Protocol of the Session on July 7, 2010

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 9. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtags. Das Haus ist ordnungsgemäß einberufen und beschlussfähig.

Erkrankt ist Herr Kollege Carsten-Peter Brodersen, dem wir von dieser Stelle aus gute Besserung wünschen.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen eine Aufstellung der im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten übermittelt. Der Ältestenrat hat sich verständigt, die Tagesordnung in der ausgedruckten Reihenfolge mit folgenden Maßgaben zu behandeln: Zu den Tagesordnungspunkten 2 bis 4, 14, 15, 24, 32, 43 sowie 49 ist eine Aussprache nicht geplant. Von der Tagesordnung abgesetzt werden sollen die Tagesordnungspunkte 6 bis 10, 21, 25, 26, 44, 45, 47 und 51. Zur gemeinsamen Beratung vorgesehen sind die Tagesordnungspunkte 5, 11, 22 und 40 Gesetzentwürfe zur Änderung des Schleswig-Holsteinischen Abgeordnetengesetzes sowie des Landesministergesetzes und Anträge zu den Sparplänen der Landesregierung für die Mitglieder der Landesregierung - und die Tagesordnungspunkte 27 und 42 - Anträge zum Ausbau der Jugendfreiwilligendienste und zum Europäischen Jahr der Freiwilligentätigkeit 2011. Wann die weiteren Tagesordnungspunkte voraussichtlich aufgerufen werden, ergibt sich aus der Ihnen vorliegenden Übersicht über die Reihenfolge der Beratungen in der 9. Tagung.

Wir werden jeweils unter Einschluss einer zweistündigen Mittagspause tagen, heute und morgen längstens bis 18 Uhr; am Freitag endet die Sitzung voraussichtlich gegen 16:40 Uhr. - Ich höre keinen Widerspruch, dann werden wir so verfahren.

Auf der Zuschauertribüne begrüße ich Schülerinnen und Schüler sowie deren Lehrkräfte vom MarionDönhoff-Gymnasium. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holstein Landtag!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 48 auf:

Bericht über die finanzielle Situation der schleswig-holsteinischen Kommunen

Bericht der Landesregierung Drucksache 17/664

Ich erteile für die Landesregierung dem Innenminister, Herrn Klaus Schlie, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit Drucksache 17/72 haben Sie Ende letzten Jahres die Landesregierung aufgefordert, einen mündlichen Bericht zur finanziellen Situation der schleswig-holsteinischen Kommunen abzugeben. Ergänzend zu meinen Ausführungen in der Dezember-Tagung des Landtags wurde mit Drucksache 17/194 ein weiterer schriftlicher Bericht gewünscht. Für den Inhalt dieses Berichts wurden konkrete Vorgaben gemacht.

Schwerpunktmäßig sollen die im Haushaltsjahr 2009 entstandenen positiven und negativen freien Finanzspielräume der Gemeinden, Städte und Kreise aufgezeigt werden, und zwar jeweils unterteilt nach acht Kommunalgruppen. Des Weiteren sollen in dem Bericht die Empfänger von 2009 gezahlten Fehlbetragszuweisungen genannt werden, ebenso unterteilt nach acht Kommunalgruppen. Und es wird Zahlenmaterial zu den Einnahmen der Kommunen aus Finanzausgleich und Steuern in den Jahren 2005 bis 2009 sowie zu den Schulden der Gemeinden und Gemeindeverbände, geordnet nach Kreisen und kreisfreien Städten, gewünscht. Wir haben uns genau an diese Vorgaben gehalten,

(Beifall des Abgeordneten Martin Habersaat [SPD])

weil wir immer hoffen, dass die uns seit Langem bekannten Zahlen geordnet nach diesen Gesichtspunkten Ihnen insgesamt einen weiteren Erkenntnisgewinn bringen. Der Ihnen vorliegende Bericht besteht daher in der Hauptsache aus Tabellen mit den erbetenen Zahlen. Ergänzend werden im Textteil Vorbemerkungen zur Erhebung der Daten und Ausführungen zu den tabellarischen Übersichten gemacht. Der Vollständigkeit halber haben wir über die jeweiligen Fragestellungen hinaus einige zusätzliche Zahlen aufgeführt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, da es freie Finanzspielräume nur bei den Kommunen gibt, die nach herkömmlicher Art ihre Haushaltswirtschaft nach den Grundsätzen der kameralen Buchführung führen, haben wir bei den Kommunen, die ihre Haushaltswirtschaft bereits auf das doppische Haushaltsrecht umgestellt haben, in den Tabellen die positiven beziehungsweise negativen Jahresergebnisse ausgewiesen. Weiter haben wir neben den Angaben zu den nach § 16 Finanzausgleichsgesetz vom Innenministerium gewährten Fehlbetragszu

weisungen auch die nach § 18 FAG von den Kreisen 2009 gewährten Fehlbetragszuweisungen ermittelt und in den Tabellen genannt.

Eine Reihe von Kommunen, insbesondere diejenigen, die im vergangenen Jahr doppisch gewirtschaftet haben, haben bis jetzt ihr Jahresergebnis 2009 noch nicht ermitteln können. Um einen Anhaltspunkt für die Finanzsituation dieser Kommunen zu haben, wurden dort die nach den Haushaltsplanungen erwarteten positiven und negativen freien Finanzspielräume beziehungsweise Jahresergebnisse in den Tabellen aufgeführt. Für eine Gesamtbetrachtung der Finanzergebnisse 2009 wurden zusätzlich in Anlage 3 Gesamtsummen zu den einzelnen acht Kommunalgruppen und in Anlage 4 Gesamtsummen für alle Kommunen errechnet und abgebildet. Ebenso wurde am Ende von Anlage 6 eine Tabelle aufgenommen, in der die Gesamtsumme aller 2009 gewährten Fehlbetragszuweisungen genannt wird. Bei der Bewertung der Zahlen zu den freien Finanzspielräumen und Jahresergebnissen ist zu berücksichtigen, dass bei den meisten Kommunen, die ihre Haushaltswirtschaft bereits auf das doppische System umgestellt haben, für 2009 noch keine Ist-Zahlen vorliegen.

(Zuruf von der SPD)

- Ja, manchmal hilft es, wenn man bestimmte Dinge doppelt sagt; das schleift sich ein.

Die Erfahrung der Vergangenheit zeigt, dass die späteren Ist-Zahlen regelmäßig besser als die Planzahlen ausfallen, zumal sich die Kommunen bei ihren Planungen vom Vorsichtsprinzip leiten lassen. Gerade von den großen kommunalen Körperschaften, also den Kreisen und kreisfreien Städten, hat ein erheblicher Anteil bereits 2009 auf die Doppik umgestellt; bei den Kreisen waren es neun von elf und bei den kreisfreien Städten zwei von vier. Ich bitte, dies bei der Betrachtung der in den Tabellen 3 und 4 aufgeführten Gesamtsummen zu berücksichtigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, aus dem vorliegenden Zahlenmaterial wird deutlich, dass das Jahr 2009 bedingt durch die Finanz- und Wirtschaftskrise eine erhebliche Zahl der schleswig-holsteinischen Kommunen in finanzielle Schwierigkeiten gebracht hat beziehungsweise sich die Probleme bei den Kommunen, die bereits zuvor Finanzprobleme aufwiesen, noch erhöht haben. Für die Jahre 2010 und 2011 ist nach der letzen Steuerschätzung mit einem weiteren Rückgang der kommunalen Einnahmen aus Finanzausgleich und Steuern zu rechnen.

Darüber hinaus belasteten Steigerungen der Ausgaben beziehungsweise Aufwendungen in verschiedenen Aufgabenbereichen und allgemeine Kostensteigerungen die kommunalen Haushalte. Es ist daher zu erwarten, dass sich die Finanzprobleme der Kommunen noch weiter verschärfen werden. Um dem zu begegnen, ist eine weitere konsequente Haushaltskonsolidierung der Kommunen unabdingbar. Die Kommunen müssen ihre bereits eingeleiteten Anstrengungen durch Begrenzung des Anstiegs der Ausgaben im Verwaltungshaushalt beziehungsweise der Aufwendungen im Ergebnisplan mit Nachdruck fortsetzen. Ich denke, sie sind auch mit großer Energie dabei. Heute Morgen konnten Sie das von der Landeshauptstadt Kiel nachlesen. Auch der Kreis Rendsburg-Eckernförde ist beispielhaft mit einem auch strukturellen Konzept zu nennen, wie viele andere Kreise, Städte und Kommunen im Lande auch. Ich denke, dass das besonders erwähnenswert ist.

Die Kommunen allerdings, die aufgrund politischer Entscheidungen meinten, diesen Weg der Haushaltskonsolidierung verlassen zu können, müssen zur Haushaltskonsolidierung zurückkehren. Darüber hinaus wird es weiterhin notwendig sein, die Kommunen, die ihren Haushalt nicht aus eigener Kraft ausgleichen können, durch die Gewährung von Fehlbetragszuweisungen zu unterstützen. Voraussetzung ist eine angemessene Dotierung des kommunalen Bedarfsfonds. Die Höhe der Dotierung ab 2011 ist im derzeit gültigen Finanzausgleichsgesetz noch nicht geregelt, sodass in diesem Jahr über eine Gesetzesänderung zu entscheiden sein wird.

(Beifall bei CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, auf der Zuschauertribüne begrüße ich den Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Kiel. - Herzlich willkommen, Torsten Albig!

(Beifall)

Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich dem SPD-Fraktionsvorsitzenden, dem Herrn Oppositionsführer Dr. Ralf Stegner.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zunächst bei den tüchtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des In

(Minister Klaus Schlie)

nenministeriums für die Erstellung dieses Berichts bedanken

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- ja, da sollten Sie applaudieren -, der einen vollständigen und gut lesbaren Überblick über die finanzielle Situation der Kommunen in unserem Land gibt. Die Daten eignen sich natürlich für sehr unterschiedliche Interpretationen, aber ein paar Dinge kann man objektiv doch feststellen, zum Beispiel die Unterschiede in der Finanzausstattung zwischen Zentralen Orten und den sie umgebenden kleinen Gemeinden. Da gibt es viele Unwuchten. 17 Gemeinden des Amtes Preetz-Land, bis auf die Gemeinde Großbarkau, haben freie Finanzspielräume, zum Teil im sechsstelligen Bereich, während der Haushalt der Stadt Preetz seit Jahren defizitär ist und 2009 einen Fehlbetrag in Höhe von 1,1 Millionen € ausweist. Das gleiche Bild im Amt Großer Plöner See mit der Stadt Plön, deren Haushalt in diesem Jahrhundert noch nicht einmal ausgeglichen war, wohingegen 10 der 12 Umlandgemeinden freie Finanzspielräume haben. Die Haushaltslage in Büsum: negative freie Finanzspitze in Höhe von 2,5 Millionen €. Das ist dramatisch. Die umliegenden Orte schreiben alle schwarze Zahlen. Solche Beispiele könnte man für alle Kreise hier anführen.

Bei allen regionalen Unterschieden auch der Wirtschaftskraft - im Hamburger Umland ist es tendenziell ein bisschen besser als im Norden und an der Westküste - ist das insgesamt die Lage, die sich bietet. Natürlich gibt es auch Ausnahmen. Der Haushalt der Stadt Rendsburg weist trotz eines relativ wohlhabenden Umlandes eine freie Finanzspitze in Höhe von 3,2 Millionen € auf - da muss es einen tüchtigen Bürgermeister geben -, wohingegen es zum Beispiel in der Gemeinde Elisabeth-SophienKoog bei gerade mal 47 Einwohnern 10.000 € Miese gibt. Ich weiß gar nicht, ob die dort eine Zweitwohnungssteuer haben. Jedenfalls scheint es so zu sein, dass es da -

(Zurufe)

- Das wissen Sie gar nicht, was bei Ihnen zu Hause los ist, Herr Ministerpräsident. Gucken Sie mal in die Daten Ihres Innenministers! Dort finden Sie das. Aber vielleicht sind Sie ja deswegen in meinen Wahlkreis umgezogen; denn in Schierensee sieht es besser aus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Stadt-Umland-Vergleiche zeigen eine ähnliche Situation. Während sich zum Beispiel die Gemeinde

vertreterinnen und Gemeindevertreter in Bönebüttel im Kreis Plön im Jahr 2009 über eine freie Finanzspitze in Höhe von 111.000 € freuen konnten, mussten ihre Kollegen im benachbarten Neumünster ein Haushaltsloch von 28 Millionen € verkraften. Ähnlich ist es im Kieler Umland. Während der Haushalt der Stadt Lübeck vom Innenminister nicht einmal genehmigt worden ist, weisen die Gemeinden Stockelsdorf und Bad Schwartau Finanzspielräume von mehr als einer Million € aus.

All das zeigt, dass in den Zentralen Orten der Mangel verwaltet wird, politische Spielräume kaum vorhanden sind und in den kleinen Gemeinden Ängste da sind, dass man ihnen die Haushaltsführung entzieht. Das ist keine gute Voraussetzung für gute Zusammenarbeit. Das liegt übrigens nicht daran, dass die Städte nicht mit Geld umgehen könnten. Das kann man ja vom Oberbürgermeister der Stadt Kiel nun wirklich nicht sagen. Es liegt auch nicht daran, dass die Dörfer schuldenfrei sind und mit den Schlüsselzuweisungen goldene Wasserhähne in ihre Feuerwehrgerätehäuser einbauen. Richtig ist vielmehr, dass der kommunale Finanzausgleich in dieser Form nicht mehr funktioniert, dass er Daseinsvorsorge teilweise nicht mehr zulässt und dass mit den sogenannten freiwilligen Leistungen die Lücken gefüllt werden müssen, die entstanden sind. Sportförderung, Jugendarbeit, Weiterbildung, Beratungsstellen, Hilfsangebote, all das geht ohne kommunale Zuschüsse an freie Träger und Vereine nicht mehr. Das ist das Problem, und deswegen ist der Begriff „freiwillige Leistungen“ eigentlich zynisch; der passt gar nicht. Das sind Pflichtleistungen in unserer Gesellschaft, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und was tut die Landesregierung? Hilft sie den Bürgern vor Ort? - Nein. Mit der 180-Grad-Wende bei Schülerbeförderungskosten, bei Kita-Gebühren und an anderer Stelle werden Familien und Kinder besonders belastet, und die Kommunen müssen das ausgleichen.

Nimmt die Landesregierung Rücksicht auf kommunale Planungen? - Auch hier ist die Antwort nein. Mit chaotischer Schulpolitik werden die kommunalen Schulentwicklungspläne über den Haufen geworfen und die Perspektiven gerade im ländlichen Raum nachhaltig ruiniert.

(Beifall bei der SPD)

Trägt die Landesregierung dazu bei, regionale Unwuchten auszugleichen? - Auch hier lautet die Ant

(Dr. Ralf Stegner)

wort nein. Mit den verheerenden Fehlentscheidungen bei Hochschulen und beim UK S-H werden der Lübecker Raum und die Region Flensburg nachhaltig geschädigt.

Ich muss Ihnen sagen: Leider zeigt die heutige Presse, dass viele der Regierung auf den Leim gehen und sich gegeneinander ausspielen lassen, statt gemeinsam gegen die falsche Politik vorzugehen, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Wenn sich Kiel und Lübeck streiten, freut sich die Landesregierung, aber die Bürgerinnen und Bürger haben überhaupt nichts davon, ganz im Gegenteil. Das muss anders werden, und darüber werden wir hier noch zu reden haben.

Hilft denn die Landesregierung wenigstens den Kommunen durch Bürokratieabbau und eine ordentliche Verwaltungsreform, damit Finanzmittel für die Politik frei werden? - Auch hier heißt die Antwort nein. Sie geht den Kindern und Eltern an den Kragen, statt die Kragenämter abzuschaffen. Das ist die Politik dieser Landesregierung.

(Beifall bei der SPD)