Protocol of the Session on November 17, 2010

Auf dem CDU-Parteitag in Karlsruhe haben Sie fast nur über Grüne gesprochen.

(Johannes Callsen [CDU]: Bist du da gewe- sen?)

- Ich habe ab und zu einmal hereingeschaut.

(Zurufe von der CDU: Hey!)

Ich sage Ihnen: Es ist nicht der Kampf Schwarz gegen Grün, den Sie führen müssen; es ist der Kampf gestern gegen morgen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Lachen des Abgeordneten Johannes Callsen [CDU] - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Denn es ist verkehrt, Herr Kubicki, für etwas zu sein, was künftige Generationen belastet. Es ist verkehrt, das Gleichgewicht von Ökonomie und Ökologie zu zerstören. Das ist der eigentlich Grund, warum Ihnen die Wählerinnen und Wähler in Scharen davonlaufen und uns wählen. Das ist der eigentliche Grund, warum Grüne derzeit in der Republik erfolgreich sind.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir kein Problem, uns selbstbewusst zu Großprojekten zu verhalten und in dieser Debatte auch zum Nord-Ostsee-Kanal Stellung zu beziehen. Er ist wichtig, nicht nur für Kiel, für Brunsbüttel, für Schleswig-Holstein und den Hamburger Hafen. Der Nord-Ostsee-Kanal ist die weltweit meistbefahrene Wasserstraße, er ist ein Fundament der wirtschaftlichen Stärke Schleswig-Holsteins. Er trägt nachhaltig zur wirtschaftlichen Wertschöpfung bei, und er ist allemal Anlass, hier und heute diskutiert zu werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb sagen wir ganz deutlich: Alles, was dies verhindert - Baubeginn sollte bereits 2010 beziehungsweise 2011 sein -, verhindert wirtschaftliche Wertschöpfung. Das, was Herr Staatssekretär Ferlemann verkündet hat, der Vorrang für Weser und Elbe, ist eine falsche Prioritätensetzung mit falschen Signalen an unsere schleswig-holsteinische Wirtschaft.

Wir müssen die Verlagerung from Road to Sea ernst nehmen. Das bedeutet: Mehr Güter auf das Schiff, das selbst aber auch umweltverträglicher werden muss. Die Reeder haben die Wahl zwischen alternativen Seerouten. Der Weg um Skagen ist 250 Seemeilen länger, unwirtschaftlicher, klimaunverträglicher; er verbraucht mehr CO2. Wer sich dem Klimaschutzziel einer CO2-Reduzierung verpflichtet, der muss die Fahrt durch den Kanal attraktiver machen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn je weniger Schweröl, je weniger Diesel, verbraucht wird, umso besser ist es für das Klima, um das es schlecht steht.

(Wortmeldung des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

(Dr. Andreas Tietze)

Herr Kollege Tietze?

Nein, ich möchte es im Zusammenhang erklären. Herr Kubicki kann sich dann gern im Rahmen der Aktuellen Stunde zu Wort melden.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Schade!)

Herr Arp hat geäußert, er sei für den Ausbau der Elbe und setze dies an Platz 1. Das ist extrem kurzsichtig. Schleswig-Holstein muss den Rücken gerade machen und den Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals als allerwichtigstes Projekt auf die Nummer 1 setzen. Es geht um unseren Nord-Ostsee-Kanal; es geht nicht um die Elbvertiefung, Herr Arp, und es geht auch nicht um die Fehmarnbelt-Querung. Jetzt müssen wir den Rücken für den Nord-Ostsee-Kanals gerade machen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zuruf des Abgeordneten Hans- Jörn Arp [CDU])

Ich wende mich auch an die Landesregierung: Machen Sie den Rücken gerade. Stärken Sie den NordOstsee-Kanal. Setzen Sie sich für die richtigen Großprojekte ein. Dann wird es unserer Wirtschaft in Schleswig-Holstein wieder gut gehen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Gerrit Koch [FDP]: So einfach ist das! - Rai- ner Wiegard [CDU]: Mit euch hätte es den Nord-Ostsee-Kanal doch noch gar nicht ge- geben! - Heiterkeit und Beifall bei CDU und der FDP)

Für die CDU-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Arp das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Tietze, es ist Ihnen wahrscheinlich entgangen, aber heute ist nicht der 11. November, und es besteht kein Grund dafür, hier eine Karnevalsrede zu halten. Dieses Thema ist viel zu ernst. Daher begrüße ich es auch, dass wir es heute auf die Tagesordnung genommen haben. Sie müssen nur einige Zusammenhänge erkennen.

Erstens. Nur zur Versachlichung: Das Planfeststellungsverfahren ist bis heute nicht abgeschlossen.

Deshalb gibt es zurzeit kein Baurecht. Das muss man akzeptieren. Das gibt es übrigens auch nicht bezüglich des Ausbaus der Elbe, und dies aus unterschiedlichen Gründen. Es ist natürlich das Recht des Bundestags, seine Prioritäten selbst festzulegen. Ich bin dem Herrn Ministerpräsidenten sehr dankbar, dass er in einem Brief an die Bundeskanzlerin noch einmal deutlich gemacht hat, wie wichtig der Nord-Ostsee-Kanal für uns in Schleswig-Holstein ist.

Es ist noch nicht lange her, im Jahr 2008 stand es in der Presse: Staus vor den Schleusen in Brunsbüttel, Staus vor den Schleusen in Holtenau. Damals hatten wir einen Boom der Weltwirtschaft zu verzeichnen, und nur die Finanz- und Wirtschaftskrise hat uns in den letzten zwei Jahren vor einem größeren Druck verschont. Ohne Frage brauchen wir den Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals, und nicht nur wir hier in Schleswig-Holstein, ganz Nordeuropa und auch der osteuropäische Raum brauchen ihn.

Wer vor zwei Jahren mit dem Wirtschaftsausschuss in Russland, in St. Petersburg, war und gesehen hat, wie der Hafen Ust Luga, was in St. Petersburg und in Anrainerstaaten der Ostsee ausgebaut wird, weiß, dass der Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals höchste Priorität hat. Das ist der Beitrag, den wir dazu leisten können und auch leisten werden. Das ist überhaupt keine Frage.

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Tietze, Sie dürfen aber - in aller Ernsthaftigkeit - das eine nicht von dem anderen trennen. Sie müssen den Ausbau der Elbe, die Stärkung des Hamburger Hafens in Verbindung bringen mit dem Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals. Eines allein ergibt keinen Sinn.

(Beifall bei CDU und FDP)

Denn das ganze Feeder-Geschäft in Hamburg ist natürlich auf einem fahrtüchtigen Nord-Ostsee-Kanal aufgebaut.

(Zuruf des Abgeordneten Ulrich Schippels [DIE LINKE])

Deshalb meine ich, man sollte in Berlin noch einmal darüber nachdenken, wenn das entsprechende Baurecht da ist. Das heißt, jetzt wissen wir noch gar nicht in welcher Form das Planungsrecht abgeschlossen werden wird. Die Berliner haben uns deutlich gesagt, wenn es denn für das eine oder andere Projekt an der Weser kein Baurecht geben wird, wird natürlich der Nord-Ostsee-Kanal vorgezogen werden.

Dass überhaupt 800 Millionen € in den Ausbau von Wasserstraßen gesteckt werden, hat es zu Zeiten von Rot-Grün nicht gegeben. Da gab es zwar Lippenbekenntnisse, aber es gab nie die Menge an Geld, die wir heute für den Ausbau von Wasserstraßen zur Verfügung haben. Diese schwarz-gelbe Regierung hat erkannt, dass das das ökologisch und wirtschaftlich wichtigste Projekt ist.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wenn wir schon dabei sind: Herr Dr. Tietze, ich war 2007 in Schinkel und habe mit den Leuten darüber diskutiert. Da waren auch Parteifreunde von Ihnen mit dabei. Die haben sich sehr stark dafür eingesetzt, dass man die 60 Kreuzottern auch artgerecht umsetzt. Verstehen Sie: Ich bin ja in der Verantwortung bei Ihnen - dies wird ja zum Glück auch alles online gesendet -, aber wenn dann die ersten Bagger kommen, wenn die ersten Baumaßnahmen anlaufen, dann möchte ich nicht, dass Sie sich dort an irgendwelche Poller binden lassen und sagen: Der Ausbau ist richtig, aber nicht hier!

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP - Zuruf des Abgeordneten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Herr Habeck, wir haben den Beweis und wir haben die Erfahrung von Stuttgart. Dort wurde 15 Jahre lang diskutiert. Wir befinden uns seit vielen Jahren mit den Anwohnern am Kanal im Dialog.

Noch einmal: Wir sind dafür. Ich halte die Prioritätenliste für richtig. Elbe und Nord-Ostsee-Kanal: erste Priorität; Weser und Ems: zweite Priorität. Das eine passt mit dem anderen zusammen. Aber ich würde mich freuen, wenn Sie auch bei solchen Großprojekten mit uns gemeinsam bei den Bedenkenträgern stehen und sie überzeugen würden. Sie sind herzlich eingeladen: Wir fahren einmal nach Schinkel!

(Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es zählt eben nicht nur, alles was groß ist, ist gleich! Sie werfen alles, alle Großprojekte, in einen Topf!)

- Ich habe da schon differenziert.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Heinold?

Von meiner Kollegin Monika Heinold jederzeit gern.

Herr Arp, meine Frage ist, welchen Vorschlag Sie denn haben, was mit den 60 Kreuzottern passieren soll, wenn sie nicht artgerecht umgesetzt werden sollen.

- Natürlich müssen sie artgerecht umgesetzt werden.

(Zurufe von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe hier gar nicht gegen eine artgerechte Umsetzung von Kreuzottern gesprochen, ich habe nur gesagt, an so einem Projekt darf es dann am Ende nicht scheitern. Das heißt nicht, dass sie an der Stelle bleiben müssen. Darüber sind wir uns einig. Wenn wir uns darüber einig sind, kann der Bau ja voranschreiten.

Erlauben Sie eine zweite Frage? - Ja.

Verstehen wir uns richtig, dass die Grünen auf der damaligen Veranstaltung nicht gesagt haben, der Bau des Nord-Ostsee-Kanals solle scheitern, weil Kreuzottern artgerecht umgesetzt werden müssten, sondern nur gesagt haben, diese müssten dann artgerecht umgesetzt werden? Dies wird so von Ihnen auch geteilt?