Wir brauchen auch und in erster Linie für das Handwerk deutlich steigende öffentliche Investitionen. Wer in der Wirtschaftskrise knausert, wer jetzt spart, der verstärkt die Krise, der erhöht die Anzahl der Insolvenzen. Wir müssen antizyklisch handeln, um dem Handwerk eine Chance zu geben.
Wir brauchen darüber hinaus zum Schutz des Handwerks verschiedene Maßnahmen, zum Beispiel: keine IHK-Beiträge bis zu einem Gewerbeertrag von bis zu 30.000 €, verschärfte Vorschriften für die Auftragsvergabe zugunsten der heimischen Wirtschaft, keine PPP-Projekte - hier wird regelmä
ßig die heimische Wirtschaft ausgegrenzt. Wir brauchen einen ermäßigten Umsatzsteuersatz für Produkte und Dienstleistungen, für Kinder und für arbeitsintensive Dienstleistungen des Handwerks, aber keine Insellösung - und dann auch noch eine schlecht gemachte - für die Hotellerie.
Auch die EU wirft den Handwerksbetrieben regelmäßig Knüppel zwischen die Beine. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Die hier in der letzten Landtagssitzung beschlossene Umsetzung der Bolkestein-Richtlinie und die Notwendigkeit europaweiter Ausschreibung von vielen öffentlichen Aufträgen, die am besten hier vor Ort vom Handwerk erledigt werden könnte.
Erwähnt werden muss hier allerdings leider auch: Es gibt nicht nur gute Handwerksbetriebe. Gerade Betriebe mit Geldproblemen tendieren dazu, Auszubildende oder Praktikantinnen und Praktikanten als billige oder gar kostenlose Arbeitskräfte zu missbrauchen. Hier muss das Land Schleswig-Holstein zusammen mit den Gewerkschaften das Bundesbildungsgesetz durchsetzen, um Missbrauch entgegenzutreten. Gerade junge Menschen trauen es sich oft nicht zu zu rebellieren, wenn ihnen 260 Stunden im Monat mit unbezahlten Überstunden abverlangt werden. Und dann erfolgt vielleicht auch noch der Hinweis, dass alle Opfer zu bringen hätten, wie das hier der Ministerpräsident gesagt hat. Das findet man auch in Handwerksbetrieben in Schleswig-Holstein. Es ist bedeutsam, hier wachsam zu bleiben, damit diese Art schamloser Ausbeutung nicht stilbildend wird
und damit die solide arbeitenden Betriebe sich nicht die Frage stellen müssen, ob sie denn nicht die Dummen sind, wenn sie ihre Auszubildenden nicht genauso schlecht behandeln.
Ein paar Ideen noch zur Verbesserung der Situation des Handwerks im Hier und Jetzt. Schaffen Sie die Ein-Euro-Jobs ab, das sind Jobkiller für Handwerksbetriebe.
Das muss endlich aufhören. Langzeitpraktika sind nach Bundesbildungsgesetz zu entlohnen, und zwar in Höhe der Ausbildungsvergütung des ersten Lehrjahres. Bitte sorgen Sie hier für Klarheit.
Und wir brauchen auch generell eine Wirtschaftspolitik im Land, die bereit ist, regionale Wirtschaftskreisläufe zu initiieren und zu stützen. Investitionen vor Ort helfen den kleinen Betrieben, den Handwerkerinnen und Handwerkern. Dies vermeidet Verkehr und ist ökologisch sinnvoll. Hier muss sich Schleswig-Holstein den dirigistischen Vorgaben aus Europa und aus Berlin entgegenstellen, indem die Gemeinden zum Beispiel Ökobilanzen in Ausschreibungen einfließen lassen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für das Handwerk in Schleswig-Holstein lässt sich glücklicherweise feststellen, dass sich die Wirtschaftskrise nicht so negativ ausgewirkt hat, wie erst zu befürchten war. Zum einen ist das der Verdienst des Handwerks selbst, denn unsere Handwerksbetriebe sind gut aufgestellt. Nur so konnte die Herausforderung überhaupt angenommen werden. Zum anderen hat die Politik flankierende Rettungspakete geschnürt, um die Krise abzufedern Stichwort Konjunkturprogramm. Davon profitiert auch das Handwerk.
Als wenn es aber mit der Wirtschaftskrise nicht schon hart genug ist, hat der außergewöhnlich lang anhaltende Winter die Situation des Handwerks ziemlich erschwert. Hiervon sind insbesondere das Bauhaupt- und das Baunebengewerbe betroffen. Aus diesem Grund wurde an die Politik die Forderung herangetragen, Maßnahmen zu ergreifen, mit denen witterungsbedingte Insolvenzen verhindert werden können. In diesem Zusammenhang spielen unsere Banken eine maßgebliche Rolle, soll heißen, wir können es niemandem erklären, dass wir den Banken auf der einen Seite mit Milliardenkrediten aus der Klemme helfen und diese sich nun bei der Kreditvergabe möglicherweise querstellen beziehungsweise durch veränderte Kreditkonditionen es den Unternehmen schwer machen. Hier sind die Banken gefordert, schließlich wurden diese auch mit öffentlichen Geldern unterstützt.
Im Übrigen ist es hier aber insbesondere auch wichtig, dass die Sparkassen in ihrer jetzigen Ausprägung erhalten bleiben. Wir haben alle Mittel in der Hand, dies zu ermöglichen.
Eine Änderung des Sparkassengesetzes, wie es die Koalition durchdrücken will, richtet sich definitiv gegen die Interessen des Handwerks und im Übrigen auch gegen die Interessen der Sparkassen. Wir sollten dieses also zurückziehen.
Im Zusammenhang mit dem Konjunkturprogramm wurde eines deutlich: Viele gute und sinnvolle Projekte ließen sich nicht durchführen, weil die Kommunen die notwendige Kofinanzierung nicht aufbringen können. Auf der anderen Seite können wir das Geld aber nur einmal zur Verfügung stellen. Auch wenn das Konjunkturprogramm erst in der zweiten Jahreshälfte des letzten Jahres greifen konnte, so wird es sich auch noch in diesem Jahr positiv auswirken. Dies wird so auch von der Handwerkskammer eingeschätzt und natürlich auch begrüßt.
Vonseiten des Handwerks wird deutlich gesagt, dass es keine weiteren Belastungen für die Betriebe geben darf. Daher kommt es darauf an, die Binnennachfrage anzukurbeln. Im Gegensatz zur Handwerkskammer teile ich nicht die Meinung, dass das Wachstumsbeschleunigungsgesetz hierfür ein geeignetes Mittel ist. Um die Binnennachfrage zu steigern, brauchen wir Regelungen, die Billigjobs und Niedriglöhne verbieten. Diese sind kein Ausweg aus der Krise. Sie wirken sich volkswirtschaftlich negativ auf die Binnennachfrage aus und sind kontraproduktiv. Um dem Handwerk und dem Mittelstand auch künftig die faire Chance zu geben, an öffentliche Aufträge zu gelangen, brauchen wir Instrumente, die dies gewährleisten. Aus diesem Grund muss das Tariftreugesetz in Schleswig-Holstein weiter Bestand haben.
Wir müssen den Kommunen die Möglichkeit geben, dass sie die Tariftreue als Kriterium bei Auftragsvergaben anwenden können. Das Land muss hier natürlich mit gutem Beispiel vorangehen. Nur so schaffen wir faire Marktbedingungen.
Wir haben das Tariftreuegesetz im Ausschuss umfassend beraten und eine entsprechende Anhörung durchgeführt. Die Anhörung hat gezeigt, dass gerade auch das Handwerk das Tariftreugesetz schätzt und erhalten will. Wir als SSW haben im Ausschuss daraufhin einen entsprechenden Kompromissvorschlag eingebracht und hoffen nun, dass wir
zu einer schnellen Lösung kommen. Das wäre insbesondere auch im Sinne des Handwerks. Es wäre aber auch im Sinne der Beschäftigten, und das soll uns auch am Herzen liegen.
Ein großes Problem, mit dem das Handwerk bereits seit Jahren zu kämpfen hat, ist, dass das Handwerk bei vielen jungen Menschen an Attraktivität verloren hat. Um den Nachwuchssorgen entgegenzuwirken, wurde vonseiten des Handwerks eine bundesweite Imagekampagne ins Leben gerufen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Kampagne diesen negativen Trend abfangen kann. In diesem Zusammenhang ist es aber erfreulich, dass auch in diesem Jahr das Bündnis für Ausbildung wieder unterzeichnet wurde. Dieses Bündnis von Arbeitgebern, Gewerkschaften und Landesregierung ist eine Initiative, die sich im Handwerk Schleswig-Holsteins seit Jahren bewährt hat. Die Bedeutung des Handwerks für die Ausbildung junger Menschen ist immer noch enorm und kann gar nicht hoch genug gelobt werden. Es ist gerade das Handwerk mit seinen Kleinst- und Mittelbetrieben, das sich für die Ausbildung junger Menschen engagiert und ihnen damit Zukunftsperspektiven gibt. Das sollte man nie vergessen.
Damit dies so bleiben kann, müssen wir die entsprechenden Rahmenbedingungen setzen. Diese sind leicht verfügbare Kredite, eine Stärkung der Binnennachfrage durch faire Löhne, eine zeitnahe Verlängerung des Tariftreuegesetzes und natürlich auch der Erhalt des öffentlich-rechtlichen Sparkassenwesens. Wenn wir das alles zur Verfügung stellen, wenn wir das alles für das Handwerk machen, dann glaube ich, dass dem Handwerk sehr geholfen ist. Dann hat das Handwerk auch weiterhin eine gute Zukunft in unserem Land.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Der Bericht ist zur Kenntnis genommen worden. Es ist kein Antrag gestellt worden. Damit ist der Tagesordnungspunkt erledigt.
Ich eröffne die Aussprache und bitte noch einmal alle Kolleginnen und Kollegen, die Gespräche, die unabänderlich geführt werden müssen, nach draußen zu verlegen und den Rednerinnen und Rednern mehr Aufmerksamkeit zu widmen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Zeiten wie diesen, in denen einerseits Klage erhoben wird, dass unser Schulsystem zu wenig gut ausgebildete Schüler hervorbringt, in denen darüber hinaus die Auszubildenden auszugehen scheinen, in denen, wie es heißt, jeder Kopf mit vielen Kenntnissen und Fähigkeiten gefüllt werden soll, findet Weiterbildung kaum statt. Auch der Versuch der Vorgängerregierung im Bund, Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu ermuntern, zum Beispiel bei Kurzarbeit auf Weiterbildung zu setzen, ging nicht so ganz auf. Das ist eine paradoxe Situation. Einerseits benötigen wir immer mehr qualifizierte Menschen und lebensbegleitendes Lernen. Andererseits nutzen viele Betriebe, Unternehmen und Verwaltungen et cetera die Chancen auf Weiterbildung, die vorhanden sind, kaum.
Das Land Schleswig-Holstein ist 1990 mit dem Bildungsfreistellungs- und Qualifizierungsgesetz zu einem bundesweiten Vorreiter bei der Regelung von Freistellungsansprüchen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für diese Zwecke geworden. Es kann leider nicht verwundern, dass in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise und der damit verbundenen Arbeitsplatzunsicherheit die Neigung, diesen gesetzlich verbürgten Anspruch tatsächlich wahrzunehmen, nicht sehr hoch ist. Nach der Berichterstattung des Landes ist es so, dass lediglich 1 % der Berechtigten diesen Anspruch realisieren.
Dass es auch anders geht, zeigt die Firma Brüggen in Lübeck. Vor Kurzem war im Pressespiegel zu lesen: Brüggen produziert Bildung. Dort geht es darum, die Leistungspotenziale der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu nutzen und langfristig eine breite Basis von Fachkräften zu sichern. Das Qualifizierungsprogramm bildet eine Grundlage für die Beschäftigung in der Lebensmittelindustrie. Es nützt der Firma, aber auch den Mitarbeitern. Wir wissen, dass Arbeitgeber sich in dieser Frage sehr
uneinheitlich verhalten. Manche legen großen Wert auf regelmäßige Fort- und Weiterbildung ihrer Beschäftigten. Für andere ist diese ein lästiger Kostenfaktor, sodass sie ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu verstehen geben, dass Weiterbildungsangebote eine reine Freizeitangelegenheit wären. Auch bei Erwachsenen gilt aber, dass Investitionen in Bildung Investitionen in die Zukunft sind. Im öffentlichen Dienst haben wir in vielen Bereichen nicht nur - und häufig viel zu wenig - Angebote zur Weiterbildung, sondern auch eine institutionalisierte Pflicht, seine beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten regelmäßig zu aktualisieren. Ich erinnere an den Lehrerbereich.
Wir sind uns in diesem Haus immer darin einig gewesen, dass lebenslanges und lebensbegleitendes Lernen sowohl zur persönlichen Weiterbildung als auch zur Verbesserung der Chancen am Arbeitsmarkt unerlässlich ist. Dennoch ist die Erwachsenenbildung nie über ein Mauerblümchendasein hinweggekommen. Sie gehört zwar zu den Säulen Schule, Hochschule, vorschulische Bildung und Erziehung, aber Erwachsenenbildung ist eigentlich keine richtige Säule. Wenn wir das ändern wollen, was zumindest wir wollen, dann ist es Zeit, über diesen Sachverhalt nachzudenken und zu überlegen, wie Anreize geschaffen werden können und wie der rechtliche Status dieser vierten Säule abgesichert werden kann.
Andere Länder sind hier mittlerweile weiter als wir. Wir halten es daher für richtig, einen neuen Anlauf zur Erarbeitung eines Weiterbildungsgesetzes zu unternehmen, nachdem die Überlegungen früherer Landesregierungen nicht über den Status des Weiterbildungskonzepts der Landesregierung hinaus gediehen sind.
Unsere Fraktion hat deshalb den Ihnen vorliegenden Antrag eingebracht, mit dem wir die Landesregierung auffordern, uns den Entwurf eines umfassenden Weiterbildungsgesetzes vorzulegen, der von den Regelungen des Bildungsfreistellungs- und Qualifizierungsgesetzes ausgehend folgenden Zielen dienen soll: Erstens. Die Fort- und Weiterbildung soll als Aufgabe aller staatlichen Ebenen verankert und die Aufgaben der verschiedenen Ebenen sollen voneinander abgegrenzt werden.
Zweitens. Die Anerkennung und Zertifizierung der vielfältigen Fort- und Weiterbildungsträger soll verbindlich geregelt werden.
Drittens. Die Bildung von Weiterbildungsverbünden soll auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden.