Ich fasse zusammen: Um die finanziellen Probleme unseres Landes anzupacken, gibt es ein Bündel von Maßnahmen. Das sind die Ausnutzung zukünftiger Steigerungsraten bei den Steuereinnahmen, die sozialverträgliche Verschlankung der Landesverwaltung, die Modernisierung der Verwaltung und ihrer Abläufe, der Verzicht auf Steuergeschenke auf Bundesebene und die moderate punktuelle Erhöhung von Steuern. All diese Maßnahmen können zu einem Großteil unser Problem lösen. Erst dann kann man nach Auffassung des SSW über mögliche weitere Einsparungen nachdenken. Aber auch hier gilt es, Prioritäten zu setzen.
Wir haben es ja heute mit einer Verfassungsänderung zu tun. Was liegt also näher, als bei der Festlegung von Prioritäten in unsere Verfassung zu schauen? Im Abschnitt I unserer Landesverfassung sind neben den Grundrechten die wichtigsten landespolitischen Ziele genau beschrieben. Unter dem besonderen Schutz unserer Landesverfassung stehen die nationalen Minderheiten und Volksgrup
pen, die pflegebedürftigen Menschen, die Gleichstellung von Frauen und Männern, die Kinder und Jugendlichen, die natürlichen Grundlagen des Lebens, das Schulwesen und die Kultur. An diesen Zielen muss sich die zukünftige Politik in besonderem Maße orientieren.
Mit der Einführung der Schuldenbremse ist somit nicht nur eine Aufforderung zum Sparen verbunden, sondern wir müssen auch über unsere Prioritäten in der Politik nachdenken. Wenn wir unsere Landesverfassung ernst nehmen, dann müssen sich die dort festgeschriebenen besonderen Zielsetzungen gerade in der heutigen Zeit besonders widerspiegeln. Exzessives Kürzen in diesen Bereichen würde unserer Landesverfassung absolut widersprechen.
Sehen wir uns nun die Regelungen, die neben der eigentlichen Schuldenbremse heute zur Abstimmung stehen, im Einzelnen an. Wie vorab schon einmal erwähnt, wollten wir als SSW die Landesregierung eigentlich per Verfassung verpflichten, Gesetzesänderungen auf Bundesebene, die für uns zu Mindereinnahmen führen, nicht zuzustimmen. Leider widerspricht dies den Regelungen im Grundgesetz, sodass wir eine andere Lösung wählen mussten. Jetzt muss die Landesregierung immerhin den Grundsatz der Schuldenbremse bei Entscheidungen auf Bundes- und Europaebene berücksichtigen.
Das ist nach unserer Auffassung die rechtlich maximal mögliche Lösung, die zumindest mittelbar auch zu einer Berichtspflicht der Landesregierung gegenüber dem Landtag in Bezug auf die Entscheidungsprozesse führt. Letztendlich bleibt aber die Forderung nach dem Konnexitätsprinzip auf Bundesebene. Ein solches Konnexitätsprinzip würde gerade auch den Kommunen helfen, die den Entscheidungen auf Bundesebene noch hilfloser ausgeliefert sind als wir.
Wichtig war deshalb auch, dass unsere Schuldenbremse in Schleswig-Holstein eine Formulierung enthält, die den Kommunen eine angemessene Finanzausstattung sichert. Eine solche Formulierung hat ebenfalls Eingang in die Verfassung gefunden. Gleiches gilt für die jährliche Berichtspflicht der Landesregierung gegenüber dem Landtag darüber, wie die Schuldenbremse auch längerfristig umgesetzt werden soll. Hier kommt ein Element des modernen Controllings mit in die Verfassung. Uns
lag besonders daran, dass der Landesrechnungshof zu diesem Bericht jeweils eine Stellungnahme gegenüber dem Landtag abgibt. Auf diese Weise kann man den Abbaupfad kontrollieren und feststellen, ob die Maßnahmen der Landesregierung realistisch zum Ziel führen. Gerade diese Bestimmung wird nach unserer Auffassung dazu führen müssen, dass die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen in den nächsten zehn Jahren auch den Kontakt zur Opposition suchen, um wichtige Strukturentscheidungen gemeinsam umzusetzen.
Es wird im Bereich der Schuldenbremse aber auch Ausnahmen geben. Einmal wird es bei einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung möglich sein, Kredite aufzunehmen. Allerdings müssen diese dann auch in einem festen Zeitraum vollständig getilgt werden. Diese Bestimmung geht im Übrigen weiter als die Regelung auf Bundesebene. Dort darf man 25 % dieser Mittel weiter als Schuld stehen lassen. Zum anderen kann im Fall von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen ebenfalls ein Kredit aufgenommen werden. Auch dieser Kredit müsste aber in einer angemessenen und vorher bestimmten Zeit zurückgezahlt werden. Die Feststellung der entsprechenden Notlagen ist darüber hinaus an eine Zweidrittelmehrheit des Landtags gebunden. Meine Damen und Herren, das ist wichtig, denn dies führt dazu, dass Missbräuchen dieser Regelung vorgebeugt wird. Wir kennen die bisherige Regelung, die immer dazu eingeladen hat, als Landesregierung selbst zu definieren, was eine Abweichung von der Normallage ist. Wir haben gesagt: Dafür braucht man eine Zweidrittelmehrheit des Landtags. Wir meinen, das ist gut so. Auch das ist eine Verbesserung gegenüber der Regelung auf Bundesebene.
Nach Auffassung des SSW ist die Schuldenbremse notwendig, um die politischen Ziele, die wir für die Zukunft formulieren, auch finanzieren zu können. Dabei geht es uns insbesondere um die Aufgaben, die auch in der Landesverfassung ihren Niederschlag gefunden haben. Für uns ist die Schuldenbremse keine Begründung für sozialen Rückschritt, kulturelle Einöde oder Bildungsabbau. Für uns führt die Schuldenbremse zu veränderten Prioritäten in der Landespolitik. Letztendlich wird über politische Prioritäten im Rahmen der Haushaltsberatungen entschieden.
Die in Schleswig-Holstein in Zukunft geltende Schuldenbremse ist das Maximum, was erreicht werden konnte, weil insbesondere der Landtag stark in die Umsetzung dieser Bestimmung eingebunden wird. Die schleswig-holsteinische Schuldenbremse und die Klage gegen die Schuldenbremse, die uns vom Bund aufgezwungen werden sollte, sind auch ein Nachweis für die Eigenständigkeit des Landes Schleswig-Holstein und der deutschen Bundesländer. Insofern gehen wir hier für alle Bundesländer einen Schritt voran.
Abschließend möchte ich noch einmal in Abwandlung eines berühmten Zitats deutlich machen, dass es nicht um radikales und unkontrolliertes Sparen geht, sondern um ein Gesamtkonzept. Deshalb muss die erste Regel der jetzigen und auch der kommenden Landesregierung sein: Frage nicht, was du kaputtsparen kannst, sondern frage, wie du die Einnahmen des Landes verbessern kannst.
Auf der Tribüne darf ich einen weiteren Gast begrüßen, und zwar den ehemaligen Landtagskollegen Günter Neugebauer. - Herzlich willkommen!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich für die Möglichkeit, sprechen zu dürfen. Ich möchte mit einem Zitat aus der Stellungnahme des Landesrechnungshofs zum Gesetzentwurf zur Schuldenbremse beginnen. Herr Dr. Altmann hat folgende und, wie ich meine, treffende Sätze formuliert:
„Eine konkrete Schuldenbremse ist die (letz- te) Chance, das Ruder noch herumzureißen. Für Politiker und Regierungen sind dies schwere Zeiten. Es gibt immer weniger Mittel zu verteilen. Die Standards werden sinken. Das Anspruchsdenken muss heruntergeschraubt werden. Das ist dem Bürger zu erklären. Der Bürger wird dies verstehen. Er selbst hat in vielerlei Hinsicht identische Pro
bleme. Die Einkommen steigen wenig, die Ausgaben dafür umso mehr. Ergo - die Ausgaben werden zwangsläufig der Einkommenslage angepasst. Dies muss auch in öffentlichen Haushalten möglich sein.“
Um nicht weniger geht es bei der Einführung der Schuldenbremse in unsere Landesverfassung. Es geht um die Verantwortung für künftige Generationen. Es geht aber auch um schmerzhafte Botschaften, die der Schuldenbremse folgen müssen und auch folgen werden, wenn es um die Umsetzung geht.
Die Schuldenbremse ist kein politisches Feigenblatt. Sie ist kein Alibi, sie ist eine schlichte Notwendigkeit für die finanzpolitische Überlebensfähigkeit unseres Landes. Als ehemaliger Oppositionsführer möchte ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bei den Oppositionsfraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW bedanken, die wie wir - seit über einem Jahr in diesem Haus diese Fragestellung debattieren. Bei der SPD möchte ich mich dafür bedanken, dass die Zusage aus der letzten Legislaturperiode eingehalten worden ist, an einer vernünftigen Lösung mitzuwirken. Und Bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN möchte ich mich für wirklich konstruktive Vorschläge bedanken, die wir aufgenommen haben. Beim SSW bedanke ich mich für die Unterstützung. Das ist - trotz allen Streits in Einzelpunkten und in der Sache - ein Ausweis der politischen Gestaltungsfähigkeit dieses Parlaments. Ich denke, das muss an einem Tag wie heute betont sein, an dem die Menschen ansonsten daran verzweifelten, wie Politiker gelegentlich miteinander umgehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, einen Beitrag wie den des Kollegen Schippels kann nur jemand leisten, der weder an der Debatte teilgenommen hat noch sich die Anhörungen von Sachverständigen zu Gemüte geführt hat, die sich in dieser Frage geäußert haben. Herr Schippels, ich empfehle, tatsächlich an Ausschusssitzungen teilzunehmen. Dann ersparen Sie uns solche Beiträge.
Es geht mir genauso wie auch dem Kollegen Stegner ganz persönlich darum, dass dieses Parlament sein Selbstverteidigungsrecht vor dem Bundesverfassungsgericht wahrnimmt, um Übergriffe des Bundes in unsere Hoheiten künftig auszuschließen.
Ich bin mir sicher und hoffe, dass das Bundesverfassungsgericht ein eigenständiges Klagerecht eines Landesparlaments gegen Übergriffe des Bundes begründet und darüber hinaus Leitplanken einziehen wird, die festlegen, in welchem Rahmen der Bund künftig überhaupt zulasten der Entscheidungshoheit des Landesparlaments tätig werden kann. Das ist etwas, was nicht nur Schleswig-Holstein angeht. Sie können bei den anderen Bundesländern nachfragen, was alle anderen Landesparlamente in gleicher Weise interessiert. Wir haben auch hier eine Vorreiterfunktion. Die Tatsache, dass wir uns heute einigen, ermöglicht die Fortsetzung des Klageverfahrens.
Herr Kubicki, glauben Sie, dass die heutige Verabschiedung der Schuldenbremse unsere Klageaussichten vor dem Bundesverfassungsgericht gegen diesen Eingriff in das Königsrecht des Parlaments, nämlich des Haushaltsrechts, verbessert?
Damit auch Sie es verstehen, sage ich es ganz einfach. Sie können sich auch wieder setzen. Es verbessert die Klageaussichten deshalb, weil die beklagte Partei, nämlich der Bund, nicht einwenden kann, dass wir die Schuldenbremse beseitigen wollten, um uns der Schuldenregel zu entziehen. So einfach ist das. Ich bin gern bereit, Ihnen das noch näher zu erklären. Es gehört zu meinem juristischen Beruf, immer die Möglichkeiten von Klageaussichten einzuschätzen.
- Herr Kollege Fraktionsvorsitzender von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ich habe bereits an mehreren Verfassungstreitigkeiten teilgenommen und ge
Frau Kollegin Heinold, künftig wird anders als bisher sein, dass wir bei den Haushaltsberatungen nicht mehr - wie es früher bei der Union und auch gelegentlich bei uns, als wir in der Opposition waren, der Fall war - mit allgemeinen Erklärungen, die Vorgaben der Verfassungsgrenze nicht einhalten zu können, argumentieren können, denn wir werden jetzt bei jedem einzelnen Schritt gefragt werden, wie wir die Eckdaten der Schließung des Finanzierungsdeltas tatsächlich konkret einlösen wollen.
Das wird der politische Streit werden. Nicht mehr das Ob, sondern das Wie in jedem Einzelfall wird diskutiert werden müssen.
Frau Kollegin Heinold, bei allem Respekt auch dafür, wie die Opposition mit den regierungstragenden Fraktionen umgeht: Im Oktober letzten Jahres auf der ersten Sitzung haben CDU und FDP - ich weiß es, weil ich das gesagt habe - angekündigt, dass wir uns bemühen wollen, im Rahmen der Haushaltsstrukturkommission ein Gesamtkonzept zu erarbeiten, das wir dann Ende Mai 2010 vorlegen werden. Das hat weder etwas mit der Steuerschätzung zu tun noch mit der Wahl in Nordrhein-Westfalen, sondern der Zeitpunkt ergab sich einfach aus der Notwendigkeit, zunächst zu analysieren, welche Möglichkeiten wir haben, und das dann in einem Konzept zusammenzuführen, auf das wir uns verständigen können.
Ich kann sagen: Seit Mittwochabend liegt es vor. Es wird selbstverständlich als Konzept der Regierung präsentiert werden, die entscheiden wird, was sie damit macht. Es wird selbstverständlich auch dem Parlament präsentiert werden, das entscheiden kann, was es damit macht. Aber selbstverständlich wird das Königsrecht des Parlaments, während der Haushaltsberatungen eine Entscheidung zu treffen, überhaupt nicht angetastet. Wir sind gespannt - der Kollege von Boetticher übrigens auch; unsere Fraktionen auch, die wissen noch gar nichts von ihrem Glück -, wie die Diskussion zu jedem einzelnen Punkt geführt werden wird, um die 125 Millionen € Finanzierungslücke pro Jahr zu schließen. Da sind wir sehr gespannt, und wir sind für alle Vorschläge offen.
Sie werden sehen, Sie finden auch einige Ihrer Vorschläge in unserem Konzept wieder. Sie finden sie dort wieder, weil wir nicht alles besser wissen, ob