Protocol of the Session on May 19, 2010

Sie werden sehen, Sie finden auch einige Ihrer Vorschläge in unserem Konzept wieder. Sie finden sie dort wieder, weil wir nicht alles besser wissen, ob

wohl wir uns bemühen, alles besser zu machen als Sie in der Vergangenheit.

(Beifall bei FDP und CDU)

Es wird auch nicht mehr möglich sein - das muss man wissen; das war der Einwurf des Kollegen von Boetticher vorhin -, Herr Kollege Stegner, dass man einen Lottoschein ausfüllt und auf den Gewinn hofft, aber den Jackpot bereits ausgibt, bevor der Gewinn eingetreten ist. Das bedeutet, wir werden immer wieder daran gemessen werden, ob wir aufgrund unserer eigenen Hoheit und nicht aufgrund von Hoffnungen, dass uns andere in irgendeiner Art und Weise entgegenkommen, unsere Probleme lösen können.

Ich bin guten Mutes, dass es uns gelingen wird, bei den konkreten Haushaltsberatungen - jedenfalls in zentralen Bereichen - einen weitgehenden Konsens zu bekommen. Nichts ist alternativlos, aber die Alternativen müssen benannt und abgestimmt werden. Darum wird sich der politische Streit drehen. Das ist sinnvoller als das, was wir in der Vergangenheit gemacht haben.

(Beifall bei FDP und CDU)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich bin nun seit 18 Jahren Mitglied des Schleswig-Holsteinischen Landtags. Es gab wenig Debattenbeiträge und Abstimmungen, bei denen ich selbst gesagt habe, ich bin stolz darauf, diesem Parlament anzugehören. Das waren die Debattenbeiträge zum Beginn des Kosovokrieges, das waren Debattenbeiträge zum Kampf gegen die Rechtsradikalen, als sie bei uns hier im Parlament saßen - Lothar Hay wird noch wissen, was ich meine -, und es ist der heutige Tag, an dem es dem Landtag von Schleswig-Holstein gelingt, über die bisherigen Konstellationen regierungstragende Fraktionen und Opposition hinweg eine Verfassungsänderung auf den Weg zu bringen, von der ich wirklich überzeugt bin. Sie ist ein Meilenstein, sie verändert die politische Kultur, und sie schafft ein Fundament zur Wiedergewinnung der Glaubwürdigkeit der politischen Klasse.

(Anhaltender Beifall bei FDP und CDU so- wie vereinzelt bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag erteile ich jetzt dem Kollegen Björn Thoroe.

(Wolfgang Kubicki)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche hier als ein Vertreter der jüngeren Generation, als ein Vertreter der Generation, die Sie so gern als Begründung für Ihre Schuldenbremse anführen.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Sie stellen die Zukunft meiner Generation unter einen Finanzierungsvorbehalt.

Was bei dem, was Sie hier beschließen, herauskommen wird, ist doch völlig logisch. Es wird dabei herauskommen, dass Unis und Schulen verfallen; es wird dabei herauskommen, dass Studierende und Schülerinnen und Schüler schlechter betreut werden; es wird passieren, dass Jugendclubs geschlossen werden; es wird passieren, dass Jugendliche auf dem Land nicht mobil sein können, weil nur zweimal am Tag ein Bus fährt. Und Sie verkaufen es als Wohltat - weil Sie ja sparen müssen -, wenn jugendliche Hartz-IV-Empfänger keine eigene Wohnung haben dürfen.

(Zurufe)

Das alles mit der Begründung: Wir sparen für die Zukunft! - Ich sehe das ein bisschen anders. Ich glaube, mit Ihrem heutigen Beschluss kastrieren Sie die Gestaltungsmöglichkeiten von Politik.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie degradieren uns alle zu Sparkommissarinnen und Sparkommissaren. Sie zerstören die Zukunftschancen einer Menge junger Menschen. Da machen wir nicht mit.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn zukünftig Politikerinnen und Politiker der sogenannten Oppositionsparteien über Sparmaßnahmen jammern, dann ist das einfach nur noch zynisch und irgendwie auch nicht mehr ernst zu nehmen. Herr Koch hatte schon recht, als er gesagt hat, dass man nur noch kürzen kann, denn ab nächstem Jahr müssen wir 120 Millionen € weniger Kredite aufnehmen.

(Zuruf von der FDP: 125 Millionen €! - Wei- tere Zurufe von CDU und FDP)

Wer so einen Zukunftsabbau mitmacht, ist entweder zutiefst naiv oder bösartig.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Haben Sie einmal ins Grundgesetz ge- guckt? - Hans-Jörn Arp [CDU]: Der hat noch nicht einmal in einen Spiegel geguckt! - Hei- terkeit)

Warum stimmen Sie einer Schuldenbremse zu, obwohl Sie genau wissen, dass es nicht dazu kommen wird, dass wir Besserverdienende besteuern, obwohl Sie genau wissen, dass wir keine höheren Einnahmen auf Landesebene werden generieren können?

Eine Sache lässt mich allerdings doch noch hoffen. Ich glaube, immer weniger Menschen werden sich von Ihnen hinters Licht führen lassen. Die erste Reaktion junger Menschen haben Sie heute Morgen gesehen, die nächste Reaktion junger Menschen werden Sie am 3. Juni 2010 sehen, wenn Bildungsstreik hier vor dem Landtag ist. Denen können Sie dann erzählen, dass Sie kein Geld für Lehrerinnen und Lehrer haben, weil ja in der Verfassung steht, dass wir keine Kredite mehr aufnehmen dürfen.

Sie alle zusammen verkaufen Ihre Ideologie durchtränkte Abrissbirnenpolitik hier unter dem Deckmantel des barmherzigen Samariters. Sie verkaufen sie als alternativlos.

(Unruhe)

Ich finde dies zutiefst zynisch. Das, was Sie heute beschließen, ist so, als würden Sie heute Hartz V bis Hartz VIII beschließen.

(Lachen bei CDU und FDP)

Alle Leute, die ein bisschen von der Landesregierung abhängig sind, die vom Staat abhängig sind, werden hier über den Tisch gezogen. Hinterher werden Sie - wie bei Hartz IV auch - wieder sagen: Oh, das haben wir nicht gewollt, das haben wir nicht gewusst, wir müssen leichte Korrekturen vornehmen.

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Alle, die Verantwortungsbewusstsein für die Zukunft besitzen, müssen die Schuldenbremse ablehnen. Ich weiß nur leider allzu gut, dass Sie das nicht tun werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Vorsitzenden der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herrn Abgeordneten Dr. Robert Habeck.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nicht verheimlichen, dass wir uns ähnlich wie die LINKEN in unserer Fraktion schwergetan haben. Aber es gibt ein paar Punkte, die Sie offensichtlich nicht hinreichend bedacht haben.

Liebe LINKE, Schulden machen bedeutet Privatisierung. Schulden bedeuten Privatisierung. Denn Sie sehen es ja, nur wenn die Verschuldung abgebaut wird, kann es gelingen, eine stabile öffentliche Infrastruktur aufzubauen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei CDU und FDP)

Das gilt auch im Umkehrschluss, wenn wir das nicht tun. Auch eine Inflation, die dann zwangsläufig kommen wird, bedeutet Privatisierung. Diejenigen, die sich das nicht leisten können, werden dadurch in die Armut getrieben.

Zweitens vergessen Sie - auch ich und meine Fraktion haben große Zweifel daran -, dass die Schuldenbremse - wir haben es ja aufgeführt und aufgeschrieben - so eingehalten werden kann, wie die Rahmenbedingungen jetzt sind. Aber die Voraussetzungen, um neu mit dem Bund zu verhandeln, steigen, wenn man sich auf den Weg der Verhandlung einlässt. Wenn man sich darauf nicht einlässt, wird es nicht gelingen, eine vernünftige Ausgestaltung eines Altschuldenfonds überhaupt auszuhandeln.

Drittens: Das Kriterium für die Kontrolle von Bundestagsbeschlüssen steigt, es steigt für rot-grüne Beschlüsse, es steigt für schwarz-gelbe Beschlüsse. Hätten wir die Schuldenbremse gehabt, wären die von Ihnen beklagten Gesetze nicht durch den Bundesrat gekommen.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es erscheint mir unlogisch, das nicht mit zu betrachten.

Viertens - das finde ich besonders bedauerlich -: Lieber Herr Schippels, Sie haben völlig die Verfassungskonformität mit dem politischen Handlungsweg vermengt. Das ging drunter und drüber. Über

den politischen Weg werden wir viel streiten, und wir werden uns harte Debatten liefern. Aber aus dieser Debattenkultur heraus zu folgern, dass die Verfassung nicht geändert werden darf, scheint mir wirklich ein Hinweis darauf zu sein, dass Sie nicht kapiert haben, um was es geht.

Fünftes, letztes Kriterium: Es gibt ja eine Schuldenbremse. Hätten wir das jetzt nicht getan, hätten wir die Schuldenbremse vom Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland erfüllen müssen. Wir hatten also faktisch die Wahl: Machen wir eine eigene bessere Schuldenbremse, oder akzeptieren wir die schlechtere Schuldenbremse? Sich bei dieser Alternative für die schlechtere Schuldenbremse zu entscheiden, scheint mir auch Ihrer Logik nach nicht verständlich.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Selbstverständlich.

Herr Abgeordneter Habeck, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie gesagt haben, Sie wollen heute einer Verfassungsänderung zustimmen, aber Sie glauben, dass wir ihre Bedingungen in naher Zukunft gar nicht erfüllen können? Sie gehen also davon aus, dass sie dann gleich wieder gebrochen werden muss?

- Wir müssen die Verfassung erfüllen. Ob die Rahmenbedingungen dazu geeignet sind, wird sich zeigen. Wenn die Rahmenbedingungen dafür nicht geeignet sind, müssen wir über andere Rahmenbedingungen, zum Beispiel Steuererhöhungen, in Neuverhandlungen mit dem Bund reden.