserklärungen gehalten und von uns allen geteilt werden.
An zwei Punkten habe auch ich mich besonders gerieben, und auf diese möchte ich kurz eingehen. Herr Kubicki, im Gegensatz zu Ihnen unterstelle ich übrigens niemandem in diesem Saal, der Debatte intellektuell nicht folgen zu können. Das war meines Erachtens eine nicht ganz passende Bemerkung.
Frau Kollegin Sassen, niemand in diesem Saal verunglimpft Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen. Ich finde es auch durchaus in Ordnung, wenn es Familienmodelle gibt, die vorsehen, dass Mutti zu Hause bleibt und auf die Kinder aufpasst, oder Vati, oder beide abwechselnd oder der große Bruder. Das ist aber auch gar nicht der Punkt. Der Punkt ist die Frage, ob man nicht eine falsche Steuerungswirkung erzielt, wenn man Eltern dafür bezahlt, dass sie ihre Kinder zu Hause selbst betreuen. In diesem
Zusammenhang halte ich den Begriff der Fernhalteprämie für durchaus geeignet, um das Thema politisch zu diskutieren.