Die Qualität der Arbeit sollt heute nicht das Thema sein. Ich will nur kurz erwähnen, dass ich davon ausgehe, dass unsere Betriebe regelmäßig gute Qualität abliefern.
Ein Wort zu den Unternehmen. Klar ist, dass sich Tariftreue augenscheinlich erst einmal an die Beschäftigten richtet. Aber Tariftreue ist mehr. Sie schafft gleiche Bedingungen für unsere Unternehmen und Betriebe im Wettbewerb um öffentliche Aufträge. Sie schafft Verlässlichkeit und Transparenz, gleiche Bedingungen für alle, die sich an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen. Im Übrigen, der Bauindustrieverband, das Baugewerbe, das Handwerk, Gewerkschaften, Landkreistag, kommunale Arbeitgeber und viele andere haben das Gesetz unterstützt. Wir bekommen die Rückmeldung, dass sie gute Erfahrungen damit gemacht haben.
Zu den Beschäftigten und ihrer Entlohnung! Man kann gar nicht oft genug sagen: Menschen müssen von ihrer Hände Arbeit angemessen leben können.
Das ist christlich. Das ist eine Frage der Menschenwürde. Ich möchte noch einen Aspekt einbringen, der oft zu kurz kommt: Es beugt auch Armut im Alter vor.
Die Debatte ist keineswegs neu. Es ist noch nicht lange her, dass der Landtag in der der 16. Wahlperiode die Einführung flächendeckender gesetzlicher Mindestlöhne begrüßt und sich für diese ausgesprochen hat. Dass das mitnichten ein Eingriff in die Tarifautonomie ist, sagt auch der SSW-Gesetzentwurf. Es geht um faire Löhne. Es geht um gleiche Ausgangsbedingungen für die Unternehmen. Es geht um Gerechtigkeit.
Der EuGH, die Hamburgische Bürgerschaft, unsere Vorschläge und gerade heute der Gesetzentwurf des SSW rücken das in das rechte Licht. Der Staat darf Dumpinglöhne weder akzeptieren noch zahlen. Das ist sozial und gerecht für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber das ist eben auch gut für unsere Wirtschaft.
Zu seiner ersten Rede im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich dem neuen FDP-Abgeordneten Christopher Vogt das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das bestehende schleswig-holsteinische Tariftreuegesetz muss geändert werden, wenn es nicht mehr gegen EU-Recht verstoßen soll. Das haben wir schon gehört. Das sieht nun auch der SSW so, nachdem er noch im letzten Jahr hier in diesem Haus einen ganz anderen Weg gehen wollte. Da wollte der SSW noch den Weg über eine Bundesratsinitiative gehen und dadurch das geltende EU-Recht verändern, um so das bestehende schleswig-holsteinische Tariftreuegesetz nicht ändern zu müssen.
Dieser Weg hat sich nun auch für den SSW als untauglich und nicht durchsetzbar erwiesen. Wir begrüßen, dass der SSW jetzt auch der Meinung ist,
dass das schleswig-holsteinische Tariftreuegesetz angesichts des Urteils, von dem wir eben schon gehört haben, geändert werden muss, wenn es nicht mehr gegen den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs nach Artikel 49 des EG-Vertrages verstoßen soll.
Der SSW-Antrag, den ich eben angesprochen habe, aus dem letzten Jahr sah auch vor, dass Allgemeinverbindlichkeitsregelungen in Schleswig-Holstein zwingend vorgeschrieben werden sollten. Dies würde bedeuten, dass ausgehandelte Tariflöhne de facto zu gesetzlichen Mindestlöhnen würden. Das würde einen massiven Eingriff in die grundgesetzlich verankerte Tarifautonomie bedeuten.
Angesichts der Höhe vieler Tariflöhne, die deutlich über dem Niveau der gesetzlichen beziehungsweise diskutierten Mindestlöhne liegen, hätte dies sehr negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung und den Arbeitsmarkt. Dies wollen wir ausdrücklich nicht.
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs hatte die schwarz-rote Landesregierung das nicht europarechtskonforme Tariftreuegesetz als logische Konsequenz zunächst per Erlass aufgehoben. Das haben wir heute auch schon gehört. Nach dem Bruch der Koalition hatte die zwischenzeitlich wieder zusammengefundene Mehrheit von SPD, Grünen und SSW in diesem Haus diesen Erlass wieder eingesetzt, obwohl sich an der nicht vorhandenen EU-Rechtskonformität nichts geändert hatte.
Der vorgelegte Gesetzentwurf des SSW ist aus unserer Sicht noch diskussionswürdig. So fehlt beispielsweise - wir haben es schon vom Kollegen Magnussen gehört - eine Regelung für den ÖPNV, da dieser im Arbeitnehmer-Entsendegesetz nicht berücksichtigt wird. Es stellt sich zudem die Frage, wer die Sittenwidrigkeit der Entgelte überprüfen soll, warum die Überprüfung der Sittenwidrigkeit im Gesetzentwurf des SSW überhaupt enthalten ist, denn sittenwidrige Löhne sind rechtswidrig.
Der Ausschuss sollte aus unserer Sicht das Tariftreuegesetz beziehungsweise den Gesetzentwurf insgesamt genau überprüfen. Ziel muss es sein, endlich Klarheit für Unternehmen sowie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Land zu schaffen. Da sind wir uns, denke ich, einig. Dabei muss auch geprüft werden, wie ein EU-rechtskonformes Tariftreuegesetz in Schleswig-Holstein aussehen könnte, das mit Blick auf alle Beteiligten sinnvoll ausgestaltet ist und langfristig für klare Verhältnisse sorgen kann. Der zu erarbeitende Entwurf sollte mit Blick auf das Thema Entbürokratisierung darauf ausgerichtet sein, unnötige Bürokratie zu vermeiden und den Wettbewerb möglichst wenig einzuschränken. Ich freue mich, dass sich auch die SPD gegen Wettbewerbseinschränkungen ausgesprochen hat. Da sind wir uns einig.
Wir sollten es uns außerdem zur Aufgabe machen, sämtliche Tariftreueregelungen in den Landesgesetzen und Landesverordnungen auf EU-Rechtskonformität zu überprüfen. Mit Blick auf einige andere Bundesländer sollten wir auch prüfen, ob wir das Tariftreuegesetz überhaupt erhalten sollten. Einige Länder haben es abgeschafft, zum Beispiel NRW und Sachsen-Anhalt, andere Länder haben es beibehalten beziehungsweise nach dem Rüffert-Urteil angepasst. Wir sollten das im Ausschuss diskutieren.
Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine gesetzliche Regelung der Tariftreue ist sinnvoller denn je. Es muss eine entsprechende Kontrolle von Unternehmen und ihrer Subunternehmer geben, wenn diese einen öffentlichen Auftrag erhalten. Der Staat ist hier in einer besonderen Vorbildfunktion. Dies gilt im Übrigen auch bei Unternehmen, in denen das Land erheblichen Einfluss ausüben kann. Ich erinnere an die Diskussion von heute Morgen über die Teilprivatisierung der Service GmbH beim UK S-H.
In Berlin konnte man sich nicht auf einen einheitlichen bundesweiten Mindestlohn einigen. Man schleppte sich über Änderungen im Entsendegesetz bis zur Bundestagswahl hin. Von der neuen Bundesregierung erwarten wir jedenfalls in dieser Le
gislaturperiode keine Initiativen zum Schutz von Arbeitnehmerinteressen mehr. Ganz im Gegenteil, ein bundesweiter gesetzlicher Mindestlohn ist weiter denn je entfernt.
Eines ist auch klar: Man will „dort unten“ nicht wirklich für gerechte Löhne sorgen. Der Beschluss von gestern zeigt aber, dass man „denen dort oben“ in einem Handstreich mal eben Sonderboni zubilligen will.
Meine verehrten Damen und Herren, es bleibt festzustellen: „Denen da unten“ wird genommen, und „denen da oben“ wird gegeben. Ich habe gedacht, bei einem christlich-humanistischen Menschenbild wäre es genau andersherum.
Durch die EuGH-Rechtsprechung vom 3. April 2008 zu Teilen des niedersächsischen Vergabegesetzes sind die Tariftreuegesetze der Länder ausgehebelt worden. Ich nenne hier sehr verkürzt und auch sehr plakativ eine wesentliche Begründung. Der Wettbewerbsvorteil ausländischer Firmen besteht nun einmal in geringeren Lohnkosten. Wenn sie diesen Wettbewerbsvorteil nicht nutzen dürfen, werden sie vom Wettbewerb ausgeschlossen. Eine Tariftreueverpflichtung stellt daher eine Beeinträchtigung dieser Firmen dar. Tariftreue bewirkt laut Gericht deshalb gerade nicht eine faktische Gleichstellung mit deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Das ist eine Argumentation, auf die man erst einmal kommen muss.
Es war richtig, dass die Landesregierung im Lichte des EuGH-Urteils unser Tariftreuegesetz überprüft hat. Der entsprechende Erlass des Wirtschaftsministeriums vom 26. Mai 2008 zeigt aber deutlich, dass das Ministerium kein Herzblut für das Thema Tariftreue übrighat. Durch eine sechsjährige Mitgliedschaft im Kreistag in Nordfriesland bin ich an den kommunalen Entscheidungsträgern noch sehr nahe dran. Wir diskutieren derzeit über die Regionalisierung der Abfallwirtschaftsgesellschaft, denn das Problem der niedrigen Löhne wird sich in der schlechten Qualität niederschlagen. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten aber, dass sie für ihre Müllgebühren auch eine ordentliche Dienstleistung erhalten. Dafür bedarf es aber ordentlicher Löhne und einer gerechten Bezahlung. Daran können Sie auch nichts ändern.
Offensichtlich war der Landesregierung das eigene Tariftreuegesetz schnurzegal. Das betraf im Übrigen auch den SPD-Regierungsteil. Ich kann verstehen, dass Sie heute daran nur ungern erinnert werden wollen. Im Erlass wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei neuen Vergabeverfahren eine Tariftreueerklärung nicht mehr einzufordern ist. Deshalb sollte dieser Erlass schnellstens aufgehoben werden.
Es war 2008 auch wenig hilfreich, dass die CDU erklärte: Wir haben schon immer rechtliche und volkswirtschaftliche Bedenken gegen ein Tariftreuegesetz gehabt. Ich frage Sie: Was nutzt das? - Probleme lösen Sie auf diese Weise nicht.
Wir Grünen sagen dagegen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssten von der guten Arbeit, die sie leisten, auch leben können. Dass es ein Recht auf Arbeit gibt, muss ich in diesem Haus, wie ich glaube, nicht betonen. Wenn dieser einfache Grundsatz in unserer Arbeitswelt nicht mehr gilt, dann ergeben sich gewaltige Verwerfungen. Das ist eine Bankrotterklärung für unsere Volkswirtschaft. Viele Menschen haben dafür, wie gesagt, kein Verständnis mehr. Das gilt gerade in Zeiten der Wirtschafts- und Bankenkrise. Die Menschen können das nicht mehr nachvollziehen. Sie gucken gerade in dieser Frage sehr genau hin.
Die öffentliche Hand hat bei ihren Auftragsvergaben eine gesellschaftliche und, wie ich finde, auch eine ethisch-moralische Vorbildfunktion. Es ist unsere politische Aufgabe, eine Tariftreueregelung zu finden, die dem Rüffert-Urteil gerecht wird. Tariftreueerklärungen können nach dem EuGH-Urteil für bundesweit geltende und für als allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge gelten. Das haben Sie hier schon gesagt. Meine Vorredner haben schon auf das sogenannte Entsendegesetz verwiesen.
Jetzt geht es wirklich darum, die Spielräume zu nutzen, die wir in dieser Frage nutzen können. Die schwarz-grüne Landesregierung in Hamburg hat das getan, indem sie genau das, worum es hier geht, ausgelotet hat. Diese Feinabstimmung im Bereich Tariftreue ist etwas, was unsere Wertschätzung erfährt und was wir auch hier in Schleswig-Holstein
tun müssen. Wir sind deshalb sehr dankbar, dass der SSW dieses Verfahren auf die Tagesordnung gebracht hat. Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein guter und richtiger. Für meine Fraktion kann ich erklären, dass wir uns an die gestalterische und konstruktive Arbeit begeben werden, damit wir die angesprochene Regelung dann zumindest auch für Schleswig-Holstein erreichen werden.