Protocol of the Session on November 19, 2009

Daher gibt es solche Gesetze in vielen Bundesländern gleich welcher Couleur. In unserem Nachbarland Hamburg, schwarz-grün regiert, ist das ursprüngliche Gesetz am 16. Dezember letzten Jahres angepasst worden und gilt dort für Bauleistungen und Dienstleistungen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz. In Niedersachsen, schwarz-gelb regiert, gibt es seit dem 15. Dezember 2008 ein Landesvergabegesetz für Bauleistungen. Was in diesen beiden Ländern möglich ist, sollte auch in Schles

wig-Holstein zum Wohl der Arbeitnehmer und der Unternehmen möglich sein.

(Beifall bei SSW, SPD und der LINKEN)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Magnussen das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Neuer Landtag, neuer Landtagspräsident, neuer Wirtschaftsminister; vieles ist neu in dieser Legislaturperiode. Nur ganz bestimmte Dinge bleiben, unter anderem die Diskussion um das Tariftreuegesetz.

(Beifall bei SPD, der LINKEN und SSW)

Mir ist bewusst, dass das Thema für viele Abgeordnete dieses Hohen Hauses eine hohe Symbolkraft hat, auch wenn diese nicht die Mehrheit bilden. Trotz dieser vermeintlichen Bedeutung wiederholen sich unsere Argumente. Es gibt unterschiedliche Sichtweisen bei der Betrachtung dieses Themas. Ich erlaube mir, die meinige darzulegen. In der letzten Landtagstagung vor der Wahl warf Ihnen der Kollege Johannes Callsen vor, dass Ihr damaliger Antrag ein Gesetz reanimieren sollte, welches lediglich einen rein deklaratorischen Charakter hätte. Mir sind die Worte des Kollegen noch gut im Ohr. SPD, Grüne und SSW haben sie damals leider ignoriert. Mir bleibt nun zunächst die Frage, was der SSW seit der Landtagswahl unternommen haben könnte, um uns, die CDU-Fraktion, die für sich in Anspruch nimmt, lernfähig zu sein, von seinem Anliegen zu überzeugen.

Der Kollege Callsen hatte am 17. September einen sehr konkreten Sachverhalt an Sie gerichtet. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichthofs, dem sogenannten Rüffert-Urteil, müsste man unser Tariftreuegesetz ändern, damit es mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Dieser Fakt ist unstrittig. Nach dieser Änderung würde das Tariftreuegesetz jedoch nichts regeln, was nicht auch das Arbeitnehmer-Entsendegesetz bereits geregelt hat.

(Olaf Schulze [SPD]: Sie haben nicht zuge- hört!)

Wir haben hier also einen konkreten Vorwurf. Jetzt erwartet man eigentlich ein konkretes Gegenargument.

(Zuruf des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

(Lars Harms)

- Warten Sie doch ab! Dem, der sucht, empfehle ich, die Begründung zu § 3 Nr. 3 des SSW-Gesetzentwurfs zu lesen. Da steht wortwörtlich:

„Damit wird die für ausländische Unternehmen bei der Entsendung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ohnehin nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz bestehende Verpflichtung wiederholt.“

Das sollten wir erst einmal sacken lassen. Ich versichere dem Hohen Haus: Die CDU hat diese Passage nicht eingeführt. Daher verwundert es mich sehr, wie man in die Begründung des eigenen Gesetzes hineinschreiben kann, dass man es eigentlich gar nicht braucht. Wie sonst soll man die Formulierung verstehen, dass das Tariftreuegesetz die bereits nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz bestehende Verpflichtung lediglich wiederholt?

Auch der bei der letzten Landtagstagung vor der Wahl angesprochene Fall, dass nur in SchleswigHolstein für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge eine Anwendung durch das Tariftreuegesetz finden, ist nur die halbe Wahrheit. Der EuGH hat klar gesagt, es dürfen nur Mindestlöhne beziehungsweise Mindeststandards in den Tarifverträgen festgelegt werden, die bundesweit gelten und nur vom Bundesarbeitsminister für allgemeinverbindlich erklärt werden. Kollege Harms, Ihrer Vorlage kann man aber entnehmen, dass zumindest dieser Punkt bei Ihnen Berücksichtigung findet. Sie haben das eben bestätigt. Darüber hinaus empfehle ich die Lektüre des Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und FDP. Dort heißt es auf Seite 13:

,,Die Rechtsprechung zum Verbot sittenwidriger Löhne soll gesetzlich festgeschrieben werden, um Lohndumping zu verhindern."

Ich sage Ihnen: Vertrauen Sie der Koalition im Bund.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Das zweimal zu regeln, so wie Sie es möchten, bedeutet zusätzliches Verwaltungshandeln. Das wollen wir nicht. Das Thema ist also in guten Händen.

Für Sie, wie für alle, sind Sanktionen ein wichtiger Punkt. Zum Stichwort Strafe bei Nichtbeachtung: Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz sieht Strafen von bis zu 500.000 € vor. Das Stichwort Subunternehmer ist in beiden Gesetzen enthalten.

Zum Stichwort Ausschluss von öffentlichen Vergaben: Beide Gesetze sehen das vor. Sie sehen also, das Arbeitnehmer-Entsendegesetz kann alles,

was das Tariftreuegesetz auch kann. Wer das nicht glaubt, dem empfehle ich die Lektüre des Abschnitts 6 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, insbesondere der §§ 17, 21 und 23. Darin steht alles. Bei der Kontrolle kann die öffentliche Hand beim Arbeitnehmer-Entsendegesetz auf Ressourcen zurückgreifen, um dessen Einhaltung zu kontrollieren, Kollege Harms. Bei der Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten verfügen die Zollbehörden über nachhaltige Befugnisse. Das ist ein ungleich schärferes Schwert, mit dem der Staat für die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eintritt, und darum geht es hier. Es geht um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Ich erhebe für mich persönlich den Anspruch, dass wir ehrlich damit umgehen. Außerdem plädiere ich dafür, die Unternehmer und die Unternehmen durch derartige Debatten nicht ständig unter Generalverdacht zu stellen.

(Lars Harms [SSW]: Das tut doch keiner! Wir schützen die Unternehmen!)

- Sie sprachen eben die Gleichstellung zwischen aus- und inländischem Wettbewerb an, verehrter Kollege. Ich spreche jetzt als betroffener Unternehmer. Das heißt aber auch, dass wir bundesweit gleichgestellte Tarife, zwischen Ost und West, auf gleichem Niveau haben. Hier haben wir auch unsere Probleme.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.

Weitere Verwaltungsschritte ins Verfahren einzubringen, nur um die Diskussion zu beenden, ist zu kurz gedacht. Im Ausschuss sollten wir im Interesse aller eine tragfähige und vernünftige Lösung erarbeiten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich der Frau Kollegin Regina Poersch das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion begrüßt, lieber Lars Harms, jede Initiative, die Wettbewerbsverzerrungen entgegen

(Jens-Christian Magnussen)

wirkt. Das ist nämlich gut für unsere Unternehmen und gängelt sie nicht.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das ist auch gut für die Beschäftigten in den Unternehmen. Und wir begrüßen jede Initiative, die das Land als öffentlichen Auftraggeber verpflichtet, mit dem ihm anvertrauten Steuergeld keine Dumpinglöhne zu finanzieren.

(Beifall bei SPD und SSW)

Die Initiative der Kolleginnen und Kollegen des SSW ist deshalb aus unserer Sicht zu begrüßen und ausdrücklich zu unterstützen.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind immer an der Seite derer, die für eine angemessene Entlohnung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern kämpfen. Das tun wir im Übrigen seit der Gründung unserer Partei vor mehr als 140 Jahren.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Deshalb war die Tariftreue auch in den letzten Wahlperioden immer ein echtes Herzensanliegen.

Wir haben 2003 das Tariftreuegesetz beschlossen, mit dem Beschäftigte und Betriebe im Bauwesen, bei der Abfallentsorgung und im Schienenpersonennahverkehr bei öffentlichen Aufträgen vor Lohndumping-Konkurrenz geschützt werden. Wir haben in Zeiten der Großen Koalition sogar die CDU ins Boot holen können - mit der Aufnahme der Busfahrerinnen und Busfahrern in unser Tariftreuegesetz.

Nun ist das mit der Umsetzung der Tariftreueverpflichtung nicht so einfach. Der SSW führt das in seiner Antragsbegründung auch aus. Gänzlich ausgeschlossen ist die Tariftreue jedoch nicht. Es gibt Möglichkeiten, EU-konforme Tariftreueverpflichtungen auszugestalten. Der SSW-Gesetzentwurf ist eine davon.

(Beifall beim SSW)

Eine andere Idee ist ein Vorschlag meiner Fraktion, der leider ein Opfer der Großen Koalition geworden ist. Darin sprechen wir uns dafür aus, nach dem hamburgischen Vorbild die Vergabe daran zu knüpfen, dass sich Auftragnehmer verpflichten, mindestens den Tarifvertrag anzuwenden, der im Arbeitnehmer-Entsendegesetz zugrunde gelegt wird. Das ist dann auch so weit der Antrag des SSW.

In unserem Vorschlag sollen darüber hinaus die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation festgeschrieben werden. Ich nenne als Beispiele Verbot von Kinderarbeit, Zwangsarbeit, aber auch umweltverträgliche Beschaffung. Auftragnehmer öffentlicher Aufträge tragen die Verantwortung, dass Nachunternehmen, die sie ihrerseits beauftragen, hieran gebunden sind.

Schließlich gibt es ein Unternehmensverzeichnis, in das Firmen eingetragen werden, die öffentliche Aufträge ausführen. So kann sichergestellt werden, dass Firmen, die gegen die Regelungen des Gesetzes verstoßen, von der öffentlichen Verwaltung bei künftigen Aufträgen nicht mehr berücksichtigt werden.

Hamburg ist also auch uns Vorbild. Ich wiederhole gern, was Lars Harms hier auch schon gesagt hat: Hamburg wird schwarz-grün regiert. Unsere Ziele gewinnen offenbar immer mehr Anhänger.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Immer dann, wenn die öffentliche Hand Aufträge vergibt, wenn also mit öffentlichen Mitteln Handwerks- und andere KMUs Aufträge erhalten sollen, dann ist ein besonderer Maßstab anzulegen: an die Qualität der Arbeit, an die Ausschreibungs- und Vergabevoraussetzungen für die Unternehmen und an die Entlohnung der Beschäftigten.

(Beifall bei SPD und der LINKEN)