Protocol of the Session on September 9, 2010

(Zuruf)

- Es tut mir leid; ich hatte mir eigentlich vorgenommen, auf Zwischenrufe nicht einzugehen. Aber wenn die Zwischenbemerkung kommt: „Da ist schon aufgestellt“, kann ich Ihnen nur raten: Lassen Sie uns diese Wahl verfassungsgemäß durchführen.

(Zurufe von FDP und der LINKEN)

Von daher halte ich es für richtig, wenn der Landtag zu diesem Punkt - wie auch zu den anderen vom Landesverfassungsgericht angedeuteten Änderungsmöglichkeiten - sorgfältig und sachorientiert berät und eine fundierte Entscheidung trifft.

Schnellschüsse, die möglicherweise erneut ein verfassungsrechtliches Risiko darstellen, helfen uns allen nicht weiter. Dies gilt sowohl für die Abfassung eines neuen Wahlgesetzes als auch für die ordnungsgemäße Vorbereitung und Durchführung der Wahl. Erst nachdem mit der Änderung des Wahlgesetzes die Zahl der Wahlkreise feststeht, kann sich der Wahlkreisausschuss mit der Einteilung des Landes in Wahlkreise befassen. Erst danach. Auch hierzu wird der Ausschuss eine geraume Zeit benötigen, um zu einer die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit beachtenden Abgrenzung der Wahlkreise zueinander zu kommen. Auch das ist eine zusätzliche Herausforderung.

Ich erinnere im Übrigen daran, dass es bisher bei Wahlkreiseinteilungen eine gute Praxis war, zu einvernehmlichen Beschlüssen zu kommen. Erst wenn die Wahlkreiseinteilung beschlossen ist, können die Parteien damit beginnen - jedenfalls rechtmäßig beginnen; alles andere sind politische Aussagen -, ihre Delegiertenwahlen oder Wahlkreismitgliederversammlungen durchzuführen und ihre Bewerberinnen und Bewerber aufzustellen. Die erforderlichen Fristen hierfür ergeben sich vor allem aus dem parteiinternen Satzungsrecht. Das ist im Land Schleswig-Holstein sehr unterschiedlich.

Nominierungen für die Wahlkreise, die vor einer Wahlkreiseinteilung im rechtlichen Sinne durchgeführt würden, wären ungültig und müssten wiederholt werden. In diesem Zusammenhang muss auch an die kleinen Parteien außerhalb des Landtages gedacht werden, die sich möglicherweise an der Landtagswahl beteiligen wollen. Es geht also in un

(Minister Klaus Schlie)

serer Demokratie nicht nur um diejenigen, die hier sitzen. Auch sie benötigen für ihre Vorbereitungen ausreichend Zeit.

Unter Einbeziehung all dieser Aspekte und unter Berücksichtigung sowohl der Ferienzeiten als auch der für eine ordnungsgemäße Wahlvorbereitung geltenden wahlrechtlichen Fristen und Termine scheint mir als der dafür zuständige Minister nach entsprechendem Vorlauf eine im Herbst 2012 durchzuführende Neuwahl des Landtages vom Landesverfassungsgericht ein sehr wohl bedachter Termin zu sein.

Sofern allerdings das Gesetzgebungsverfahren und die Wahlkreiseinteilung zügig abgeschlossen werden können, wären natürlich auch andere Termine denkbar.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Frau Heinold, ich versuche hier wirklich in aller Ernsthaftigkeit, Hinweise zu geben, von denen ich glaube, dass sie uns insgesamt in der Situation, in der wir in Schleswig-Holstein jetzt stehen, gut tun, nämlich mit aller Sorgfalt die ordnungsgemäße und rechtmäßige Vorbereitung sowie die anschließende Durchführung der nächsten Wahl. In der Funktion als Verfassungsminister geht es mir dabei nicht um irgendeine politische Bewertung, sondern es geht mir um die Ordnungsgemäßheit, und es ist meine Pflicht, das dem Parlament vorzutragen. Frau Abgeordnete, entschuldigen Sie bitte, dass das etwas länger dauert.

(Zuruf: Gern, gern!)

Damit würde aber den Parteien, wenn es zu einer zügigeren Terminfestsetzung kommt, gegebenenfalls eine erhebliche Verkürzung der für ihre Vorbereitungen zur Verfügung stehenden Zeit zugemutet werden müssen. Damit würde sich übrigens auch die Zeit verkürzen, in der sich Bewerberinnen und Bewerber für ein Landtagsmandat den Bürgerinnen und Bürger angemessen vorstellen können.

Abschließend bleibt festzustellen, dass aus meiner Sicht, als für das Wahlrecht zuständiger Fachminister, zum jetzigen Zeitpunkt eine Entscheidung über den konkreten Wahltermin überhaupt nicht seriös getroffen werden kann.

(Beifall bei CDU und FDP)

Erst bleibt abzuwarten, welche Zeit der Landtag für die Wahlgesetzänderung und der Wahlkreisausschuss für die Wahlkreiseinteilung tatsächlich benötigen.

Herr Abgeordneter Fürter, falls es Sie interessiert, noch ein Hinweis zur Klarstellung: Der Wahlkreisausschuss legt die Wahlkreiseinteilung fest. Er besteht aus zehn Abgeordneten und der Landeswahlleiterin als Vorsitzende. Es gibt keine Vorbereitung zur Wahlkreiseinteilung. Wir würden auch nicht rechtmäßig handeln, wenn wir das täten, weil das Parlament noch gar kein neues Gesetz beschlossen hat. Nachdem der Wahlkreisausschuss die Wahlkreise festgelegt hat und die Landeswahlleiterin dieses öffentlich verkündet hat, werde ich als Innenminister dem Kabinett sofort einen Terminvorschlag unterbreiten.

Bis zur Neukonstituierung - auch das führe ich als Verfassungsminister dieses Landes an - des neu gewählten Landtages ist dieser Landtag und natürlich auch diese Landesregierung nach Auffassung des Landesverfassungsgerichts voll umfänglich legitimiert und somit auch voll umfänglich handlungsfähig. Ansonsten könnte dieses Parlament auch kein verfassungsgemäßes Wahlrecht beschließen. Das wäre widersinnig.

Herr Abgeordneter Fürter, wenn Sie noch einmal nachlesen wollen, woraus sich das ergibt, empfehle ich Ihnen die Passage, aus der hervorgeht, warum das Landesverfassungsgericht eine Wahlwiederholung verworfen hat. Dann werden Sie die Angemessenheit und die Verhältnismäßigkeit der Entscheidung des Landesverfassungsgerichts mit der Fristsetzung - voll umfängliche Legitimität dieses Parlaments und der sich daraus gebildeten Regierung bis zum 30. September 2012 - kennen. Wenn nicht, helfe ich Ihnen gern.

Lassen Sie mich als letzten Satz sagen - ich füge gerade nach dieser Debatte mit großem Ernst hinzu -: Im Interesse der Funktionsfähigkeit unserer parlamentarischen Demokratie sollten wir - auch wenn das politisch reizvoll erscheinen mag - keinen, aber auch gar keinen Zweifel an der vollen Legitimität dieses Parlaments und der sich daraus ergebenden Regierung aufkommen lassen. Alles andere wäre schädlich für die Demokratie.

(Beifall bei CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat die Redezeit um 7 Minuten und 30 Sekunden überschritten. Diese Zeit steht allen Fraktionen zu. Möchte jemand davon Gebrauch machen? - Es meldet sich Herr Abgeordneter Eichstädt von der SPDFraktion.

(Minister Klaus Schlie)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Geschätzter Herr Innenminister! Ich möchte mich auf der einen Seite für diese sachlichen Ausführungen bedanken, die in der Wiedergabe des Rechts sicher richtig waren. Es war sicher auch hilfreich, das noch einmal in Erinnerung zu rufen. Auf der anderen Seite frage ich mich, ob wir, so wie das hier gewichtet worden ist, überhaupt eine Chance haben, eine Wahl bis zum Jahr 2016 durchzuführen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Ich habe da ein bisschen Zweifel.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Ich habe keinen Scherz gemacht. Ich habe das schon ausgewertet, Herr Kubicki. Warten Sie einmal ab.

Ich habe das Gefühl, man kann das Ganze so oder so gewichten. Man kann es schwierig machen oder etwas leichter. Ich nehme gerade einmal Ihre Ausführungen zu der Frage, in welcher Weise man Rücksicht nehmen muss auf die Parteien, die jetzt hier nicht im Parlament sitzen, und auf die, die sich vielleicht noch gründen wollen. Da frage ich mich: In welcher Weise haben Sie darauf eigentlich Rücksicht genommen, als Sie im Jahr 2009 das Parlament aufgelöst haben

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

und es völlig unproblematisch fanden, innerhalb von 70 Tagen das alles zu machen? Das passt irgendwie nicht so ganz zusammen. Wenn man sieht, was diese Regierung in sehr viel kürzerer Zeit alles hinbekommen hat - ein komplettes Chaos in der Schulpolitik, ein Chaos in Lübeck -, dann fragt man sich: Was wollen Sie in der ganzen Zeit, die Sie jetzt bis zum 30. September 2012 noch nutzen wollen, eigentlich machen?

Es gibt überhaupt keine Frage. So kompliziert ist das auch nicht. Meine Fraktion hat die 10 Punkte genannt.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich will das auch gar nicht alles wiederholen. Das ist ja hier vorgetragen worden.

Ich würde ganz gern nur noch einmal auf einen Punkt eingehen. Wir haben mehrere Stellschrauben,

an denen wir drehen können. Die hat uns das Gericht vorgegeben. Die eine ist sicher zumindest formal die Frage der Größe des Parlaments, die in der Verfassung festgelegt ist. Hier scheint Einigkeit zu bestehen, dass man daran nichts ändern kann und will. Wir werden das so lassen.

Die zweite Frage ist die Anzahl der Wahlkreise. Das ist die größte Schraube, mit der man Einfluss nehmen kann, das anstehende Problem zu lösen.

Die dritte Frage ist die Frage des Wahlverfahrens: Einstimmenwahlrecht oder Zweistimmenwahlrecht. Darüber können Sie sich jetzt aufregen. Aber das Verfassungsgericht hat es ausdrücklich als eine Stellschraube genannt und hat zusätzlich noch gesagt: Es kann an mehreren Stellschrauben gedreht werden. Wenn eine Schraube ausgelassen wird, dann wird an einer anderen Schraube stärker gedreht werden müssen. Das heißt, wenn wir auf die Schraube Einstimmenwahlrecht verzichten, wofür es möglicherweise durchaus Gründe gibt, dann bedeutet das, dass wir bei der Anzahl der Wahlkreise eben anders reagieren müssen.

Das Gericht hat eine vierte Stellschraube genannt, nämlich die Frage, wie weit die Größe der Wahlkreise voneinander abweichen kann.

Die Frage nach dem Einstimmenwahlrecht ist deshalb aufgeworfen worden, weil es unstrittig ist, dass Überhangmandate auch deshalb entstanden sind, weil beim Stimmensplitting die Verhältnisse verändert worden sind und nach Aussage der Verfassungsrechtler, die wir im Innenausschuss hatten, mindestens fünf Wahlkreise an die CDU gegangen sind, weil ein starkes Stimmensplitting durch die FDP-Wähler vorgenommen worden ist, was völlig zulässig ist. Aber dadurch sind eben auch zusätzliche Überhangmandate, die ausgeglichen werden mussten, entstanden.

Lassen Sie mich eine letzte Bemerkung machen zu der Frage des Einstimmenwahlrechts. Das Gericht hat auf die Problematik des Einstimmenwahlrechts nicht nur im Zusammenhang mit der Größe des Landtags hingewiesen, sondern es hat darauf hingewiesen, dass im Zusammenhang mit der geforderten Erfolgsgleichheit das Einstimmenwahlrecht schwierig ist, weil, wenn gesplittet wird, die Gefahr besteht, dass die Stimme eines Wählers mehr wert ist als die Stimme eines anderen, je nachdem, welcher Partei er seine Stimme gibt und wie er splittet.

Das Gericht hat gesagt, dass auch die Frage der 25 %, die die Wahlkreise in der Größe voneinander nach oben und nach unten abweichen dürfen, eine Frage der Erfolgsgleichheit ist. Deshalb wer

den wir uns auch damit beschäftigen müssen, weil es eben nicht das Gleiche ist, ob ein Wahlkreis in der Größe 25 % nach oben oder nach unten von der Norm abweicht. In dem einen Wahlkreis braucht man sehr viel weniger Stimmen, um ein Mandant zu erringen, als in einem anderen Wahlkreis.

Daher glaube ich, die Schrauben, an denen wir drehen müssen, liegen relativ klar auf der Hand. Das Problem kann relativ zügig angepackt werden, und man kann auch schnell zu einem Ergebnis kommen.

(Beifall bei der SPD)

Ich finde, statt jetzt zu versuchen, den Termin aus naheliegenden und - zumindest politisch - verständlichen Gründen hinauszuzögern, sollten wir anfangen. Ich sehe kein Argument, das stichhaltig ist und dazu führt, dass man nicht im Jahr 2011 hier eine Wahl durchführen kann.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Das Wort hat nun der Herr Abgeordnete Wolfgang Kubicki.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrter Herr Kollege Eichstädt, Ihre Rede hat sehr gut angefangen, aber bedauerlicherweise das Niveau dann nicht mehr gehalten. Ich will Ihnen auch kurz sagen, warum, nämlich weil es sehr populistisch ist zu sagen: Ihr habt doch damals auch nach der erzwungenen Vertrauensfrage des Ministerpräsidenten in 70 Tagen gewählt. Da gab es ein bestehendes Wahlrecht, und das Prozedere war von Verfassung wegen vorgegeben. Die Fristen stehen in der Verfassung.