Protocol of the Session on October 27, 2009

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir brauchen eine detaillierte Aufarbeitung der Verantwortung des Vorstands für die Omega-Transaktionen genauso, wie wir eine Klärung der politischen Verantwortung für Schnellankaufverfahren, für Niederlassungen in Steueroasen und für die exzessive Inanspruchnahme der Gewährträgerhaftung herbeiführen müssen.

Deswegen ist es für die CDU-Fraktion eine absolute Selbstverständlichkeit, heute den Untersuchungsausschuss nahtlos erneut einzusetzen und eine Erweiterung des Fragenkatalogs um die Themenkomplexe vorzunehmen, die seit Juni dieses Jahres hinzugekommen sind. Darüber hat im Übrigen keine

Landtagsfraktion zu keinem Zeitpunkt Zweifel gelassen, weshalb mir - mit Verlaub, Kollege Weber das Vorpreschen der SPD-Fraktion mit einem eigenen Antrag genauso unverständlich ist wie den ursprünglichen Antragstellern von FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP] - Jürgen Weber [SPD]: Sie haben gar keinen vorgelegt!)

Auch wenn die SPD jetzt nach 22 Jahren wieder auf den harten Bänken der Opposition sitzt und Sie sich mit diesem Eigenantrag vermutlich gleich an die Oppositionsspitze setzen wollen, werden wir Sie nicht aus der Verantwortung Ihrer Regierungszeit entlassen.

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion steht für eine umfassende und ehrliche Aufarbeitung der Vorkommnisse bei der HSH Nordbank.

(Jürgen Weber [SPD]: Da bin ich mal ge- spannt!)

Wir haben immer darauf hingewiesen, dass wir über alle Fraktionsgrenzen hinweg ein gemeinsames Interesse an einer vollständigen Aufklärung haben.

(Zuruf des Abgeordneten Jürgen Weber [SPD])

Allerdings werden wir uns auch nicht an einer Meinungsmache und an einem Kesseltreiben gegen die HSH Nordbank beteiligen. Neben allen berechtigten und notwendigen Aufarbeitungen der Vergangenheit haben wir auch eine Verantwortung für die Zukunft der Bank; für die Zukunft ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und für die Zukunft des dort investierten Landesvermögens. Auch dieser Verantwortung sollten wir uns als Parlament bei der heute konstituierenden Sitzung und auch bei der zukünftigen Arbeit des Untersuchungsausschusses bewusst sein.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Günther Hildebrand [FDP])

Der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki, hat das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die HSH Nordbank hat die Finanz- und Wirtschaftskrise organisatorisch und prozessual nicht

(Tobias Koch)

ausreichend bewältigen können. Dies stellte die HSH Nordbank am 7. September 2009 vor dem Untersuchungsausschuss selbst in der Person des Chefjustiziars fest. Ich werde es so formulieren: Die HSH Nordbank ist mehr als andere Banken erhebliche Risiken eingegangen. Sie hat ein erhebliches Kreditersatzgeschäft aufgebaut und war sehr stark im Bereich von nichtstrategischen Aktivitäten engagiert. Diese Risiken haben sich nun verwirklicht.

Mit 5 Milliarden € Eigenkapital sowie mit 10 Milliarden € an Garantien haben die Steuerzahler von Hamburg und Schleswig-Holstein die HSH Nordbank allein in den Jahren 2008 und 2009 unterstützt, um zu verhindern, dass die BaFin die gesetzlich vorgeschriebenen Schritte zur Schließung der Bank einleitet. Es ist vor diesem Hintergrund wenig beruhigend, dass die Bank bis zum 30. Juni 2009 ein Ergebnis nach Steuern von minus 559 Millionen € erzielt hat. Damit droht auch im Jahr 2009 ein Milliardenverlust. Ich werde nicht behaupten wollen, dass das ein Erfolg ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage Ihnen an dieser Stelle ganz deutlich, dass ich einigermaßen schockiert war, als ich am 15. Oktober im „Handelsblatt“ las, dass weder der SoFFin noch die Bundesregierung das Geschäftsmodell der HSH für mittelfristig nachhaltig und zukunftsfähig halten. Diese Aussage überrascht umso mehr, da SoFFinChef Rehm den Abgeordneten dieses Landtags des letzten Landtags - im Frühjahr dieses Jahres im Finanzausschuss erklärt hat, dass das Konzept der Bank alternativlos sei. Erst auf der Basis dieser Einschätzung, die auf der Prüfung des Konzepts durch den SoFFin beruhte, hat das Parlament durch CDU und SPD dem Rettungspaket für die Bank zugestimmt. Dieser Vorfall zeigt wieder einmal, dass die HSH ganz offensichtlich das Parlament und möglicherweise auch die handelnden Akteure der damaligen Landesregierung in Schleswig-Holstein und Hamburg unzureichend informiert hat.

Die FDP sieht es daher als Pflicht an, dass der Untersuchungsausschuss auch in der neuen Legislaturperiode fortgesetzt und um einige Themenbereiche ergänzt wird. Wir wollen, dass die Verantwortlichkeiten vollständig aufgedeckt werden, und wir wollen, dass die entsprechenden Konsequenzen für die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats gezogen werden, um das möglicherweise schädigende Verhalten entsprechend zu belangen.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage ausdrücklich: Ich freue mich, denn es ist nicht selbstverständlich, dass die drei ehemaligen Oppositionsfraktionen einen gemeinsamen Antrag eingereicht haben. Frau Kollegin Heinold und Herr Kollege Habeck, wir sind ja jetzt Regierungsfraktion. Ich bedauere es sehr, dass Sie es nicht geworden sind. Ich kann erklären, warum die SPD schneller war als wir. Bei euch hat selbstverständlich jemand das UA-Gesetz gelesen und festgestellt, dass der Antragsteller auf jeden Fall den stellvertretenden Vorsitz erhält. Dieser wäre sonst an die Grünen gefallen. Das ist klar. Kollege Weber, wir schlafen auch nicht auf dem Baum.

Auch in den Koalitionsverhandlungen war von Anfang an klar, dass CDU und FDP ein gemeinsames Interesse an der Aufklärung der Fehlentwicklungen bei der HSH-Nordbank haben und darüber hinaus auch sämtliche bis zum September 2009 bekannt gewordenen Sachverhalte mit in den Untersuchungsgegenstand einbeziehen werden. Dies haben FDP und CDU in den Koalitionsvertrag geschrieben, und wir werden dies auch gemeinsam umsetzen. Fest steht: CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und auch die SPD - darauf komme ich noch; ich vermute, auch die Fraktion DIE LINKE, denn in der Hamburgischen Bürgerschaft ist es nicht anders - haben ein großes Interesse daran, in Sachen HSH Nordbank gemeinsame Aufklärungsarbeit zu leisten.

Seit dem 17. Oktober ermittelt die Hamburger Staatsanwaltschaft nicht nur wegen Sorgfaltspflichtverletzungen von Vorständen und Aufsichtsratsmitgliedern und wegen Verletzungen der Vermögensvorsorgepflicht und Beihilfe dazu, sondern auch gegen heutige und frühere Vorstände der HSH wegen des Verdachts der Untreue bezüglich der sogenannten Omega-Geschäfte. Wenn die Staatsanwaltschaft schon untersucht, ob strafbare Handlungen vorliegen, dann hat das Parlament unweigerlich die Aufgabe, die politischen Verantwortlichkeiten zu klären. Lassen Sie mich persönlich an dieser Stelle ganz klar sagen: Wenn die Staatsanwaltschaft namentlich gegen den Vorstandsvorsitzenden der HSH Nordbank wegen des Verdachts der Untreue ermittelt, dann sollte es der Anstand gebieten, dass sich Herr Professor Nonnenmacher freiwillig aus seinem Amt zurückzieht oder es zumindest ruhen lässt, bis die Anklagebehörde entschieden hat, ob sie Anklage erheben wird oder das Verfahren einstellt. Ich sage ausdrücklich: Auch für Herrn Nonnenmacher gilt die Unschuldsvermutung.

(Wolfgang Kubicki)

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Meldungen der vergangenen Wochen lassen den Eindruck entstehen, dass das Schiff HSH Nordbank weiterhin von einem schweren Sturm in den nächsten geworfen wird und eben nicht, wie von Herrn Kopper und von Herrn Nonnenmacher immer wieder beteuert wird, im sicheren Hafen angekommen ist. Seit der Untersuchungsausschuss am 17. Juni das erste Mal getagt hat, sind sowohl die Mitglieder des Ausschusses als auch die Öffentlichkeit auf eine Reihe von Sachfragen gestoßen, die eine Auftragserweiterung notwendig machen. Zu nennen sind hier die 45 Millionen $, die ohne Rechtsanspruch an Goldman Sachs geflossen sind, die undurchsichtigen Bilanzverschönerungsmaßnahmen wie zum Beispiel Omega und die Schnellankaufverfahren, um nur drei Sachverhalte zu nennen. Wir werden diese Punkte aufnehmen und dafür sorgen, dass Fehlleistungen von Vorstand und Aufsichtsrat aufgeklärt werden. Das Parlament und insbesondere die schleswig-holsteinischen Steuerzahler haben ein Recht auf diese Aufklärung, und wir haben hierzu die Pflicht.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt bei der CDU)

Dieser Verantwortung wird sich der SchleswigHolsteinische Landtag insgesamt stellen. Dafür bin ich dankbar.

Kollege Weber, ich will kurz erklären, warum wir dem Ergänzungsantrag der SPD nicht folgen können. Ich glaube, das Parlament übernimmt sich definitiv, wenn es versucht, Steuerungselemente für künftige Entwicklungen einzuführen. Dies gilt vor allen Dingen für Bereiche, in denen wir nur Anteilseigner sind und ansonsten keine weiteren Einwirkungsmöglichkeiten haben. Falls Sie das nicht überzeugt: CDU und FDP haben in den Koalitionsvereinbarungen festgeschrieben, dass wir uns schnellstmöglich von den HSH Nordbank-Anteilen trennen wollen. Schnellstmöglich heißt, möglicherweise schon bevor der Untersuchungsausschuss seine Arbeit beendet hat.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Fürter das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir stehen erst am Beginn der Aufarbeitung der Frage, wie es zu den gravierenden Fehlentwicklungen bei der HSH Nordbank kommen konnte. Bereits heute bringen wir - noch in der konstituierenden Sitzung des Landtags - einen gemeinsamen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ein. Damit wollen wir das Verfahren beschleunigen. Der neue Ausschuss kann damit zeitnah an die wertvolle Arbeit des letzten Ausschusses anknüpfen und sich konstituieren.

Der Antrag wird fraktionsübergreifend eingebracht. Für uns Grüne ist das ein deutliches Signal: Das Interesse an der Aufklärung der Vorgänge bei der HSH Nordbank soll kein Bereich sein, in dem es nur um die Frage der Regierung auf der einen und der Opposition auf der anderen Seite geht. Beide Seiten in diesem Haus haben ein vitales Interesse daran, dass die Vorgänge nachhaltig aufgeklärt werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und vereinzelt bei der CDU)

Die Kapitalhilfen werden die Spielräume der Politik für lange Zeit stark beschränken. Deswegen sind die Konsequenzen aus dem Desaster auch eine Sache des gesamten Parlaments. Für ein Bremsen der Aufklärung, aus welchem Grund auch immer, hätten die Bürgerinnen und Bürger kein Verständnis.

Aufgrund der Entwicklungen der letzten Monate haben wir den ursprünglichen Untersuchungsauftrag um mehrere Fragenkomplexe erweitern müssen. An dieser Stelle will ich beispielhaft nur zwei Punkte herausgreifen: Erstens. Die HSH soll in erheblichem Maße im sogenannten Schnellankaufverfahren Investments getätigt haben. Hochkomplexe Kreditentscheidungsprozesse, die im normalen Geschäftsablauf Wochen oder Monate dauern können, sollen dabei auf wenige Tage verkürzt worden sein. Wir möchten wissen, inwieweit die Mitglieder der Landesregierung im Aufsichtsrat Kenntnis von dieser Geschäftspraktik hatten und was sie unternahmen, um die Interessen des Landes zu schützen. Herr Finanzminister Wiegard, allen voran sind Sie, da Sie in diesen Jahren im Aufsichtsrat, im Risikoausschuss und im Prüfungsausschuss der Bank saßen und eine Stellungnahme zum Schnellankaufverfahren bislang tunlichst vermieden haben.

Gestatten Sie mir an dieser Stelle bei aller Überparteilichkeit in der Antragstellung eine Anmerkung: Ich möchte die FDP ausdrücklich dafür loben, dass

(Wolfgang Kubicki)

sie es durchgesetzt hat, Herrn Wiegard die Zuständigkeit für die HSH zu entziehen, um weiteren Schaden vom Land abzuwenden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass die Regierung aber derselben Person offenbar weiterhin zutraut, die Finanzen des Landes in Ordnung zu bringen, ist schon sehr mutig. Herr Ministerpräsident Carstensen, ich hätte erwartet, dass Sie einen klaren Schnitt machen und Herrn Wiegard als Minister alle Aufgaben entziehen. Die Probleme des Landes sind so groß, dass wir gerade im Finanzministerium nur eines gebrauchen können, nämlich absolute Kompetenz.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ein weiterer neuer Komplex ist das Desaster um die sogenannten Omega-Transaktionen. Wir wollen lückenlos aufklären, ob sich der Vorstand der Bank bei diesem über 500 Millionen € schweren Geschäft tatsächlich über die Warnungen der Risikoexperten hinweggesetzt hat. Hat der Vorstand wirklich versucht, Teile des Geschäfts vor der Aufsichtsbehörde BaFin zu verheimlichen? Inwieweit war der Aufsichtsrat um Finanzminister Wiegard in die waghalsigen Omega-Geschäfte eingeweiht? Das sind Fragen, die wir aufklären wollen. Dann wird sich auch zeigen, ob es zu verantworten war, Herrn Nonnenmacher mit den Stimmen der Landesregierung zum Vorstandvorsitzenden zu berufen, obwohl die Omega-Vorwürfe bereits im Raum standen.

Für meine Fraktion und mit Blick auf den Antrag der SPD-Fraktion möchte ich hinzufügen: Wir werden Ihrem Antrag zustimmen, dass sich der neue Untersuchungsausschuss auch mit der Frage beschäftigt, wie in Zukunft unvertretbare finanzielle Risiken vermieden werden können. Die Bürgerschaft in Hamburg hat diesen Untersuchungsauftrag in den Hamburger Einsetzungsbeschluss mit aufgenommen. Wir wollen, dass sich auch der schleswig-holsteinische Untersuchungsausschuss damit beschäftigt.

Vergossenes Wasser werden wir nicht wieder in den Krug zurückbekommen. Aber so einfach, wie es in Ihrem Koalitionsvertrag steht, ist es natürlich auch nicht. Dort steht, CDU und FDP schließen neue Garantien und Kapitalzuführungen für die HSH Nordbank aus. Aber was waren denn die Gründe, die dazu geführt haben, dass sich die schleswig-holsteinischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in diesem Ausmaß für die HSH Nordbank verbürgen müssen, für ein Umstrukturierungs

konzept - das möchte ich dazu sagen -, das mich bis heute nicht überzeugt hat? Das heißt: Wie können wir aus diesen Fehlern lernen, um in Zukunft das umzusetzen, was Sie in Ihren Koalitionsvertrag hineingeschrieben haben? Das ist doch die eigentliche Frage, die in dem Koalitionsvertrag bis heute nicht beantwortet wurde.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, für uns Grüne kann ich eine konstruktive Zusammenarbeit auch im neuen PUA zusagen. Wir werden mit Ihnen zusammen dafür sorgen, dass der neue Untersuchungsausschuss seinen Auftrag zügig, seriös und erfolgreich erledigt. Dazu werden wir unseren Beitrag leisten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Abgeordneten Schippels das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, es wird Sie nicht sonderlich beunruhigen beziehungsweise überraschen, dass wir als Fraktion DIE LINKE auch für die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses sind. Das haben wir vor der Wahl angekündigt. Um so erstaunter waren beziehungsweise sind wir, dass wir weder von der SPD noch vom SSW, von den Grünen oder von der FDP eingeladen und angesprochen worden sind, ob wir einen gemeinsamen Antrag stellen wollen. Das fanden wir nicht nett.

(Zurufe)