Protocol of the Session on June 17, 2010

„Bei einer Staatsquote von 50 % beginnt der Sozialismus.“

(Lachen bei der LINKEN - Zuruf der Abge- ordneten Serpil Midyatli [SPD])

Aber der Staat hat kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabeproblem. Im Jahr 2005 haben die Bürger und die Wirtschaft dem Staat 452 Milliarden € an Steuern überwiesen. Im Jahr 2013 werden es 561,3 Milliarden € sein. Das entspricht einer Steigerung von 24,2 %. In diesem Jahr werden es schon stattliche 511,3 Milliarden € sein. Diese Einnahmerekorde müssen dazu genutzt werden, Schulden zu reduzieren und Gering- und Normalverdiener zu entlasten.

Frau Loedige, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Heinold?

Nein, im Moment noch nicht.

Nur bei einigen wenigen Vorschlägen der Haushaltsstrukturkommission haben die Grünen - unter Vorbehalt allerdings - Zustimmung signalisiert. Das ist sehr löblich. Das reicht aber nicht für die Zielvorgabe, nämlich den in der Verfassung verankerten Abbaupfad einzuhalten. Dort, wo die Grünen erklärtermaßen niemals zustimmen werden, machen sie keine Gegenvorschläge. Dies ist nicht verantwortungsbewusst. Denn wer A sagt, muss auch B sagen. Alles andere ist Populismus.

(Beifall bei der FDP - Zurufe von der SPD)

Höhere Einkommen-, Lohn- oder Mehrwertsteuer helfen nicht weiter. Bereits bei einem Bruttoeinkommen von circa 53.000 € jährlich greift der Spitzensteuersatz von 42 %. 53.000 € sind gerade einmal 1,8 % des Durchschnittseinkommens. Der sogenannte Reiche, der von Ihnen immer wieder genannt wird, ist in Wahrheit die qualifizierte Fachkraft und das Kleinunternehmen. Sollte der Steuersatz weiter erhöht werden, wären gerade diese Menschen davon betroffen. Das können wir doch wohl nicht ernsthaft wollen.

Eine aufkommensneutrale Beseitigung des Mittelstandsbauchs ist nur durch ein Gesamtpaket aus Beseitigung der kalten Progression, einer Vereinfachung der Einkommensteuer durch Abbau der Ausnahmetatbestände und

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- hört schön zu! - eine vorübergehende Erhöhung des Spitzensteuersatzes, also der Proportionalzone 2, wenn Sie wissen, was darunter zu verstehen ist, zu erreichen. Darüber können wir gern diskutieren. Eine Anhebung der sogenannten, wie Sie sagen, Reichensteuer nur zum Zweck - das steht in Ihrem Antrag - der Tilgung der Schulden aus der aktuellen Krise, wie von Ihnen gefordert, lehnen die FDP und die CDU ab. Der Solidaritätszuschlag sollte nicht in den allgemeinen Haushaltstopf wandern. Er sollte seinem ursprünglichen Sinn zugeführt werden, nämlich ausschließlich der Unterstützung finanzschwacher Bundesländer.

Die Forderung nach einer internationalen Finanztransaktionssteuer wird von uns unterstützt. Doch muss eine Umsetzung innerhalb der EU-Staaten erreicht werden.

Selbstverständlich wollen auch die regierungstragenden Fraktionen, dass der Rubel wieder in unsere Staatskasse fließt, und zwar nicht nur durch dubiose Steuer-CDs.

(Zurufe von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Ja, es kommt! Sie sind herzlich eingeladen mitzumachen. Wir haben nämlich eine Änderung des Glücksspielsstaatsvertrags vorgelegt und werden dadurch ab 2010 Mehreinnahmen von mehr als 20 bis 30 Millionen € jährlich haben.

(Beifall bei FDP und CDU - Zuruf Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Noch ein Wort zur Grunderwerbsteuer. Wir sehen da folgendes Problem: Wen trifft denn die Ent

(Katharina Loedige)

scheidung zur Erhöhung der Grunderwerbsteuer? Insbesondere junge Familien, liebe Grünen, die für ihre Kinder ein Häuschen mit Garten anschaffen wollen. Dieser Häuslebauer ärgert sich schon seit Jahren über so eine Steuer. Denn er könnte damit besser beispielsweise eine Solaranlage auf sein Dach setzen.

(Zuruf von der SPD)

Ich komme zum Schluss. Steuererhöhungen sind keine Lösung unseres Problems. Unser Problem liegt auf der Ausgabeseite. Hier müssen wir ansetzen. Die bittere Medizin schmeckt zwar nicht, bewahrt das Land aber vor dem sicheren Tod.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion des SSW erteile ich dem Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zur nachhaltigen Sanierung des Landeshaushalts ist es in der Tat notwendig, sich nicht allein auf die Ausgabeseite zu konzentrieren. Auch der SSW stellt sich den harten Anforderungen für die Einhaltung der Schuldenbremse und den daraus folgenden Konsequenzen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Herzlichen Glückwunsch!)

- Vielen Dank, Herr Kubicki. - Wir haben aber in diesem Zusammenhang bereits mehrfach deutlich gemacht, dass wir hierbei dringend Raum für Prioritäten brauchen. Knallharte undifferenzierte Ausgabenkürzungen allein, wie sie jetzt geschehen sollen, sind unserer Meinung nach ganz sicher nicht der richtige Weg. Denn so werden aus Einsparungen schnell Verwüstungen, die kaum abschätzbare Folgen haben und nicht selten zu irreparablen Schäden führen. Ich will aber eins klarstellen: Eine Politik, die nur das kurz- und mittelfristige Ziel der Haushaltssanierung verfolgt, ohne dabei die Gefahr enormer Folgekosten in den Blick zu nehmen, ist mit uns nicht zu machen.

(Beifall beim SSW)

Aus diesem Grund kann sich der SSW den Forderungen der vorliegenden Grünen-Anträge weitestgehend anschließen. Mit Freude entnehmen wir daher der Presse, dass auch der Ministerpräsident allmählich die Notwendigkeit von Einnahmesteige

rungen erkennt und Steuererhöhungen nicht länger ausschließen will.

Gerade im Bereich der Grunderwerbsteuer muss der Landtag von seinen Kompetenzen Gebrauch machen. Wie wir alle wissen, haben auch andere Länder eine moderate Erhöhung vorgenommen und somit Mehreinnahmen generiert, die unmittelbar dem Land und den Kommunen zufließen. Dies gilt übrigens auch für die Anhebung der Erbschaftssteuer, die außerdem auch zur gerechteren Ausgestaltung des Sparpakets führen würde. Daran, dass diese Einnahmen in der jetzigen Situation SchleswigHolsteins dringend notwendig sind, dürfte kaum jemand ernsthaft zweifeln. Ein Zögern bei diesem Schritt ist daher aus Sicht des SSW schlicht unverantwortlich und führt dazu, dass wir mehr Kredite aufnehmen müssten als nötig. Das ist nicht richtig. Das ist eine Versündigung an unserem Land.

(Beifall beim SSW)

Die Erhöhung der Grunderwerbsteuer allein wird nicht ausreichen. Denn schaut man etwas genauer auf die Empfehlungen der Haushaltsstrukturkommission, wird deutlich, dass nicht nur unverzichtbare Projekte und Maßnahmen im Sozial- und Kulturbereich kaputtgespart werden sollen. Auch durch eine noch so strikte Umsetzung der schmerzhaften und teilweise unzumutbaren Einschnitte werden wir die Anforderungen der Schuldenbremse nicht erfüllen können, jedenfalls nicht mittelfristig.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, seriös gerechnet fehlen dem Land hierfür Einnahmen, die jene zusätzlichen 60 Millionen € aus einer erhöhten Grunderwerbsteuer um ein Vielfaches übersteigen. Wir sehen die Landesregierung deshalb in der Pflicht, auch vor weiteren Schritten zur Einnahmesteigerung wie der Erhöhung der Einkommensteuer nicht zurückzuschrecken. Denn es ist nach Meinung des SSW ganz einfach unverantwortlich, auf die Gerechtigkeitskomponente Steuererhöhung zu verzichten.

Durch das kaum nachvollziehbare Abstimmungsverhalten im Bundesrat bei steuerpolitischen Entscheidungen lastet eine große Schuld auf der schleswig-holsteinischen Landesregierung. Sie muss sich daher schnellstmöglich für die Reduzierung der häufig absurden Ermäßigungen im Bereich der Mehrwertsteuer einsetzen und ihre Fehler korrigieren. Denn diese kosten den Staat bekanntlich rund 20 Milliarden € jährlich. Der Blick auf die Mai-Steuerschätzungen zeigt deutlich, auf welche Summen das Land Schleswig-Holstein und seine Kommunen durch eine Reihe vergangener steuerli

(Katharina Loedige)

cher Regelungen des Bundes verzichten muss. CDU, FDP, aber auch SPD haben diesen in den vergangenen Jahren zugestimmt, ohne dabei eine wirkungsvolle Kompensation für das Land zu verhandeln.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Reduzierung der ermäßigten Mehrwertsteuer auf den ursprünglichen Zweck hätte eine Halbierung der mitunter absurden Ausnahmen und damit zusätzliche Einnahmen für Schleswig-Holstein in einer Größenordnung zwischen 500 und 600 Millionen € zur Folge.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

In Bezug auf die Schuldenbremse wäre das die halbe Miete, lieber Kollege Kubicki. Die halbe Miete bis 2020 könnten wir dadurch einfahren, indem wir Steuern wieder erheben, die wir erheben könnten.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Das müssen wir doch ausnutzen. Sie können doch nicht draußen herumlaufen, den Leuten das Elend verkünden und gleichzeitig hier unterlassen, das Geld einzunehmen, das das Elend verhindert. Das geht doch so nicht!

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer im Bundesrat Steuergeschenke für bestimmte Gruppen verteilt, darf sich in diesen schwierigen Zeiten nicht einfach aus der Verantwortung stehlen, indem er auf die Sparzwänge durch die Schuldenbremse verweist. Es gibt eine Alternative zum Abbau von wichtigen sozialen und bildungspolitischen Leistungen. Die Einnahmeseite muss mitberücksichtigt werden. Wer in dieser Situation an Wahlgeschenke denkt, wie es Herr Minister Wiegard anscheinend gerade vorhat, indem er eine Anhebung der Grunderwerbsteuer in frühestens zwei Jahren erwägt, handelt grob fahrlässig.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Lieber Kollege Kubicki, hören Sie erst einmal zu. - Dieses altbekannte Vorgehen, Steuererhöhungen kurz vor der Wahl vorzunehmen, um dann Geschenke verteilen zu können, darf sich in der heutigen Lage des Landes einfach nicht wiederholen.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Deshalb, lieber Kollege Kubicki, gerade an Sie, müssen wir die Einnahmen verbessern, damit wir jetzt wichtige Strukturen erhalten können. Wenn wir sie nämlich erst einmal zerschlagen haben, sind sie unwiederbringlich kaputt. Das ist eine Aufgabe des Landesparlaments, genau diese Zerstörung der Landesstrukturen zu verhindern. Und dafür brauchen wir mehr Einnahmen.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Finanzminister Rainer Wiegard das Wort.