Protocol of the Session on May 21, 2010

(Beifall bei der LINKEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich zitiere mit Genehmigung:

„Das Wattenmeer ist eines der größten küstennahen und gezeitenabhängigen Feuchtgebiete der Erde.“

Das sagt Walter Hirche, Vorsitzender der UNESCO-Kommission, der übrigens auch als Mitglied der FDP langjähriger Wirtschaftsminister Niedersachsens war. Weiter führt er aus, dass das Wattenmeer ein einzigartiges Ökosystem mit einer besonderen Artenvielfalt sei. Warum sollen wir das nicht richtig schützen?

(Beifall bei der LINKEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es wird nun auch Zeit, danach zu handeln. Beginnen Sie unverzüglich! Auch Ihnen, liebe Abgeordnete der CDU, sollte der Schutz der Heimatregion Ihrer Heimatregion und auch meiner - am Herzen liegen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wofür sollte man auch diese Einzigartigkeit gefährden für 30 Millionen Liter möglichen Öls? - Ich bitte Sie, was ist das? Ich kann es nicht nachvollziehen.

Sollte sich die Landesregierung für die Ölbohrungen im Wattenmeer aussprechen, die über 2011

(Oliver Kumbartzky)

hinausgehen, verschließt die Regierung erneut die Augen vor den Gefahren.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte noch einen kurzen Einschub bringen: Von der CDU und auch von der FDP kamen eben Aussagen wie, es seien 600 Arbeitsplätze in Gefahr. Ich weiß, dass das Weltnaturerbe die Tourismusbranche unterstützt. Wenn wir das jetzt auf ganz Schleswig-Holstein übertragen, sind es 10.000 Arbeitsplätze. Darüber sollten Sie noch einmal nachdenken. Deswegen werden wir den Antrag auf jeden Fall unterstützen, auch wenn es kein neuer ist. Wir hoffen, dass wir damit endlich einen Weg zum Schutz der Natur ebnen können.

(Beifall bei der LINKEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die SSW-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ölpest im Golf von Mexiko hat wieder einmal gezeigt, dass keine Technik und keine Vorschrift hundertprozentige Sicherheit gewährleisten kann. Der Schaden, der jetzt dort entsteht, hat unabsehbare negative Auswirkungen auf die Natur, die Menschen und auch auf die Wirtschaft. Auch wenn die Bohr- und Förderinsel Mittelplate A mit Tiefseebohrinseln nicht vergleichbar ist, so kann niemand für die Mittelplate A eine hundertprozentige Sicherheit gewährleisten. Die gibt es einfach nicht, und darüber müssen wir uns im Klaren sein. Das ist natürlich auch eine Bedrohung für die Natur und auch für die Wirtschaft bei uns an der Westküste.

Das Wattenmeer ist ein hochsensibler, weltweit einzigartiger Lebensraum und ein Ökosystem, das dem Schutz des Nationalparkgesetzes sowie der europäischen Richtlinie NATURA 2000 unterliegt und von der UNESCO zum Weltnaturerbe der Menschheit erklärt wurde. Diese Schutzkategorien sind berechtigt und wurden vom SSW unterstützt. Denn es gilt, diese Einmaligkeit zu schützen und zu bewahren.

Für alle diese Schutzkategorien gilt, dass im Anmeldeverfahren oder im Gesetzgebungsverfahren immer wieder auf den Bestandsschutz der Bohrund Förderinsel hingewiesen wurde. Aus diesem Grund hat die Mittelplate A immer wieder einen Sonderstatus erfahren. Sie ist daher explizit im

Nationalparkgesetz berücksichtigt, und im Anmeldeverfahren zum Weltnaturerbe wurde hierauf besonders Bezug genommen, was von uns als SSW nun wirklich nicht geteilt wurde.

Nach Auffassung des SSW haben Bohr- und Förderinseln nichts im Wattenmeer zu suchen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Erdölförderung im Wattenmeer hat nichts mit traditioneller Nutzung zu tun, aber im Zusammenhang mit dem Nationalparkgesetz war die Ausnahmeregelung damals politisch das einzig Machbare.

Wenn es aber darum geht, dass die Konzession zur Erdölförderung im nächsten Jahr ausläuft, ist die Position des SSW klar und deutlich: Sie darf nicht verlängert werden.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Wir fordern die Landesregierung daher auf, mit RWE Dea den Ausstieg aus der Ölförderung im Wattenmeer dingfest zu machen. Es darf auch keine Hintertür oder Möglichkeit geben, die es dem Konzern ermöglicht, Explorationsbohrungen durchzuführen oder von außen in den Bereich des Wattenmeeres hinein nach Öl zu bohren. Hier gilt es von vornherein alles Machbare zu tun, um zu verhindern, dass von anderer Stelle kilometerweit entfernte Ölfelder im Nationalpark abgepumpt werden.

Nur so können wir das Szenario verhindern, dass, nachdem die Ölquellen unter dem Watt ausgebeutet sind, möglicherweise in einigen Jahren oder Jahrzehnten CO2 aus Kohlekraftwerken dort eingelagert wird. Der Dreck aus Kohlekraftwerken wird so direkt unter einem Nationalpark und Weltnaturerbe gelagert werden. Das widerspräche ebenfalls den Zielen des Nationalparks und des Weltnaturerbes. Das kann nicht Ziel der Landesregierung sein. Ziel muss es vielmehr sein, weitere Bohrungen und auch andere zukünftig möglich erscheinende industrielle Nutzungen unseres Wattenmeers zu verhindern. Die Konzession darf daher nicht verlängert werden, und es dürfen keine weiteren Konzessionen erteilt werden, die den Zielen von nationalen und internationalen Schutzkategorien entgegenstehen.

Aus diesem Grund ist die Forderung nach einer Anpassung des Bundesbergrechts an bestehende FFH-Richtlinien nur logisch, weil sie immer noch fehlt.

(Vereinzelter Beifall bei der LINKEN)

Umweltverträglichkeitsverfahren und ähnliche Genehmigungsverfahren sind deswegen kürzer und

(Ranka Prante)

nicht so intensiv wie alles andere, was sich eben nicht nach Bergrecht richtet. Deshalb muss man diese Regelung ändern, und es stünde der Landesregierung gut zu Gesicht, sich für diese Änderung auch entsprechend stark zu machen.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Derart weitreichende Auswirkungen auf Schutzgebiete durch die Ölförderung dürfen nicht stillschweigend durchgewunken werden, ohne entsprechende Beteiligung der Öffentlichkeit oder der Umweltprüfung.

Daher fasse ich noch einmal zusammen. Erstens. Was jetzt schon rechtlich machtbar ist, muss gemacht werden. Zweitens. Die rechtlichen Grundlagen müssen auf jeden Fall angepasst werden. Drittens. Mit RWE Dea muss jetzt schon umgehend über einen Ausstieg aus der Ölförderung im Wattenmeer verhandelt werden. Das ist der erste Schritt, der auf jeden Fall gemacht werden kann und den man auch auf jeden Fall machen sollte.

Selbstverständlich müssen sämtliche Gesetze auch entsprechend geändert werden. Das sind wir den Menschen an der Westküste schuldig. Man darf nämlich nicht vergessen, dass die Raffinerie in Hemmingstedt zwar 500 Arbeitsplätze hat. Sie werden aber auch erhalten bleiben, weil der Hauptteil des Öls, das dort raffiniert wird, von Schiffen, die in Brunsbüttel oder auch an anderen Stellen anlanden, kommt. Deswegen ist das nicht unbedingt Existenz sichernd. Wenn ich dann noch die letzten 100 Arbeitsplätze der RWE Dea sehe, so bin ich ziemlich sicher, dass dieser Riesenkonzern auch diese Menschen beschäftigen kann. Man muss nur vorher einmal darüber reden, und dann klappt das auch. Wichtiger ist aber tatsächlich unser Nationalpark Wattenmeer und sein Schutz. Unser aller Ziel sollte sein, dass wir die Grundlagen für die Menschen dort vor Ort erhalten. Das sichert und fördert Arbeitsplätze vor Ort im Tourismus und auch im Naturschutz, der inzwischen ein größerer Arbeitgeber an der Westküste ist als die Ölförderung.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Für einen Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Michael von Abercron von der CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über die Risiken und vor allem den Schutz des Wattenmeeres gibt es hier im Haus überhaupt keine verschiedenen Meinungen. Wir müssen alles tun, um das Wattenmeer in seiner derzeitigen Qualität zu halten. Bei der Bewertung des tatsächlichen Risikos sehe ich aber schon Unterschiede. Wir sollten uns einmal einige Gedanken machen, wie wir die tatsächlichen Risiken bewerten. Sie legen sicherlich nicht so sehr in der Mittelplate, sondern bei den beinahe 250 Bohrinseln in der Nordsee. Wir sollten darüber nachdenken, wie wir dort Regelungen internationaler Abkommen finden, um das sicherer zu machen.

(Zuruf der Abgeordneten Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Denn von dort ist die Gefahr weitaus größer, wie wir jetzt gerade an dem aktuellen Fall in Norwegen gemerkt haben, als möglicherweise von der Mittelplate.

Ein zweiter Punkt - der ist auch besonders wichtig ist der Schiffsverkehr. Wir alle kennen den Fall „Pallas“, bei dem nur etwa 30 bis 40 Tonnen eine große Katastrophe ausgelöst haben, die vom damaligen Umweltminister völlig unterschätzt worden ist. Heute fließen allein an einem Tag 70.000 Tonnen Öl vor der Küste der USA aus. Das zeigt, welche Risiken der Schiffsverkehr hat. Es ist deswegen gut gewesen, dass es ein Havariekommando gibt und alles das, was dazu beiträgt, mehr Sicherheit auch im Katastrophenfall zu schaffen, weil dieses Risiko nicht ganz auszuschließen ist.

Ein weiterer wichtiger Punkt, den ich ansprechen möchte, ist - und da teile ich auch Ihren Gedanken ist das Bergrecht. Hier sollten wir uns auch noch einmal im Umwelt- und Agrarausschuss überlegen, wie der Stand auf Bundesebene ist. Denn alle Bemühungen, das bisher auch von Schleswig-Holstein aus zu verändern, sind bisher an den Bedenken der anderen Bundesländer gescheitert. Daher sehe ich hier gemeinsame Ansatzpunkte. Das sollten wir auch tun.

(Beifall bei CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Herrn Kollegen Detlef Matthiessen.

(Lars Harms)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte auf einige Beiträge eingehen. Wir haben von mehreren Rednern gehört, dass im Laufe der vergangenen Betriebsjahre keine Unfallereignisse zu beobachten waren. Das schließt kommende Fehler nicht aus. Man könnte sogar sagen: Wenn ein Fehlereignis innerhalb eines gewissen Zeitraums nicht eintritt, erhöht sich die Fehlerereigniswahrscheinlichkeit sogar. Das ist jetzt aber eine statistische Spitzfindigkeit.

Ich bin Herrn Dr. von Abercron für seinen Beitrag ausgesprochen dankbar. Es ist richtig, dass wir uns mit diesen Gefahrenpotenzialen offensiv auseinandersetzen müssen, und insbesondere, dass wir von Schleswig-Holstein aus darauf einwirken müssen, dass das Bergrecht endlich den Standards der allgemeinen Umweltgesetzgebung mit den allgemeinen Beteiligungsverfahren angepasst wird.

In Richtung FDP bemerke ich: Sie sagten, es gebe eine Genehmigung, die sei auf Dauer erteilt, daher könne man nichts machen. Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass unser Rechtssystem eine Fülle von nachträglichen Befristungsmöglichkeiten hat. Denken Sie nur etwa daran, dass Gefahrenpotenziale erst im Nachhinein, im Laufe der Zeit erkannt werden. Auch dies begründet eine nachträgliche Befristung. Es gibt auch noch andere Dinge. Insofern ist diese Argumentation schlicht falsch.

Was mich vor allen Dingen veranlasst hat, mich zu einem Dreiminutenbeitrag zu melden, war der Beitrag von Herrn Dr. von Boetticher. Ich bin ein Stück verärgert oder entsetzt über das, was Sie gemacht haben. Sie stehen zu einer Zwischenfrage an Herrn Buder auf und sagen, die Ausnahmegenehmigung, die wir mühsam zusammen errungen haben - es gab dazu noch einen Antrag des SSW -

(Zuruf des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Es ist keineswegs so, dass die UNESCO gesagt hat: „Hurra, da ist ein Ölfeld, das funktioniert ja so gut, darum stört es uns nicht und deshalb definieren wir dort so eine Insel“. Das war ja noch vor der Zeit Ihrer unfreiwilligen Atomministerschaft und Sozialministerschaft. Sie waren Umweltminister des Landes. Sie müssten es ganz genau wissen,